4.10.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 299/115


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Weißbuch – Eine Agenda für angemessene, sichere und nachhaltige Pensionen und Renten“

COM(2012) 55 final

2012/C 299/21

Berichterstatter: Petru Sorin DANDEA

Mitberichterstatter: Krzysztof PATER

Die Europäische Kommission beschloss am 16. Februar 2012, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

"Weißbuch – Eine Agenda für angemessene, sichere und nachhaltige Pensionen und Renten"

COM(2012) 55 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen und Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 27. Juni 2012 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 482. Plenartagung am 11./12. Juli 2012 (Sitzung vom 12. Juli) mit 180 gegen 27 Stimmen bei 19 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Öffentliche Renten- und Pensionssysteme sind mit die wichtigsten Komponenten der sozialen Sicherheitsnetze in fast allen Mitgliedstaaten und ein Kernelement des europäischen Sozialmodells, da Renten und Pensionen die wichtigste Einkommensquelle für Ruheständler darstellen. Der Ausschuss bedauert, dass sich die Kommission in ihrem Weißbuch stärker auf andere Aspekte des Renten- und Pensionssysteme konzentriert und nicht nach Lösungen zur Stärkung der öffentlichen Renten und Pensionen sucht.

1.2   Renten- und Pensionssysteme funktionieren nicht unabhängig von nationalen Wirtschaftssystemen. Der EWSA fordert daher die Mitgliedstaaten auf, ihre Rentenpolitik eng auf ihre Arbeitsmarkt-, Sozialversicherungs-, Steuer- und Wirtschaftspolitik (da Renten und Pensionen aus Einbehaltungen bei Löhnen und Gehältern während des Erwerbslebens oder Beiträgen zur privaten Altersabsicherung finanziert werden) abzustimmen und die Sozialpartner und die organisierte Zivilgesellschaft aktiv an dem Gestaltungsprozess zu beteiligen.

1.3   Die Alterung der Bevölkerung stellt Renten- und Pensionssysteme vor Herausforderungen, für die es keine Pauschallösung gibt. Die meisten Mitgliedstaaten, die ihre Renten- und Pensionssysteme in den vergangenen zehn Jahren reformiert haben, streben durch eine Anhebung des gesetzlichen Ruhestandsalters und den Übergang zu einem preissteigerungs-orientierten Rentenindexierungssystem Ausgabenkürzungen an. Der EWSA hat bereits festgehalten, dass eine Anhebung des gesetzlichen Rentenalters als Antwort auf die Alterung der Gesellschaft zu kurz greift und macht darauf aufmerksam, dass sich dieser Ansatz aufgrund der möglichen Zunahme des Armutsrisikos für viele Ruheständler langfristig als sozial bedenklich erweisen könnte.

1.4   Der EWSA ist der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten für eine Umverteilung des Reichtums sorgen sollten; sie sollten ihre Reformbemühungen in den nächsten Jahrzehnten auf eine Erhöhung der Einkommen konzentrieren, aus denen sich ihre Alterssicherungssysteme finanzieren, indem sie diese auf alle wirtschaftlichen und sozialen Gruppierungen ausweiten sowie die Beschäftigung erhöhen, die Beitragssysteme verbessern und entschieden gegen Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung vorgehen. Der EWSA begrüßt es, dass im Weißbuch die Bedeutung des Arbeitsmarkts und höherer Beschäftigungsquoten für eine erfolgreiche Bewältigung des demografischen Wandels und somit für die Erreichung der zentralen Pensionsziele viel stärker betont wird als in früheren Kommissionsdokumenten. Bedauerlich ist allerdings, dass dieses Aufzeigen der großen Bedeutung des Arbeitsmarkts ohne erkennbaren Einfluss auf die zentralen Pensionsempfehlungen geblieben ist, die weitgehend aus vorherigen Dokumenten unverändert fortgeschrieben werden.

1.5   Die Mitgliedstaaten sollten nach Meinung des EWSA bei der Reform ihrer heimischen Renten- und Pensionssysteme bedenken, dass Renten und Pensionen für Millionen künftiger Ruheständler die einzige Form der Absicherung gegen das Risiko der Altersarmut darstellt. Er empfiehlt daher, Standards für Mindestrenten oder Mechanismen zur Sicherung des Alterseinkommens in die künftige Gesetzgebung mit einzubeziehen, um ein Einkommen oberhalb der Armutsgrenze bereitzustellen.

1.6   Renten- und Pensionssysteme sind von Natur aus langfristig angelegt. Die Mitgliedstaaten sollten daher einen ausreichenden Zeitrahmen für die Reform ihrer Altersversorgungssysteme vorsehen, diese der heimischen wirtschaftlichen und sozialen Situation anpassen und für eine breite Zustimmung der Öffentlichkeit sorgen. Der EWSA unterstützt eine solche Herangehensweise zumal unter dem Aspekt, dass es ungerecht wäre, die Kosten einer Rentenreform der aktuellen Generation junger Arbeitnehmer und den derzeit im Ruhestand befindlichen Personen aufzubürden. Der Ausschuss befürwortet einen Ansatz, der die Generationengerechtigkeit in Bezug auf die Nachhaltigkeit des Systems und eine angemessene Höhe der Altersbezüge, die einen menschenwürdigen Lebensstandard ermöglicht, gewährleistet.

1.7   Der EWSA fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten dringend auf, sich stärker um eine Förderung von aktiven Maßnahmen zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu bemühen. Worum es dabei gehen muss, ist die Annäherung des tatsächlichen Antritts des Ruhestands an das bestehende gesetzliche Rentenalter. Dies ist einer der Schlüssel zur Sicherung der Nachhaltigkeit der europäischen Rentensysteme. Die in diesem Zusammenhang wichtigsten Maßnahmen bestehen darin, sich auf die Verhandlung der Arbeitsbedingungen unter den Sozialpartnern zu konzentrieren, z.B. im Hinblick auf eine Anpassung der Arbeitsplätze an die Fähigkeiten und den Gesundheitszustand älterer Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der Beschwerlichkeit bestimmter Arbeiten, die Erleichterung des Zugangs zu Fortbildungsangeboten, die Stärkung der Prävention von Invaliditäten, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die Beseitigung gesetzlicher und anderer Hürden, die einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit im Wege stehen. Die Änderung der Einstellung von Arbeitgebern gegenüber dieser Altersgruppe und die Entwicklung einer positiven Einstellung unter älteren Arbeitnehmern – einhergehend mit der Möglichkeit, sich für einen längeren Verbleib im Erwerbsleben zu entscheiden – müssen ebenfalls Teil des Reformprozesses sein. Arbeitsmarktreformen zur Schaffung von Bedingungen, die es den Unternehmen ermöglichen, hochwertige Arbeitsplätze bereitzustellen, sind notwendig, um ein längeres Erwerbsleben Realität werden zu lassen. Diese Maßnahmen müssen in enger Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern konzipiert und implementiert werden. Aus Sicht des EWSA sollten trotz alledem Vorruhestandsregelungen beibehalten werden, um Arbeitnehmern, die längere Zeit in besonders anstrengenden oder gefährlichen Berufen tätig waren, oder solchen, die schon sehr früh (d.h. vor dem 18. Lebensjahr) ins Erwerbsleben eingetreten sind, weiterhin das Recht einzuräumen, vorzeitig in den Ruhestand zu treten.

1.8   Der EWSA stellt fest, dass die Mitgliedstaaten bereits Fortschritte bei ihren Gesetzesreformen erreicht haben. Er ist aber auch davon überzeugt, dass der Rechtsrahmen für komplementäre Renten- und Pensionssysteme verbessert werden sollte, was für die künftige Angemessenheit und Nachhaltigkeit der Systeme von Bedeutung sein wird. Der Ausschuss äußert deshalb ernste Bedenken gegen einige Vorschläge für die betriebliche Altersversorgung. Da sich die Renten- und Pensionssysteme von Lebensversicherungssystemen stark unterscheiden, unterstützt der Ausschuss nicht das Ziel, die IORP-Richtlinie zu überarbeiten, um "einheitliche Rahmenbedingungen mit Solvabilität II" herzustellen, sondern empfiehlt, nach vorheriger Anhörung der Sozialpartner und anderer Interessenträger speziell konzipierte Maßnahmen zur Sicherung der Pensions- und Rentenfonds einzuführen.

1.9   Renten und Pensionen sollen Ruheständlern ein Einkommen sichern, das das Gehalt, das sie während ihres Erwerbstätigkeit erhielten, ersetzt und in einem proportionalen Verhältnis zu diesem Gehalt steht. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass es künftig notwendig sein wird, die Kluft zwischen Männern und Frauen bei der Altersversorgung zu verringern und eine angemessene Abdeckung altersbedingter Risiken für Personen zu gewährleisten, die einen atypischen Beruf oder eine atypische Laufbahn hatten. Die fortbestehenden Unterschiede zwischen Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt haben ernstzunehmende Folgen für die erworbenen Ansprüche und damit auch für die Renten- und Pensionsaussichten für Frauen. Der Ausschuss fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, nach Lösungen zu suchen, um in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern die aus den Regelungen und Arbeitsmarktpraktiken resultierende Kluft bei Ruhegehaltsansprüchen zwischen Männern und Frauen zu schließen.

1.10   Der EWSA unterstützt die Kommission in ihrem Bestreben, während des Programmplanungszeitraums 2014-2012 einen Teil der Mittel des ESF zur Unterstützung von Projekten zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmer oder zur Förderung eines längeren Erwerbslebens zu verwenden. Bildungsprojekte, die eine Verbesserung der finanziellen Allgemeinbildung der Arbeitnehmer zum Ziel haben, verdienen insbesondere im Hinblick auf die Planung der Altersvorsorge ebenfalls Unterstützung. Der EWSA ist überzeugt, dass die Sozialpartner und andere Organisationen der Zivilgesellschaft gemeinsam mit öffentlichen Einrichtungen eine entscheidende Rolle bei der Förderung solcher Projekte spielen müssen.

2.   Einleitung

2.1   Am 16. Februar (später als geplant) legte die Europäische Kommission im Nachgang zu dem mit ihrem Grünbuch vom Juli 2010 lancierten Konsultationsprozess ihr Weißbuch "Eine Agenda für angemessene, sichere und nachhaltige Pensionen und Renten" vor. Obwohl eine Reihe von Empfehlungen, die der EWSA in seiner Stellungnahme zu diesem Thema vorgetragen hat, im Weißbuch aufgegriffen wurden, beharrte die Kommission auf ihrem Standpunkt bezüglich der von den Mitgliedstaaten zu ergreifenden Maßnahmen zur Gewährleistung nachhaltiger und sicherer Rentensysteme vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung. Sie betont weiterhin die Notwendigkeit einer Kürzung der Rentenausgaben anstatt sich für eine Erhöhung der Einkommen auszusprechen, aus denen sich die Renten finanzieren. Empfohlen werden des Weiteren eine Koppelung des Renteneintrittsalters an die steigende Lebenserwartung – alles Punkte, zu denen sich der Ausschuss bereits mehrfach kritisch zu Wort gemeldet hat.

2.2   Zur Untermauerung ihres Standpunktes bezüglich der Notwendigkeit einer Rentenreform, verweist die Kommission auf Statistiken, die möglicherweise ein irreführendes Bild der durch die Alterung der Bevölkerung verursachten Probleme zeichnen. Beispielsweise wird in Abbildung 1 in einer Grafik die angenommene Bevölkerungsentwicklung bei der Altersgruppe der über 60-Jährigen mit der der Gruppe der 20- bis 59-Jährigen verglichen. Laut dieser Grafik wird die Zahl der Menschen über 60 in den nächsten zwanzig Jahren voraussichtlich um zwei Millionen pro Jahr zunehmen, während die Zahl der 20- bis 59-Jährigen durchschnittlich um eine Million pro Jahr sinken wird. 2020 wird das gesetzliche Renten- und Pensionsalter in den meisten Mitgliedstaaten bei 65 und darüber liegen, was bedeutet, dass zur Bevölkerungsgruppe der über 60-Jährigen sowohl Arbeitnehmer als auch Ruheständler gehören werden. Übereinstimmend mit seinen Empfehlungen (1) in früheren einschlägigen Stellungnahmen, ist der EWSA der Auffassung, dass für die Bewertung der Auswirkungen einer alternden Bevölkerung auf die Finanzierung sozialer Sicherungssysteme die ökonomische Abhängigkeitsquote herangezogen werden sollte, da diese ein genaues Bild des tatsächlichen Finanzbedarfs zeichnet. Dieser Tatsache trägt die Kommission im Weißbuch Rechnung. In diesem Sinn begrüßt der EWSA, dass im Weißbuch die Bedeutung des Arbeitsmarkts und höherer Beschäftigungsquoten für eine erfolgreiche Bewältigung des demografischen Wandels und somit für die Erreichung der zentralen Pensionsziele viel stärker betont wird als in früheren Kommissionsdokumenten. Bedauerlich ist allerdings, dass dieses Aufzeigen der großen Bedeutung des Arbeitsmarkts ohne erkennbaren Einfluss auf die zentralen Pensionsempfehlungen geblieben ist, die weitgehend aus vorherigen Dokumenten unverändert fortgeschrieben werden.

2.3   Die Kommission ist davon überzeugt, dass das reibungslose Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion ganz entscheidend vom Erfolg der Pensions- und Rentenreformen in den Mitgliedstaaten abhängt. Der Erfolg dieser Reformen wird auch mit den Ausschlag geben, ob die EU zwei der fünf Ziele der Strategie "Europa 2020" erreichen kann – die Anhebung der Beschäftigungsquote auf 75 % und die Verringerung der Zahl der von Armut bedrohten Personen um mindestens 20 Millionen. Der EWSA hat jedoch darauf hingewiesen, dass viele der von den Mitgliedstaaten ergriffenen Sparmaßnahmen im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Finanz- und Staatsschuldenkrise dazu führen könnten, dass diese Ziele nicht erreicht werden (2). Haushaltsstabilitätsmaßnahmen müssen immer durch beschäftigungswirksame Investitionen sowie wachstumsfördernde Maßnahmen ergänzt werden.

2.4   Die Kommission möchte mit dem Weißbuch politische Leitlinien und Initiativen vorschlagen, um dem Reformbedarf gerecht zu werden, der unter anderem im Rahmen des europäischen Semesters in Form der länderspezifischen Empfehlungen für das Jahr 2011 festgestellt wurde. Der EWSA bedauert, dass diese Empfehlungen sich insbesondere auf eine Erhöhung des gesetzlichen Ruhestandsalters und eine Verbesserung der Rentenindexierungssysteme beziehen. Für einige Mitgliedstaaten, die Standby-Vereinbarungen mit dem IWF, der Weltbank und der Europäischen Kommission getroffen haben, beinhalten die Empfehlungen auch Maßnahmen wie beispielsweise ein zeitweiliges Einfrieren oder sogar eine Verringerung des Rentenniveaus.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1   Die aktuellen Herausforderungen an die Altersvorsorge

3.1.1   Der EWSA teilt die Sichtweise der Kommission, dass die langfristige Finanzierbarkeit und die Angemessenheit der Renten und Pensionen davon abhängen, inwieweit sie sich auf Beiträge, Steuern und Ersparnisse stützen können. Diese stammen jedoch nicht nur von Erwerbstätigen, sondern auch von den Ruheständlern selbst. Mit anderen Worten, langfristige Prognosen bezüglich des Gleichgewichts zwischen aktiv beschäftigten Beitragszahlern und den im Ruhestand befindlichen Leistungsempfängern müssen dieser Tatsache Rechnung tragen.

3.1.2   Öffentliche Renten- und Pensionssysteme sind die wichtigste Einkommensquelle für Ruheständler in den meisten Mitgliedstaaten. Deshalb ist es zwingend erforderlich, alle erdenklichen Anstrengungen zu unternehmen, um ihre Nachhaltigkeit und Tragbarkeit weiter zu gewährleisten. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die Finanzierung der öffentlichen Systeme am besten durch eine hohe Beschäftigungsquote und zusätzliche Finanzierungsmaßnahmen, wie sie in einigen Mitgliedstaaten (z.B. Haushaltszuschüsse, zusätzliche Einnahmen, Rücklage- und Stabilitätsfonds) ergriffen wurden, garantiert werden kann. Diese Systeme beruhen auf dem Subsidiaritätsprinzip und schaffen Solidarität zwischen den bzw. innerhalb der Generationen, was den sozialen Zusammenhalt fördert. Darüber hinaus ermöglichen sie den Erwerb von Rentenansprüchen in Zeiten der Arbeitslosigkeit oder krankheits- oder familienbedingter Berufsunterbrechungen. Während der Finanzkrise 2008 haben sie ihre positive Wirkung auf die finanzielle Stabilität unter Beweis gestellt, auch wenn sie in bestimmten Mitgliedstaaten den gegenteiligen Effekt hatten. Umgekehrt mussten einige privat finanzierte Renten- und Pensionssysteme, die einen Teil ihrer Portfoliowerte in hochriskante Finanzprodukte investiert hatten, schwere Verluste hinnehmen, die zu einer starken Kürzung der Altersbezüge für viele Betroffene führten. Die Entscheidungsträger müssen die Auswirkungen von Einbrüchen der weltweiten Nachfrage vor dem Hintergrund sehen, dass Sozialleistungen nicht nur reine Ausgaben sind, sondern dass sie Handlungs- und Konsummöglichkeiten für ein Drittel der europäischen Bevölkerung schaffen.

3.2   Sicherung der finanziellen Nachhaltigkeit der Renten- und Pensionssysteme

3.2.1   Die Kommission stellt fest, dass der Anteil der Renten und Pensionen an den öffentlichen Ausgaben bis 2060 EU-weit um durchschnittlich 2,5 Prozentpunkte des BIP ansteigen könnte. Wie er bereits in früheren Stellungnahmen erklärt hat, ist der Ausschuss der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten diese Zahlen mit Vorsicht verwenden sollten, um Renten- und Pensionsreformen zu fördern, da sie häufig auf langfristigen Annahmen beruhen, die sich in einigen Fällen in der Realität nicht bewahrheiten. Gegenwärtig liegen die Ausgaben für gesetzliche Pensionen und Renten zwischen 6 % des BIP in Irland und 15 % in Italien, was einer Schwankungsbreite von 9 Prozentpunkten zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten entspricht. Dies zeigt, dass es wohl eine gewisse Flexibilität in der Zusammensetzung der öffentlichen Ausgaben gibt, ohne dass dies zwangsläufig signifikante Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit von Mitgliedstaaten hat, die bei zyklischer Betrachtungsweise mehr Geld für soziale Sicherungssysteme ausgeben.

3.2.2   Die von den Mitgliedstaaten in den vergangenen zehn Jahren durchgeführte Reform der Renten- und Pensionssysteme hatte in erster Linie Ausgabenkürzungen zum Ziel. Diese sollten durch eine Anhebung des gesetzlichen Ruhestandsalters und die Einführung vornehmlich oder ausschließlich am Einzelhandelspreisindex orientierter Rentenindexierungssysteme erreicht werden. Der EWSA ist der Ansicht, dass sich dies langfristig negativ auswirken und zu einem deutlichen Absinken des Rentenniveaus führen könnte. Laut einer Studie der ILO (3) kann ein Unterschied von nur einem Prozentpunkt zwischen Einkommens- und Rentensteigerungen über einen Zeitraum von 25 Jahren zu einem Absinken der Renten um 22 % führen.

3.2.3   Renten- und Pensionssysteme funktionieren nicht unabhängig von nationalen Wirtschaftssystemen. Es handelt sich vielmehr um auf nationaler und internationaler Ebene interagierende Subsysteme. Der EWSA empfiehlt den Mitgliedstaaten, ihre Bemühungen um eine Sicherung der langfristigen Finanzierbarkeit der Renten- und Pensionssysteme in den nächsten Jahrzehnten auf eine Anhebung der Einkommen zu konzentrieren. Dies kann nicht allein durch eine Erhöhung der Zahl der erwerbstätigen Beitragszahler und eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit erreicht werden, sondern erfordert auch eine bessere Verwaltung der öffentlichen Finanzen und Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit. Nachhaltiges Wachstum und eine hohes Beschäftigungsniveau wirken sich günstig auf das Funktionieren von Altersversorgungssystemen aus. Arbeitsmarktreformen zur Schaffung von Bedingungen, die es den Unternehmen ermöglichen, hochwertige Arbeitsplätze bereitzustellen, sind notwendig, um ein längeres Erwerbsleben Realität werden zu lassen. Ferner können angemessene Arbeitsbedingungen, helfen, Familie und Beruf zu vereinbaren, zu einer Erhöhung der Fertilitätsrate beitragen und so den durch die Alterung der Bevölkerung hervorgerufenen Druck auf die Renten- und Pensionssysteme mildern. Gleichzeitig bedarf es auch der Schaffung von Maßnahmen, um die Bereitschaft des Einzelnen zu erhöhen, auch länger zu arbeiten, wozu auch die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen und zur Gesundheitsvorsorge gehört.

3.2.4   Im Einklang mit seiner früheren Stellungnahme unterstreicht der EWSA, dass die Reformen (einschließlich des Wechsels von gänzlich umlagefinanzierten Modellen hin zu gemischten Modellen, die aus obligatorischen umlagefinanzierten und kapitalgedeckten Systemen bestehen), die zu Änderungen bei der Finanzierung der Renten- und Pensionssysteme führen, welche die expliziten Verbindlichkeiten des öffentlichen Sektors verstärken und die impliziten verringern, aufgrund der höheren expliziten Staatsverschuldung kurzfristig nicht benachteiligt werden sollten (4). Deswegen sollte eine Überarbeitung der Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts erwogen werden.

3.3   Wahrung der Angemessenheit von Pensions- und Rentenleistungen

3.3.1   Die Kommission stellt fest, dass die durchgeführten Rentenreformen in den meisten Mitgliedstaaten zu geringeren Ersatzraten der Renten- und Pensionssysteme führen werden. Da Pensionen und Renten die wichtigste Einkommensquelle älterer Europäer und Europäerinnen darstellen, ist der EWSA der Auffassung, dass die Sicherung eines angemessenen Ruhestandseinkommens, das einen menschenwürdigen Lebensstandard ermöglicht, für die Mitgliedstaaten Priorität haben sollte.

3.3.2   Die Regierungen sind dafür verantwortlich, dass jeder ältere Europäer und jede ältere Europäerin über ein angemessenes Ruhestandseinkommen verfügt. Die Mitgliedstaaten sollten daher nach Auffassung des EWSA in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern eine umfassende Definition des Begriffs "angemessenes Ruhestandseinkommen" erwägen.

3.3.3   Für künftige Generationen von Ruheständlern wird die Angemessenheit ihres Einkommens in zunehmendem Maße von zusätzlich finanzierten Säulen der Altersversorgung abhängen. Der EWSA weist jedoch darauf hin, dass einige der Mitgliedstaaten, die verpflichtende, kapitalgedeckte Rentensysteme gefördert haben, welche durch den Transfer eines Teils der Beiträge aus der gesetzlichen Rentenversicherung finanziert wurden, beschlossen haben, diese Systeme nicht weiterzuführen. Begründet wird diese Entscheidung vor allem mit dem dadurch verursachten Haushaltsloch bei der gesetzlichen Rentenversicherung. Der EWSA befürwortet betriebliche Altersversorgungssysteme, die von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern eingerichtet und verwaltet werden, und fordert die Kommission auf, die Sozialpartner beim Ausbau ihrer Verwaltungskapazitäten in diesem Bereich zu unterstützen.

3.3.4   In Anbetracht der steigenden Zahl zusätzlich finanzierter Altersversorgungssysteme, insbesondere im Zusammenhang mit der Erwerbstätigenquote, ist es von entscheidender Bedeutung, dass Mitgliedstaaten für Personen, die während ihres gesamten Erwachsenenlebens nicht erwerbstätig sind, angemessene Altersbezüge sicherstellen. Für Menschen, die aufgrund etwa einer schweren Behinderung oder schwerer und komplexer sozialer Probleme vom ersten Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, muss eine ausreichende Altersversorgung garantiert sein, damit sie im Alter nicht noch stärker von sozialer Ungleichheit betroffen sind.

3.4   Anhebung der Erwerbsquote von Frauen und älteren Arbeitskräften

3.4.1   Wenn Europa das Beschäftigungsziel der Strategie Europa 2020 – eine Erwerbsquote von 75 % in der Altersgruppe der 20- bis 64-Jährigen – erreicht und in den folgenden Jahrzehnten weitere Fortschritte erzielt werden, könnte die ökonomische Abhängigkeitsquote laut Angaben der Kommission weiterhin unter 80 % bleiben. Dies würde bedeuten, dass der durch die Alterung der Bevölkerung hervorgerufene Druck auf die Renten- und Pensionssysteme tragbar bleiben könnte.

3.4.2   Der EWSA teilt nicht die Auffassung der Kommission, dass ein festgelegtes Rentenalter das Ungleichgewicht zwischen Erwerbsjahren und Ruhestandsjahren vergrößern würde. In den letzten Jahren haben die meisten Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Rentenreformen das Recht auf vorzeitigen Ruhestand an die Zahl der Erwerbsjahre gekoppelt. Dies führte zu einem signifikanten Rückgang der Zahl der berechtigten Arbeitnehmer. Aus Sicht des EWSA sollten Vorruhestandsregelungen beibehalten werden, um Arbeitnehmern, die längere Zeit in besonders anstrengenden oder gefährlichen Berufen tätig waren, oder solchen, die schon sehr früh (d.h. vor dem 18. Lebensjahr) ins Erwerbsleben eingetreten sind, weiterhin das Recht einzuräumen, vorzeitig in den Ruhestand zu treten.

3.4.3   Der EWSA hat sich in einer Reihe von Stellungnahmen (5) zu den Schlüsselfaktoren geäußert, die von den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Reformen mit dem Ziel einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit berücksichtigt werden sollten, und empfiehlt der Kommission, einige dieser Parameter in das Weißbuch aufzunehmen. Dennoch ist der EWSA der Auffassung, dass auf der Ebene der Mitgliedstaaten noch viel getan werden muss, um zu gewährleisten, dass Arbeitsplätze den Fähigkeiten und dem Gesundheitszustand älterer Arbeitnehmer optimal angepasst werden.

3.5   Rolle der Mitgliedstaaten und der EU im Renten- und Pensionskontext

3.5.1   Aufgrund der Komplexität der wirtschaftlichen, sozialen und arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen der Alterssicherung begrüßt der EWSA den Beschluss der Kommission, hinsichtlich der Rentenreform einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen. Obwohl in erster Linie die Mitgliedstaaten für die Gestaltung ihrer Renten- und Pensionssysteme verantwortlich sind, sollte die Kommission die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente sinnvoll einsetzen, um die einzelnen Staaten während des Reformprozesses tatkräftig zu unterstützen; da man im Allgemeinen keinen Schritt zurück machen möchte, sollte dies jedoch geschehen, ohne mit Blick auf die derzeitige Rezession Rechte anzutasten oder neue Regeln aufzustellen, die nach dem Wiederanziehen der Konjunktur für die Bürger nachteilig sein könnten. Im Rahmen der Strategie Europa 2020 und der neuen europäischen Entscheidungsstrukturen verfügt die Kommission über ein breites Spektrum an Möglichkeiten zur Förderung von Maßnahmen zur Rentenreform, wobei zu berücksichtigen ist, dass Renten und Pensionen keine Ersparnisse sind. Der Ausschuss ermutigt die Kommission auch, an ihrer Absicht festzuhalten, einen Teil des ESF im Programmplanungszeitraum 2014-2020 zur Unterstützung von Projekten zu nutzen, die auf die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer oder die Förderung eines längeren Erwerbslebens abzielen. Eine unabdingbare Voraussetzung ist die Beteiligung der Sozialpartner und der organisierten Zivilgesellschaft an der Umsetzung dieser Projekte.

3.5.2   Angesichts der Tatsache, dass eine Erhöhung der Beschäftigung und der Arbeitsproduktivität zu den Hauptzielen der mit den Auswirkungen einer alternden Bevölkerung auf Renten- und Pensionssysteme konfrontierten Mitgliedstaaten zählen sollten, empfiehlt die Kommission eine Untermauerung aller von den Regierungen geplanten Maßnahmen durch die vorherige Zustimmung der Sozialpartner.

3.6   Die Notwendigkeit von Pensions- und Rentenreformen

3.6.1   Bezüglich der Empfehlungen zur Rentenreform, die die Kommission den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Wachstumsberichte 2011 und 2012 gegeben hat, vertritt der EWSA folgende Standpunkte:

a.

Eine Erhöhung des tatsächlichen Rentenalters muss durch mit den Sozialpartnern ausgehandelte Maßnahmen zur Förderung eines längeren Erwerbslebens erreicht werden und nicht durch automatische Mechanismen zur Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters, wie von der Kommission empfohlen.

b.

Eine Einschränkung des Zugangs zu vorzeitigem Ruhestand sollte die besondere Situation bestimmter Gruppen von Arbeitnehmern berücksichtigen, vor allem derjenigen, die längere Zeit in besonders anstrengenden oder gefährlichen Berufen tätig waren oder die schon sehr früh (d.h. vor dem 18. Lebensjahr) ins Berufsleben eingetreten sind.

c.

Der beste Ansatz zur Erhöhung des tatsächlichen Renteneintrittsalters besteht in einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit durch besseren Zugang zu Fortbildungsprogrammen, Anpassung der Arbeitsplätze an eine stärker diversifizierte Erwerbsbevölkerung, Ausbau der Beschäftigungsmöglichkeiten für ältere Arbeitnehmer, Unterstützung des aktiven und gesunden Alterns und Beseitigung gesetzlicher und anderer Hürden, die älteren Arbeitnehmern den Zugang zur Beschäftigung erschweren.

d.

Eine Angleichung des gesetzlichen Ruhestandsalters für Frauen und Männer sollte in einem Zeitrahmen erfolgen, der die spezifische Arbeitsmarktsituation in den einzelnen Mitgliedstaaten berücksichtigt. Besondere Aufmerksamkeit sollte der Schließung der Kluft zwischen Männern und Frauen bei der Altersversorgung gewidmet werden.

e.

Eine Förderung des Ausbaus der Zusatzaltersvorsorge, insbesondere der betrieblichen Altersvorsorge, die sich in der Finanzkrise als sicherer als andere kapitalgedeckte Systeme erwiesen hat, sowie der privaten Altersvorsorge mit gezielten steuerlichen Anreizen, sollte unter Einbeziehung der Sozialpartner erfolgen.

3.7   Berufsjahre und Ruhestandsjahre in einem ausgewogenen Verhältnis

3.7.1   Der EWSA ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten durch aktive Maßnahmen zur Förderung eines längeren Erwerbslebens auf freiwilliger Basis zu einer Erhöhung des tatsächlichen Renteneintrittsalters, die eine längere Erwerbstätigkeit bedeutet, beitragen können. Eine automatische Anhebung des gesetzlichen Ruhestandsalters auf Grundlage der prognostizierten Steigerung der Lebenserwartung könnte sich als kontraproduktiv erweisen, da dann viele ältere Arbeitnehmer, vor allem solche mit gesundheitlichen Problemen, gezwungen wären, sich auf andere Säulen des sozialen Sicherungssystems zu stützen (6).

3.7.2   Der EWSA teilt die Sichtweise der Kommission, dass die Kosten der Rentenreform nicht von Generationen von jungen Arbeitnehmern oder ausschließlich von den derzeit im Ruhestand befindlichen Personen getragen werden sollten. Die Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, Reformmaßnahmen zu ergreifen, die die Interessen der Arbeitnehmer oder der Ruheständler nicht verletzen.

3.7.3   Der EWSA empfiehlt den Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Beschränkung des Zugangs zu vorzeitigem Ruhestand unter gebührender Berücksichtigung der Interessen von Arbeitnehmern umzusetzen, die längere Zeit in besonders anstrengenden oder gefährlichen Berufen tätig waren oder die schon sehr früh ins Berufsleben (vor dem 18. Lebensjahr) eingetreten sind. Viele Arbeitnehmer dieser Kategorien würden durch eine Einschränkung des Zugangs zu Vorruhestandssystemen de facto um ihre Rentenansprüche gebracht. Die Kommission stellt fest, dass solche Arbeitnehmer eine geringere Lebenserwartung haben und einen schlechteren Gesundheitszustand aufweisen als andere. Für diese Regelungen müssen weiterhin die Mitgliedstaaten gemäß ihrer nationalen Verfahren und Bedingungen und auf der Grundlage der Vereinbarungen mit den Sozialpartnern zuständig sein.

3.7.4   Der EWSA nimmt den Standpunkt der Kommission, dass die von den Mitgliedstaaten unternommenen Reformen eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit zum Ziel haben sollten, zur Kenntnis. Eine alleinige Anhebung des gesetzlichen Rentenalters oder eine Kürzung der Rentenausgaben durch Einführung eines neuen Indexierungssystems könnte für Millionen von Ruheständlern ein Leben unterhalb der Armutsgrenze bedeuten.

3.7.5   Laut einem Eurostat-Bericht (7) wären mehr als 35 % der Arbeitnehmer zwischen 50 und 69 Jahren bereit, über die Altersgrenze von 65 hinaus zu arbeiten. Der EWSA erkennt die Auffassung der Kommission an, dass die Beseitigung von Hindernissen, die einer Verlängerung des Erwerbslebens entgegenstehen, für die Mitgliedstaaten ein Lösungsweg neben anderen ist.

3.7.6   Die Kommission stellt fest, dass ein Abbau der Rentenschere zwischen den Geschlechtern nicht durch eine bloße Angleichung des Rentenalters erreicht werden kann, und empfiehlt den Mitgliedstaaten daher zur Beseitigung der geschlechtsspezifischen Unterschiede einen Mix aus renten- und beschäftigungspolitischen Maßnahmen. Der EWSA ruft die Kommission auf, im Rahmen der Überarbeitung der EU-Gesetzgebung zu Renten und Pensionen die Einführung von Vorschriften zur Gleichstellung von Männern und Frauen zu erwägen.

3.8   Ausbau der privaten Zusatz-Altersvorsorge

3.8.1   Der EWSA begrüßt die Entscheidung der Kommission, die Pensions- und Rentengesetzgebung der EU auszubauen. Der EWSA ist jedoch der Ansicht, das dabei nicht nur Aspekte im Zusammenhang mit den grenzüberschreitenden Aktivitäten von Pensionsfonds und der Arbeitnehmermobilität eine Rolle spielen sollten, sondern auch Fragen bezüglich der Aufsicht und der Überwachung von Rentenkassen, der Verwaltungskosten, der Verbraucherinformation und des Verbraucherschutzes berücksichtigt werden sollten.

3.8.2   Der EWSA unterstützt den Vorschlag der Kommission, durch die Verknüpfung nationaler Dienste einen EU-weiten Pensions- und Rentenaufzeichnungsdienst zu schaffen. Dies wäre für Personen, die in mehreren Mitgliedstaaten gearbeitet haben, von großem Nutzen.

3.8.3   Im Weißbuch wird nicht der richtige Ansatz verfolgt, um ein kostengünstiges System der betrieblichen Altersversorgung und damit dessen künftiges Wachstum zu gewährleisten. Der EWSA unterstützt insbesondere nicht das erklärte Ziel, die IORP-Richtlinie zu überarbeiten, um "einheitliche Rahmenbedingungen mit Solvabilität II" herzustellen. Solche Maßnahmen können nicht mit der Notwendigkeit der Schaffung einheitlicher Rahmenbedingungen mit Rentenversicherungsfonds begründet werden, weil diese anders operieren. Meistens operieren Rentenfonds nicht auf Endnutzermärkten und/oder sind gemeinnützige Organisationen. Sie werden im Allgemeinen durch einen Arbeitgeber oder eine Gruppe von Arbeitgebern in einer Branche bereitgestellt, während Rentenversicherungsprodukte auch Einzelpersonen angeboten werden können. Rentenfonds haben einen kollektiven Charakter (sie sind Gegenstand einer kollektivrechtlichen Vereinbarung). Der EWSA befürwortet jedoch die Anstrengungen der Kommission zur Einführung speziell konzipierter Maßnahmen zur Sicherung der Pensions- und Rentenfonds.

3.8.4   Neben staatlichen Rentensystemen wurden zusätzliche ergänzende Kollektivsysteme entwickelt. Da diese den Ruheständlern ein Zusatzeinkommen bieten, sollten sie auf die gesamte Arbeitnehmerschaft ausgeweitet werden. Sie sollten jedoch keine Alternative zur Zahlung staatlicher Renten sein und diese keinesfalls beeinträchtigen, da sie auf kollektivrechtlichen Vereinbarungen beruhen. Alle Arbeitnehmer in einer Branche oder einem Unternehmen sollten Zugang zu diesen Zusatzsystemen haben, bei denen im Übrigen Frauen und Männer gleich behandelt werden. Außerdem ist es wichtig, dass die Sozialpartner in die Umsetzung und Überwachung der Verwaltung dieser Systeme einbezogen werden. Neben den ergänzenden Rentensystemen, die normalerweise als Investitionsfonds operieren, sollten die Sozialpartner auch nach Lösungen für andere Risiken suchen, die oft zu Einschnitten bei künftigen Altersbezügen führen (z.B. Risiken während des gesamten Lebens, in Zeiten von Krankheit oder sogar von Arbeitslosigkeit oder familiär begründeter Nichterwerbstätigkeit), um ein angemessenes Niveau der künftigen Renten und Pensionen sicherzustellen.

3.9   Einführung von EU-Instrumenten

3.9.1   Der EWSA fordert die Kommission dringend auf, alle verfügbaren Rechts-, Finanz- und Koordinierungsinstrumente einzusetzen, um die Mitgliedstaaten in ihren Bemühungen um die Gewährleistung angemessener und sicherer Renten- und Pensionssysteme zu unterstützen. Zur Erreichung der diesbezüglichen Ziele ist es ferner unabdingbar, die Sozialpartner und die Organisationen der Zivilgesellschaft in alle Phasen der Beratung, Gestaltung und Umsetzung der Maßnahmen zur Renten- und Pensionsreform einzubinden. Beim Vorschlag eines Rechtsakts, der sich nicht unmittelbar auf die Renten- und Pensionssysteme bezieht, ist auch eine Abschätzung seiner Folgen für diese Systeme (insbesondere hinsichtlich ihrer Stabilität und der Höhe künftiger Renten- und Pensionsleistungen) vorzunehmen.

Brüssel, den 12. Juli 2012

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 1-8.

(2)  ABl. C 143 vom 22.5.2012, S. 23-28.

(3)  ILO: Rentenreform in den Staaten Zentral- und Osteuropas, 2011, S. 16, ISBN 978-92-125640-3 (web pdf).

(4)  Diese Situation herrscht in einigen Mitgliedstaaten vor, die ergänzende Altersvorsorgesysteme entwickelt haben und diese aus öffentlichen Rentenfonds finanzieren.

(5)  ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 1-8, ABl. C 161 vom 13.7.2007, S. 1-8, ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 10-16.

(6)  ABl. C 84 vom 17.3.2011, S. 38-44.

(7)  Aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen – ein statistisches Protrait der Europäischen Union 2012, S. 57.


ANHANG

zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Folgende abgelehnte Änderungsanträge erhielten mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen (Artikel 54 Absatz 3 der Geschäftsordnung):

Ziffer 3.6.1 Buchstabe b.

Ändern:

"Eine Einschränkung des Zugangs zu vorzeitigem Ruhestand sollte die besondere Situation bestimmter Gruppen von Arbeitnehmern berücksichtigen, vor allem derjenigen, die längere Zeit in besonders anstrengenden oder gefährlichen Berufen tätig waren."

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen

:

88

Nein-Stimmen

:

124

Enthaltungen

:

14

Ziffer 3.7.1

Ändern:

"Der EWSA ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten durch aktive Maßnahmen zur Förderung eines Erwerbslebens auf freiwilliger Basis beitragen können. Eine automatische Anhebung des gesetzlichen Ruhestandsalters auf Grundlage der prognostizierten Steigerung der Lebenserwartung könnte sich als kontraproduktiv erweisen, da dann viele ältere Arbeitnehmer, vor allem solche mit gesundheitlichen Problemen, gezwungen wären, sich auf andere Säulen des sozialen Sicherungssystems zu stützen6."

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen

:

80

Nein-Stimmen

:

135

Enthaltungen

:

10

Ziffer 3.7.3

Ändern:

"Der EWSA empfiehlt den Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Beschränkung des Zugangs zu vorzeitigem Ruhestand unter gebührender Berücksichtigung der Interessen von Arbeitnehmern umzusetzen, die längere Zeit in besonders anstrengenden oder gefährlichen Berufen tätig waren . Viele Arbeitnehmer dieser Kategorien würden durch eine Einschränkung des Zugangs zu Vorruhestandssystemen de facto um ihre Rentenansprüche gebracht. Die Kommission stellt fest, dass solche Arbeitnehmer eine geringere Lebenserwartung haben und einen schlechteren Gesundheitszustand aufweisen als andere. Für diese Regelungen müssen weiterhin die Mitgliedstaaten gemäß ihrer nationalen Verfahren und Bedingungen und auf der Grundlage der Vereinbarungen mit den Sozialpartnern zuständig sein."

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen

:

88

Nein-Stimmen

:

124

Enthaltungen

:

14