52012DC0686

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Zweiter Halbjahresbericht über das Funktionieren des Schengen-Raums1. Mai 2012 - 31. Oktober 2012 /* COM/2012/0686 final */


BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Zweiter Halbjahresbericht über das Funktionieren des Schengen-Raums 1. Mai 2012 - 31. Oktober 2012

1.           Einleitung

Wie von der Kommission am 16. September 2011 in ihrer Mitteilung über eine bessere Steuerung des Schengen-Systems[1] angekündigt und am 8. März 2012 vom Gemischten Ausschuss des Rates Justiz und Inneres befürwortet, hat die Kommission am 16. Mai 2012 ihren ersten Halbjahresbericht an das Europäische Parlament und den Rat über das Funktionieren des Schengen-Raums[2] angenommen. Anschließend wurde der Bericht auf der Tagung des Rates am 7. Juni 2012 und bei der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments am 4. Juli 2012 diskutiert. Dieser zweite Bericht deckt den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Oktober 2012 ab.

2.           Lagebild

2.1.        Lage an den Außengrenzen des Schengen-Raums

Im Zeitraum April - Juni 2012 wurden ungefähr 23 000 irreguläre Grenzübertritte registriert, die aus gemischten Migrationsströmen bestanden. Das entspricht innerhalb der EU einem Rückgang von 44 % gegenüber demselben Zeitraum im Vorjahr, mitten im Arabischen Frühling. Griechenland gab dagegen einen Anstieg von 29 % gegenüber dem Vorjahr an. Die meisten aller Aufgriffe (56 %) erfolgten an der Landgrenze zwischen Griechenland und der Türkei, so dass dieser Grenzabschnitt der Brennpunkt für die irreguläre Migration in die EU bleibt. Am häufigsten wurden an diesem Grenzabschnitt afghanische Staatsangehörige aufgegriffen, gefolgt von Bangladeschern und Syrern. [3]

Nachdem Griechenland jedoch im August 2012 die Operation „Shield“ gestartet hat, bei der ungefähr 1 800 Grenzbeamte an die Landgrenze zwischen Griechenland und der Türkei verlagert wurden, folgte auf den starken Anstieg bei den erfassten irregulären Grenzübertritten ein deutlicher Rückgang. Bislang haben die griechischen Behörden einen substanziellen Rückgang der Zahl der Festnahmen in der Region Evros gemeldet.

Nach der Verschlechterung der humanitären Situation und der Sicherheitslage in Syrien wurden deutlich mehr irreguläre Grenzübertritte durch Syrer sowie irreguläre Aufenthalte, hauptsächlich in Griechenland, registriert. Syrer nehmen außerdem unter denjenigen, die internationalen Schutz beantragen, die zweite Stelle ein. Sie beantragen diesen meistens in Schweden oder Deutschland, wo syrischen Staatsangehörigen, die Asyl beantragen, Schutz zuerkannt wird. Jede weitere Verschlechterung der Situation in Syrien dürfte die Zahl der Personen, die in den Nachbarstaaten und möglicherweise in den EU-Mitgliedstaaten Zuflucht suchen, weiter in die Höhe treiben.[4]

2.2.        Lage im Schengen-Raum

Obwohl Griechenland derzeit das Haupteinreiseland für irreguläre Migranten ist, ist es für die Mehrzahl der Migranten eher Transit- als Zielland. Die Sekundärbewegungen zeigen sich an den irregulären Grenzübertritten, die an den Landgrenzen der westlichen Balkanländer, den Seegrenzen Italiens und bei Flügen von griechischen Flughäfen zu vielen großen EU-Flughäfen registriert werden[5].

Die jüngste Initiative zur Sammlung von Informationen über die Migrationsströme innerhalb des EU-Schengen-Raums, die Operation Balder, wurde vom 16. bis 22. April 2012 in 24 Mitgliedstaaten[6] sowie in Norwegen und der Schweiz durchgeführt. Die Operation zielte darauf ab, verschiedene Erkenntnisse über Migrationsströme in den Mitgliedstaaten zu gewinnen, vor allem zum Migrationsdruck in verschiedenen Ländern, zu den Hauptrouten irregulärer Migrationsströme, zu den wichtigsten Zielländern, den Herkunftsländern und den Aufgriffsorten irregulärer Migranten sowie zu den benutzten Transportmitteln.

Laut Angaben der teilnehmenden Mitgliedstaaten, die von der dänischen Nationalpolizei ausgewertet[7] und im Juni 2012 weitergeleitet wurden, sind in dieser Woche 2 396 Drittstaatsangehörige aus 115 verschiedenen Ländern aufgegriffen worden. Die meisten illegalen Migranten im Schengen-Raum wurden in Deutschland (520 Personen), Spanien (369 Personen) und Österreich (178 Personen) registriert. Die wichtigsten Einreiseländer in die EU waren Spanien (207 Personen) und Griechenland (180 Personen). Die wichtigsten Zielländer waren Spanien (341 Personen), Deutschland (281 Personen) und Österreich (175 Personen).

Auch wenn auf diese Weise einige wertvolle Grundinformationen gewonnen werden, können derartige Operationen nur ein recht unvollständiges Bild vermitteln, da die Zahlen lediglich ein paar Wochen im Jahr betreffen und da sich nicht alle Mitgliedstaaten beteiligen. Wie die Kommission in ihrem ersten Halbjahresbericht über das Funktionieren des Schengen-Raums und der Gemischte Ausschuss des Rates Justiz und Inneres am 7. Juni 2012 feststellten, besteht deshalb Bedarf an einer verbesserten Datenerhebung und Analyse der irregulären Migrationsströme innerhalb der EU. Da die Mitgliedstaaten hierin eine Aufgabe für die Kommission sahen unter größtmöglicher Einbindung bestehender Strukturen, luden Kommission und Frontex die Mitgliedstaaten am 2. Oktober 2012 zu einem Expertentreffen ein, um zu erörtern, wie ein genaueres Bild von der Situation gezeichnet werden könne. Die Mitgliedstaaten bekräftigten dabei die Notwendigkeit einer regelmäßigen Erhebung und Analyse der Daten, äußerten aber gleichzeitig Bedenken infolge der zusätzlichen Arbeitsbelastung und der Verwendung der Analysen. Derzeit beraten die Kommission und Frontex über die beste Vorgehensweise.

3.           Anwendung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands

3.1.        Vorübergehende Wiedereinführung der Kontrollen an den Binnengrenzen in Einzelfällen

Gemäß Artikel 23 des Schengener Grenzkodex[8] kann ein Mitgliedstaat bei einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit ausnahmsweise an seinen Binnengrenzen wieder Grenzkontrollen einführen. Im Zeitraum 1. Mai bis 31.Oktober 2012 wurde von diesem Instrument zweimal Gebrauch gemacht.

Zuerst teilte Spanien der Kommission am 20. April 2012  mit, dass im Rahmen des Gipfeltreffens der Europäischen Zentralbank in Barcelona vom 2. - 4. Mai 2012 die Kontrollen an der Landgrenze zu Frankreich und auf den beiden Flughäfen Barcelona und Gerona vom 28. April bis 4. Mai wieder aufgenommen würden. Während dieser Woche hat Spanien bei 669 385 Personen Grenzkontrollen durchgeführt. 68 von ihnen wurde die Einreise verweigert, entweder aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit oder weil sie keine gültigen Reisedokumente mit sich führten[9].

Sodann unterrichtete Polen die Kommission am 4. Mai 2012, dass im Zusammenhang mit der Fußball-Europameisterschaft Euro 2012 vom 8. Juni bis 1. Juli 2012 die Kontrollen an den Binnengrenzen vom 4. Juni bis 1. Juli wieder aufgenommen würden. Während dieses Zeitraums wurden 28 980 Personen überprüft. 22 Personen wurde die Einreise verweigert und 15 wurden festgenommen[10].

3.2.        Wahrung der Kontrollfreiheit an den Binnengrenzen

Bei der überwiegenden Mehrheit der angeblichen Verstöße gegen den Schengen-Besitzstand geht es um die Frage, ob die Durchführung von Polizeikontrollen in der Nähe der Binnengrenzen die gleiche Wirkung hat wie Grenzübertrittskontrollen (Artikel 21 des Schengener Grenzkodex), und um die Verpflichtung, alle Hindernisse für den flüssigen Verkehr an den Straßenübergängen der Binnengrenzen, wie Geschwindigkeitsbeschränkungen, zu beseitigen (Artikel 22 des Schengener Grenzkodex). Im Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Oktober 2012 ersuchte die Kommission in zwei neuen Fällen um Informationen zu möglichen Verletzungen der Artikel 21 und/oder 22 des Schengener Grenzkodex (Deutschland und Litauen), während sie drei Fälle abschloss (Belgien, Estland und Niederlande) und in sieben Fällen weitere Untersuchungen durchführte (Deutschland, Lettland, Niederlande, Österreich, Schweden, Slowakei und Tschechische Republik). Kürzlich wurden mehrere Fälle vor verschiedenen niederländischen Gerichten verhandelt. Hierbei ging es um die Frage, ob die von der Koninklijke Marechaussee in unmittelbarer Nähe zu den Binnenlandgrenzen zu Belgien und Deutschland durchgeführte mobile Überwachung (Artikel 4.17 Buchstabe a des Ausländererlasses 2000) mit den Artikeln 20 und 21 des Schengener Grenzkodex vereinbar ist. Am 7. Februar 2012 richtete die Rechtbank Roermond ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichthof der Europäischen Union (Rechtssache C‑88/12 (Jaoo)), um klären zu lassen, ob diese mobile Überwachung gegen das Verbot von Kontrollen verstößt, die die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben (Artikel 21 des Schengener Grenzkodex). Am 4. Juni 2012 befasste der Raad van State in einem dringenden Vorabenscheidungsersuchen in der Rechtssache C-278/12 (Adil) den Gerichtshof mit mehr oder weniger derselben Frage.

Das Urteil in der Rechtssache C-278/12 (Adil) erging am 19. Juli 2012. Der Gerichtshof kam dabei zu dem Schluss, dass die Artikel 20 und 21 des Schengener Grenzkodex Kontrollen durch Grenzschutzbeamte, die in einer Gegend in unmittelbarer Nähe einer Binnengrenze Überwachungsaufgaben wahrnehmen und Ausländer kontrollieren, nicht entgegenstehen, wenn damit überprüft werden soll, ob die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt erfüllt sind, sofern diese Kontrolle auf allgemeinen Informationen und Erfahrungen im Zusammenhang mit dem illegalen Aufenthalt von Personen an dem Ort der Kontrolle beruht, und bis zu einem Grad auch dann, wenn die Kontrolle  durchgeführt wird, um solche Informationen und empirische Daten zu erhalten, vorausgesetzt, die Kontrollen unterliegen bestimmten Beschränkungen insbesondere hinsichtlich ihrer Intensität und Häufigkeit. Da die niederländische mobile Überwachung dem Kampf gegen den irregulären Aufenthalt dient und folglich einen anderen Zweck als Grenzübertrittskontrollen hat, auf allgemeinen Polizeiinformationen und ‑erfahrungen basiert, auf eine andere Weise als Grenzkontrollen durchgeführt wird und den erforderlichen Beschränkungen unterliegt, kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass sie nicht dieselbe Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat.

Die Kommission stellt fest, dass neben den Niederlanden auch Frankreich und Deutschland bestimmte Rechtsvorschriften beibehalten, die nur für Gegenden in unmittelbarer Nähe der Binnengrenzen gelten. Außerdem wird festgestellt, dass die niederländischen und die französischen Rechtsvorschriften nach dem Melki-Urteil[11] bereits geändert wurden. Deshalb fordert die Kommission die Mitgliedstaaten, in denen solche besonderen Rechtsvorschriften in Kraft sind, auf, für die Konformität dieser Vorschriften mit den vorgenannten Urteilen zu sorgen. Die Mitgliedstaaten können sich mit Auslegungsfragen jederzeit an die Kommission wenden.

3.3.        Mutmaßliche Verstöße gegen andere Bereiche des Schengen-Besitzstands

Umsetzung der Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG) in nationales Recht

Die Frist für die Umsetzung der Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG) endete am 24. Dezember 2010. Alle an die Richtlinie gebundenen EU-Mitgliedstaaten und alle assoziierten Länder bis auf Island haben der Kommission die vollständige Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht angezeigt. Die Kommission hat mit der Prüfung der rechtlichen Umsetzung und der praktischen Anwendung in den Mitgliedstaaten im Detail begonnen und wird bis Ende 2013 ihren ersten Anwendungsbericht vorlegen.

Durchführung der Verordnung über den kleinen Grenzverkehr (EG Nr. 1931/2006)

Die Kommission überwacht die Durchführung der Regelung zum kleinen Grenzverkehr seit ihrem Inkrafttreten im Jahr 2006. Im Juli 2012 hat die Kommission beschlossen, von drei Mitgliedstaaten (Lettland, Polen und Slowenien) Auskünfte über bilaterale Abkommen einzuholen, die diese Länder mit ihren angrenzenden Drittländern geschlossen haben. Die Bedenken bezüglich der einzelnen Mitgliedstaaten sind unterschiedlicher Art. Es geht unter anderem um das Erfordernis einer Reisekrankenversicherung sowie um die Beschränkung des Anwendungsbereichs ausschließlich auf die Bürger der Vertragsparteien, das Fehlen der Forderung nach einer Mindestaufenthaltsdauer im Grenzgebiet usw.

Anwendung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands bei der Überwachung der Seegrenzen

Wie bereits berichtet, hat die Kommission im Oktober 2009 ein förmliches Aufforderungsschreiben an Griechenland gerichtet, nachdem Vorwürfe wegen gravierender Probleme von Migranten bei der Stellung eines Asylantrags, wegen Misshandlung Asylsuchender oder wegen der Zurückweisung von Personen, die Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden befürchten mussten, laut wurden. Die Analyse der Kommission erfolgt vor dem Hintergrund laufender Entwicklungen, etwa unter Berücksichtigung der Fortschritte, der bei der Durchführung des nationalen griechischen Aktionsplans gemacht wurden.

Des Weiteren hat die Kommission wegen der Migrantengruppen, die von den italienischen Behörden auf hoher See abgefangen und nach Libyen zurückgeschickt worden sein sollen, im Juli 2009 von Italien Auskunft darüber verlangt, wie Italien das Risiko der Zurückweisung mindern will und welche Zusicherungen die libyschen Behörden in Bezug auf die betroffenen Personen gemacht haben. Am 23. Februar 2012 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aufgrund dieser Fakten eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention festgestellt[12]. Vor diesem Hintergrund analysiert die Kommission nun die Auswirkungen des Urteils auf die Überwachung der Seeaußengrenzen und auf den Asyl-Besitzstand.

3.4.        Durchführung der von Frontex koordinierten Überwachung der Seeaußengrenzen

Am 5. September 2012 hob der Gerichtshof[13] den Beschluss des Rates Nr. 2010/252/EU zur Ergänzung des Schengener Grenzkodex hinsichtlich der von Frontex koordinierten Überwachung der Seeaußengrenzen auf, da er wesentliche Bestandteile der Überwachung der Seeaußengrenzen enthalte, die über zusätzliche Modalitäten im Sinne von Artikel 12 Absatz 5 des Schengener Grenzkodexes hinausgingen, und da allein der Unionsgesetzgeber einen solchen Beschluss hätte erlassen dürfen. Er erhielt die Wirkungen des aufgehobenen Beschlusses jedoch aufrecht, bis innerhalb einer angemessenen Frist eine neue Regelung zu seiner Ersetzung in Kraft tritt. Die Kommission wird Anfang 2013 hierzu einen Legislativvorschlag vorlegen.

3.5.        Im Rahmen des Schengen-Evaluierungsmechanismus ermittelte Schwachstellen

Im Rahmen des aktuellen Schengen-Evaluierungsmechanismus[14] wird die Anwendung des Schengen-Besitzstandes durch die Mitgliedstaaten von Sachverständigen der Mitgliedstaaten, des Generalsekretariats des Rates und der Kommission regelmäßig evaluiert.

Im Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Oktober 2012 wurden Schengen-Evaluierungen durchgeführt zu den Seegrenzen in Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen und Slowenien, zur polizeilichen Zusammenarbeit in Ungarn, der Slowakei, der Tschechischen Republik und Polen, zu den Luftgrenzen in Estland, Lettland und Litauen, zum Datenschutz in Estland, Lettland, Litauen, Malta und Slowenien, zu SIS/Sirene in Dänemark, Island und Norwegen sowie zur Visapraxis in Lettland und Litauen. Die Berichte sind noch nicht abgeschlossen. Es steht jedoch zu erwarten, dass sie sowohl positive als auch negative Bemerkungen sowie Empfehlungen zu Themen wie Ausbildung, Risikoanalyse, Informationsaustausch, internationale Zusammenarbeit sowie Infrastruktur an Grenzübergangsstellen und in Botschaften/Konsulaten enthalten werden. Wie auch in den vorangegangenen sechs Monaten besteht grundsätzlich noch Raum für Verbesserungen, doch traten bei keiner dieser Evaluierungen Mängel zutage, die umgehende Maßnahmen der Kommission erforderlich machen würden.

Darüber hinaus wurde vom 28. Mai bis 2. Juni 2012 eine Peer-to-peer-Mission in Griechenland durchgeführt, um den Fortschritt des griechischen Aktionsplans zu bewerten, mit dem die Mängel behoben werden sollen, die in den Schengen-Evaluierungen von 2010‑2011 festgestellt worden waren, und um die Bereiche zu ermitteln, in denen Mitgliedstaaten Hilfe anbieten könnten. Um alle Arten von Grenzen zu erfassen, gehörte zu der Mission ein Besuch des Internationalen Flughafens von Athen „Eleftherios Venizelos“, des Hafens von Piräus und der Region Evros. Es wurden zwar sichtbare Verbesserungen festgestellt, die aber noch weiter gefördert und entwickelt werden müssen.

Die Kommission fordert Griechenland auf, die Umsetzung des nationalen Schengen-Aktionsplans fortzuführen und bekräftigt ihre Verpflichtung, die Bemühungen Griechenlands um den Schutz seiner Landaußengrenzen zu unterstützen, unter anderem durch den Außengrenzenfonds und die Unterstützung durch Frontex.

Ein vorläufiger Zeitplan für die Schengen-Evaluierungen im Zeitraum November 2012 – April 2013 findet sich in Anhang I.

3.6.        Aufhebung der Kontrollen an den Binnengrenzen mit Bulgarien und Rumänien

Nach der Entscheidung des Rates im Juni 2011, dass Rumänien und Bulgarien die Kriterien für die vollständige Anwendung des Schengen-Besitzstandes erfüllen, ersuchte der Europäische Rat im März 2012 den Rat, Maßnahmen zu ermitteln und umzusetzen, die den Beitritt dieser beiden Länder fördern würden. Seitdem hat der Rat eine Reihe solcher Maßnahmen ermittelt, darunter fortlaufende und neue Frontex-Aktivitäten, Maßnahmen zur Bekämpfung gefälschter Ausweise und gegen Identitätsbetrug sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschenschmuggels und Menschenhandel. Die Umsetzung dieser Maßnahmen wird kontinuierlich überwacht.

4.           Flankierende Maßnahmen

4.1.        Nutzung des Schengen-Informationssystems

Wie aus dem vorangegangenen Bericht hervorgeht, ist das Schengen-Informationssystem (SIS) sehr erfolgreich und verzeichnet jedes Jahr viele Tausende von Treffern. Dieser Erfolg führt zu einer starken Arbeitsbelastung bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der SIRENE-Büros. Es wurde ein Seminar abgehalten, bei dem die Delegierten der SIRENE-Büros der Mitgliedstaaten und die Kommission diskutierten, wie die Verfahren effizienter gestaltet werden könnten. Bei dem Seminar wurden verschiedene Vorschläge gemacht, die kurzfristig umgesetzt werden könnten. Weitere Vorschläge werden gemeinsam von den Mitgliedstaaten und der Kommission daraufhin überprüft, ob das Problem ohnehin 2013 durch die Funktionen von SIS II gelöst sein wird oder ob das Verfahren neu überdacht werden muss.

4.2.        Nutzung des Visa-Informationssystems

Das Visa-Informationssystem (VIS) ist ein System für den Datenaustausch über Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt, das den zuständigen Behörden der Schengen-Staaten ermöglicht, Daten über Visumanträge und über erteilte, abgelehnte, annullierte, aufgehobene oder verlängerte Visa zu verarbeiten. Am 10. Mai 2012 erfolgte der erfolgreiche Start des VIS in der zweiten Region (Israel, Jordanien, Libanon und Syrien). Zusätzlich wurde das VIS am 2. Oktober 2012 in einer dritten Region, der Golf-Region (Afghanistan, Bahrain, Iran, Irak, Kuwait, Oman, Katar, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und Jemen), in Betrieb genommen. Die Termine für die verbleibenden Einsatzregionen sind derzeit Gegenstand von Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten und sollen in den kommenden Monaten festgelegt werden.

Das VIS funktioniert gut; zum 4. November 2012 waren 1 774 965 Visumanträge bearbeitet, 1 457 708 Visa erteilt und 220 644 Visa abgelehnt worden.

Die größten Bedenken bestehen nach wie vor in Bezug auf die Qualität der Daten (sowohl der biometrischen als auch der alphanumerischen Daten), die von den Konsularbehörden der Mitgliedstaaten in das VIS eingegeben werden. Diese Probleme haben die Leistung des Systems zeitweise beeinträchtigt und sollten angesichts des fortlaufenden weiteren Ausbaus des Systems in der ganzen Welt in Zukunft vermieden werden. Trotz der schrittweisen Verbesserungen sollten Anstrengungen unternommen werden, um die Erfassung von Fingerabdrücken guter Qualität zu verbessern und alle Pflichtfelder aus den Visumanträgen in das VIS einzugeben.

4.3.        Visumpolitik und Rückübernahmeabkommen

Kontrollmechanismus für die Zeit nach der Visaliberalisierung für die westlichen Balkanstaaten

Die Kommission hat im August 2012 ihren dritten Bericht über die Überwachung für die Zeit nach der Visaliberalisierung für die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien sowie für Montenegro, Serbien, Albanien sowie Bosnien und Herzegowina[15] vorgelegt, der eine Beschreibung der jüngsten Maßnahmen sowie Vorschläge für weitere Schritte enthält. Während die Zahl der Asylsuchenden aus Serbien und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien im ersten Halbjahr 2012 gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurückging (für Serbien um 13 % und für die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien um 48 % – Zahlen vom Mai 2011 im Vergleich zum Mai 2012), war ein erheblicher Anstieg der Zahl der Asylsuchenden aus Albanien (+ 725 %), Bosnien und Herzegowina (+ 14 %) und Montenegro (+ 77 %) zu verzeichnen. Die meisten Anträge werden als unbegründet abgelehnt, so dass die Anerkennungsrate sehr niedrig bleibt. Hauptzielländer sind nach wie vor Belgien, Deutschland, Luxemburg und Schweden. Diese Mitgliedstaaten haben zwar Maßnahmen zur Verringerung der Bearbeitungsdauer ergriffen, doch gibt es noch Raum für Verbesserungen z. B. in den Bereichen Informationsaustausch, Ermittlungen gegen Schleuser und Verstärkung der Kontrollen bei der Aus- und Einreise, gezielte Informationskampagnen und Hilfe für Minderheitengruppen.

Rückübernahmeabkommen

Die Kommission hat im April 2012 ein Rückübernahmeabkommen mit Kap Verde paraphiert und das förmliche Ratifikationsverfahren eingeleitet. Die Verhandlungen mit der Türkei über ein Rückübernahmeabkommen wurden abgeschlossen; der Wortlaut wurde im Juni 2012 paraphiert. Es wird davon ausgegangen, dass das Rückübernahmeabkommen unterzeichnet wird und Verhandlungen über eine Visaliberalisierung aufgenommen werden. Im Oktober 2012 wurde ein Rückübernahmeabkommen mit Armenien paraphiert; die Kommission arbeitet nun darauf hin, dass es so schnell wie möglich unterzeichnet und geschlossen wird. Außerdem wurden auch mit Aserbaidschan Verhandlungen über Visaerleichterungen und Rückübernahmeabkommen eingeleitet.

ANHANG I: Vorläufiger Zeitplan der Schengen-Evaluierungen im Zeitraum November 2012 bis April 2013[16]

Zeitraum || Mitgliedstaaten || Thema

11. – 17. November 2012 || Estland, Lettland, Litauen || Polizeiliche Zusammenarbeit

18. – 28. November 2012 || Polen, Slowakei, Tschechische Republik || Luftgrenzen

20. – 26. Januar 2013 || Estland || Visa

10. – 20. März 2013 || Polen, Slowakei || Visa

14. – 25. April 2013 || Estland, Lettland, Litauen || Landgrenzen

[1]               KOM(2011) 561 endgültig.

[2]               COM(2012) 230 final.

[3]               Frontex-Risikoanalyse 2. Quartal 2012

[4]               Frontex-Risikoanalyse 2. Quartal 2012

[5]               Frontex-Risikoanalyse 2. Quartal 2012

[6]               Frankreich, Griechenland und Irland beteiligten sich nicht an der Initiative.

[7]               Zusammenfassender Bericht der dänischen Nationalpolizei, Juni 2012.

[8]               Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex).

[9]               Ratsdokument 10491/12 FRONT 84 COMIX 337

[10]             Ratsdokument 13219/12 FRONT 115 COMIX 467

[11]             Urteil vom 22. Juni 2010 in der Rechtssache C-188/10.

[12]             Fall Hirsi Jamaa und andere gegen Italien, Beschwerde Nr. 27765/09

[13]             Urteil vom 5. September 2012 in der Rechtssache C-355/10, Europäisches Parlament gegen Rat.

[14]             SCH/Com-ex (98) 26 def.

[15]             COM(2012) 472 final.

[16]             Ratsdokumente 5090/4/12 SCH-EVAL 1 COMIX 6 REV 4 and 12032/12 SCH-EVAL 99 COMIX 423