MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN RAT, DEN RAT, DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS? DIE EUROPÄISCHE INVESTITIONSBANK UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN MASSNAHMEN FÜR STABILITÄT, WACHSTUM UND BESCHÄFTIGUNG /* COM/2012/0299 final */
1.
Einleitung
Die Krise, von der heute
so viele Länder Europas betroffen sind, hat das Vertrauen darauf erschüttert,
dass Europa politisch und wirtschaftlich in der Lage ist, die im EU-Vertrag als
ehrgeiziges Ziel verankerte „nachhaltige Entwicklung… auf der Grundlage eines
ausgewogenen Wirtschaftswachstums“ zu erreichen. Viele EU-Bürger sind verärgert
und fassungslos darüber, wie schnell eine lange Wachstumsperiode, die zu einer
Anhebung des Lebensstandards geführt hat, in eine massive Finanzkrise mit erheblichen
Arbeitsplatzverlusten und einem voraussichtlich noch viele Jahre währenden
hohen Verschuldungsniveau umgeschlagen ist. Die Schulden, Defizite und
Ungleichgewichte, denen sich die EU heute gegenübersieht, sind nicht von einem
Tag auf den anderen entstanden. Sie sind das Ergebnis einer jahrelangen
Entwicklung und haben weitreichende soziale Folgen. Sie stellen die nationalen
Regierungen und die EU auf eine harte Bewährungsprobe. Teils wurden die
gegenwärtigen Schwierigkeiten über die weltweite Finanzkrise von außen in die
EU eingeschleppt, teils sind sie hausgemacht. Entscheidend ist, dass wir ihnen
nun konsequent und wirksam entgegentreten. Die Finanz- und
Wirtschaftskrise hat deutlich gemacht, wie sehr zum einen alle
EU-Volkswirtschaften und zum anderen die EU- und die Weltwirtschaft voneinander
abhängen. Sie hat zudem erhebliche Lücken, Mängel und Ungleichgewichte in der
Politik auf globaler, EU- und nationaler Ebene offenbart. Seit Ausbruch der
Krise sind die EU und ihre Mitgliedstaaten mit der Überarbeitung des
EU-Wirtschaftsmodells und der Wiederherstellung ihrer Wettbewerbsfähigkeit
befasst. Im Sinne des von der Kommission im Oktober 2011 auf den Weg gebrachten
Fahrplans für Stabilität und Wachstum[1]
wurde Folgendes beschlossen: ·
Massive Förderung von Stabilitäts- und
Wachstumsmaßnahmen, damit die EU zu nachhaltigem Wachstum und einer hohen
Beschäftigungsquote zurückfindet. ·
Einführung einer solideren und integrierten
wirtschaftspolitischen Steuerung, so dass Ungleichgewichte früher erkannt und
korrigiert werden. Dabei sollten die politischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten
stärker unter EU-Aufsicht stehen, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass
Stärke und Wohlstand jedes Mitgliedstaats an die Situation in allen anderen
Mitgliedstaaten geknüpft ist. ·
Stärkung des Bankensystems, indem die Banken
angehalten werden, ihre Verschuldung vollkommen offenzulegen, zweifelhafte
Forderungen abzuschreiben und ihre Geschäftsmodelle so neu auszurichten, dass
sie in der Lage sind, Unternehmen und Privathaushalten künftig Kredite zu
gewähren, ohne dass Rettungsmaßnahmen auf Kosten der Steuerzahler erforderlich
werden. ·
Zwei umfangreiche Finanzhilfepakete sowie intensive
Unterstützung für ein wachstumsorientiertes Programm zur Wiederbelebung der
Wirtschaft als entschlossene Reaktion auf die Probleme Griechenlands. ·
Erweiterung der Rettungsschirme für das
Euro-Währungsgebiet, indem neue Möglichkeiten geschaffen werden,
hochverschuldete Mitgliedstaaten zu unterstützen, während diese ihre Haushalte
sanieren, indem sie ihre Einnahmen und ihre Ausgaben in Einklang bringen, damit
sie künftig Sozialleistungen, das Gesundheitswesen, die Renten, das
Bildungswesen sowie die öffentliche Infrastruktur finanzieren können. Wir sind diesem Fahrplan
gefolgt und haben dabei solide, aber ungleichmäßige Fortschritte gemacht. Nach
der Abschwächung der Konjunktur, der Verringerung des seit 2007/2008
aufgelaufenen enormen Leistungsbilanzdefizits, der Anpassung der Gehälter –
steigende Löhne in „Überschussländern“, sinkende Löhne in „Defizitländern“ –
sowie dem Einpendeln der Hauspreise in verschiedenen Mitgliedstaaten auf einem
Niveau, das den gegebenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entspricht, gibt
es eindeutige Anzeichen für die Wiederherstellung des Gleichgewichts in unserer
Wirtschaft. Gestützt durch das neue wirtschaftspolitische Steuerungssystem der
EU wird eine neue und gestärkte EU-Wirtschaft aus dem schmerzhaften
Stabilisierungs- und Reformprozess hervorgehen. Dauerhaftes nachhaltiges
Wachstum und höhere Lebensstandards können nur auf der Grundlage gesunder
öffentlicher Finanzen, tiefgreifender Strukturreformen und gezielter
Investitionen entstehen. Die damit einhergehenden Herausforderungen lassen sich
jedoch nur dann bewältigen, wenn genügend Wachstum zur Unterstützung dieses
Prozesses vorhanden ist. Stabilität und Wachstum widersprechen sich nicht, sie
stellen vielmehr zwei Seiten derselben Medaille dar. Die Mitgliedstaaten müssen
dem derzeitigen mangelnden Vertrauen in die Wirtschaft durch mutige Reformen
entgegentreten, die unsere zuletzt gesunkene Wettbewerbsfähigkeit wieder
steigern. Es ist höchste Zeit zu handeln, um die besorgniserregenden
Unterschiede bei der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der EU und des
Euro-Währungsgebiets zu verringern. Obwohl die EU insgesamt ihren Anteil am Welthandel
behaupten konnte, müssen wir die abnehmende internationale Wettbewerbsfähigkeit
und den Verlust von Marktanteilen, die der Leistungsbilanz etlicher
Mitgliedstaaten abzulesen sind, angehen. Die Menschen brauchen
kurzfristig Hoffnung und Aussichten auf eine bessere Zukunft. Ohne diese
Aussichten werden wir zunehmenden politischen und wirtschaftlichen Problemen
bei der Durchführung der notwendigen Reformen gegenüberstehen, was den
wirtschaftlichen Aufschwung verzögern wird. Wir müssen Einigkeit erzielen und
Vertrauen schaffen hinsichtlich der bevorstehenden notwendigen Änderungen und
Entscheidungen. In diesem Dialog kommt den Sozialpartnern eine entscheidende
Rolle zu. Deswegen muss die EU in
ihrer Gesamtstrategie dem Wachstumsaspekt mehr Gewicht einräumen. Die Grundlage
dafür bildet die Zusammenführung der Anstrengungen der Mitgliedstaaten auf
nationaler Ebene und der Maßnahmen auf EU-Ebene – diese gemeinsamen
Anstrengungen gilt es in der Strategie „Europa 2020“ und in unseren neuen
Steuerungsstrukturen zu verankern. Einige wichtige Bestandteile dieser
Wachstumsinitiative sind bereits vorhanden – sie müssen nur vollständig
umgesetzt werden. Andere Elemente erfordern Visionen, Mut und Führungsstärke
zur Entfesselung ihres Potenzials – doch angesichts der Herausforderungen,
denen sich die EU heute gegenübersieht, ist mutiges und wirksames Vorgehen
gefragt. In dieser Mitteilung
schlägt die Kommission zahlreiche mögliche Bestandteile einer
Wachstumsinitiative vor, die auf zwei sich gegenseitig verstärkenden Säulen
beruht: ·
einer EU-Säule, die auf der Stärke und auf
Synergien der Zusammenarbeit auf EU-Ebene gründet, und ·
einer Mitgliedstaatensäule, die auf der Freisetzung
des Wachstumspotenzials von Strukturreformen im Rahmen des Europäischen
Semesters gründet. Nach der informellen
Sitzung des Europäischen Rates vom 23. Mai und im Vorfeld des im Juni
tagenden Europäischen Rates arbeitet die Kommission an allen möglichen
Elementen weiter, die zu mehr Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit beitragen
können.
2.
Die Aufgabe der EU bei der neuen Wachstumsinitiative
Auf EU-Ebene wurde die
Strategie „Europa 2020”[2]
verabschiedet, die auf ein intelligentes, nachhaltiges und integratives
Wachstum in Europa abzielt. Dies ist die Grundlage für eine neue
Wachstumsinitiative. Den Europa-2020-Zielen in den Bereichen Beschäftigung,
Energie, Bildung und Ausbildung, Forschung und Armutsbekämpfung haben sämtliche
Mitgliedstaaten zugestimmt. Sie weisen darauf hin, wie die Reformen in Europa
erfolgen sollten. Ihre Umsetzung wird zu verbesserter Wettbewerbsfähigkeit und
Konvergenz führen und das Wachstum in der EU beschleunigen. Durch ein
stärkeres Bekenntnis zu unserem FuE-Ziel, 3 % des BIP in Forschung und
Entwicklung zu investieren, könnten 3,7 Mio. neue Arbeitsplätze geschaffen
und das BIP der EU bis 2020 um 800 Mrd. EUR gesteigert werden. Das
Erreichen unserer Klima- und Energieziele bis 2020 würde bis zu 5 Mio.
zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, die Energieversorgungssicherheit in Europa
steigern und zur Einhaltung unserer Verpflichtungen bei der Bekämpfung des
Klimawandels beitragen. Könnten mindestens 20 Mio. Menschen der Armut
entrissen werden, würde dies nicht nur ihre Lebensverhältnisse verbessern,
sondern auch mit wirtschaftlichen Vorteilen für die Gesellschaft insgesamt einhergehen.
Aus diesen Zahlen geht hervor, dass es möglich ist, europaweit neue
Arbeitsplätze und Marktchancen zu schaffen, die Arbeitslosenquote erheblich zu
senken und unseren Bürgern eine bessere und grünere Zukunft zu bieten.
2.1.
Erschließung des Wachstumspotenzials der
Wirtschafts- und Währungsunion
In den vergangenen Jahren
wurde vieles für die Einführung starker wirtschaftlicher Aufsichtsmechanismen
getan, die zur Stützung unserer Wirtschafts- und Währungsunion benötigt werden.
Politische Wirksamkeit und das Vertrauen auf den Märkten werden davon abhängen,
wie die EU und ihre Mitgliedstaaten dieses neue System umsetzen. Auf lange
Sicht bedarf es zur Vollendung unserer Wirtschafts- und Währungsunion einer
vertieften Integration. Eine starke EU braucht eine stabile Währung. Von dieser
profitieren sämtliche Mitgliedstaaten, auch diejenigen, die nicht zum
Euro-Währungsgebiet gehören. Das Vertrauen in den Euro entscheidet darüber, ob
Europa zu günstigen Zinssätzen Anleihen am Kapitalmarkt aufnehmen und diese aus
einer starken Wirtschaft heraus zurückzahlen kann. ·
Der verschärfte Stabilitäts- und Wachstumspakt
bringt der EU die auf Regeln beruhenden starken Politikinstrumente, die sie zur
Gewährleistung gesunder öffentlicher Finanzen braucht. Die meisten
Mitgliedstaaten müssen nun vorrangig ihre enormen Defizite abbauen. Abgesehen
von dem jüngst vorgeschlagenen „Doppelpaket“ besteht keine unmittelbare
Notwendigkeit, die kürzlich vereinbarten Regeln zu ändern. Die bestehenden
Regeln gewähren einen Spielraum zur Beurteilung und zur Differenzierung
zwischen Mitgliedstaaten nach deren haushaltspolitischen Möglichkeiten und
makroökonomischen Bedingungen und stellen die Nachhaltigkeit der öffentlichen
Finanzen langfristig sicher. Entscheidend für die Umsetzung der Regeln ist die
Bewertung insbesondere der strukturellen haushaltspolitischen Maßnahmen der
Mitgliedstaaten. Die Kommission wird überwachen, wie sich starke
Haushaltszwänge auf wachstumsfördernde öffentliche Ausgaben und auf öffentliche
Investitionen auswirken. Gegebenenfalls wird sie Hilfestellung dazu geben, wie
der Spielraum für mögliche Maßnahmen im Rahmen der Haushaltsregeln der EU und
der Mitgliedstaaten genutzt werden kann. In den kommenden Monaten wird sie
einen Bericht über die Qualität öffentlicher Ausgaben herausgeben, der sich mit
diesen Fragen befasst. ·
Wir haben bedeutende Fortschritte bei der
Erweiterung unserer Rettungsschirme erzielt. Am 1. Juli 2012 – und
damit ein Jahr schneller als vorgesehen – soll der Europäische
Stabilitätsmechanismus als ständiger Mechanismus für das Finanzkrisenmanagement
im Euro-Währungsgebiet in Kraft treten. Europäischer Stabilitätsmechanismus
(ESM), Europäischer Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) und sonstige Mittel
zur Krisenfinanzierung bieten uns nun zusammen eine Darlehenskapazität von
insgesamt 800 Mrd. EUR. Gemeinsam mit den unlängst bewilligten
IWF-Mitteln leisten die europäischen Rettungsschirme einen wesentlichen Beitrag
zu globalen Sicherheitsnetzen für die Finanzwirtschaft. Entscheidend ist jedoch
auch, wie wir unsere Rettungsschirme einsetzen. Für diejenigen, die den
Fiskalpakt ratifizieren, enthält der Europäische Stabilitätsmechanismus eine
Reihe neuer Instrumente, die die EU in die Lage versetzen werden, wirksam auf
Krisensituationen zu reagieren. Dabei sind Flexibilität und rasches
Intervenieren besonders wichtig. ·
Ein gestärkter EU-Bankensektor: Ein Zusammenbruch der Finanzmärkte konnte abgewendet werden und die
Aufsicht über den Finanzsektor wurde grundlegend überholt. Grenzübergreifend
operierende Banken werden nun von Aufsichtskollegien kontrolliert, und es
wurden drei neue EU-Aufsichtsbehörden eingerichtet. Zudem wurde der Europäische
Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) als EU-Aufsichtsinstanz auf Makroebene
geschaffen. Die Rekapitalisierung bestimmter Banken muss noch im Rahmen der
jetzt von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde koordinierten Strategie
vollendet werden. Obwohl einige Banken die während der Krise erhaltenen
öffentlichen Darlehen bereits zurückzahlen, hatte der Steuerzahler erhebliche
Kosten zu tragen. Um sicherzustellen, dass der Privatsektor bei zukünftigen
Rettungsmaßnahmen seinen gebührenden Beitrag leistet, wird die Kommission im
Juni einen gemeinsamen gesetzgeberischen Rahmen für die Sanierung und Rettung
von Banken und Investmentgesellschaften vorschlagen. Damit werden bei Bedarf
Instrumente für die geordnete Rettung von angeschlagenen systemrelevanten
Finanzinstituten bereitgestellt. ·
Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion: Wir müssen über den unmittelbaren Horizont hinaus blicken und der
Frage nachgehen, wie die Wirtschafts- und Währungsunion der EU auf lange Sicht
aussehen soll. Die Kommission wird sich für eine ambitionierte und
strukturierte Lösung einsetzen. Das derzeitige mangelnde Vertrauen in das
Euro-Währungsgebiet beeinträchtigt massiv die Wachstumsperspektiven der EU.
Solange es nicht gelingt, gravierende Unsicherheitsfaktoren – wie
beispielsweise die Situation in Griechenland – in den Griff zu bekommen, wird
das für Investitionen und für die Schaffung neuer Arbeitsplätze benötigte
Vertrauen weiterhin ausbleiben. Ausgehend von dem bisher Erreichten müssen wir
darlegen, welches die wichtigsten Schritte zu einer umfassenden Wirtschafts-
und Währungsunion sind. Um dazu beizutragen, dass das Vertrauen in das
Euro-Währungsgebiet und in unsere Fähigkeit zur Überwindung der aktuellen
Schwierigkeiten wiederhergestellt wird, müssen wir unsere Entschlossenheit zur
Fortsetzung des eingeschlagenen Kurses zeigen und müssen sich die
Mitgliedstaaten politisch zum Euro bekennen. Hierzu bedarf es eines
weitreichenden Prozesses, in dem auch rechtliche Fragen berücksichtigt werden.
Dies muss auch einen politischen Prozess umfassen, um weitere
Integrationsschritte demokratisch zu legitimieren und zu rechtfertigen. Zu den
wesentlichen Bausteinen eines solchen Prozesses sollten unter anderem Schritte
in Richtung einer Bankenunion mit einer Gesamtfinanzaufsicht und einem
einheitlichen System zur Sicherung von Bankeinlagen gehören. Die Kommission hat
in ihrem Grünbuch vom November 2011[3]
bereits ihre Vorstellungen dazu bekannt gemacht, wie das Euro-Währungsgebiet
gemeinsame Schuldtitel herausgeben könnte. Tempo und Abfolge dieser Schritte,
d. h. einen Fahrplan und ein Zeitplan, müssen noch genauer bestimmt
werden, aber eine frühzeitige Bestätigung der zu ergreifenden Schritte
unterstreicht die Unumkehrbarkeit und die Stabilität des Euro.
2.2.
Erschließung des Potenzials des Binnenmarkts
Während der Binnenmarkt
für Waren weitestgehend funktioniert, trifft dies nicht auf den Binnenmarkt für
Dienstleistungen oder Online-Dienste zu. EU-weites Wachstum lässt sich unter
anderem durch eine bessere Ausschöpfung des Potenzials des Binnenmarkts am
wirksamsten ankurbeln. Ein unmittelbarer Wachstumsschub für innovative
Unternehmen würde sich aus der überfälligen Annahme der Legislativvorschläge
zum EU-Patent ergeben. Nach so vielen Jahren sollte nun eine
Entscheidung getroffen werden. Im Juni wird die
Kommission Maßnahmen zur verbesserten Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie
vorschlagen. In vielen Mitgliedstaaten bestehen nach wie vor Hemmnisse
und Beschränkungen, die sie und andere Mitgliedstaaten daran hindern, die
Vorteile der Richtlinie in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum in
vollem Umfang zu nutzen. Einer Analyse der Kommission zufolge ließe sich das
BIP in Ergänzung des aus der teilweisen Umsetzung der Richtlinie bereits
erreichten Zuwachses von 0,8 % um bis zu 1,8 % steigern, wenn
sämtliche Beschränkungen entfielen. Die Analyse zeigt auch, dass sich der Abbau
bzw. die Beseitigung der Hemmnisse positiv auf Handelsströme und ausländische
Direktinvestitionen sowie auf das Produktivitätsniveau in jedem Mitgliedstaat
auswirken würde. Zudem ließe sich so mehr Ausgewogenheit zwischen „Überschuss“-
und „Defizit“-Ländern herstellen. Noch im Lauf dieses Jahres
wird die Kommission eine Binnenmarktakte II vorschlagen, mit der
der Binnenmarkt in Schlüsselbereichen wie den digitalen und netzgebundenen
Wirtschaftszweigen, in denen die EU derzeit noch nicht ausreichend
leistungsfähig ist, vollendet werden soll. Wenn die EU erst einmal mit der
materiellen und virtuellen Infrastruktur ausgerüstet ist, die sie zur
Bewältigung der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts benötigt, können
Wachstum freigesetzt und Arbeitsplätze geschaffen werden. Neue Technologien und
Netze können die Überlastung des europäischen Luft- und Straßenverkehrs
verringern, zur Einrichtung intelligenter Stromversorgungsnetze beitragen, die
sich aus erneuerbaren Energien speisen und Elektrofahrzeuge antreiben, und
produktionsfördende Technologien per „Cloud Computing“ kostengünstig allen
Unternehmen zur Verfügung stellen. Die EU muss in Grundlagentechnologien wie
Bio-, Nano- und Mikrotechnologie investieren, um ihre künftige industrielle
Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Dies geht nur über die Entwicklung neuer
Waren und Dienstleistungen und über die Umstrukturierung industrieller
Verfahren zur Modernisierung der EU-Industrie. Die Kommission hat
beharrlich darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, grenzübergreifende
Steuerhindernisse im Binnenmarkt zu beseitigen. Fortschritte auf EU-Ebene
können Maßnahmen einzelner Mitgliedstaaten zur Einhaltung der jeweiligen
Wachstumsstrategieziele stimulieren und dazu beitragen, einen soliden
umfassenden Rahmen für eine verbesserte Steuererhebung, die Betrugsbekämpfung
und die Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. In diesem
Kontext muss der Rat die Vorschläge der Kommission zu Zinserträgen und zu
Mandaten für die Aushandlung von Kooperationsabkommen mit Drittländern wieder
aufgreifen. Im weiteren Jahresverlauf wird die Kommission eine Mitteilung
veröffentlichen, in der Optionen für den Umgang mit Steuerparadiesen und
aggressiver Steuerplanung dargelegt werden. Nach Auffassung der Kommission muss
die Bekämpfung von missbräuchlicher Steuerplanung mit Maßnahmen gegen Betrug
einhergehen. Dies erfordert eingehende technische Arbeiten und ein klares
politisches Bekenntnis, doch könnten sich erhebliche Vorteile ergeben, nicht
nur Mehreinnahmen betreffend, sondern auch in Bezug auf bessere und lautere
Wettbewerbsbedingungen. Ein Paradebeispiel für das
positive Ineinandergreifen von Maßnahmen auf EU- und auf nationaler Ebene ist
die Energiesteuer. Hier würde der Vorschlag der Kommission zu einer
umstrukturierten Besteuerung der Energie den Umstieg auf eine emissionsarme und
Ressourcen schonende Wirtschaft begünstigen und gleichzeitig Verzerrungen
verringern, die aus der unterschiedlichen Besteuerung vergleichbarer, demselben
Zweck dienender Produkte resultiert. Durch eine verstärkte Steuerneutralität
sowie eine Vorzugsbehandlung umweltfreundlicherer Energiequellen ließen sich
die EU-Ziele für die Verminderung des CO2-Ausstoßes, für
Energieeffizienz und erneuerbare Energie leichter erreichen.
2.3.
Erschließung des Humankapitalpotenzials
In ihrem kürzlich vorgelegten Beschäftigungspaket hat die
Kommission konkrete Maßnahmen für eine beschäftigungsintensive wirtschaftliche
Erholung in der gesamten EU vorgeschlagen. Die auf die Erschließung des
Potenzials zur Schaffung von Arbeitsplätzen angelegten Maßnahmen in wichtigen
Sektoren wie IKT (Informations‑ und Kommunikationstechnologien),
Gesundheitswesen und grüne Wirtschaft erfordern die Zusammenarbeit von
Kommission, Mitgliedstaaten, Sozialpartnern sowie öffentlichen und privaten
Akteuren. Von der verstärkten Überwachung der nationalen Beschäftigungspläne
durch das von der Kommission vorgeschlagene Benchmarking‑ und
Scoreboard-Verfahren werden weitere Impulse für beschäftigungsfördernde
Reformen ausgehen, zu denen auch die engere Verknüpfung der länderspezifischen
Empfehlungen mit der Zuteilung von Mitteln aus den Strukturfonds, insbesondere
dem Europäischen Sozialfonds, beitragen dürfte, die die Kommission für den
kommenden Programmzeitraum (2014-2020) vorgeschlagen hat. Angesichts
von mehr als drei Millionen freien Stellen in der EU muss mehr in die
Kompetenzverbesserung investiert werden, um das Missverhältnis zwischen
Qualifikationsangebot und Qualifikationsnachfrage zu beseitigen. EU-Programme
wie Erasmus und Leonardo leisten einen maßgeblichen Beitrag, indem sie jungen
Menschen helfen, in anderen Mitgliedstaaten zu studieren, sich dort ausbilden
zu lassen und Berufserfahrung zu sammeln. Zudem wird mit neuen EU-Instrumenten
wie dem Kompetenzpanorama und dem Qualifikationspass dafür gesorgt, dass in der
EU erworbene Kompetenzen und Qualifikationen in allen Mitgliedstaaten anerkannt
werden. Die Kommission setzt sich für mehr Arbeitskräftemobilität ein. Außerdem
ist sie bestrebt, den Bedarf an Arbeitskräften und Kompetenzen mit dem Angebot
auf dem Arbeitsmarkt in Einklang zu bringen. Noch viel mehr kann erreicht
werden, indem insbesondere durch die Sicherstellung der Übertragbarkeit von
Rentenansprüchen und die Koordinierung von Sozialversicherungsleistungen
rechtliche und praktische Hindernisse für die Freizügigkeit von Arbeitnehmern
beseitigt werden und die Vermittlung von Arbeitsstellen durch den Ausbau des
EURES-Portals zu einem echten europäischen Instrument für die
Arbeitsvermittlung verbessert wird.
2.4.
Erschließung externer Wachstumsquellen
Während die
Außenhandelsbilanz der EU insgesamt ausgeglichen ist, deutet die Länderanalyse
der Kommission darauf hin, dass einige Mitgliedstaaten langfristig
besorgniserregende Einbußen von Exportmarktanteilen hinnehmen müssen. Aus der
Analyse geht jedoch auch hervor, dass die leistungsfähigsten Mitgliedstaaten
ihr Exportwachstum zur Ankurbelung ihrer Wirtschaft genutzt haben. Überdies
werden zwei Drittel der EU-Einfuhren gewinnbringend wiederausgeführt. Dies
belegt, dass die EU nur davon profitieren kann, wenn sie ihre Handels- und
Investitionsbeziehungen mit wichtigen Partnern intensiviert. Ein großer Teil
des zukünftigen globalen Wachstums wird von den aufstrebenden Wirtschaften mit
ihrem hohen Wachstumspotenzial kommen. Die EU muss sich dieses Wachstum durch
den Abschluss bilateraler und regionaler Handels- und Investitionsabkommen mit
wichtigen Partnern zunutze machen. Das jüngst in Kraft getretene
Freihandelsabkommen zwischen der EU und Südkorea zeigt mit einer Steigerung der
EU-Ausfuhren um 20 % im Laufe des Jahres 2011 bereits seine Vorteile. Die
EU handelt derzeit aktiv verschiedene weitere Freihandelsabkommen aus, denen
weitere folgen sollen. Wenn sich die enormen Vorteile dieser Abkommen
einstellen sollen, müssen wir die Verhandlungen und die Ratifizierung
beschleunigen.
2.5.
Erschließung des Potenzials wachstumsorientierter
EU-Finanzmittel zugunsten Europas
Selbst in Zeiten einer
strengen Haushaltskonsolidierung besteht Bedarf an gezielten öffentlichen
Ausgaben und Investitionen. Die Kommission fördert wachstumsfreundliche
Konsolidierungsmaßnahmen und drängt darauf, dass die Mitgliedstaaten ihre
Ausgaben für Forschung, Bildung, nachhaltige Verwaltung natürlicher Ressourcen,
Energie und Sozialleistungen nicht kappen. Obwohl der EU-Haushalt mit nur
1 % des BIP der EU bescheiden ist, bietet er einen enormen Mehrwert und
kann sich als Katalysator für ein europaweites Wachstum erweisen. ·
Der mehrjährige Finanzrahmen 2014-2020: Die Kommission hat für den nächsten Finanzierungszeitraum Vorschläge
für einen wachstums- und investitionsorientierten Haushalt für die EU
vorgelegt. Die Vorschläge der Kommission verknüpfen die länderspezifischen
Empfehlungen für Strukturreformen mit EU-Haushaltshilfen, um Mitgliedstaaten
dabei zu unterstützen, die notwendigen Änderungen und Investitionen
durchzuführen. Sie umfassen innovative Ideen für die Finanzierung von Forschung
und Innovation sowie für den Zusammenschluss Europas in den Bereichen Verkehr,
Energie und Breitbandverbindungen. Zu diesen Vorschlägen gehört auch eine
modernere Agrarpolitik und eine bessere Entwicklung des ländlichen Raums. Über 600 Mrd. EUR
des von der Kommission vorgeschlagenen Haushalts würden der Finanzierung von
Forschung, transeuropäischen Netzen, Investitionen in Humankapital, Kohäsionspolitik
und Entwicklung des ländlichen Raums dienen. Kombiniert mit der Hebelwirkung
nationaler Kofinanzierung und dem Einsatz innovativer Finanzinstrumente stellt
dieser Betrag ein bedeutendes Budget für intelligentes, nachhaltiges und
integratives Wachstum dar. Die Kommission hat
vorgeschlagen, bestimmte Infrastrukturvorhaben über Projektanleihen zu
finanzieren, wodurch die Zuschüsse aus dem EU-Haushalt gestreckt würden. Durch
Projektanleihen sollen Fremdkapitalmärkte als zusätzliche Finanzierungsquelle
für Infrastrukturvorhaben und zur Stimulierung von Investitionen in strategisch
wichtige EU-Infrastrukturprojekte für den Verkehr, die Energieversorgung und
das Breitbandnetz genutzt werden. Indem die Kreditwürdigkeit der
Projektanleihen privater Unternehmen verbessert wird, sollen institutionelle
Kapitalanleger dazu bewegt werden, eine Finanzierung von wirtschaftlich
aussichtsreichen Projekten mit stabilen und berechenbaren Cashflows über den
Kapitalmarkt in Betracht zu ziehen. Zur Erprobung dieses Ansatzes hat
die Kommission für 2012-2013 eine Pilotphase für Projektanleihen vorgeschlagen.
Die EU-Gesetzgeber haben schnell reagiert, damit die EIB noch dieses Jahr
Pilotprojekte finanzieren kann. ·
EU-Haushaltsplan 2013:
Die Kommission hat eine Erhöhung der Mittel für Zahlungen um 7 %
vorgeschlagen, damit genügend Mittel für die erwarteten Zahlungsanträge der
Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen. Damit bleibt sie unter der vereinbarten
Obergrenze der Mittel für Zahlungen im aktuellen EU-Finanzrahmen. Diese
Zahlungen sollen ausschließlich in Produktionsanlagen, Beschäftigungsförderungsmaßnahmen,
Ausbildung und die Forschung in den Mitgliedstaaten fließen. In einigen
EU-Mitgliedstaaten werden mehr als 50 % der gesamten Investitionen der
öffentlichen Hand aus EU-Fonds kofinanziert. Indem die EU ihre Zahlungsverpflichtungen
einhält, leistet sie einen maßgeblichen Beitrag zum Wirtschaftswachstum. ·
Ausrichtung der Strukturfonds auf Wachstum und
Konvergenz in den Jahren 2012-2013: Im Durchschnitt
werden im Rahmen der EU-Kohäsionspolitik 65 Mrd. EUR pro Jahr für
wachstums‑ und beschäftigungsfördernde Investitionen zur Verfügung gestellt. Um
der Krise besser begegnen zu können, wurde der Schwerpunkt auf Forschung und
Innovation, Förderung von KMU und Arbeitsmarktmaßnahmen für benachteiligte
Arbeitnehmer verlegt, wozu 17 Mrd. EUR umverteilt wurden. Ferner
wurde mehr in die Infrastruktur und die Energieeffizienz investiert. Diese
Bemühungen werden fortgesetzt. In jüngster Zeit wurden über 7 Mrd. EUR auf
ein Pilotprojekt umprogrammiert, mit dem gemeinsam gegen die Jugendarbeitslosigkeit
vorgegangen wird und der Zugang von KMU zu Fremdkapital erleichtert werden
soll. ·
Erhöhung des Kapitalstocks der Europäischen
Investitionsbank (EIB): Um unter Berücksichtigung der
Grundsätze solider Bankpraktiken weiterhin im jetzigen großen Umfang Kredite
vergeben zu können (rund 65 Mrd. EUR jährlich), braucht die EIB mehr
Grundkapital. Die Mitgliedstaaten sollten dem Vorschlag der Kommission folgen
und sich im Rahmen einer neuen EU-Wachstumsinitiative auf die Erhöhung des
Grundkapitals um 10 Mrd. EUR einigen. Dadurch würde sich das
Kreditvolumen um bis zu 180 Mrd. EUR erhöhen. Die Mittel, die dann
zusätzlich für Darlehen zur Verfügung stünden, sollten auf die einzelnen
EU-Staaten, darunter auch die wirtschaftlich schwächsten Länder, verteilt
werden. Sie sollten in erster Linie für die Unterstützung von KMU in Sektoren
wie Energieeffizienz und Renovierung von Gebäuden fließen, da so in der
krisengeschüttelten Bauwirtschaft Arbeitsplätze geschaffen werden können und
die EU ihre klima‑ und energiepolitischen Ziele leichter erreichen kann. Wird
eine solche Kapitalerhöhung vereinbart, wird sich die Kommission dafür
einsetzen, dass die Mitgliedstaaten einen Teil der ihnen zustehenden
Strukturfondsmittel für eine teilweise Übernahme des Risikos bei EIB-Krediten
und für Darlehensbürgschaften für KMU verwenden. Wenn die
Finanzierungsinstrumente so kombiniert werden, könnte die Wirtschaftstätigkeit
in sämtlichen Sektoren und Regionen belebt werden. Außerdem könnten KMU
leichter an Finanzmittel herankommen, was derzeit für sie problematisch ist. ·
Finanztransaktionssteuer: Die Kommission hat die Einführung einer Finanztransaktionssteuer
vorgeschlagen. Die Einnahmen aus einer solchen Steuer (die auf rund
57 Mrd. EUR geschätzt werden) können in wachstumsfördernde Investitionen
und/oder die Bankenrekapitalisierung fließen.[4]
Die Kommission hat vorgeschlagen, einen Teil der Einnahmen des EU-Haushalts
dazu zu verwenden, die Haushaltsbeiträge der Mitgliedstaaten zu verringern.
3.
Aufgabe der Mitgliedstaaten bei der neuen Wachstumsinitiative
3.1.
Erschließung des Potenzials des Europäischen
Semesters 2012
Um Europa den Zielen der
Strategie Europa 2020 näher zu bringen, hat die Kommission im Rahmen des
Europäischen Semesters 2012 und dem erheblich verstärkten Stabilitäts‑ und
Wachstumspakt für jeden Mitgliedstaat Empfehlungen formuliert und dem Rat
übermittelt. Diese Empfehlungen stützen sich auf eine gründliche Analyse der
Lage jedes Mitgliedstaats, der Umsetzung der Vorjahresempfehlungen[5] und der Befolgung der
Ratschläge aus dem Jahreswachstumsbericht 2012[6]
durch die Mitgliedstaaten. Die Situation ist in jedem Mitgliedstaat wegen der
jeweiligen Besonderheiten eine andere. In den länderspezifischen Empfehlungen
sind daher die Stärken, Schwächen und die Fähigkeit zur Bewältigung der Herausforderungen
berücksichtigt. Die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten sind jedoch – nicht
nur aus politischen, historischen und geografischen Gründen, sondern auch durch
die Dynamik der neuen Technologien, die die Märkte schneller als je zuvor
zusammenschweißen – untrennbar miteinander verbunden. Die Gesamtentwicklung der
EU hängt vom Zusammenspiel der Verhältnisse in den einzelnen Mitgliedstaaten
ab. Das Handeln (oder Nichthandeln) der Mitgliedstaaten hat zwangsläufig
positive und negative Auswirkungen auf die übrigen Länder der EU. Daher
brauchen wir eine EU-weite wirtschaftspolitische Steuerung im Zuge des
Europäischen Semesters (siehe Anlage 1). Die
Kommission hat erstmals ausgehend von dem Verfahren zur Korrektur
makroökonomischer Ungleichgewichte[7]
eine eingehende Überprüfung vorgenommen. Dieses Verfahren soll makroökonomische
Stabilität und Wachstum sichern und die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Im
Februar wurde im Rahmen dieses Verfahrens der erste Warnmechanismus-Bericht
veröffentlicht. Auf der Grundlage dieses Berichts wurden die ersten eingehende
Überprüfungen für zwölf Ländern durchgeführt (Belgien, Bulgarien, Dänemark,
Spanien, Frankreich, Italien, Zypern, Ungarn, Slowenien, Finnland, Schweden und
Vereinigtes Königreich).[8]
Dabei bestätigten sich Ungleichgewichte, die zwar nicht übermäßig waren, aber
dennoch unsere Aufmerksamkeit erfordern. So müssen die laufenden Bemühungen um
mehr Ausgewogenheit zwischen den Überschuss‑ und den Defizitländern fortgesetzt
werden. Für diese Länder wurden in den länderspezifischen Empfehlungen
präventive Empfehlungen formuliert. Sie umfassen Wettbewerbsförderungsmaßnahmen
und Arbeitsmarktanpassungen, Deleveraging im privaten und öffentlichen Sektor
sowie die Stabilisierung auf den Anlagemärkten.
3.2.
Bewertung der Kommission und Empfehlungen
Die
Kommission ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Mitgliedstaaten insgesamt die
notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung der Ungleichgewichte in den öffentlichen
Finanzen und zur Gewährleistung der Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte
ergreifen, wobei diese besser auf Wachstum ausgerichtet werden könnten. Die
Arbeitslosigkeit, allen voran die Jugendarbeitslosigkeit, ist ein ernstes
Problem, das sich nur langfristig lösen lässt. Wir müssen aber jetzt handeln,
um die Beschäftigungsquote und die Produktivität zu erhöhen und die
Qualifikationen und die Ausbildung besser auf den Bedarf auf dem Arbeitsmarkt
abzustellen, damit die Menschen auf gut funktionierenden Arbeitsmärkten wieder
eine Beschäftigung finden. Allgemein müssen die negativen sozialen Folgen der
Krise, darunter die Armut, angegangen werden. Mehrere
Mitgliedstaaten, besonders die Länder, die einem Strukturanpassungsprogramm
unterzogen werden, und die Länder, die unter genauer Marktbeobachtung stehen,
haben umfassende Strukturreformen, darunter auch Arbeitsmarktreformen
eingeleitet. Diese Anstrengungen sind für die Konjunkturerholung und
dauerhaftes Wachstum unerlässlich und verringern die makroökonomischen
Ungleichgewichte in Europa insgesamt. Es muss jedoch in der gesamten EU noch
viel mehr getan werden, damit sich das Wachstumspotenzial entfalten kann, damit
Möglichkeiten für die Unternehmensentwicklung entstehen und das neue Potenzial
für die Schaffung von Arbeitsplätzen beispielsweise in der grünen Wirtschaft,
im Dienstleistungssektor, in der Energiewirtschaft, in der
Fremdenverkehrsbranche und in der digitalen Wirtschaft genutzt wird und sich
das Qualifikations‑ und das Innovationsniveau verbessern. Dringend wichtig sind
Maßnahmen zur Förderung des Aufschwungs, zur Verbesserung des Lebensstandards
und zur Bewältigung der Herausforderungen der Bevölkerungsalterung. Die
Kommission befürchtet, dass die Zusagen der Mitgliedstaaten nicht ausreichen
werden, um die Kernziele der Strategie Europa 2020 in wichtigen Bereichen
wie Erwerbstätigenquoten, FuE, Bildung und Armutsbekämpfung zu erreichen. Für
die Zukunft Europas ist es aber ausschlaggebend, dass diese Ziele erreicht
werden. Wie können die
Mitgliedstaaten ihr Wachstumspotenzial entfalten? In ihrem
Jahreswachstumsbericht 2012 empfahl die Kommission eine Konzentration der
Bemühungen auf nationaler und EU-Ebene auf folgende fünf Bereiche: ·
Inangriffnahme einer differenzierten,
wachstumsfreundlichen Haushaltskonsolidierung ·
Wiederherstellung einer normalen Kreditvergabe an
die Wirtschaft ·
Förderung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit für
heute und morgen ·
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Bewältigung der
sozialen Folgen der Krise ·
Modernisierung der Verwaltungen In diesem Abschnitt sind
die wichtigsten Ergebnisse der Länderanalysen, die die Kommission auf der
Grundlage der Stabilitäts- oder Konvergenzprogramme, der Nationalen
Reformprogramme und gegebenenfalls der Euro-Plus-Pakt-Verpflichtungen
vorgenommen hat, zusammengefasst. Der Kasten am Anfang jedes Abschnitts enthält
einen Überblick über die wichtigsten länderspezifischen Empfehlungen und zeigt,
wie entsprechende Maßnahmen zum Wachstum im betreffenden Land beitragen können. Inangriffnahme einer
differenzierten, wachstumsfreundlichen Haushaltskonsolidierung Die länderspezifischen Empfehlungen im Bereich der
wachstumsfreundlichen Haushaltskonsolidierung sind auf eine langfristig solide
Haushaltspolitik in allen Mitgliedstaaten angelegt. Es handelt sich um
differenzierte Haushaltsstrategien, in denen die Besonderheiten der Mitgliedstaaten,
insbesondere die bestehenden haushaltspolitischen und makrofinanziellen Risiken
berücksichtigt sind. Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, ihre
Staatshaushaltsdefizite und Schulden abzubauen, dabei aber weiter in Forschung
und Innovation, Bildung und den Energiesektor zu investieren und die
Sozialsysteme, darunter auch die Rentensysteme, zukunftsfähig und wirksamer zu
machen. Im Steuerbereich wird unter anderen empfohlen, die Steuerlast vom
Faktor Arbeit auf die Umweltschädigung und den Verbrauch zu umzuverteilen, die
Besteuerung effizienter zu machen, indem Mehrfachbefreiungen (darunter
ermäßigte Sätze) abgeschafft werden, sowie gegen Steuerflucht und die
Schattenwirtschaft vorzugehen. Zudem werden die Mitgliedstaaten zu
Haushaltsdisziplin auf subnationaler Ebene angehalten. 23 Mitgliedstaaten
werden zurzeit einem Defizitverfahren nach dem Stabilitäts‑ und Wachstumspakt
unterzogen. Sie werden in den länderspezifischen Empfehlungen darauf
hingewiesen, dass sie den Empfehlungen des Rates für Korrekturmaßnahmen
nachkommen müssen. Für Deutschland und Bulgarien hat die Kommission am
30. Mai in zwei getrennten Beschlüssen vorgeschlagen festzustellen, dass
kein übermäßiges Defizit mehr besteht. Darüber hinaus hat die Kommission,
nachdem sie die Maßnahmen Ungarns geprüft hat, gemäß der EU-Verordnung über den
Kohäsionsfonds einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Aufhebung der
Aussetzung von Mittelbindungen für den Kohäsionsfonds vom März 2012
vorgeschlagen. Den Behörden derjenigen Mitgliedstaaten, die keinem
Defizitverfahren unterliegen, wird empfohlen, ihre finanzpolitischen Pläne auf
die Wachstumsförderung und zugleich einen Haushalt auszurichten, der eine
langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, auch unter
Berücksichtigung der Bevölkerungsalterung, sicherstellt. Die Analyse der Kommission
hat gezeigt, dass die Mitgliedstaaten mit der Haushaltskonsolidierung im Großen
und Ganzen auf Kurs sind und ihre Haushaltsdefizite reduzieren. Die Defizite
sollten von 4,5 % im Jahr 2011 auf 3,5 % im Jahr 2012 abgebaut
werden. Die Staatsschuldenquote wächst jedoch weiter und hat 2012 86 % des
BIP erreicht, was auch auf die niedrigeren Wachstumsraten zurückzuführen ist.
Die Kommission erachtet es als unabdingbar, an den vereinbarten Fristen für die
Korrektur übermäßiger Defizite festzuhalten und zügig Maßnahmen zur
Erreichung der vom Rat aufgeführten mittelfristigen Haushaltsziele zu
ergreifen. Solche haushaltspolitischen Korrekturen sollten, wie unten
beschrieben, auf ein nachhaltigeres Wirtschaftswachstum angelegt sein. Dies ist
im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumspakts, der bei der Strukturanpassung zur
Korrektur übermäßiger Defizite und zur Erreichung der mittelfristigen Ziele
auch Raum für die Wirkung automatischer Stabilisatoren lässt. Gleichzeitig
zeigt dies, dass die Mitgliedstaaten, die unter genauer Marktbeobachtung
stehen, in ihren ehrgeizigen Konsolidierungsbemühungen nicht nachlassen dürfen,
auch wenn das makroökonomische Umfeld schlechter ist als erwartet. Auch den
Ländern, für die das Defizitverfahren eingestellt wird, wird empfohlen, den
verfügbaren haushaltspolitischen Spielraum für wachstumsfördernde Investitionen
zu nutzen. Wie in den EU-Vorschriften vorgesehen, werden in den Mitgliedstaaten
strengere Haushaltsregeln eingeführt. Dabei ist jedoch unbedingt darauf zu
achten, dass nicht nur auf zentralstaatlicher Ebene Haushaltsdisziplin geübt
wird, sondern dass auch auf subnationaler Ebene die staatlichen Ausgaben
ebenso wirksam unter Kontrolle gehalten werden. Dies ist für mehrere föderative
oder regional strukturierte Länder eine besondere Herausforderung. Entscheidend wird die
Verbesserung der Qualität der öffentlichen Finanzen sein, indem Ausgaben im
Zusammenhang mit Europa-2020-Zielen Vorrang erhalten und gewährleistet wird,
dass diese Ausgaben so effizient wie möglich sind. Die Kontrolle staatlicher
Beihilfen durch die EU trägt zur Förderung der Ausgabenqualität bei und
reduziert Verzerrungen. Die Kommission hat kürzlich einen ambitionierten
Vorschlag zur Modernisierung staatlicher Beihilfen vorgelegt, dem zufolge die
Mitgliedstaaten eine bessere Einhaltung der Regeln sowie eine bessere interne
Koordinierung der staatlichen Beihilfemaßnahmen auf nationaler Ebene
gewährleisten müssen. Wegen der
Bevölkerungsalterung ist eine Anpassung der Rentensysteme im Gange.
Manche Länder führen eine tiefgreifende, auf eine Verlängerung der
Lebensarbeitszeit angelegte Reform durch. Diese Reformen sind unabdingbar, um
die Kosten eines angemessenen Wohlfahrtssystems unter Kontrolle halten und
dessen Finanzierbarkeit auf Dauer sichern zu können. Gleichzeitig müssen in dem
Maß, in dem die Lebenserwartung steigt, ältere Arbeitnehmer, die eigentlich das
Rentenalter erreicht haben, Anreize erhalten weiterzuarbeiten. Außerdem muss
geprüft werden, ob die Renten angemessen sind, um Altersarmut vorzubeugen. Bei
den Krankenversicherungssystemen hat sich noch nicht sehr viel verändert. Hier
gilt es, Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege zu garantieren, aber
gleichzeitig den durch die Bevölkerungsentwicklung bedingten zunehmenden
Kostendruck in den Griff zu bekommen. Zur Konsolidierung ihres
Staatshaushalts erhöhen mehrere Mitgliedstaaten die Steuern. Die
Kommission hat eine Verlagerung der Besteuerung vom Faktor Arbeit auf
umweltschädigende Praktiken, den Verbrauch und Immobilien gefordert, wobei die
einkommensschwächsten Bevölkerungsgruppen nicht unverhältnismäßig belastet
werden dürfen. Zwar haben einige Mitgliedstaaten die Verbrauchssteuern deutlich
erhöht und Maßnahmen gegen den Abwärtstrend bei den Umweltsteuern ergriffen,
doch deutet nichts auf eine Senkung der Besteuerung der Arbeit hin. Bei der
Abschaffung von Steuerbefreiungen und Steuererleichterungen sowie ermäßigten
Sätzen, beispielsweise beim Mehrwertsteuersatz, sind gewisse Fortschritte zu
verzeichnen. Diese Anstrengungen sollten fortgesetzt werden. Zudem sind zwar
Maßnahmen zur Verbesserung der Steuerdisziplin im Gange, doch wird noch nicht
entschlossen genug gegen die Schattenwirtschaft vorgegangen. Wiederherstellung
einer normalen Kreditvergabe an die Wirtschaft Im Hinblick auf die Wiederherstellung einer normalen Kreditvergabe an
die Wirtschaft wird in den länderspezifischen Empfehlungen zur Vollendung der
Umstrukturierung des Bankensektors geraten, ohne beim Deleveraging zu weit zu
gehen. Der Finanzsektor
wird gemäß den EU-Vorschriften und ‑Empfehlungen weiter umstrukturiert,
die Finanzaufsicht verbessert. Die Lage der Banken, die von der Finanzkrise am
ärgsten betroffen waren und noch immer nicht ganz gesund sind, gibt nach wie
vor Anlass zur Besorgnis. Dadurch erklären sich die Forderungen nach einer
weiteren Umstrukturierung und Vorsorgemaßnahmen in den Empfehlungen für
bestimmte Länder. In vielen Ländern hat
sich die Kreditvergabe an die Realwirtschaft noch immer nicht normalisiert,
was besonders für KMU problematisch ist. Zwar sind die Gründe hierfür teilweise
in schwachen Unternehmensbilanzen und Geschäftsaussichten zu suchen,
erschwerend hinzu kam allerdings, dass es keine ausreichenden
Unterstützungsstrukturen für KMU gibt. Daher sollten neue Kapitalpools für
Unternehmen gefördert werden, bei denen beispielsweise Privatkredite, privates
Beteiligungskapital und Risikokapital genutzt werden können. Die
EU-Strukturfonds können hier in manchen Ländern eine wichtige Rolle spielen,
indem sie durch spezifische Instrumente Kredite finanzieren und
Kreditbürgschaften stellen. Vielen KMU machen die
verspäteten Zahlungen von Behörden zu schaffen. Zur Behebung dieses Problems
wurde eine Richtlinie über Zahlungsverzug vorgeschlagen, die im März 2013
in Kraft treten wird. Die Behörden müssen unter Umständen weitere Anstrengungen
unternehmen, um den vor Inkrafttreten der Richtlinie aufgelaufenen
Zahlungsrückstand aufzuholen. Förderung von
Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit für heute und morgen Zur Förderung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit wird in den
länderspezifischen Empfehlungen in erster Linie zur Verbesserung der
Rahmenbedingungen für Unternehmen, unter anderem durch Verringerung des
Verwaltungsaufwands, und zur Öffnung der Netzbranchen, darunter der Energiewirtschaft,
des Schienenverkehrs und der Telekommunikationsbranche, für den Wettbewerb
geraten, so dass den Unternehmen und den Bürgern bessere Dienstleistungen zu
besseren Preisen angeboten werden. Manchen Ländern wird geraten, die
Regulierungsstellen unabhängiger zu machen. Was die Umsetzung der
Dienstleistungsrichtlinie anbelangt, so sollten unbegründete oder
unverhältnismäßig strenge Auflagen für die Erbringung von Dienstleistungen,
darunter auch Verkaufsbeschränkungen aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des
Wohnorts, eliminiert werden. Zudem werden Empfehlungen zur Beseitigung der
bestehenden Hemmnisse im Einzelhandel gemacht. Daneben wird auch die Förderung
der Forschung und Innovation, Steigerung der Ressourceneffizienz und die
Ausrichtung der Bildung und Ausbildung auf den Bedarf auf dem Arbeitsmarkt
empfohlen. In vielen Mitgliedstaaten
ist der Zugang zu verschiedenen Dienstleistungen unzureichend. Neben
mehr Ehrgeiz bei der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie wären Maßnahmen
zur Förderung des Wettbewerbs und der Wettbewerbsfähigkeit im Einzelhandel
hilfreich. So sollten Markteintritts‑ und ‑austrittshindernisse für Firmen
abgebaut und ungerechtfertigte Beschränkungen für Unternehmens‑ und
freiberufliche Dienstleistungen, Rechtsberufe, buchhalterische und technische
Beratung, das Gesundheits‑ und Sozialwesen beseitigt werden. Die Öffnung des
öffentlichen Auftragswesens durch die Förderung der grenzüberschreitenden
Beteiligung an Ausschreibungen würde neue Möglichkeiten, Prozesse und Innovation
stimulieren. Wichtige Netzbranchen
– Verkehr, Energie und Breitband – müssen erheblich leistungsfähiger werden. In
verschiedenen Ländern muss dazu in die Infrastruktur investiert werden: Es
gilt, die Netze besser zu verbinden, das Angebot zu erweitern und
Preiswettbewerb zuzulassen. Angesichts des engen haushaltspolitischen
Spielraums sollten innovative Finanzierungsformen, bei denen private und
öffentliche Mittel kumuliert werden, wie EU-Projektanleihen, genutzt werden.
Auf vielen Märkten ist der Wettbewerb nach wie vor zu schwach, der EU-weite
Regelungsrahmen ist noch nicht vollständig in Kraft: Die Hälfte der
Mitgliedstaaten hat die Energiebinnenmarkt-Richtlinien noch nicht oder nicht
ordnungsgemäß in innerstaatliches Recht umgesetzt. In mehreren Mitgliedstaaten
muss bei den Energielieferanten für mehr Wettbewerb gesorgt, müssen
Preisregelungen abgeschafft und die Regulierungsstellen unabhängiger werden.
Der Verkehrssektor muss weiter dereguliert werden, und im Schienenverkehr in
großen Mitgliedstaaten oder Transitländern müssen Markteintrittshindernisse
beseitigt werden. Die Breitbandverbreitung ist insgesamt gesehen noch immer
gering. Es besteht somit ein erhebliches Potenzial für eine Verbesserung des
Dienstangebots und für einen Ausbau des elektronischen Geschäftsverkehrs. Verbesserungen in der
Ressourceneffizienz und weitere Schritte zu einer emissionsarmen Wirtschaft
sind unverzichtbar für die Weiterentwicklung der Wettbewerbsfähigkeit Europas
angesichts knapper werdender Ressourcen, Preisvolatilität und des anhaltenden
Klimawandels. Ein effizienterer Umgang mit Ressourcen sowie eine bessere
Verwaltung der natürlichen Ressourcen wird erhebliche Marktchancen für weiteres
Wachstum und mehr Beschäftigung eröffnen, was letztlich zu mehr Produktivität,
geringeren Kosten und größerer Innovation führt. FuE und Innovation sind für die Wettbewerbsfähigkeit Europas
unabdingbar. Zwar sind manche Mitgliedstaaten in vielen Bereichen weltweit
führend, doch fällt Europa insgesamt allmählich etwas zurück. Im Zuge der
Haushaltskonsolidierung wurden Finanzmittel nicht etwa auf die Forschung
umverteilt oder die Forschungsmittel aufgestockt, vielmehr wurden die Ausgaben
der öffentlichen Hand für Forschung in vielen Mitgliedstaaten gekürzt. Es
werden eindeutig zusätzliche private FuE-Investitionen benötigt, die
gegebenenfalls mit staatlichen Anreizen gefördert werden sollten. Forschungsergebnisse
sollten durch vorkommerzielle Auftragsvergabe mehr Marktnähe erfahren. Allgemein
müssen mehr Partnerschaften zwischen Bildungseinrichtungen und Einrichtungen
für lebenslanges Lernen, Forschungsstellen und Unternehmen entstehen, wofür die
vorhandenen EU-Instrumente ausgiebig genutzt werden sollten. Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit und Bewältigung der sozialen Folgen der Krise In vielen Empfehlungen geht es darum, die Voraussetzungen für mehr
Beschäftigung zu schaffen, die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen und Menschen in
Arbeit zu halten. Besonderes Augenmerk gilt der Bekämpfung der
Jugendarbeitslosigkeit, der Senkung der Schulabbrecherquote, der Verbesserung
der allgemeinen und beruflichen Bildung und einer Ausweitung des
Lehrstellenangebots. Mehrere Empfehlungen befassen sich mit der Linderung der
Armut und der Hilfe für schutzbedürftige Gruppen. Empfohlen wird auch eine
stärkere, individuellere Unterstützung bei der Arbeitssuche und die Förderung
einer Vollzeitbeschäftigung von Frauen. Den Mitgliedstaaten wird ferner
empfohlen, dafür zu sorgen, dass ihre Lohnbildungssysteme die
Produktivitätsentwicklung angemessen widerspiegeln und Anreize für die
Schaffung neuer Arbeitsplätze setzen. Die Krise hat einen deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit
bewirkt und die Beschäftigungsaussichten vieler Menschen so weit
verschlechtert, dass diese dem Arbeitsmarkt möglicherweise dauerhaft den Rücken
kehren werden. Die Arbeitslosigkeit dürfte eine Zeitlang auf hohem Niveau
bleiben, da es eine Weile dauert, bis die wirtschaftliche Erholung auf dem
Arbeitsmarkt ankommt. Zwar werden aktive Arbeitsmarktstrategien verfolgt wie
Ausbildungsmaßnahmen für Arbeitslose und Beratungsleistungen der Arbeitsämter,
doch sind sie oft nicht präzise genug ausgerichtet und in ihrer Wirksamkeit
beschränkt. Die sozialen Folgen werden
zunehmend spürbar. Armut und Armutsrisiko steigen und der Druck auf die
öffentlichen Ausgaben führt zu problematischen Kompromissen bei den
Sozialleistungen. Die Jugendarbeitslosigkeit
hat dramatisch zugenommen. Bei jungen Leuten ist die Wahrscheinlichkeit,
dass sie keine Arbeit finden, doppelt so hoch wie bei Erwachsenen. EU-weit
liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 22 %; in einigen Mitgliedstaaten
erreicht sie 50 %. Es gibt einige vielversprechende Erfahrungen mit
Ausbildungs- und Beschäftigungsgarantien für Jugendliche, die unter anderem mit
Unterstützung des Europäischen Sozialfonds in der EU verbreitet werden könnten. Die Fortschritte beim
Ausbau erschwinglicher Kinder- und Altenbetreuungsplätze, bei der Verringerung
des Lohngefälles und der steuerlichen Besserstellung von Zweitverdienern
reichen nicht aus, um den Anteil der Frauen am Arbeitsmarkt nennenswert
zu erhöhen. Noch immer wird nicht genug getan für aktives Altern, wozu auch die
Modernisierung der Arbeitsregelungen und mehr Möglichkeiten für lebenslanges
Lernen gehören. Solche Strategien sind unerlässlich, um vor allem die Erwerbsbeteiligung
älterer Arbeitnehmer zu erhöhen. Manche Mitgliedstaaten
haben ihre Lohnbildungs- und Lohnindexierungssysteme grundlegend
reformiert, um zu gewährleisten, dass die Lohnentwicklung mit der Zeit die
Produktivität besser widerspiegelt. In anderen Ländern, in denen bestimmte
Lohnindexierungssysteme als mögliche Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit
eingestuft wurden, waren die Fortschritte begrenzt. Diese Länder müssen in
Abstimmung mit den Sozialpartnern Wege finden, wie sie ihr Handicap in Zukunft
verringern. In Ländern mit hohen Leistungsbilanzüberschüssen ist eine gewisse
Verlagerung zugunsten der Binnennachfrage – auch durch Lohnsteigerungen –
festzustellen. Dieser Kurs sollte beibehalten werden. Das Lohnniveau sollte
nicht zu hoch sein, um die Einstellung insbesondere von jungen Menschen und
Geringqualifizierten nicht zu gefährden, es darf aber auch nicht so niedrig
sein, dass die Gefahr besteht, Armutsfallen in der Beschäftigung zu schaffen. Während einige
Mitgliedstaaten ihre Arbeitsgesetzgebung grundlegend reformiert haben,
um eine flexiblere Regelung von Beschäftigungsverhältnissen zu ermöglichen,
scheinen die Reformen in anderen Fällen nur schleppend voranzugehen, wenn man
sich die Dringlichkeit der Lage und die Gefahr einer Segmentierung des Arbeitsmarkts
vor Augen führt mit einem Großteil der Bevölkerung in prekären
Beschäftigungsverhältnissen oder außerhalb des Arbeitsmarkts. In mehreren
Ländern haben sich Kurzarbeitsregelungen und andere interne
Flexibilitätsmaßnahmen als wirksam erwiesen, um Arbeitsplätze auf dem Höhepunkt
der Krise, vor allem in der verarbeitenden Industrie, zu erhalten. Um die
Schaffung neuer Arbeitsplätze zu fördern, hat die Kommission Vorschläge
vorgelegt, die den Mitgliedstaaten Anreize geben sollen, ihre Beschäftigungspolitik
wirkungsvoller zu gestalten[9]
und die Beschäftigungsmöglichkeiten bei grünen Technologien, im
Gesundheitssektor und im IKT-Bereich zu nutzen, wo ihren Schätzungen nach über
20 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen könnten. Die Mobilität zwischen
den Mitgliedstaaten kann auch mithilfe des europäischen
Arbeitsvermittlungsnetzes EURES gefördert werden, das über Landesgrenzen hinweg
freie Stellen und entsprechende Fertigkeiten zusammenbringt. Die laufenden Bemühungen,
die hohen Schulabbrecherquoten in den Griff zu bekommen, zu denen sowohl
Präventivmaßnahmen als auch eine Reform der allgemeinen und beruflichen Bildung
und die Förderung des Lehrstellenangebots gehören, müssen verstärkt werden.
Dies ist nicht nur für die Beschäftigungsfähigkeit der nachwachsenden
Generation von grundlegender Bedeutung, sondern für die Wettbewerbsfähigkeit
der Wirtschaft insgesamt, da die EU in diesem Punkt hinter ihren
Haupthandelspartnern zurückfällt. Darüber hinaus ist zu befürchten, dass der
demografische Wandel ein Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und
Qualifikationsnachfrage und einen Mangel an Arbeitskräften nach sich ziehen
wird, was den Druck auf die Arbeitszeitdauer und die Arbeitsproduktivität
zusätzlich erhöht. Mehrere Länder müssen besondere Anstrengungen unternehmen,
um die hohe Zahl der Schulabbrecher zu verringern, die Chancen junger Leute auf
dem Arbeitsmarkt zu verbessern und die Jugendarbeitslosigkeit einzudämmen.
Allgemein muss die Bildungsleistung – auch bei der Berufs- und Hochschulbildung
– durchgängig verbessert werden. In vielen Mitgliedstaaten kann bei der
Lehrlingsausbildung noch viel getan werden. Allgemein muss sehr viel mehr getan
werden, um die allgemeine und berufliche Bildung zu verknüpfen, künftige
Bedürfnisse des Arbeitsmarkts zu antizipieren und so den Übergang von der
Schule in die Arbeitswelt zu erleichtern. Modernisierung der
Verwaltungen Die länderspezifischen Empfehlungen für die öffentliche Verwaltung
betreffen Dienstleistungen für Unternehmen, den Abbau des Rückstaus in der Justiz
und den Einsatz von Online-Diensten, um den Kontakt zu Bürgern und Unternehmen
zu erleichtern. In mehreren Empfehlungen wird auch eine Stärkung der
Verwaltungskapazitäten für den Umgang mit den EU-Fonds angesprochen. Die öffentliche Verwaltung ist überall in
der EU unter Druck: Nicht nur werden ihr die Mittel und das Personal gekürzt,
sie muss sich auch auf die immer höheren Erwartungen der Gesellschaft und der
Unternehmen einstellen. In dem Maße, wie die politische und wirtschaftliche
Integration voranschreitet, müssen immer kompliziertere und anspruchsvollere
EU-Vorschriften umgesetzt werden. Schwache Verwaltungen in einigen
Mitgliedstaaten sind ein Problem: Unternehmerische Aktivitäten werden
erschwert, die Mittel der EU-Fonds versickern, und EU-Vorschriften werden nicht
korrekt umgesetzt. Eine öffentliche Verwaltung von hoher Qualität erfordert
technologische und organisatorische Innovationen und eine entschlossene
Hinwendung zu Online-Diensten. Manche Behörden könnten auch von einem
umfassenderen Austausch bewährter Praktiken profitieren. Die Leistung der Ziviljustiz
ist in vielen Ländern verbesserungsbedürftig: So muss der Rückstau bei den
Verfahren abgebaut werden, Gerichtsverfahren müssen beschleunigt werden, und es
müssen alternative Formen der Streitbeilegung eingeführt werden. In Anbetracht des Drucks, der auf den
öffentlichen Finanzen lastet, sind die EU-Fonds ein wesentliches
Instrument, um die Wirtschaft anzukurbeln und in vielen Ländern
wachstumsfördernde Projekte vor Ort zu finanzieren. Die Verwaltung öffentlicher
Institutionen muss durch einen professioneller arbeitenden öffentlichen Dienst,
durch eine bessere Personalverwaltung, eine Verbesserung der analytischen
Fähigkeiten und die Gewährleistung von Kompetenz, Kontinuität und Stabilität des
Personals gestärkt werden. Die Regeln auf EU-Ebene wurden vereinfacht, und die
Kommission unterstützt die Mitgliedstaaten bei ihren Bemühungen, Mittel stärker
auf die Wachstumsförderung auszurichten. Viele Mitgliedstaaten müssen größere
Anstrengungen unternehmen, um gegen Steuerhinterziehung und Steuerumgehung
vorzugehen. In den Mitgliedstaaten hat sich eine „Schattenwirtschaft“
herausgebildet, die in einigen Ländern hoch entwickelt ist. Die Probleme, die
sich durch Steuerhinterziehung und Steuerumgehung stellen, müssen auf
unterschiedlichen Ebenen angegangen werden. Die Steuererhebung muss effizienter
werden. Die Mitgliedstaaten müssen intensiver und besser zusammenarbeiten. Die
EU muss gegenüber Drittstaaten ein klare, kohärente Politik vertreten, um sicherzustellen,
dass geeignete Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung und Steuerumgehung getroffen
werden können, die sich auf bestimmte Rechtssysteme außerhalb der EU stützen,
die keine gleichwertigen Standards anwenden. Es bedarf einer abgestimmten,
wirksamen Politik gegenüber Drittländern.
4.
Fazit
Die Krise brachte EU-weit
stark ausgeprägte Ungleichgewichte und Reformunwillen ans Licht. So wie es
einige Zeit gebraucht hat, bis diese Probleme sichtbar wurden, wird es Zeit
brauchen, um die Wirtschaft wieder auf eine solide Grundlage zu stellen. Die
Analyse für das Europäische Semester 2012 zeigt, dass die neue
wirtschaftspolitische Steuerung der EU beginnt, Wirkung zu zeigen, und den
Mitgliedstaaten hilft, sich auf die wesentlichen Reformen zu konzentrieren, die
nachhaltiges Wachstum und Arbeitsplätze hervorbringen werden. Gleichzeitig ist
festzustellen, dass sich die Mitgliedstaaten bei ihrer Haushaltskonsolidierung
nicht immer für die wachstumsfreundlichste Lösung entscheiden. Es besteht insgesamt die
dringende Notwendigkeit, in den kommenden zwölf Monaten den Schwerpunkt stärker
auf wachstumsfördernde Maßnahmen zu legen, gleichzeitig aber die
Haushaltskonsolidierung und die Stabilisierung des Finanzsektors fortzuführen.
Dies muss in einer abgestimmten Weise auf nationaler und EU-Ebene geschehen,
damit politische Maßnahmen und Reformen größtmögliche Wirkung entfalten können.
In dieser Mitteilung und
in ihren detaillierteren länderspezifischen Empfehlungen schlägt die Kommission
konkrete Maßnahmen vor, die dabei helfen können, die EU auf den Wachstumspfad
zurückzuführen und Arbeitsplätze zu schaffen, die dazu beitragen werden, den
Lebensstandard anzuheben, die Armut zu lindern und ein nachhaltigeres Wachstum
für die Zukunft zu sichern. Diese Empfehlungen müssen vorrangig umgesetzt
werden. Die Kommission wird sämtliche zur Verfügung stehenden Instrumente des
neuen wirtschaftspolitischen Steuerungsmechanismus nutzen, um die Fortschritte
im kommenden Jahr zu verfolgen und zu bewerten. Gleichzeitig wird sich die
Kommission weiterhin auf die vollständige Umsetzung des Fahrplans vom
Oktober 2011 konzentrieren, um ein ausgewogenes Konzept zu gewährleisten,
das der EU hilft, die Krise zu meistern. Die Kommission wird
intensiv mit den Mitgliedstaaten und den europäischen Institutionen
zusammenarbeiten, um ihre Wachstumsinitiative umzusetzen und die Bausteine und
den Zeitplan für die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion zu
erarbeiten. Anhang 1: Das
Europäische Semester Anhang 2: Ergebnisse
der eingehenden Überprüfungen und der Defizitverfahren Anhang 1: Das Europäische Semester für die
wirtschaftspolitische Koordinierung Im März 2010 hatte
die Kommission die Strategie „Europa 2020“ vorgeschlagen, die vom
Europäischen Rat als Agenda für Wachstum und Beschäftigung der EU für das
kommende Jahrzehnt verabschiedet wurde. Sie umfasst fünf Kernziele in den
Bereichen Beschäftigung, FuE, Klima und Energie, Bildung und Armutsbekämpfung.
23 Mitgliedstaaten haben im März 2011 außerdem den Euro-Plus-Pakt
vereinbart, um ihre Reformen in Bereichen, die auf EU-Ebene nicht vollständig
erfasst sind (siehe Kasten), stärker abzustimmen. Die Kommission hat daneben
ein „Sixpack“ von Rechtsvorschriften zur wirtschaftspolitischen Steuerung
vorgeschlagen, das nach Zustimmung der EU-Gesetzgeber am 13. Dezember 2011
in Kraft trat. Die neuen Vorschriften haben die EU mit neuen, wirksamen
Instrumenten ausgestattet, die eine eingehendere Verfolgung der Wirtschafts-
und Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten und die Durchsetzung der neuen Regeln
ermöglichen. Auf diese Weise wurde durch die Änderung des Stabilitäts- und
Wachstumspakts die kollektive Überwachung der öffentlichen Finanzen
verstärkt. Die im Vertrag verankerte Schuldenquote erhielt mehr Gewicht, und
sowohl die präventive als auch die korrektive Komponente wurden durch neue
Durchsetzungsmechanismen (einschließlich Sanktionen) ergänzt. Das Überwachungsverfahren
wurde um ein neues Verfahren zur Überwachung und Korrektur makroökonomischer
Ungleichgewichte erweitert, da man erkannt hat, wie wichtig ein
konsequentes Vorgehen gegen makroökonomische Ungleichgewichte nichtfiskalischer
Art ist. Damit soll das Entstehen neuer Ungleichgewichte verhindert werden, die
die wirtschaftliche Stabilität gefährden können. Wo Ungleichgewichte bestehen,
wird das Verfahren dafür sorgen, dass Korrekturmaßnahmen ergriffen werden. Das
neue Verfahren umfasst eine Sanktionsregelung bei wiederholter Missachtung
vereinbarter Maßnahmen. Im Februar 2012 veröffentlichte die Kommission im
Rahmen dieses neuen Verfahrens den ersten Warnmechanismus-Bericht. Auf der
Grundlage dieses Berichts wurden die ersten eingehenden Überprüfungen für zwölf
Länder durchgeführt (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Spanien, Frankreich,
Italien, Zypern, Ungarn, Slowenien, Finnland, Schweden und Vereinigtes
Königreich).[10]
Um all diese
Verpflichtungen zusammenzuführen, die Zielvorgaben gemeinsam zu erreichen und
um eine bessere Ex-ante-Koordinierung und ein Follow-up der Beschlüsse zu
gewährleisten, vereinbarten die Mitgliedstaaten 2011 in Gestalt des Europäischen
Semesters der wirtschaftspolitischen Koordinierung erstmals eine neue
Vorgehensweise zur Koordinierung ihrer nationalen Politik und setzten diese um. Auftakt des Europäischen
Semesters ist der Jahreswachstumsbericht der Europäischen Kommission, in dem
die wirtschaftlichen Herausforderungen für die gesamte EU analysiert und
prioritäre Maßnahmen vorgeschlagen werden. Der Jahreswachstumsbericht wird dem
Europäischen Parlament vorgelegt und dient als Grundlage für die Beratungen der
Staats- und Regierungschefs auf ihrem Frühjahrsgipfel im März. Die
Mitgliedstaaten legen daraufhin im April Stabilitäts- oder Konvergenzprogramme
(die sich auf ihre öffentlichen Finanzen beziehen) und nationale
Reformprogramme (mit wachstums- und beschäftigungswirksamen Maßnahmen) vor, die
alle von der Kommission gleichzeitig geprüft werden. Das Ergebnis ihrer Prüfung
legt die Kommission in Form von Vorschlägen für länderspezifische Empfehlungen
auf Jahresbasis vor, die in den verschiedenen Ratsformationen erörtert und vom
Europäischen Rat gegen Ende des ersten Halbjahrs gebilligt werden, bevor sie
der Rat endgültig verabschiedet. In der zweiten Jahreshälfte stellen die
Mitgliedstaaten ihren Haushaltsplan und ihre Reformstrategien fertig, und die
Kommission und die übrigen EU-Institutionen erörtern und kontrollieren
Leistungen und Fortschritte. Die heutigen Empfehlungen
leiten die letzte Phase des zweiten Europäischen Semesters auf der Juni-Tagung
des Europäischen Rates ein. Gegenüber dem Vorjahr ist festzustellen, dass die Lehren
aus der Umsetzung der Empfehlungen von 2011, die Ergebnisse der für
12 Mitgliedstaaten vorgenommenen eingehenden Überprüfungen und der größere
Automatismus, der bei der Annahme der Empfehlungsvorschläge zu erwarten ist,
die Effizienz der Abläufe erhöht und die Auswirkungen der Leitvorgaben
verstärkt haben. Tabelle 1: Überblick über die länderspezifischen Empfehlungen für 2012-2013* * Für Irland, Griechenland, Portugal und Rumänien gibt
es nur eine einzige Empfehlung, nämlich den bestehenden Verpflichtungen aus den
EU-/IWF-Finanzhilfeprogrammen nachzukommen. Tabelle 2: Überblick über die Ziele der Strategie „Europa 2020“[11] Das Symbol „*“
bedeutet, dass ein nationales Ziel unter Bezugnahme auf einen anderen Indikator
als den EU-Kernzielindikator ausgedrückt wird. Ziele der Mitgliedstaaten || Beschäftigungsquote (in %) || FuE in % des BIP || Emissionsreduktionsziele (gegenüber den Werten von 2005)[12] || Erneuerbare Energie || Energieeffizienz – Reduzierung des Energieverbrauchs in Mio. t RÖE[13] || Vorzeitiger Schulabgang in % || Hochschulbildung in % || Senkung des Anteils der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Bevölkerung (in Personen) EU-Kernziel || 75 % || 3 % || -20 % (gegenüber den Werten von 1990) || 20 % || Erhöhung der Energieeffizienz um 20 % (= 368 Mio. t RÖE) || 10 % || 40% || 20 000 000 Schätzungen EU || 73,70-74 % || 2.65-2.72 % || -20 % (gegenüber den Werten von 1990) || 20 % || 206.5 || 10,3-10,5 % || 37,6-38,0 %[14] || AT || 77-78 % || 3,76 % || -16 % || 34 % || 7,16 || 9,5 % || 38 % (einschließlich ISCED 4a, dessen Anteil 2010 bei rund 12 % lag) || 235 000 BE || 73,2 % || 3,0 % || -15 % || 13 % || 9,80 || 9,5 % || 47 % || 380 000 BG || 76 % || 1,5 % || 20 % || 16 % || 3,20 || 11 % || 36 % || 260 000* CY || 75-77 % || 0,5 % || -5 % || 13 % || 0,46 || 10 % || 46 % || 27 000 CZ || 75 % || 1 % (nur öffentlicher Sektor) || 9 % || 13 % || o. A. || 5,5 % || 32 % || Stabilisierung der Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Personen auf dem Stand von 2008 (15,3 % der Gesamtbevölkerung) mit Bestrebungen, diesen um 30 000 Personen zu reduzieren DE || 77 % || 3 % || -14 % || 18 % || 38,30 || <10 % || 42 % (einschließlich ISCED 4, dessen Anteil 2010 bei 11,4 % lag) || 320 000 (Langzeitarbeitslose)* DK || 80 % || 3 % || -20 % || 30 % || 0,83 || <10 % || mindestens 40 % || 22 000 (Personen in Haushalten mit sehr niedriger Erwerbsbeteiligung)* EE || 76 % || 3 % || 11 % || 25 % || 0,71 || 9,5 % || 40 % || 61 860 Personen nicht mehr armutsgefährdet* EL || 70 % || keine Angaben || -4 % || 18 % || 2,70 || unter 10 % || 32 % || 450 000 ES || 74 % || 3 % || -10 % || 20 % || 25,20 || 15 % || 44 % || 1 400 000 - 1 500 000 FI || 78 % || 4 % || -16 % || 38 % || 4,21 || 8 % || 42 % (eng definiert) || 150 000 FR || 75 % || 3 % || -14 % || 23 % || 34,00 || 9,5 % || 50 % || Reduzierung der verankerten Armutsgefährdungsquote um ein Drittel für den Zeitraum 2007-2012 oder um 1 600 000 Personen* HU || 75 % || 1,8 % || 10 % || 14,65 % || 2,96 || 10 % || 30,3 % || 450 000 IE || 69-71 % || etwa 2 % (2,5 % des BIP) || -20 % || 16 % || 2,75 || 8 % || 60 % || 200 000* IT || 67-69 % || 1,53 % || -13 % || 17 % || 27,90 || 15-16 % || 26-27 % || 2 200 000 LT || 72,8 % || 1,9 % || 15 % || 23 % || 1,14 || <9 % || 40 % || 170 000 LU || 73 % || 2,3-2,6 % || -20 % || 11 % || 0,19 || <10 % || 66 % || 6 000 LV || 73 % || 1,5 % || 17 % || 40 % || 0,67 || 13,4 % || 34-36 % || 121 000* MT || 62,9 % || 0,67 % || 5 % || 10 % || 0,24 || 29 % || 33 % || 6 560 NL || 80 % || 2,5 % || -16 % || 14 % || o. A. || <8 % || >40 % 45 % erwartet für 2020 || 93 000* PL || 71 % || 1,7 % || 14 % || 15,48 % || 13,6 || 4,5 % || 45 % || 1 500 000 PT || 75 % || 3 % || 1 % || 31 % || 6,00 || 10 % || 40 % || 200 000 RO || 70 % || 2 % || 19 % || 24 % || 10,00 || 11,3 % || 26,7 % || 580 000 SE || weit über 80 % || rund 4 % || -17 % || 49 % || 12,80 || <10 % || 40-45 % || Reduzierung des Anteils der nicht erwerbstätigen Frauen und Männer (außer Vollzeitstudenten), der Langzeitarbeitslosen und der langfristig Krankgeschriebenen auf unter 14 %* SI || 75 % || 3 % || 4 % || 25 % || o. A. || 5 % || 40 % || 40 000 SK || 72 % || 1 % || 13 % || 14 % || 1,65 || 6 % || 40 % || 170 000 UK || keine Angaben im NRP || keine Angaben im NRP || -16 % || 15 % || o. A. || keine Angaben im NRP || keine Angaben im NRP || bestehende numerische Ziele des Gesetzes über die Kindesarmut von 2010* Anhang 2: Ergebnisse der eingehenden
Überprüfungen und der Defizitverfahren Anhang 2: Ergebnisse der eingehenden
Überprüfungen Am 14. Februar 2012 legte die Europäische Kommission
auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 über die Vermeidung
und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte ihren ersten
Warnmechanismus-Bericht vor. In diesem Bericht prüfte sie die Lage in allen
Mitgliedstaaten mit Ausnahme der vier Länder Griechenland, Irland, Portugal und
Rumänien, für die ein Stabilitäts- und Wachstumsprogramm erstellt wurde. Nach
Auswertung des Frühwarn-Scoreboard kam die Kommission zu dem Schluss, dass es
einer weiteren eingehenden Überprüfung der makroökonomischen Entwicklung in den
folgenden zwölf Mitgliedstaaten bedarf: Belgien, Bulgarien, Dänemark,
Spanien, Frankreich, Italien, Zypern, Ungarn[15],
Slowenien, Finnland, Schweden und Vereinigtes Königreich. Für jedes dieser Länder führten die Kommissionsdienststellen eine
eingehende landesspezifische Analyse durch. Diese Länderanalysen werden im
Rahmen dieses Pakets als Arbeitsunterlagen der Kommissionsdienststellen
veröffentlicht. Im Zuge der Vorbereitungen wurden, wie in den einschlägigen
Regelungen vorgesehen, Informationsbesuche in den Mitgliedstaaten unternommen.[16] Mit dieser Mitteilung kommt
die Kommission ihrer Verpflichtung aus Artikel 5 Absatz 3 der
Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 nach, wonach sie die Ergebnisse der
eingehenden Überprüfungen dem Europäischen Parlament und dem Rat mitteilen und
veröffentlichen muss. Auf der Grundlage der eingehenden Überprüfungen nach Artikel 5 der
Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass
folgende Ungleichgewichte – einige davon dringend – angegangen werden müssen: ·
In Belgien bestehen Ungleichgewichte.
Besonderer Aufmerksamkeit bedarf die makroökonomische Entwicklung bei der
außenwirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit von Waren und bei der Verschuldung,
insbesondere bei der hohen Staatsverschuldung, um das Risiko nachteiliger
Auswirkungen auf die Wirtschaft zu reduzieren. ·
In Bulgarien bestehen Ungleichgewichte.
Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen der Grad der Auslandsverschuldung und
makroökonomische Entwicklungen im Zuge der Reduzierung des Fremdkapitalanteils
im Unternehmenssektor und des Anpassungsprozesses auf dem Arbeitsmarkt, um das
Risiko nachteiliger Auswirkungen auf die Wirtschaft zu reduzieren. ·
In Dänemark bestehen Ungleichgewichte.
Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen makroökonomische Entwicklungen insbesondere
im Zusammenhang mit der außenwirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit und mit
potenziellen Risiken aufgrund der Verschuldung der privaten Haushalte, um das
Risiko nachteiliger Auswirkungen auf die Wirtschaft zu reduzieren.
In Spanien bestehen äußerst schwerwiegende
Ungleichgewichte. Makroökonomische Entwicklungen, wie sie sich unter
dem Einfluss der Geschehnisse auf dem Immobilienmarkt insbesondere in der
erheblichen Verschuldung des Privatsektors, der beträchtlichen negativen
außenwirtschaftlichen Position und im Finanzsektor zeigen, müssen genau
verfolgt werden und bedürfen dringender wirtschaftspolitischer Maßnahmen,
um nachteilige Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Wirtschafts- und
Währungsunion zu verhindern.
In Frankreich bestehen schwerwiegende
Ungleichgewichte. Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen makroökonomische
Entwicklungen im Zusammenhang mit der Exportleistung und der Wettbewerbsfähigkeit,
um das Risiko nachteiliger Auswirkungen auf die Wirtschaft zu reduzieren.
In Italien bestehen schwerwiegende
Ungleichgewichte. Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen die hohe
Staatsverschuldung und die makroökonomische Entwicklung der Exportleistung,
da die außenwirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Italiens seit der
Einführung des Euro nachgelassen hat. Angesichts der hohen
Staatsverschuldung sollte die Förderung des Wachstumspotenzials Priorität
haben, um das Risiko nachteiliger Auswirkungen auf die Wirtschaft zu
reduzieren.
In Zypern bestehen sehr schwerwiegende
Ungleichgewichte. So müssen die Leistungsbilanz, die die
makroökonomische Entwicklung zeigt, die öffentlichen Finanzen und der
Finanzsektor genau beobachtet werden und im Zentrum der Wirtschaftspolitik
stehen, um nachteilige Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Wirtschafts‑
und Währungsunion zu vermeiden.
In Ungarn bestehen schwerwiegende Ungleichgewichte. Um
das erhebliche Risiko nachteiliger Auswirkungen auf die Wirtschaft zu
reduzieren, bedürfen bestimmte makroökonomische Entwicklungen wie der tief
in negativen Zahlen steckende Auslandsvermögensstatus und die
Staatsverschuldung besonderer Aufmerksamkeit. Nachdem die Kommission die Maßnahmen auf
ihre Wirksamkeit hin überprüft hat, hat sie zudem gemäß der EU-Verordnung
über den Kohäsionsfonds einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur
Aufhebung der Aussetzung von Mittelbindungen für den Kohäsionsfonds vom
März 2012 vorgeschlagen.
In Slowenien bestehen schwerwiegende Ungleichgewichte.
Die makroökonomischen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Reduzierung
des Fremdkapitalanteils im Unternehmenssektor sowie die Bankenstabilität
und die ungünstige, aber weniger dringliche Entwicklung der
außenwirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit müssen genau beobachtet
werden, um das große Risiko nachteiliger Auswirkungen auf die Wirtschaft
zu reduzieren.
In Finnland bestehen Ungleichgewichte. Um das Risiko
nachteiliger Auswirkungen auf die Wirtschaft zu reduzieren, ist das
Augenmerk besonders auf die makroökonomischen Entwicklungen im
Zusammenhang mit der Wettbewerbsfähigkeit zu richten.
In Schweden bestehen Ungleichgewichte. Um das Risiko
nachteiliger Auswirkungen auf die Wirtschaft zu reduzieren, ist das
Augenmerk besonders auf die makroökonomischen Entwicklungen im
Zusammenhang mit der Verschuldung des Privatsektors und mit dem
Immobilienmarkt zu richten.
Im Vereinigten Königreich bestehen
Ungleichgewichte. Um das Risiko nachteiliger Auswirkungen auf die
Wirtschaft zu reduzieren, ist das Augenmerk besonders auf die
makroökonomischen Entwicklungen im Bereich der Verschuldung der
Privathaushalte und des Immobilienmarkts sowie die ungünstige Entwicklung
der außenwirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit zu richten.
Im Rahmen der präventiven Komponente des Verfahrens zur Korrektur
makroökonomischer Ungleichgewichte werden diese Ungleichgewichte, die auch in
den länderspezifischen Empfehlungen des europäischen Semesters behandelt
werden, angegangen. [1] KOM(2011) 669. [2] KOM(2010) 2020. [3] KOM(2011) 818 [4] KOM(2011) 594 und KOM(2011) 510. [5] KOM(2011) 400. [6] KOM(2011) 815. [7] Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 über die Vermeidung
und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte. [8] Griechenland, Irland, Portugal und Rumänien, die einem
Stabilitäts‑ und Wachstumsprogramm unterzogen werden, wurden einer solchen
Überprüfung nicht unterzogen. [9] COM(2012) 173. [10] Griechenland, Irland, Portugal und Rumänien, für die ein
Stabilitäts‑ und Wachstumsprogramm entwickelt wurde, wurden einer solchen
Überprüfung nicht unterzogen. [11] Nationale Ziele entsprechend den nationalen
Reformprogrammen von April 2012. [12] Die nationalen Emissionsreduktionsziele in der
Entscheidung 406/2009/EG („Lastenteilungsentscheidung“) gelten für Emissionen,
die nicht unter das Emissionshandelssystem fallen. Die unter das
Emissionshandelssystem fallenden Emissionen werden um 21 % gegenüber den
Werten von 2005 reduziert. Gegenüber 1990 werden die Emissionen insgesamt um
20 % reduziert. [13] Die Mitgliedstaaten haben für ihre Berechnungen der
geschätzten Einsparungen unterschiedliche Basisjahre verwendet. [14] Berechnung ohne ISCED 4 (Deutschland, Österreich) und UK;
Ergebnis mit ISCED 4: 40,0-40,4 %. [15] Die ungarische Regierung beantragte im November 2011
förmlich vorsorglichen finanziellen Beistand von der EU und
dem IWF. [16] Gemäß Artikel 5 Absatz 1 und
Artikel 13 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 werden eingehende
Überprüfungen in Verbindung mit Überwachungsmissionen durchgeführt. Diese
Missionen fanden auf Ebene der Dienststellen im März und April statt.