29.6.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 191/1


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „7. Umweltaktionsprogramm und Folgemaßnahmen zum 6. Umweltaktionsprogramm“ (Sondierungsstellungnahme)

2012/C 191/01

Berichterstatter: Lutz RIBBE

Der dänische EU-Ratsvorsitz beschloss am 11. Januar 2012, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgendem Thema zu ersuchen:

7. Umweltaktionsprogramm und Folgemaßnahmen zum 6. Umweltaktionsprogramm

(Sondierungsstellungnahme).

Die mit den Vorarbeiten der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 10. April 2012 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 480. Plenartagung am 25./26. April 2012. (Sitzung vom 25. April) mit 129 gegen 2 Stimmen bei 6 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung der Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Ausschusses

1.1   Die bisherigen 6 Umweltaktionsprogramme (6. UAP) waren wichtig zur Gestaltung der Europäischen Umweltpolitik, haben aber dennoch nicht zu verhindern vermocht, dass viele Umweltprobleme in Europa weiterhin ungelöst sind. Der Grund dafür liegt allerdings nicht in fehlenden Erkenntnissen über die Ursachen der Probleme oder in fehlenden Lösungsansätzen, sondern im mangelnden politischen Umsetzungswillen.

1.2   Das 6. UAP (Laufzeit bis Mitte 2012) war als umweltpolitische Konkretisierung der Nachhaltigkeitsstrategie der EU von 2001 konzipiert, als deren wirtschaftspolitisches Standbein die Lissabon-Strategie diente. Die EU Kommission hat – ohne entsprechenden Ratsbeschluss – die Nachhaltigkeitsstrategie stillschweigend in Vergessenheit geraten lassen. Sie sieht in der Europa-2020-Strategie das neue politisch-strategische Instrument; die Umweltpolitik soll darin durch die Leitinitiative „Ressourceneffizientes Europa“ koordiniert werden.

1.3   Der EWSA könnte keinen Sinn darin erkennen, neben die Leitinitiative nun ein weiteres umweltpolitisches Instrument in Form eines 7. UAP zu implementieren, in dem jene umweltpolitischen Sektoren integriert werden, die innerhalb der Europa 2020 Strategie nicht ausreichend angesprochen sind. Die Verknüpfung eines solchen 7. UAP mit der Europa-2020-Strategie und der Leitinitiative „Ressourceneffizientes Europa“ bliebe unklar.

1.4   Der EWSA empfiehlt der Kommission, dem Rat und dem EP, die Nachhaltigkeitsstrategie neu zu beleben, ein umfassendes und umsetzungsorientiertes 7. UAP als dessen umweltpolitische Umsetzungsstrategie zu wählen und die Leitinitiative „Ressourceneffizientes Europa“ mit allen Einzelinitiativen darin zu integrieren und für eine enge und koordinierte Abstimmung zwischen umwelt- und wirtschaftspolitischen Überlegungen zu sorgen. Die wichtige Europa-2020-Strategie bekäme dabei die wichtige Bedeutung, die kurz- und mittelfristigen wirtschafts- und finanzpolitischen Weichenstellungen vorzubereiten und umzusetzen, die auf dem Weg zur langfristigen nachhaltigen Entwicklung notwendig sind.

2.   Die Bedeutung der bisherigen Umweltaktionsprogramme (UAP) der EU

2.1   1972 beschloss der Europäische Rat auf dem Gipfel von Paris, Maßnahmen zu ergreifen, die den Lebensstandard, die Lebensbedingungen und die Lebensqualität in Europa verbessern sollten. Daraufhin wurde 1973 das 1. Umweltaktionsprogramm (Laufzeit: 1974 - 1975) der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft verabschiedet. Der besondere Erfolg dieses 1. UAP bestand darin, dass es für die Etablierung des sog. Vorsorgeprinzips gesorgt hat. Dieses räumt bekanntlich der Vermeidung von Umweltbelastungen Vorrang vor der nachträglichen Bekämpfung der Auswirkungen ein.

2.2   Das 2. Umweltaktionsprogramm (Laufzeit: 1977 - 1981) schrieb die Ziele des 1. UAP mit fünf sog. Orientierungsgrundsätzen fort. Diese lauteten: a) Kontinuität in der Umweltpolitik, b) Schaffung von Mechanismen für ein präventives Vorgehen insbesondere auf den Gebieten Verschmutzung, Raumplanung und Abfallwirtschaft, c) Schutz und rationelle Nutzung des Lebensraumes, d) Vorrang für Maßnahmen zum Schutz der Binnengewässer und des Meeres, zur Bekämpfung der Luftverschmutzung sowie den Kampf gegen den Lärm und e) Berücksichtigung der Umweltaspekte bei der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Entwicklungsländern.

2.2.1   Das 2. UAP lieferte also erste wichtige Grundlagen für weite Bereiche der Umweltpolitik, die auch heute noch aktuell sind, wie Schutz der Gewässer, Abfallpolitik, internationale Zusammenarbeit.

2.3   Im 3. Umweltaktionsprogramm (Laufzeit: 1982 - 1986) wurde erstmals die schonende Nutzung der natürlichen Ressourcen als Ziel in die europäische Umweltpolitik aufgenommen.

2.4   Das 4. Umweltaktionsprogramm (Laufzeit: 1987 – 1992) wurde im „Europäischen Jahr des Umweltschutzes“, also 1987, beschlossen. Es wurde von der Tatsache geprägt, dass kurz zuvor die „Einheitliche Europäische Akte“ beschlossen wurde, die die umweltpolitischen Befugnisse der Europäischen Gemeinschaft deutlich erweiterte, während gleichzeitig - mit der Umsetzung des Europäischen Binnenmarktes - nationale Umweltnormen und Grenzwerte eingeschränkt wurden. Die umweltpolitische Debatte verlief damals sehr intensiv, am Ende der Laufzeit dieses 4. UAP stand die Konferenz von Rio zur „globalen Nachhaltigkeit“.

2.4.1   Ein im Jahr 1992 veröffentlichter Bericht über den „Zustand der Umwelt“ machte allerdings deutlich, dass trotz aller bisherigen Bemühungen und trotz der vier Umweltaktionsprogramme sich in den meisten Bereichen der Umweltpolitik Verschlechterungen eingestellt hatten bzw. abzeichneten; u.a. wurde die Qualität von Gewässern und Luft und die Biodiversität (damals sprach man noch von „Artenvielfalt“) angesprochen.

2.5   Auch als eine Art Reaktion auf die Konferenz von Rio und die eher ernüchternde Umweltzustandsbeschreibung wurde Anfang 1993 das 5. Umweltaktionsprogramm beschlossen, dessen Laufzeit formal der Zeitraum 1992 bis 2000 war.

2.5.1   Darin wurde – passend zu den damalige Debatten der Rio-Konferenz – das Ziel formuliert, „das Wachstumsmodell der Gemeinschaft in einer Weise zu verändern, dass ein Weg hin zu einer dauerhaften und umweltgerechten Entwicklung beschritten wird“ - ein Vorsatz von damals, der nicht im geringsten etwas an politischer Aktualität verloren hat. Das 5. UAP kann als eine der ersten Initiativen der EU im Bereich der nachhaltigen Entwicklung angesehen werden, was sich auch im Untertitel „Für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung“ ausdrückte.

2.5.2   Im 5. UAP wurden sog. Strategien für sieben Bereiche, nämlich

die globale Erwärmung

die Übersäuerung

den Artenschutz

die Wasserwirtschaft

die städtische Umwelt

die Küstengebiete und

die Abfallwirtschaft

vorgeschlagen, wobei auffällt, dass einige dieser Bereiche auch schon in früheren UAP angesprochen wurden.

2.5.3   Bei der Überprüfung des 5. UAP im Jahr 1996 identifizierte selbst die Europäische Kommission das Fehlen konkreter Zielsetzungen und das mangelnde Engagement der Mitgliedstaaten als die größten Schwächen des Programms. Auch der Wirtschafts- und Sozialausschuss stellte in seiner Stellungnahme vom 24.5.2000 zwar fest, „dass das Programm zu etlichen positiven Ergebnissen geführt hat“, beschrieb allerdings gleichzeitig „… mit großer Sorge die weitere Verschlechterung der Umweltqualität in Europa, die seines Erachtens den wichtigsten, ja alleinigen Maßstab für die Wirksamkeit der aufeinanderfolgenden Umweltaktionsprogramme und die europäische Umweltpolitik insgesamt darstellt“.

2.5.4   Das 5. UAP war der politisch-strategische Wegbereiter der im Jahr 2001 in Göteborg von den Staats- und Regierungschefs beschlossenen Nachhaltigkeitsstrategie.

2.6   Diese Nachhaltigkeitsstrategie wiederum sollte dann im 6. Umweltaktionsprogramm (Laufzeit: 2002 bis zum 21.7.2012) ihre umweltpolitische und in der sog. Lissabon-Strategie ihre wirtschaftspolitische Konkretisierung finden.

2.6.1   Auch das 6. UAP trug einen Untertitel („Unsere Zukunft liegt in unserer Hand“). Es wurden darin vier thematische Schwerpunktbereiche für die europäische Umweltpolitik benannt: 1.) Bekämpfung der Klimaänderungen, 2.) Schutz der Natur und der biologischen Vielfalt, 3.) Umwelt, Gesundheit und Lebensqualität sowie 4.) Nachhaltige Nutzung und Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und des Abfalls.

2.6.2   Ferner wurden – genau wie im 5. UAP – sieben thematische Strategien angekündigt und später beschlossen, nämlich

zur Luftreinhaltung,

zur Meeresumwelt,

zur Abfallvermeidung und zum Recycling,

zur nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen,

zur städtischen Umwelt,

zum Bodenschutz und

zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden.

2.6.3   Es fällt auf, dass auch im 6. UAP wiederum „alte“ Themen behandelt wurden.

3.   Stand der Umweltpolitik/der Nachhaltigkeitsdebatte in Europa am Ende des 6. UAP

3.1   Zunächst ist festzustellen, dass auch am Ende der Laufzeit des 6. Umweltaktionsprogramms viele umweltpolitische Aktionsfelder, die seit Jahren auf den Agenden der UAP stehen, nicht ausreichend bzw. fast gänzlich unbearbeitet sind. Um nur zwei Beispiele zu nennen:

Der „Schutz der Böden“ ist seit Jahren Gegenstand von diversen Umweltaktionsprogrammen, doch zu wirklichen „Aktionen“ ist es auf EU-Ebene nicht gekommen, u.a. weil innerhalb des Rates keine Einigung zum vorgelegten Richtlinienentwurf der Kommission erzielt wurde.

Das Thema „Artenschutz/Biodiversität“ zieht sich fast wie ein roter Faden durch die Geschichte der Umweltaktionsprogramme. 2001 gab der Europäische Rat das Versprechen ab, bis 2010 den Verlust an Biodiversität zu stoppen; doch selbst ein 160 Maßnahmen umfassendes Biodiversitätsaktionsprogramm vermochte nicht zu verhindern, dass das Ziel nicht erreicht wurde. 2011 wurde dann eine neue Biodiversitätsstrategie aufgelegt, die nun das Versprechen enthält, das ursprüngliche Ziel mit 10 Jahren Verzögerung zu erreichen.

3.2   Mit den wiederum teilweise ernüchternden Ergebnissen des 6. UAP hat sich der EWSA in seiner Stellungnahme vom 18. Januar 2012 (NAT/528, CESE 152/2012: „Sechstes Umweltaktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft – Abschließende Bewertung“) befasst. Darin wird auch auf einen neuen Bericht zur „Lage der Umwelt“ eingegangen, der im Kern der Umweltpolitik der EU kein gutes Zeugnis ausstellt.

3.3   Die Frage warum trotz vieler langjähriger UAP zahlreiche Umweltprobleme weiterhin ungelöst sind, ist von der EU bislang nicht wirklich untersucht und beantwortet worden. Für den EWSA ist klar: es liegt nicht am mangelnden Wissen über die Probleme und Lösungsansätze, sondern oft am mangelnden Willen zu entschiedenem Handeln. Es mangelt an der Umsetzung des Wissens, z.T. sogar von politischen Beschlüssen. Und die Ursache hierfür dürfte darin liegen, dass sich zwischen umweltpolitisch notwendigem Handeln und kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen teilweise Interessenskonflikte auftun, die zugunsten der Wirtschaft entschieden werden.

3.4   Von zentraler Bedeutung am Ende der Laufzeit des 6. UAP ist für den EWSA die Feststellung, dass sich die EU-Kommission scheinbar von der Nachhaltigkeitsstrategie, deren Umweltpfeiler im 6. UAP bestand, verabschiedet hat.

3.5   Wurde früher von Kommission und Rat die Nachhaltigkeitsstrategie als übergeordnete Strategie bezeichnet, an der sich u.a. auch die Lissabon-Strategie orientieren sollte, ist es heute um sie bedenklich ruhig geworden. In den Arbeitsprogrammen der Kommission kommt sie nicht mehr vor (auch wenn es keinen förmlichen Beschluss des Europäischen Rates hierzu gegeben hat). Der EWSA hat dies mehrfach bemängelt; er wiederholt diese Kritik an dieser Stelle noch einmal und macht abermals deutlich, dass er es für falsch hält, die Nachhaltigkeitsstrategie quasi in der Europa-2020-Strategie aufgehen zu lassen. Er hat dies mehrfach begründet, ohne dass Kommission, Rat oder Parlament hierauf reagiert hätten.

3.6   Die bisherige Architektur in der politischen Programmplanung der EU, nämlich unter dem „Dach“ der Nachhaltigkeitsstrategie zu versuchen, die drei Pfeiler Ökonomie, Ökologie und Soziales miteinander abzustimmen, wurde somit aufgebrochen. Und somit stellt sich die Frage, unter welcher Klammer Kommission, Rat und Parlament die Nachhaltigkeits- und Umweltpolitik zukünftig koordinieren wollen.

4.   Die Europa-2020-Strategie und ein Ausblick auf ein eventuelles 7. UAP

4.1   Die Europa-2020-Strategie, von der Kommission als das absolut zentrale politische Planungs- und Steuerungselement angesehen, gibt zumindest eine mehr oder weniger klare Antwort auf die Frage, wie die Kommission dies zu sehen scheint.

4.2   Die Europa 2020 Strategie benennt bekanntlich sieben Leitinitiativen, nämlich:

Innovationsunion

Jugend in Bewegung

Digitale Agenda für Europa

Ressourceneffizientes Europa

Industriepolitik für das Zeitalter der Globalisierung

Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten sowie

Europäische Plattform zur Bekämpfung der Armut.

4.3   Keine Frage - die "Leitinitiative „Ressourceneffizientes Europa“ ist vom Verständnis der Kommission her das „neue“ Umweltaktionsprogramm; und die Tatsache, dass bislang kein Entwurf für ein neues, 7. UAP vorliegt, obwohl das 6. UAP im Juli 2012 ausläuft, ist sicher genau diesem Verständnis geschuldet.

4.4   So ist es kein Zufall, dass die EU Kommission erst mit Aktivitäten zur Erarbeitung eines 7. UAP begonnen hat, nachdem der (Umwelt-)Rat und das EP kritisch nachfragten, wo denn das 7. UAP bleiben würde.

4.5   Die Kommission hat im Rahmen der „neuen Architektur“ ihrer Politik- und Programmplanung die Europa-2020-Strategie als übergeordnete Strategie gewählt, die durch die 7 Leitinitiativen umgesetzt werden sollen, wobei die Umweltpolitik in der Initiative „Ressourceneffizientes Europa“ abgehandelt wird.

4.6   Nun zeigt sich allerdings mehr und mehr, dass

einerseits bestimmte übergeordnete Sektoren, die bisher von der Nachhaltigkeitsstrategie abgedeckt wurden (z.B. Themen wie globale Verteilungs- und Generationsgerechtigkeit) mit der Europa-2020-Strategie nicht ausreichend angesprochen werden und

andererseits bestimmte umweltpolitische Bereiche sich in der Leitinitiative „Ressourcenschonendes Europa“ nicht wiederfinden.

4.7   So findet man unter den insgesamt 20 umweltpolitischen Einzelinitiativen, die wiederum die Strategie „Ressourceneffizientes Europa“ mit Leben erfüllen sollen, zwar eine Menge „alter Bekannter“ aus früheren Umweltaktionsprogrammen, wie die Biodiversitäts-, Wasser- und Luftreinhaltepolitik (einschließlich Verkehrspolitik); aber beispielsweise findet das Thema „Umwelt und menschliche Gesundheit“ ebenso wenig ausreichend Berücksichtigung wie die Chemikalienpolitik oder die Nanotechnologie.

4.8   Der EWSA hat sich sowohl zur Leitinitiative „Ressourceneffizientes Europa“ selbst als auch zu deren Fahrplan geäußert und dabei genau auf die Missstände aufmerksam gemacht, die die Umweltaktionsprogramme bisher kennzeichneten: viele wohlklingende Zielsetzungen und Versprechungen, wenig konkrete Maßnahmen, kaum Indikatoren - und: geringe konkrete Umsetzung.

4.9   Der EWSA hatte u.a. die Kommission gebeten, „dass in den 20 angekündigten Einzelinitiativen sehr genau beschrieben wird,

was unter ‚Ressourceneffizienz‘ genau zu verstehen ist;

was bereits mit technologischen Optimierungen erreicht werden kann bzw.

in welchen Sektoren es zum angekündigten ‚grundlegenden Umbau‘ kommen muss, wie dieser jeweils aussehen soll und mit welchen Instrumenten man ihn zu erreichen gedenkt;

welche Verhaltensveränderungen bei Herstellern und Verbrauchern konkret für notwendig angesehen werden und wie diese beschleunigt werden können; (1)

doch ist die Kommission ist diesem Wunsch nicht nachgekommen, sondern wieder einmal eher im Unkonkreten und Unverbindlichen verblieben.

4.10   Für den EWSA bestätigt sich folglich, dass die Kommission mit dem bislang gewählten Ansatz nicht allen umweltpolitischen Notwendigkeiten ausreichend gerecht wird - vor allem aber nicht den Notwendigkeiten der Nachhaltigkeit. Was könnte folglich ein 7. UAP leisten?

4.11   Die Zeiten, als man Umweltaktionsprogramme brauchte, um herauszufinden und zu beschreiben, was geschehen müsste, sind vorbei. Die Verantwortlichen in Europa wissen sehr wohl, was zu tun ist. Es gibt nur ganz wenig neue Bereiche, in denen Ideen neu entwickelt werden müssten; die Nanotechnologie kann als ein solcher angesehen werden. Dafür bedarf es aber keines eigenen Umweltaktionsprogramms.

4.12   In Europa mangelt es in erster Linie an der Umsetzung der Erkenntnisse. Es existiert ein extremes Implementierungsdefizit, zu dem alle Ebenen (EU, Mitgliedstaaten, Regionen, Gemeinden und Bürger) beitragen. Der EWSA will dabei deutlich machen: Die Kommission kann noch so gute Programme erstellen und Ankündigungen machen, aber für den Vollzug sind maßgeblich die politischen Gremien der Mitgliedsstaaten verantwortlich.

4.13   Es ist für den EWSA keine Alternative, nun einfach ein 7. UAP aufzulegen, um jenen umweltpolitischen Bereichen ein „Dach“ zu bieten, die von der Leitinitiative „Ressourceneffizientes Europa“ nicht abgedeckt sind. Die Vernetzung zwischen einem solchen 7. UAP mit a) der Leitinitiative, aber auch mit b) der Europa-2020-Strategie bliebe unklar.

4.14   Dennoch steht der Ausschuss einem 7. Umweltaktionsprogramm offen gegenüber. Allerdings sollte klar sein, 1. was man damit erreichen will, 2. wie sichergestellt werden kann, dass es am Ende erfolgreicher als seine Vorgänger ist, und – ganz wichtig – 3. welchem übergeordneten Politiksektor es dienlich sein soll.

4.15   Der EWSA empfiehlt der Kommission, dem Rat und dem EP, die EU-Nachhaltigkeitsstrategie neu zu beleben, ein umfassendes und umsetzungsorientiertes 7. UAP als dessen umweltpolitische Umsetzungsstrategie zu wählen, die Leitinitiative „Ressourceneffizientes Europa“ mit allen Einzelinitiativen darin zu integrieren und für eine enge und koordinierte Abstimmung zwischen umwelt- und wirtschaftspolitischen Überlegungen zu sorgen. Die wichtige Europa-2020-Strategie bekäme dabei die extrem wichtige Bedeutung, die kurz- und mittelfristigen wirtschafts- und finanzpolitischen Weichenstellungen vorzubereiten und umzusetzen, die auf dem Weg zur langfristigen Nachhaltigen Entwicklung notwendig sind.

4.16   In einem solchen 7. UAP müsste nach Meinung des EWSA dann auch der Schwerpunkt darauf gelegt werden, absolut verbindliche Implementierungsbeschlüsse in den vielfach seit vielen Jahren offen gebliebenen Bereichen festzulegen.

4.17   Die Frage ist, ob Europa dazu bereit und in der Lage ist. Es kann nicht übersehen werden, dass wieder und wieder von der Politik ambitiöse Ziele beschrieben und Initiativen eingefordert werden. Wenn solche dann allerdings – z.B. von der EU-Kommission – vorgelegt werden, sind es dieselben Politiker, die Gründe finden, warum diese dann nicht beschlossen oder umgesetzt werden. Die Liste entsprechender Beispiele ist lang. Ob es um die Energieeffizienzrichtlinie, die im Rat blockiert wird, oder die Nichtumsetzung eines alten Versprechens (aus der Nachhaltigkeitsstrategie), nämlich eine Liste umweltschädlicher Subventionen zu erstellen und dieselben dann abzuschaffen, geht - zwischen Wort und Tat klaffen Lücken, und Kommission, Rat und Parlament sind aufgerufen, der Öffentlichkeit klar zu machen, wie diese geschlossen werden sollen.

Brüssel, den 25. April 2012

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Siehe Stellungnahme ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 97, Ziffer 1.2.