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BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT Jahresbericht 2012 über die Entwicklungspolitik der Europäischen Union und die Umsetzung der Außenhilfe im Jahr 2011 /* COM/2012/0444 final */


BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT

Jahresbericht 2012 über die Entwicklungspolitik der Europäischen Union und die Umsetzung der Außenhilfe im Jahr 2011

ANTWORTEN AUF NEUE HERAUSFORDERUNGEN

Im Jahr 2011 ging es vor allem um Antworten auf neue Herausforderungen und um neue Lösungen für bestehende Herausforderungen. Der Arabische Frühling – die von der Bevölkerung getragenen Massenbewegungen in der südlichen Nachbarschaft –artikulierte Forderungen nach mehr Demokratie und sozialer Gerechtigkeit. Als Reaktion auf die Entwicklung der Lage in der arabischen Welt leistete die EU zunächst humanitäre Hilfe und Zivilschutz. Darauf folgten spezifische Strategien und Unterstützungsmaßnahmen, die auf die einzelnen Länder zugeschnitten waren und zur Förderung nachhaltiger Reformen und einer breitenwirksamen wirtschaftlichen Entwicklung dienten. In Afrika südlich der Sahara ergriff die EU eine Reihe von Maßnahmen zur Unterstützung des jüngsten Staates der Welt - Südsudan.

Mit einem gemeinsamen Anteil an der weltweit geleisteten öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) von über 50 % unterstrichen die EU und ihre Mitgliedstaaten als damit weltweit größter Geber ihr langfristiges Engagement für die Armutsminderung. In ihrer Mitteilung „Für eine EU-Entwicklungspolitik mit größerer Wirkung: Agenda für den Wandel“[1] unterstrich die Kommission ihre Unterstützung für Armutsminderung, Demokratie, gute Regierungsführung sowie nachhaltiges und breitenwirksames Wachstum und betonte, dass die diese Unterstützung dort ansetzen muss, wo sie am dringendsten benötigt wird und die größtmögliche Wirkung entfalten kann. Dies war angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage in der Eurozone von besonderer Relevanz. Beim wichtigsten internationalen Treffen des Jahres zum Thema Entwicklung im November 2011 – dem Hochrangigen Forum in Busan, Südkorea,– wurde die Notwendigkeit betont, die Wirksamkeit der Hilfe zu erhöhen, die Koordinierung zu verbessern und verstärkt die Systeme der Empfängerländer in Anspruch zu nehmen. Als Ergänzung zur „Agenda für den Wandel“ legte die Kommission in einer weiteren Mitteilung das künftige Konzept der EU-Budgethilfe für Drittländer[2] dar, die eines der wichtigsten Instrumente der EU zur Steigerung der Wirksamkeit der Hilfe darstellt. Im Dezember 2011 wurden mit Blick auf den mehrjährigen Finanzrahmen 2014-2020 neue Vorschläge für die Finanzierung der Außen- und Entwicklungshilfe vorgelegt, die Ausgabenpläne für die neuen Schwerpunktbereiche enthielten.

Agenda für den Wandel – Modernisierung der Entwicklungspolitik der EU

Die beiden Ecksteine der Agenda für den Wandel bilden einerseits Menschenrechte, Demokratie und gute Regierungsführung und andererseits nachhaltiges und breitenwirksames Wachstum. Dieses nachhaltige und breitenwirksame Wachstum soll durch Förderung von sozialer Inklusion und menschlicher Entwicklung, menschenwürdiger Arbeit, Unternehmertum und regionaler Entwicklung, nachhaltiger Landwirtschaft, Energieversorgung und Energiezugang unterstützt werden. Dazu wird ein differenzierter Ansatz vorgeschlagen. So sollen nach Maßgabe des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens der EU einige Länder - vor allem diejenigen, die inzwischen selber zu Gebern geworden sind - weniger oder gar keine Hilfe mehr erhalten. Dafür sollen ihnen alternative Formen der Zusammenarbeit angeboten werden. Dieser neue Ansatz wird die EU besser in die Lage versetzen, ihre Grundwerte zu fördern und zu verteidigen und ihren internationalen Verpflichtungen gegenüber ihren Nachbarn - insbesondere denjenigen, die sich auf dem Weg in die EU oder im Übergang befinden - und den ärmsten und verwundbarsten Ländern der Welt nachzukommen.

Zu den weiteren Merkmalen der neuen Politik zählt u. a. eine verbesserte Geberkoordinierung - vor allem unter den EU-Mitgliedstaaten -, die dazu beitragen soll, Doppelarbeit zu vermeiden und eine größere Kohärenz und Wirksamkeit der Hilfe zu gewährleisten. Die EU wird den Schwerpunkt auf Sektoren legen, die sich besonders positiv auf die Armutsminderung auswirken, wie z. B. Regierungsführung, Sozialschutz, Gesundheit, Bildung, Beschäftigung, Landwirtschaft und Energie. Künftig wird die bilaterale Hilfe für einzelne Länder in höchstens drei Sektoren fließen[3]. Innovative Instrumente wie die Kombination von Darlehen und Zuschüssen und die Einbeziehung des Privatsektors sind auch Bestandteil der neuen Politik.

Im Zusammenhang mit der Überarbeitung des Mandats der EIB für die Darlehenstätigkeit in Drittländern prüft die Kommission die mögliche Einrichtung einer EU-Plattform für Zusammenarbeit und Entwicklung, um die Mechanismen für Mischfinanzierungen in Regionen außerhalb der EU zu optimieren[4].

Energie trägt zur Armutsminderung bei

Durch ihren Beitrag zur Deckung menschlicher Grundbedürfnisse wie Kochen, Gesundheit, Behausung, Kommunikation und menschenwürdiger Arbeit spielt Energie eine wichtige Rolle bei der Armutsminderung. Sie schafft auch Einkommens- und Geschäftsmöglichkeiten. In den vergangenen sieben Jahren hat die EU Zuschüsse in Höhe von rund 2 Mrd. EUR für Maßnahmen im Energiesektor in den Entwicklungsländern gewährt und damit eine führende Rolle bei der Verbesserung der Energieversorgung in der Welt gespielt. EU-Instrumente wie die AKP-EU-Energiefazilität, das EU-Afrika-Programm für erneuerbare Energie und der Infrastruktur-Treuhandfonds EU-Afrika wurden eingesetzt, um einzelne Projekte in ganz Afrika zu finanzieren. Die Kommission will die Finanzierung dieses Sektors durch Einbeziehung von Privatunternehmen und Entwicklungsbanken in künftige Projekte weiter verstärken. Der EU-Entwicklungskommissar ist Mitglied der hochrangig besetzten Arbeitsgruppe „Nachhaltige Energie für Alle“, die vom UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon eingesetzt wurde, um Mittel aus allen Sektoren der Gesellschaft für die Finanzierung energiebezogener Programme zu mobilisieren. Energie ist auch ein Schwerpunkt der Agenda für den Wandel.

Budgethilfe – Motor des Wandels

In der im Oktober 2011 parallel zur Agenda für den Wandel veröffentlichten Mitteilung über ein neues Konzept der EU-Budgethilfe zeigte die Kommission auf, wie dieses Instrument noch wirkungsvoller als Motor des Wandels eingesetzt werden kann. Die Budgethilfe umfasst neben dem Politikdialog auch den Transfer finanzieller Ressourcen an das Finanzministerium des Partnerlandes sowie Leistungsbewertungen und Kapazitätsentwicklung auf der Grundlage von Partnerschaft und gegenseitiger Rechenschaftspflicht. Das neue Konzept soll eine stärkere Differenzierung der Budgethilfemaßnahmen ermöglichen, damit die EU den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen des jeweiligen Partnerlandes stärker Rechnung tragen kann. Dabei wird die EU größeres Gewicht auf gegenseitige Rechenschaftspflicht, gemeinsames Engagement für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie auf Transparenz und Haushaltskontrolle legen.

Ein neuer Finanzrahmen

Die Vorschläge der Kommission vom Juni 2011 für den mehrjährigen Finanzrahmen (MFF) für die Jahre 2014 bis 2020 stützen sich auf die Vorschläge in der Mitteilung „Haushalt für Europa 2020“[5], in der die Bereiche aufgezeigt wurden, in denen die EU eine wichtige Rolle in einer zunehmend globalisierten Welt spielen könnte. Die EU setzt sich weiterhin dafür ein, die Millenniumsentwicklungsziele (Millennium Development Goals – MDG) zu verwirklichen und das Ziel, bis 2015 den Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe am Bruttonationaleinkommen auf 0,7 % zu erhöhen, zu erreichen. Dazu wurde vorgeschlagen, die für das auswärtige Handeln der EU bereitgestellten Haushaltsmittel von 56,8 Mrd. EUR auf 70 Mrd. EUR aufzustocken und verstärkt innovative Finanzierungsinstrumente (wie z. B. Darlehen, Garantien, Beteiligungskapital und Risikoteilungsinstrumente) einzusetzen, um Privatinvestitionen zu mobilisieren und Institutionen in den Empfängerländern zu stärken. Vorgeschlagen wurde außerdem, den Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) für 79 Länder Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP-Staaten) von 23 Mrd. EUR - mit einer Laufzeit von sechs Jahren - auf 30 Mrd. EUR - mit einer Laufzeit von sieben Jahren – (jeweils in Preisen von 2011) aufzustocken und die direkte Finanzierung durch die EU-Mitgliedstaaten beizubehalten.

Kohärente Entscheidungsfindung

2011 nahm der neue Europäische Auswärtige Dienst (EAD), der der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik untersteht, seine Arbeit auf. Der EAD arbeitete mit den Dienststellen der Kommission bei der gemeinsamen Reaktion auf die Krisen in Libyen und Tunesien sowie bei der Erarbeitung von Vorschlägen für den mehrjährigen Finanzrahmen zusammen. Das weltweite Netz der 140 EU-Delegationen nehmen politische und diplomatische Aufgaben für die EU wahr und unterstützen auch die Mitgliedstaaten u. a. durch gemeinsame Berichterstattung. Da einige Mitgliedstaaten die Ressourcen ihrer diplomatischen Dienste allmählich reduzieren, um sich stärker auf andere Prioritäten konzentrieren zu können, besteht der zusätzliche Nutzen der Delegationen darin, dass sie eine angemessene Repräsentation der EU in der ganzen Welt gewährleisten. Es geht allerdings nicht darum, die nationalen diplomatischen Dienste zu ersetzen, sondern darum, die verfügbaren Ressourcen kostenwirksamer und effizienter einzusetzen und die globale Rolle der EU zu stärken.

Der Arabische Frühling – die Politik gegenüber den südlichen Nachbarn der EU

Im März 2011 bekräftigte die EU ihre Unterstützung für die Menschen im südlichen Mittelmeerraum bei ihren Bemühungen um verstärkte Achtung der Menschenrechte, mehr Demokratie und ein besseres Leben. Sie bot ihren südlichen Nachbarn eine „Partnerschaft für Demokratie und gemeinsamen Wohlstand“ im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik an. Diese Partnerschaft ist anreizorientiert und dient dazu, insbesondere die reformwilligen Partner zu unterstützen und eine engere Verbindung zwischen interner Politik und externer Finanzhilfe herzustellen. Dementsprechend wurden von den Mitteln für den südlichen Mittelmeerraum 600 Mio. EUR umgewidmet und auf die Ziele der Partnerschaft ausgerichtet: Unterstützung des demokratischen Übergangs, Aufbau einer Partnerschaft mit den Menschen und der Zivilgesellschaft sowie Förderung eines nachhaltigen und breitenwirksamen Wirtschaftswachstums.

Für die ENP-Partner werden aus dem EU-Haushalt zusätzliche Mittel in Höhe von 1 Mrd. EUR bereitgestellt, um die Umsetzung der Gemeinsamen Mitteilung „Eine neue Antwort auf eine Nachbarschaft im Wandel“ vom Mai 2011 zu unterstützen. Der Großteil dieser zusätzlichen Mittel (670 Mio. EUR) wird über zwei Rahmenprogramme bereitgestellt: SPRING (Unterstützung für Reformen und breitenwirksames Wachstum) in der südlichen Nachbarschaft (540 Mio. EUR für die Jahre 2011-2013) und EaPic (Integration und Zusammenarbeit in der Region der Östlichen Partnerschaft) in der östlichen Nachbarschaft (130 Mio. € für die Jahre 2012-2013).

Die restlichen zusätzlichen Mittel wurden hauptsächlich Programmen im Bereich der Hochschulbildung (Tempus, Erasmus Mundus usw.) zugewiesen und dienen der Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Organisationen und nicht-staatlichen Akteuren. Eine Fazilität für die Zivilgesellschaft wurde eingerichtet, um die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Förderung von Reformen und öffentlicher Rechenschaftspflicht in der südlichen und der östlichen Nachbarschaft zu stärken. Sie wurde für das Jahr 2011 mit einem Budget von 26,4 Mio. EUR ausgestattet. Auch ein weiteres Programm „Investitionssicherheit im Mittelmeerraum“ wurde als Reaktion auf die denkwürdigen Ereignisse des Arabischen Frühlings aufgelegt.

Globales Engagement

Zur Stärkung ihrer weltweiten Beziehungen nahm die EU 2011 das gesamte Geflecht der bestehenden Kooperations-, Handels- und Assoziierungsabkommen und Finanzierungsinstrumente heran und baute dieses auch weiter aus.

Im Gefolge der Unabhängigkeit von Südsudan im Juli 2011 eröffnete die EU eine Delegation in der Hauptstadt Juba. Die EU-Mitgliedstaaten und die Kommission einigten sich darauf, durch die gemeinsame Programmierung von 800 Mio. EUR auf der Grundlage eines einheitlichen Strategiedokuments 2011-2013 mit Schwerpunkt auf Gesundheit, Bildung, ländlicher Entwicklung, Förderung von Rechtsstaatlichkeit und Verbesserung des Zugangs zur Wasser- und Sanitärversorgung die Koordinierung und Kohärenz der Hilfe zu verbessern. Davon stammten 200 Mio. EUR aus dem EEF.

Die Ereignisse in Nordafrika wirken sich kurzfristig und möglicherweise auf langfristig auf die südlich davon gelegenen Länder, vor allem auf die Sahelzone und die daran angrenzenden Länder, aus. Unter Einsatz des Instruments für Stabilität kam die EU Ersuchen um unverzügliche Unterstützung bei der Stabilisierung dieser Region nach und trug u. a. dazu bei, die Bedürfnisse rückkehrender Migranten (vor allem aus Libyen) und anderer Gruppen in Bezug auf Existenzsicherung und damit verbundene Bereiche zu befriedigen. Die EU-Strategie für Sicherheit und Entwicklung in der Sahelzone ist auf die Bewältigung der längerfristigen sicherheits- und entwicklungspolitischen Folgen für die Region ausgerichtet. Für Mali, Mauretanien und Niger wurden insgesamt 150 Mio. EUR bereitgestellt, die zur Finanzierung von Maßnahmen in den Bereichen Entwicklung und Governance, einschließlich der Stärkung des jeweiligen Justizwesens, dienen sollen. Die Region steht weiterhin vor einer Vielzahl miteinander verflochtener Herausforderungen: extreme Armut, Folgen des Klimawandels, häufige Nahrungsmittelkrisen, schnelles Bevölkerungswachstum, fragile Regierungen, Korruption, ungelöste interne Spannungen, Gefahr von gewaltsamem Extremismus und Radikalisierung, illegaler Handel und terrorismusbedingte Sicherheitsbedrohungen.

2011 erwiesen sich die Nahrungsmittelkrisen am Horn von Afrika als die größte Herausforderung in dieser Region. Die EU stellte zusätzliche Mittel für Äthiopien (13,75 Mio. EUR), Dschibuti (rund 4,5 Mio. EUR) und Somalia (25 Mio. EUR) bereit. Im November 2011 wurde ein neuer Strategierahmen für das Horn von Afrika verabschiedet. Im Zusammenhang damit wurde der erste EU-Sonderbeauftragte für das Horn von Afrika ernannt, der zunächst schwerpunktmäßig für Somalia und den Kampf gegen die weit verbreitete Piraterie in der Region zuständig ist. Außerdem stockte die EU ihre Unterstützung für Côte d’Ivoire auf und stellte 125 Mio. EUR bereit, um die neue Regierung unter Staatspräsident Alassane Ouattara bei der Wiederherstellung der politischen und wirtschaftlichen Stabilität zu unterstützen. Auch bei der Umsetzung des zweiten Aktionsplans und der acht thematischen Partnerschaften im Rahmen der Gemeinsamen Strategie EU-Afrika wurden Fortschritte erzielt. Die Plattform EU-Afrika für den Dialog über Staatsführung und Menschenrechte legte Vorschläge für den Umgang mit natürlichen Ressourcen in Konflikt- und Nachkonfliktsituation vor und unterstützte damit die jüngsten Maßnahmen der EU zur Verbesserung der Transparenz hinsichtlich der Tätigkeit der europäischen Holz- und der europäischen mineralgewinnenden Industrie in Afrika.

Stark im Fokus standen 2011 die östlichen Nachbarn der EU, für die die EU nicht nur einen wichtigen Partner und einen Katalysator für Reformen darstellt, sondern auch eine starke wirtschaftliche Anziehungskraft ausstrahlt. Beim zweiten Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft am 29./30. September in Warschau bekräftigten die EU und ihre östlichen Nachbarn erneut ihr Engagement für die Partnerschaft. Für die Jahre 2012 und 2013 sagte die EU den Partnern, die mit ihren Reformen voranschreiten, zusätzliche Mittel von bis zu 130 Mio. EUR zu. Auf einer von der Ukraine anlässlich des 25. Jahrestags des Atomunfalls von Tschernobyl veranstalteten internationalen Konferenz wurde vereinbart, die Mittel für das Programm zum Bau eines neuen Schutzmantels und zum Schutz von Bevölkerung und Umwelt vor den Gefahren, die von der beschädigten Ummantelung des Reaktorblocks 4 ausgehen, um 550 Mio. EUR aufzustocken. Ihrerseits sagte die EU zu, weitere 110 Mio. aus Mitteln des Instruments für die Zusammenarbeit im Bereich der nuklearen Sicherheit bereitzustellen.

Für die Länder Zentralasiens gilt die EU als enger politischer Verbündeter und vertrauenswürdiger Partner, auf den sie sich bei der Bewältigung des schwierigen Übergangs, mit dem sie begonnen haben, verlassen können und der auch wichtige wirtschaftliche Chancen bietet. Beim Außenministertreffen EU/Zentralasien am 7. April 2011 in Taschkent bekräftigten beide Seiten ihr Engagement für die Ziele und die Umsetzung der Strategie EU/Zentralasien, die in den Jahren 2012 und 2013 die Bereitstellung erheblicher Ressourcen vorsieht, um wichtige politische und sozioökonomische Reformen zu unterstützen.

Beim Gipfeltreffen EU-Lateinamerika/Karibik im Mai 2010 in Madrid wurde eine Intensivierung der politischen Beziehungen der EU zu dieser Region signalisiert. Mit Zentralamerika wurde das erste regionale EU-Assoziierungsabkommen abgeschlossen, und die Umsetzung des mehrseitigen Handelsabkommens mit Peru und Kolumbien wurde eingeleitet. Auch die Verhandlungen zwischen der EU und MERCOSUR über ein Assoziierungsabkommen kamen weiter voran. Im November 2011 wurde der Sitz der Stiftung EU-Lateinamerika/Karibik in Hamburg, Deutschland eröffnet.

Außerdem intensivierte die EU ihre Beziehungen zum Verband südostasiatischer Staaten (ASEAN) und verstärkte auch ihre Beziehungen zu den zehn ASEAN-Mitgliedern durch die Aushandlung und Umsetzung bilateraler Partnerschafts- und Kooperationsabkommen und Freihandelsabkommen. Ein besonders erfolgreiches von der EU finanziertes Projekt für ganz Asien ist „SWITCH Asia“, ein aus mehreren Komponenten bestehendes Programm, mit dem durch die Finanzierung kleinerer Projekte im gesamten Kontinent nachhaltige Produktions- und Konsummuster gefördert werden. Das Programm trägt nicht nur zur Armutsminderung und zur Verbesserung der Lebensqualität (MDG 1 und 7) bei, sondern auch zur Förderung einer umweltfreundlichen Wirtschaft.

Im karibischen Raum wurde eine ganze Reihe 2010 ergriffener Initiativen fortgesetzt. So wurde ein endgültiger Entwurf der Gemeinsamen Strategie EU-Karibik, die beim Gipfeltreffen EU-CARIFORUM erörtert worden war, erarbeitet, der nach Abschluss der notwendigen institutionellen Verfahren im Laufe des Jahres 2012 vorgestellt werden soll. Auch die Umsetzung des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens EU-CARIFORUM kam weiter voran. Der seit langem erwartete Infrastruktur-Treuhandsfonds für die Karibik wurde vom EEF-Ausschuss in Form einer Investitionsfazilität genehmigt, die 2012 ihre Tätigkeit aufnehmen soll.

Die Folgen des Klimawandels stellen die größte Gefahr für die Länder des pazifischen Raums dar und erschweren ihnen die Verwirklichung der MDG. Im Rahmen der im Dezember 2010 eingeleiteten Initiative EU-Pazifik zum Klimawandel traf der EU-Entwicklungskommissar anlässlich einer hochrangig besetzten regionalen Konferenz im März 2011 in Vanuatu mit Ministern aus dem pazifischen Raum zusammen. Die Teilnehmer einigten sich auf ein verstärktes Engagement für eine Entwicklungszusammenarbeit, die noch wirkungsvoller zur Bewältigung des Klimawandels, zur Armutsminderung, zur Förderung von Menschenrechten, Demokratie und Geschlechtergleichstellung sowie zur Verwirklichung der MDG beiträt. 2012 sollen die Kommission und die Hohe Vertreterin eine gemeinsame Mitteilung mit dem Titel „Für eine erneuerte Entwicklungspartnerschaft zwischen der EU und dem pazifischen Raum“ vorlegen.

Das ganze Jahr 2011 hindurch spielte die EU eine führende Rolle im weltweiten Kampf gegen den Klimawandel und drängte auf weitere Fortschritte in den internationalen Klimaverhandlungen. Sie hielt ihre Zusage ein, schnell abfließende Mittel bereitzustellen, und verstärkte ihre diplomatische Arbeit zum Klimaschutz im Vorfeld der UN-Klimakonferenz im November 2011 in Durban, Südafrika.

EU finanziert Wasserprojekte

Zwischen 2004 und 2012 wurden insgesamt 272 Projekte aus Mitteln der von der EU eingerichteten AKP-Wasserfazilität finanziert, um die Wasser-, Hygiene und Sanitärversorgung und die Wasserbewirtschaftung in afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten (AKP-Staaten) zu verbessern. Die Fazilität wurde bei ihrer Einrichtung mit 700 Mio. EUR aus EU-Mitteln und mit 12 Mio. EUR aus Zuschussmitteln der spanischen Regierung ausgestattet.

Im Rahmen der 2002 eingeleiteten Wasserinitiative der Europäischen Union werden weiterhin Mittel aus verschiedenen Quellen zur Verbesserung der Wasser- und Sanitärversorgung mobilisiert. Seit 2004 hat die EU dazu beigetragen, mehr als 32 Millionen Menschen den Zugang zu einer verbesserten Wasserversorgung und mehr als 9 Million Menschen den Zugang zu Sanitäranlagen zu verschaffen. Aufbauend auf den Erfolgen der EU-Wasserinitiative und der EU-AKP-Wasserfazilität wird die EU weiterhin die internationale Zusammenarbeit unterstützen und innovative Ansätze fördern, die den Bereich Wasser stärker mit anderen Sektoren wie Landwirtschaft und Energie verbinden.

In der Agenda für den Wandel betonte die Kommission, dass neue Politikansätze dazu beitragen sollten, Ungleichheiten zu überwinden und insbesondere armen Menschen einen besseren Zugang zu Land, Wasser und Energie zu verschaffen, ohne dabei der Umwelt zu schaden. Zwischen 2003 und 2010 stellte sie insgesamt 3 Mrd. EUR für Wasser- und Sanitärprojekte bereit. Dies stellt nahezu eine Verdreifachung der EU-Entwicklungshilfe in diesem Bereich dar.

Erreichung der MDG

Im Jahresbericht 2011 wurde im Einzelnen erläutert, wie EU-Projekte und –Programme zur Verwirklichung der MDG in allen Kontinenten und Regionen beitragen. Die EU hat gezielte Programme aufgelegt und spezifische Instrumente entwickelt, um die MDG - vor allem diejenigen, bei denen viele Länder sehr im Rückstand sind, wie z. B. Verringerung der Kinder- und Müttersterblichkeit – erreichbarer zu machen. Ende 2011 wurde die erste Komponente der im September 2010 beschlossenen und mit 1 Mrd. EUR ausgestatteten MDG-Initiative verabschiedet. Schwerpunkt sind die Länder, die bei der Verwirklichung ihrer MDG-Zielvorgaben am weitesten hinterhinken. Die EU-Nahrungsmittelfazilität trägt zur Verbesserung der Ernähungssicherheit bei. Bis Ende 2011 waren aus den Mitteln dieser mit 1 Mrd. EUR ausgestatteten EU-Fazilität neben 134 von NRO und Einrichtungen der EU-Mitgliedstaaten und 69 von internationalen Organisationen durchgeführten Projekten auch drei regionale Projekte und zehn Budgethilfe-Maßnahmen finanziert worden.

Landwirtschaft und Ernährungssicherheit sind auch Schwerpunkt der Agenda für den Wandel. Um Länder bei der Erreichung von MDG 3 (Geschlechtergleichstellung) zu unterstützen, wurden 2011 aus Mitteln des thematischen EU-Programms „Investitionen in Menschen“ zwei groß angelegte Initiativen in diesem Bereich finanziert: ein Programm zur Stärkung der sozialen und wirtschaftlichen Rechte von Frauen sowie ein neues UN-Programm „Increasing accountability in financing for gender equality“ (mehr Rechenschaftspflicht bei der Finanzierung der Geschlechtergleichstellung).

Stärkung von Menschenrechten und guter Regierungsführung

2011 setzte sich die EU mit Hilfe der ihr im Bereich auswärtiges Handeln zur Verfügung stehenden Instrumente und Politikkonzepte für die Förderung und den Schutz von Menschenrechten und guter Regierungsführung und für die Überwindung geschlechterspezifischer Ungleichheiten ein. Im Dezember 2011 legten die Kommission und die Hohe Vertreterin die Gemeinsame Mitteilung „Menschenrechte und Demokratie im Mittelpunkt des auswärtigen Handelns der EU – ein wirksamerer Ansatz“[6] vor. Darin wird das Menschenrechtskonzept der EU bekräftigt und werden Wege aufgezeigt, wie die Förderung von Menschenrechten auf lokale Verhältnisse zugeschnitten und das kollektive Gewicht der EU besser eingebracht werden kann. Darüber hinaus sehen die Vorschläge für den neuen mehrjährigen Finanzrahmen eine Stärkung des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte und in diesem Zusammenhang u. a. eine intensivere Unterstützung der Zivilgesellschaft in aller Welt vor.

Das sensible Thema der Genitalverstümmelung

Die Zusammenarbeit der EU mit dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) hat erheblich zur Verringerung der weiblichen Genitalverstümmelung und der Zahl der Kinderehen beigetragen, die das Leben vieler Mädchen prägen. Für das entsprechende Programm, das von UNICEF durchgeführt wird, stellt die EU in den Jahren 2008 bis 2012 insgesamt 3 991 000 EUR bereit. Mit Schwerpunkt auf Ägypten, Eritrea, Äthiopien, Senegal, Sudan und Indien ist das Programm darauf ausgerichtet, durch Sensibilisierung und Diskussionen zu diesen sensiblen Themen in ländlichen Gemeinden unter Einschaltung geachteter Führungspersonen aus der Gemeinde soziale Normen und Einstellung zu verändern. Danke dieses umsichtigen Vorgehens steht Senegal kurz davor, als erstes Land diese traditionelle Praxis zu beenden.

Ausblick

Durch die Agenda für den Wandel und die sie begleitenden Vorschläge hinsichtlich der Budgethilfe werden die Entwicklungs- und die sonstige auswärtige Politik der EU aktualisiert, damit sie zur Bewältigung der Herausforderung einer sich rasch verändernden Welt beitragen können. Zweck dieser modernisierten Agenda ist es, die Entwicklungszusammenarbeit stärker auf die Förderung von Menschenrechten, guter Regierungsführung und breitenwirksamem und nachhaltigen Wachstum auszurichten. In diesem Zusammenhang bilden auch nachhaltige Landwirtschaft, Ernährungssicherung, nachhaltige Energie, Stärkung der Rolle des Privatsektors als Entwicklungspartner, menschenwürdige Arbeit und Sozialschutz wichtige Schwerpunkte.

Die EU erkennt an, dass sie ihre Instrumente zur Unterstützung nachhaltiger Veränderungen in Gesellschaften im Übergang weiter verbessern und noch stärker auf die dort herrschenden Verhältnisse und Bedürfnisse ausrichten kann. Länder mit niedrigem Einkommen sind den Auswirkungen externer Schocks besonders ausgesetzt. Um langfristig die Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Schocks zu erhöhen, wurde in den Gemeinsamen Mitteilungen von 2011 vorgeschlagen, stärkeres Gewicht auf die Mobilisierung inländischer Einnahmen, den Ausbau sozialer Sicherheitsnetze, Effizienzsteigerungen bei den öffentlichen Ausgaben und auf wirtschaftliche Diversifizierung zu legen. Es braucht allerdings Zeit, bis dieser Ansatz einen spürbaren Nutzen erzeugt. Die Kommission wird außerdem die Möglichkeit prüfen, innovative Projekte wie SPRING auch in anderen Teilen der Welt durchzuführen.

Um Entwicklungsländer bei der Bewältigung der wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen externer Schocks zu unterstützen, sind kurzfristig greifende Mechanismen erforderlich. Aufbauend auf den Erfahrungen mit dem Instrument „FLEX“, der Nahrungsmittelfazilität und dem Instrument „FLEX-Verwundbarkeit“ (V-FLEX) für Länder in wirtschaftlichen Schwierigkeiten entwickelt die Kommission zurzeit zusätzliche Mechanismen zur Abfederung externer Schocks. Mit Blick auf den UN-Gipfel zur Überprüfung der MDG im Jahr 2013 werden die Erreichung der MDG und die Gestaltung des darauffolgenden Entwicklungsrahmens auch 2012 zentrale Themen der Entwicklungspolitik bilden.

[1]               KOM(2011) 637 endgültig.

[2]               KOM(2011) 638 endgültig.

[3]               Möglicherweise mit Ausnahm der Kandidaten und potenziellen Kandidaten für den Beitritt zu EU, die im Rahmen des Instrument für Heranführungshilfe unterstützt werden.

[4]               Beschluss 2011/1080/EU.

[5]               KOM(2011) 500 endgültig.

[6]               http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2011:0886:FIN:DE:PDF.