4.10.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 299/24


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Unternehmerinnen – Gezielte Maßnahmen zur Steigerung von Wachstum und Beschäftigung in der EU“ (Initiativstellungnahme)

2012/C 299/05

Berichterstatterin: Madi SHARMA

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 19. Januar 2012, gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

"Unternehmerinnen – Gezielte Maßnahmen zur Steigerung von Wachstum und Beschäftigung in der EU".

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 28. Juni 2012 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 482. Plenartagung am 11./12. Juli 2012 (Sitzung vom 11. Juli) mit 121 gegen 7 Stimmen bei 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen zur Förderung des Unternehmertums von Frauen in Europa

1.1   Diese Stellungnahme umfasst vier konkrete, zentrale Vorschläge für politische Maßnahmen zur Förderung und Entwicklung des Unternehmertums von Frauen, um so zu einem nachhaltigen Wachstum in Europa beizutragen. In der Stellungnahme wird lediglich die unternehmerische Tätigkeit von Frauen und nicht die weiter gefasste Dimension der Vertretung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt oder in den Beschlussfassungsverfahren behandelt.

1.2   Die politischen Empfehlungen sind nicht kostenneutral, doch wird die Rendite aus dem wirtschaftlichen Mehrwert, der aus der Zunahme der von Frauen geführten Unternehmen in der Volkswirtschaft und aus der Schaffung von Arbeitsplätzen in diesen Unternehmen resultieren wird, die von der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten geforderten geringen Investitionen übersteigen. Auch könnten Mittel aus wenig effektiven Projekten zur besseren Unterstützung der Ziele umgewidmet werden.

1.3   Darüber hinaus erfordern die politischen Empfehlungen keine neuen Strukturen, sondern lassen sich in die bestehenden Ministerien für wirtschaftliche Entwicklung integrieren. Sie dürfen jedoch nicht in den Ministerien für Gleichstellungsfragen angesiedelt werden, da das Thema Unternehmertum von Frauen von wirtschaftlicher Bedeutung ist.

1.4   Für den Nutzen dieser Empfehlungen sprechen die Ergebnisse ähnlicher Maßnahmen in den USA, durch die sich die Zahl der Unternehmerinnen verdoppelt hat, mehr Arbeitsplätze geschaffen wurden und der ökonomische Input in die Gesellschaft gestiegen ist. Am wirkungsvollsten war der obligatorische Aspekt der Datenerhebung und der Politik des öffentlichen Auftragswesens (1).

1.5   Einrichtung eines Büros für von Frauen geführte Unternehmen in der EU in der Europäischen Kommission und in den zuständigen Ministerien der Mitgliedstaaten (vorzugsweise nicht in den für Gleichstellungsfragen zuständigen Ministerien, damit zwischen Zuständigkeiten für wirtschaftliche Tätigkeiten und für Gleichstellungsfragen unterschieden wird), ohne dabei komplett neue Strukturen zu schaffen.

1.6   Ernennung eines Direktors/einer Direktorin oder Beauftragten bzw. Hochrangigen Vertreters/Vertreterin für von Frauen geführte Unternehmen in der Europäischen Kommission und in den Wirtschaftsministerien der Mitgliedstaaten, der/die ressortübergreifend über den wirtschaftlichen Nutzen der Ermutigung von mehr Frauen zur Gründung und Weiterentwicklung von Unternehmen informiert.

1.7   Datenerhebung sowie jährliche Aktualisierung der Maßnahmen und Forschungen über die von Frauen geführten Unternehmen in den EU-Regionen, um den Zugang zu geschlechtsspezifischen Daten in den Ministerien und Agenturen zu verbessern.

1.8   Durchsetzung der geltenden Rechtsvorschriften im Bereich der Gleichstellung. Hierbei sollte unter anderem eine geschlechtsspezifische Analyse der Ressourcen- und Mittelzuweisung im Mittelpunkt stehen, die auf Transparenz und Rechenschafts- und Sorgfaltspflicht bei dem Nachweis einer echten Gleichstellung abzielt.

1.9   Ferner sollten bei der Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für Unternehmerinnen folgende Aspekte berücksichtigt werden:

Einbeziehung der Männer in die Debatte und Kommunikation;

Beseitigung von Geschlechterstereotypen, insbesondere in den Bildungs- und Karrierewegen;

Förderung akademischer Studien mit Blick auf etwaige Unternehmensgründungen durch Frauen;

Gewährleistung eines gleichberechtigten Zugangs zu Finanzmitteln und Ressourcen unter gleichen Bedingungen sowie

Verbesserung der sozialen Sicherheit für Selbstständige.

2.   Hintergrund

2.1   Wachstum in der EU und kleine und mittlere Unternehmen (KMU)

2.1.1   In der Entschließung des Europäischen Parlaments über die unternehmerische Tätigkeit von Frauen in kleinen und mittleren Unternehmen (2) wird festgestellt, "dass zwischen den Mitgliedstaaten Unterschiede hinsichtlich der Anzahl der Unternehmerinnen bestehen" und "dass weniger Frauen als Männer eine Unternehmensgründung als realistische Karrieremöglichkeit in Betracht ziehen und in der Europäischen Union trotz der steigenden Zahl weiblicher Führungskräfte in KMU während der letzten zehn Jahre nur eine von zehn Frauen Unternehmerin ist, während bei den Männern jeder Vierte Unternehmer ist; […] dass Frauen etwa 60 % der Hochschulabsolventen ausmachen, bei den Vollzeitarbeitsstellen auf dem Arbeitsmarkt jedoch unterrepräsentiert sind, speziell im Bereich der Wirtschaft; […] dass Frauen unbedingt ermutigt und in die Lage versetzt werden müssen, sich auf unternehmerische Projekte einzulassen, damit die bestehenden Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern verringert werden".

2.1.2   Angesichts der Finanzkrise in Europa wurden Sparmaßnahmen als Allheilmittel für einen Ausweg aus der Krise propagiert, und erst seit kurzem ist davon die Rede, dass sie mit Investitionen einhergehen müssen. Der Hauptschwerpunkt muss nunmehr auf wachstumsfördernden Maßnahmen liegen.

2.1.3   In einer sich verändernden Welt, die von Unsicherheit, kontinuierlichem Wandel und weitaus stärkerem globalen Wettbewerb als früher geprägt ist, ist die Anerkennung der Rolle der Unternehmer bei der Ausrichtung solcher Investitionen auf die Wiederbelebung der Wirtschaft ein zentrales Element für eine wettbewerbsfähige und dynamische europäische Wirtschaft. Nach der Anerkennung der Rolle der KMU in unserer Gesellschaft hat die Europäische Kommission nun einen wesentlichen Schwerpunkt auf die Nutzung der Möglichkeiten von KMU gelegt.

2.1.4   Unternehmer sind noch wichtiger geworden, da sie die Menschen in Lohn und Brot bringen können und ihnen für das Wohlergehen der lokalen und regionalen Gemeinschaften eine zentrale Rolle zukommt (3). Daher hat die EU mit der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung, dem Small Business Act, der Europa-2020-Strategie und dem neuen Programm COSME (4) die Belange von KMU deutlich ins Zentrum ihres Handelns gerückt und damit positive Ergebnisse erzielt.

2.1.5   Die nationalen und lokalen Rahmenbedingungen für die KMU unterscheiden sich innerhalb der EU sehr stark – ganz so wie die einzelnen KMU selbst. Es ist daher unerlässlich, dieser Vielfalt im Rahmen von Maßnahmen für die Belange von KMU vollständig Rechnung zu tragen und das Subsidiaritätsprinzip ausdrücklich zu beachten (Vorfahrt für KMU – A Small Business Act for Europe).

2.1.6   In seiner unlängst verabschiedeten Stellungnahmen zum Thema "Kleine Unternehmen – große Welt: Eine neue Partnerschaft, um KMU zu helfen, ihre Chancen im globalen Kontext zu nutzen" (5) stellt der EWSA fest, dass die Kommission die Gleichstellung von Mann und Frau in der Wirtschaft als gegeben ansieht, jedoch keine spezielle Empfehlung zur Förderung von KMU abgibt, die von Frauen geleitet werden und international ausgerichtet werden sollen.

2.1.7   In Europa fehlt es an Infrastrukturen zur besonderen Förderung der Tätigkeit von Unternehmerinnen. In keiner der oben genannten politischen Maßnahmen, späteren Aktionen und Bestimmungen wurde ausdrücklich anerkannt, dass die Frage des Unternehmertums geschlechtsspezifische Aspekte aufweist; unerwähnt bleiben darin auch die Wachstumsmöglichkeiten und die Vielfalt innerhalb der Wirtschaft (häusliche Unternehmen, Kleinstunternehmen, Betriebe in Familienbesitz).

2.2   Derzeitige Politik für von Frauen geführte Unternehmen

2.2.1   Von Frauen geführte Unternehmen sind für eine gesunde europäische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Seit über einem Jahrzehnt erkennen Regierungen und eine Reihe öffentlicher, privater und universitärer Einrichtungen an, dass die Förderung der von Frauen geführten Unternehmen von großem politischem und praktischem Nutzen ist. Infolgedessen stieg das Bewusstsein dafür, welchen Beitrag diese Unternehmen für die Volkswirtschaft leisten.

2.2.2   Die Europäische Kommission sucht momentan zusammen mit den Mitgliedstaaten nach Möglichkeiten zur Überwindung der Faktoren, die Frauen von einer Unternehmensgründung abhalten, und es wurde eine Reihe von Initiativen auf den Weg gebracht:

Das Europäische Netzwerk für Botschafterinnen des Unternehmertums, das am 15. November 2011 auf einer Veranstaltung des polnischen Ratsvorsitzes ins Leben gerufen wurde. Dieses Netzwerk zählt zu den im Rahmen der SBA-Überprüfung 2011 vorgeschlagenen Maßnahmen und stärkt und ergänzt die Maßnahmen zur Förderung und Unterstützung des Unternehmertums von Frauen.

Das europäische Netzwerk für Entscheidungsträger zur Förderung des Unternehmertums von Frauen (WES).

Das Portal für Unternehmertum von Frauen (6).

3.   Das wirtschaftliche Potenzial

3.1   Trotz ermutigender Fortschritte muss die EU noch weitere umfangreiche Maßnahmen ergreifen, um das gesamte Potenzial der von Frauen geführten Unternehmen – insbesondere KMU – zu nutzen. Allzu oft bleiben Frauen in der Geschäftswelt unsichtbar – in den Medien, in Unternehmerverbänden und auch hinsichtlich der politischen Einflussnahme.

3.2   Beim Unternehmertum besteht nach wie vor ein Missverhältnis zwischen Männern und Frauen mit der Folge, dass es weniger Unternehmerinnen als Unternehmer gibt. Momentan sind in Europa nur 30 % aller Unternehmer weiblich. Auch das ist ungenutztes Potenzial für wirtschaftliches Wachstum.

3.3   Im Jahr 2012 ist die Rolle der von Frauen geführten Unternehmen wichtiger denn je, überall in Europa und in Nachbargebieten wie dem Europa-Mittelmeerraum (7) gibt es in sämtlichen Wirtschaftszweigen Unternehmen mit Frauen an der Spitze, und sie sind in puncto Konjunkturbelebung und Wachstum für die Entwicklung der Volkswirtschaft sowie für die Schaffung und den Erhalt neuer Arbeitsplätze von entscheidender Bedeutung.

3.4   Es ist äußerst besorgniserregend, dass gerade jetzt, da staatliche Hilfen zur Unternehmensförderung in zahlreichen Ländern gekürzt wurden und viele Unternehmen um ihr Überleben und Wachstum kämpfen müssen, Maßnahmen zur Förderung der von Frauen geführten Unternehmen trotz lobenswerter Absichten von der Tagesordnung gestrichen wurden. Betriebe mit Frauen an der Spitze bieten jedoch ein Potenzial im Umfang von mehreren Milliarden Euro (8). Dieses Potenzial gilt es zu erkennen und nicht etwa zu leugnen.

3.5   Eines der größten Probleme bei der Bezifferung der von Frauen geführten Unternehmen in Europa besteht darin, dass es an quantitativen und qualitativen Daten fehlt. Unternehmensregister und vielen Quellen staatlicher Statistiken (einschließlich der MwSt.-Registrierung) enthalten keine geschlechtsspezifischen Angaben. Auch von Banken und Einrichtungen zur Unternehmensförderung sind geschlechtsspezifische Informationen nur schwer zu erhalten.

3.6   Trotz dieser Mängel gibt es verschiedene verlässliche Quellen zum Unternehmertum und zur selbstständigen Erwerbstätigkeit, die über die geschäftliche Tätigkeit von Männern und Frauen informieren. Hierzu zählen unter anderem der Global Entrepreneurship Monitor (GEM) und die jährlichen Bevölkerungserhebungen in den meisten europäischen Ländern (Zensus). Datenerhebungen in den Vereinigten Staaten verdeutlichen die Möglichkeiten für Europa (9).

3.7   Studien zufolge (10) investieren von Frauen geführte Unternehmen mehr in die Weiterbildung ihrer Belegschaft als Unternehmer generell und wollen zwei Drittel die Führungskompetenzen ihrer Manager verbessern. Daher dürfte sich die Förderung wachstumsorientierter Unternehmen mit Frauen an der Spitze stärker auszahlen als die Förderung von Unternehmen allgemein.

3.8   Die meisten Statistiken sind vorsichtige Prognosen, und relevante Studien haben ergeben, dass Unternehmerinnen – auch die Mütter unter ihnen (11) – ein weitaus größeres Wachstum anstreben. Nach Untersuchungen der Natwest Bank im Vereinigten Königreich prognostizieren 88 % der Frauen gegenüber 74 % der Männer ein Wachstum für ihr Unternehmen. Die erwartete Wachstumsrate betrug durchschnittlich 25 %.

4.   Gleichstellung in Unternehmen

4.1   Die EU hat die moralische Pflicht, den Frauen das zu geben, was sie tatsächlich verdienen. Gleichstellung muss stets ein zentrales Thema der Beschlussfassung in der EU sein. In Krisenzeiten wird die "Geschlechtergerechtigkeit" noch wichtiger. Sowohl Frauen als auch Männer müssen sich an der Debatte beteiligen, da Frauenfragen allzu oft nur von Frauen diskutiert werden.

4.2   Eine Politik der durchgängigen Berücksichtigung der Gleichstellung von Frauen und Männern (Gender Mainstreaming), darunter auch Rechtsvorschriften, gibt es bereits EU-weit, doch liegt ihr Schwerpunkt nicht auf einer Analyse der geschlechterspezifischen Ressourcen- und Mittelzuweisung. Eine solche Analyse ist jedoch mit Blick auf die Transparenz sowie die Rechenschafts- und Sorgfaltspflicht beim Nachweis einer echten Gleichstellung notwendig.

4.3   Im Vereinigten Königreich existiert eine "Gender Equality Duty" (Gleichstellungsverpflichtung) genannte rechtliche Verpflichtung (12), wonach sämtliche öffentlichen Behörden bei der Wahrnehmung all ihrer Aufgaben dazu verpflichtet sind:

unrechtmäßige Diskriminierungen und Belästigungen aus Gründen des Geschlechts zu beseitigen;

die Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen zu fördern.

Entsprechend dieser Verpflichtung ist die Ressourcen- und Mittelzuweisung auf ihre Geschlechterneutralität hin zu analysieren.

4.4   Das Konzept der Gleichstellungsverpflichtung ist wichtig für eine Gleichstellung durch die Wahrnehmung von Verantwortung sowie durch die Bewertung der Ressourcenzuweisung und die Erhebung geschlechtsspezifischer Daten. Auf diese Weise könnten die politischen Entscheidungsträger leichter die tatsächlichen Auswirkungen auf das Unternehmertum von Frauen ermessen (Beispiel: Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (ERDF) bzw. aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF): Die EU stellt den Mitgliedstaaten Mittel bereit, die diese wiederum einer regionalen Ebene zuweisen. Diese Mittel werden oftmals für die Schaffung von Arbeitsplätzen durch neue Unternehmen verwendet, doch wird die Geschlechterfrage dabei nie gestellt.) Zur Transparenz bei der Gleichstellung sollten die politischen Entscheidungsträger jeder Ebene die geschlechtsspezifische Verteilung der Gelder überprüfen und analysieren.

4.5   Die Geschlechterfrage kann als Brennglas fungieren, um andere Ungleichheiten (in puncto Rasse, Behinderung oder Alter) zu erkennen und dagegen vorzugehen. Das Gender Mainstreaming kann in Europa nur mit einem umfassenden Konzept gelingen, wie es insbesondere in dem Bericht der OECD "Tackle gender gap to boost growth" (Wachstumsförderung durch Überwindung der Geschlechterkluft) (13) heißt. Die zentrale Berücksichtigung der Geschlechterfrage deckt sämtliche Gleichstellungsaspekte ab und betrifft beide Geschlechter – Männer und Frauen. Durch die zentrale Berücksichtigung der Geschlechterfrage wird anerkannt, dass Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen die Folge von Ungerechtigkeiten oder Stereotypen sind, die jeden betreffen.

4.6   Es bedarf einer geschlechtsspezifischen Analyse, um Ressourcenverschwendung in der allgemeinen und beruflichen Bildung, höhere Krankenstände, wirtschaftliche Kosten für Unternehmen, in denen die Fähigkeiten von Frauen nicht entsprechend geschätzt und ihre Möglichkeiten und Talente nicht anerkannt werden, zu vermeiden. Außerdem ist die Unterstützung bei der Karriereplanung, die Überwindung von Stereotypen und die Beseitigung der gläsernen Decke eine wesentliche Voraussetzung zur Stärkung der Selbstbestimmung von Frauen jeden Alters. Darüber hinaus müssen weibliche Vorbilder und Führungskräfte stärker in den Medien und in der Gesellschaft präsent sein, um zu zeigen, dass Frauen die Wirtschaft positiv verändern.

5.   Empfehlungen

5.1   Politische Maßnahmen

5.1.1   Der EWSA erkennt an, dass in Europa momentan Spaßmaßnahmen ergriffen werden, doch könnten einfache gezielte Maßnahmen für von Frauen geführte Unternehmen den kleinen Beitrag, den die EU und die Mitgliedstaaten zur Umsetzung dieser vier Vorschläge leisten müssten, mehr als aufwiegen.

5.1.2   Diese Vorschläge wurden nicht willkürlich ausgewählt, sondern sind das Ergebnis von Konsultationen mit Unternehmerinnen und Wirtschaftsverbänden. Ähnliche Empfehlungen wurden in der Entschließung des Europäischen Parlaments (14) ausgesprochen. Besonders wichtig ist, dass ähnliche Maßnahmen in den Vereinigten Staaten durch den Women's Business Ownership Act (1988) eingeführt wurden. Am wirkungsvollsten war hierbei der obligatorische Aspekt der Datenerhebung und des öffentlichen Auftragswesens. In den Vereinigten Staaten liegt das Verhältnis von Unternehmerinnen zu Unternehmern jetzt bei 2:1 (der Anteil der Frauen unter den Unternehmensinhabern in den Vereinigten Staaten ist zwischen 1992 und 2002 von 26 auf 57 % gestiegen). Folglich hat sich die Zahl der Unternehmerinnen verdoppelt, wurden mehr Arbeitsplätze geschaffen und der ökonomische Input in die Gesellschaft ist gestiegen.

5.1.3   Vorschläge:

5.1.3.1

Einrichtung eines Büros für von Frauen geführte Unternehmen in der EU in der Europäischen Kommission und in den zuständigen Ministerien der Mitgliedstaaten. Es sollte vorzugsweise nicht in den für Gleichstellungsfragen zuständigen Ministerien angesiedelt sein, damit klar zwischen Zuständigkeiten für wirtschaftliche Tätigkeiten und für Gleichstellungsfragen unterschieden wird. Dieses Büro muss ein verlässliches Mandat mit Zielen und Ressourcen haben. Momentan gibt es unter den 900 Mitarbeitern der GD Unternehmen nur eine einzige Person, die sich mit dem Unternehmertum von Frauen in Europa befasst!

5.1.3.2

Ernennung eines Direktors/einer Direktorin oder Beauftragten bzw. Hochrangigen Vertreters/Vertreterin für von Frauen geführte Unternehmen in der Europäischen Kommission und in den Wirtschaftsministerien der Mitgliedstaaten, die/der ressortübergreifend über den wirtschaftlichen Nutzen der Ermutigung von mehr Frauen zur Gründung und Weiterentwicklung von Unternehmen informieren soll. Diese Posten sollten zeitlich befristet sein (zwischen vier und zehn Jahren je nach der Wirtschaft und der Finanzierungsstruktur) und einen präzisen Aufgabenbereich mit konkreten Zielen und Verantwortlichkeiten haben. Der Direktor/Die Direktorin oder Beauftragte bzw. Hochrangige Vertreter/Vertreterin für von Frauen geführte Unternehmen könnte auch für die Förderung berufspraktischer und akademischer Ausbildungswege zuständig sein, die das Unternehmertum von Frauen steigern, wie etwa Forschung, Wissenschaft, High-Tech, Direktverkauf und Online-/IT-Entwicklung.

5.1.3.3

Erhebung relevanter Daten zur Messung und Quantifizierung der Mittelzuweisung für Unternehmerinnen – ein zentraler Grund für die Diskriminierung von Frauen in der Geschäftswelt und insbesondere während der Unternehmensgründung. Unterstützung für die jährliche Aktualisierung der Maßnahmen und Forschungen über von Frauen geführte Unternehmen in den EU-Regionen. Verstärkte Erhebung geschlechtsspezifischer Daten und besserer Zugang zu solchen Daten in den Ministerien und Agenturen. Die GD Unternehmen und in den Mitgliedstaaten die Ministerien für wirtschaftliche Entwicklung müssen eine Bewertung geschlechtsspezifischer Auswirkungen durch die Erhebung entsprechender Daten vornehmen – auch über die Anzahl der Unternehmerinnen sowie der von Frauen geführten Betriebe und der Beschäftigten in diesen Unternehmen, die Mittelzuweisung an diese Betriebe und Unternehmerinnen. Es ist wichtig zu erkennen, dass Länder wie Australien, Kanada und die Vereinigten Staaten die Anzahl der Unternehmerinnen durch die Erhebung und Auswertung solcher Daten erfolgreich steigern konnten.

5.1.3.4

Durchsetzung der geltenden Rechtsvorschriften im Bereich der Gleichstellung. Aktuellen Zahlen zufolge hat die Arbeitslosenrate von Frauen in Europa den höchsten Stand der letzten 23 Jahr erreicht. Die Arbeitslosenrate junger Menschen – darunter zahlreicher Hochschulabsolventinnen – ist ebenfalls auf Rekordhöhen geklettert. Die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen sind eine Tatsache, außerdem sind Frauen in den Beschlussfassungsverfahren in ganz Europa unterrepräsentiert. Die EU und die Mitgliedstaaten müssen ihre Gleichstellungspflicht erfüllen, indem sie geschlechtsspezifische Informationen, insbesondere über die Datenerhebung und Mittelzuweisung, bereitstellen.

5.2   Maßnahmen der Zivilgesellschaft

5.2.1   Vorschläge:

5.2.1.1

Da sämtliche Maßnahmen zur Förderung des Unternehmertums von Frauen und der von Frauen geführten Unternehmen der gesamten Gesellschaft und Wirtschaft zugutekommen, müssen Männer angeregt werden, an dieser Debatte teilzunehmen und den Mehrwert der Förderung von Unternehmerinnen anerkennen. Die einschlägigen Kommunikationsmaßnahmen, Netzwerke und Fortbildungen sollten sich an beide Geschlechter richten, und die soziale Sicherheit sollte auch die Gleichbehandlung aller Mitglieder der Gesellschaft gewährleisten.

5.2.1.2

Es sollte garantiert sein, dass jeder als Unternehmer tätig werden kann, indem geschlechtsspezifischen Stereotypen in Bezug auf Unternehmer auf sämtlichen Bildungsebenen entgegengewirkt wird und indem die Sprache und Begriffe zur Beschreibung von Unternehmern gesteuert werden. Zugleich muss dafür gesorgt sein, dass die derzeitige Unterstützung für Unternehmer durch Hochschulen und Einrichtungen der weiterführenden Bildung für junge Frauen attraktiv und nützlich ist und so die Kluft zwischen der Anzahl junger Unternehmensgründer und junger Unternehmensgründerinnen überwunden wird.

5.2.1.3

Traditionelle und nicht traditionelle Laufbahnen für Frauen jeden Alters sollten geschlechtsneutral gefördert werden. Es gibt in Europa viele hochqualifizierte Frauen mit Bildungsabschlüssen, von denen viele momentan infolge der Krise arbeitslos sind und die die Gründung eines eigenen Unternehmens womöglich noch nicht erwogen haben.

5.2.1.4

Es sollten Zentren für Unternehmerinnen eingerichtet werden, die wichtige Geschäftsinformationen, Netzwerke, Wissensaustausch, Bildungsmaßnahmen und Mentoring anbieten. Solche Zentren fehlen in einigen EU-Ländern, während sie in der EU insgesamt in Unternehmensverbänden und Handelskammern angesiedelt und mit unzureichenden Mitteln ausgestattet sind. Mit genügend Ressourcen können diese Zentren bei der Förderung des Unternehmertums von Frauen jedoch äußerst effektiv sein. In Deutschland gibt es zahlreiche Beispiele für vorbildliche Verfahren.

5.2.1.5

Frauen, die ihre eigene Firma gründen oder ihre Forschungsarbeiten und Innovationen weiterentwickeln möchten, muss Unterstützung und der Zugang zu Informationen, Geldern und Ressourcen in Forschung, Wissenschaft und Technik garantiert werden.

5.2.1.6

Es ist dafür zu sorgen, dass die Finanzinstitute die Bereitstellung von geschlechtsspezifischen Informationen über die Kreditvergabe überprüfen. Studien zufolge erhalten Frauen selten Kredite und oftmals zu höheren Zinsen als Männer (15).

5.2.1.7

Die Bestimmungen zur sozialen Sicherheit für alle Unternehmer, aber insbesondere deren praktische Aspekte für Unternehmerinnen in der Schwangerschaft sowie als Mütter und als Betreuerinnen von Familienmitgliedern müssen überarbeitet werden. In dem Aktionsplan der Kommission "Europäische Agenda für unternehmerische Initiative" (16) wird die Verbesserung der sozialen Sicherheitssysteme gefordert, doch gehen die entsprechenden Vorschläge nicht weit genug.

5.2.1.8

Es sollte eine EU-weit geltende Vereinbarung über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erarbeitet und umgesetzt werden, um die Verantwortlichen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks der Mitgliedstaaten zu festen Zielvorgaben über ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in der Medienberichterstattung über das Unternehmertum anzuhalten: Frauen müssen von den Frauenseiten in den Wirtschaftsteil gelangen! Studien zufolge hat die Medienberichterstattung einen erheblichen positiven Einfluss darauf, wie Unternehmerinnen wahrgenommen und behandelt werden. Eine verstärkte Medienberichterstattung über erfolgreiche Unternehmerinnen als Vorbilder hätte messbare Auswirkungen auf die Einstellung der Gesellschaft gegenüber dem Unternehmertum von Frauen.

Brüssel, den 11. Juli 2012

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  1988: Women’s Business Ownership Act (HR5050) http://www.nwbc.gov/sites/default/files/nwbc05.pdf.

(2)  (2010/2275(INI)).

(3)  Stellungnahme des EWSA zum Thema "Beschäftigungsfähigkeit und Unternehmergeist – die Rolle der Zivilgesellschaft, der Sozialpartner und der regionalen und lokalen Einrichtungen unter Berücksichtigung des Gender Mainstreamings" (ABl. C 256 vom 27.10.2007, S. 114).

(4)  Programm für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und KMU (COSME) 2014-2020.

(5)  COM(2011) 702 final.

(6)  Siehe auch: http://ec.europa.eu/enterprise/policies/sme/promoting-entrepreneurship/women/portal/.

(7)  Stellungnahme des EWSA zur "Förderung des Unternehmergeistes der Frauen im Europa-Mittelmeerraum" (ABl. C 256 vom 27.10.2007).

(8)  Siehe auch: www.wescotland.co.uk/wepg.

(9)  http://womeninbusiness.about.com/od/wibtrendsandstatistics/a/statswibindustr.htm.

(10)  http://www.bis.gov.uk/assets/biscore/enterprise/docs/b/11-1078-bis-small-business-survey-2010-women-led-businesses-boost.pdf.

(11)  http://www.enterprising-women.org/static/ew_growthreport.pdf.

(12)  http://freedownload.is/doc/overview-of-the-gender-equality-duty-11622854.html.

(13)  http://www.oecd.org/document/0,3746,fr_21571361_44315115_50401407_1_1_1_1,00.html.

(14)  (2010/2275(INI)).

(15)  Siehe beispielsweise "Women and banks – Are female customers facing discrimination?" (Frauen und Banken – Werden Kundinnen diskriminiert?), IPPR-Bericht, November 2011, in: http://www.wireuk.org/uploads/files/women-banks_Nov2011_8186.pdf; "Women’s business ownership: a review of the academic, popular and internet literature" (Unternehmerische Tätigkeit von Frauen: Ein Überblick über die akademische, populärwissenschaftliche und Internet-Literatur), in: http://www.bis.gov.uk/files/file38362.pdf.

(16)  COM(2004) 70 final.