22.5.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 143/82


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Europäischen Sozialfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1081/2006“

COM(2011) 607 final — 2011/0268 (COD)

2012/C 143/16

Berichterstatter: Xavier VERBOVEN

Mitberichterstatter: Miguel Ángel CABRA DE LUNA

Der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament beschlossen am 27. Oktober 2011 bzw. am 25. Oktober 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

"Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Europäischen Sozialfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1081/2006"

COM(2011) 607 final – 2011/0268 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 25. Januar 2012 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 478. Plenartagung am 22./23. Februar 2012 (Sitzung vom 22. Februar) mit 217 gegen 5 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Der Grundsatz des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts ist ebenso wie der Grundsatz der Solidarität im Vertrag verankert und zusammen sind sie zwei der bedeutendsten Säulen für die Integration der Völker, der Bürgerinnen und Bürger sowie der Regionen. Als wichtigstes europäisches Finanzinstrument zur Förderung der Humanressourcen wird der Europäische Sozialfonds (ESF) weiterhin zum Erreichen des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts beitragen, wie in Artikel 162 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehen.

1.2   Der wirtschaftliche, soziale und territoriale Zusammenhalt muss weiterhin im Zentrum der Europa-2020-Strategie stehen. Alle Akteure der Zivilgesellschaft, einschließlich der Freiwilligenarbeit, werden ausdrücklich als wichtige Faktoren für die Erreichung der Ziele der Europa-2020-Strategie anerkannt, was auch durch die Schlussfolgerungen des Rates vom 3. Oktober 2011 (1) untermauert wird.

1.3   Der EWSA befürwortet, dass in Übereinstimmung mit Artikel 10 des Vertrags die durch den ESF finanzierte Umsetzung der Prioritäten dazu beitragen sollte, Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen. Weiter sollte der ESF dazu beitragen, dass sämtliche Verpflichtungen aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die u. a. die Bereiche Bildung, Beschäftigung sowie Barrierefreiheit betreffen, eingehalten werden.

1.4   Der Europäische Sozialfonds muss das Hauptinstrument für die Umsetzung der Ziele der Europa-2020-Strategie sein, insbesondere in den Bereichen Beschäftigung, Bildung, soziale Eingliederung und Armutsbekämpfung. Er muss die von den Mitgliedstaaten im Rahmen der integrierten Leitlinien und nationalen Reformprogramme ergriffenen Maßnahmen unterstützen. Nach Ansicht des EWSA sollten die nationalen Reformprogramme u.a. Ziele für die soziale Eingliederung der schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen enthalten, das heißt von jungen Menschen, Frauen, Migranten, Langzeitarbeitslosen, älteren Menschen und Behinderten – um die nationalen Reformprogramme auf die Einhaltung der im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte der Menschen mit Behinderungen enthaltenen Verpflichtungen auszurichten – sowie von Angehörigen ethnischer Minderheiten. Die nationalen Reformprogramme sollten auch Ziele zur Erreichung des in der Europa-2020-Strategie festgelegten Kernziels, die Zahl der in Armut lebenden Menschen bis 2020 um 20 Millionen zu reduzieren, enthalten.

1.5   Die Förderung von Beschäftigung und sozialer Eingliederung (insbesondere durch Beschäftigung) vor allem der schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen, das heißt von jungen Menschen, Frauen, Migranten, Langzeitarbeitslosen, älteren Menschen, Behinderten und Angehörigen ethnischer Minderheiten, ist ein vorrangiges Ziel des ESF und soll es auch bleiben, und zwar überall in der EU. Mindestens 40 % der insgesamt in jedem Mitgliedstaat zur Verfügung stehenden ESF-Mittel müssen für das thematische Ziel "Förderung der Beschäftigung und Unterstützung der Mobilität der Arbeitskräfte" bereitgestellt werden.

1.6   Der EWSA befürwortet den Schwerpunkt der sozialen Innovation und die Fördermöglichkeiten für Projekte im Bereich der Sozialwirtschaft, des sozialen Unternehmertums und der Sozialunternehmen.

1.7   Die Erhöhung der Investitionen in Infrastrukturen, regionale Wettbewerbsfähigkeit und Unternehmensentwicklung muss mit Maßnahmen zur Schaffung dauerhafter Arbeitsplätze in den Politikbereichen Arbeitsmarkt, allgemeine und berufliche Bildung, soziale Eingliederung, Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer, Unternehmen und Unternehmer sowie zur Förderung von Verwaltungskapazitäten einhergehen.

1.8   Die europäische Beschäftigungsstrategie und die EU-Politik zur sozialen Eingliederung müssen wieder ins Zentrum der EU-Prioritäten rücken, und für die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen müssen mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden.

1.9   Der EWSA vertritt die Ansicht, dass der gemeinsame strategische Rahmen die sich aus den Zielen der Europa-2020-Strategie ergebenden Investitionsprioritäten widerspiegelt, indem er auf die Chancen eingeht, die ein offenerer und zugänglicherer Arbeitsmarkt insbesondere den auf dem Arbeitsmarkt am schwierigsten zu vermittelnden Personen bietet (wie junge Menschen, Frauen, Migranten, Langzeitarbeitslose, ältere Menschen, Behinderte und Angehörige ethnischer Minderheiten u.a.).

1.10   Der EWSA unterstützt den Beitrag des ESF zu den anderen Zielen der Europa-2020-Strategie: Forschung und Innovation, einfacher Zugang zu und Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien, Förderung der Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen, Umweltschutz, Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft und nachhaltige Nutzung von Ressourcen.

1.11   Der EWSA unterstützt die thematischen Schwerpunkte und die Komplementarität mit den anderen bestehenden Finanzierungsinstrumenten, um eine ausreichende und deutliche Wirkung zu erzielen.

1.12   Der EWSA unterstützt den Vorschlag, mindestens 20 % der gesamten ESF-Mittel für das thematische Ziel "Förderung der sozialen Eingliederung und Bekämpfung der Armut" bereitzustellen, mit dem die Eingliederung der auf dem Arbeitsmarkt am schwierigsten zu vermittelnden Bürgerinnen und Bürger angestrebt wird.

1.13   Das Partnerschaftsprinzip, das Wirtschafts- und Sozialpartner sowie Vertreter der Zivilgesellschaft umfasst, darunter Partner des Umweltbereichs, Nichtregierungsorganisationen und Stellen für die Förderung von Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung, ist der wesentliche Garant für ein gutes Funktionieren der Maßnahmen im Rahmen der Strukturfonds und insbesondere des Europäischen Sozialfonds.

1.14   Der "europäische Verhaltenskodex für die Umsetzung des Partnerschaftsprinzips" muss die Rolle der einzelnen Partner auf den verschiedenen Ebenen klären und festlegen und ebenso klarstellen, dass – wenngleich ausschließlich die Sozialpartner für den sozialen Dialog zuständig sind – allen gemäß Artikel 5 des Vorschlags für eine Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen über die Fonds (2) anerkannten Partnern der Zugang zu den verschiedenen Umsetzungsphasen der Fonds gewährt werden muss, einschließlich Ausarbeitung und Umsetzung der operationellen Programme; für die angemessene Finanzierung zur Sicherstellung ihrer Teilnahme muss gesorgt werden.

1.15   Der EWSA lehnt den Vorschlag der Kommission zur Anwendung von mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt verknüpften finanziellen Sanktionen und Anreizen bei den Strukturfonds komplett ab.

1.16   Die Strukturfonds allein reichen nicht aus, um der Krise standzuhalten. Europa braucht eine andere wirtschaftspolitische Steuerung auf der Grundlage einer verantwortungsvollen Wirtschaftsführung, die auf Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Investitionen – auch in Humankapital – abzielt und in der Gerechtigkeit, Zusammenhalt, Solidarität und der Grundsatz der sozialen Eingliederung gefördert werden. Der EU-Haushalt muss entsprechend diesen Prinzipien umgestaltet werden.

1.17   Die für den Europäischen Sozialfonds vorgesehenen Haushaltsmittel müssen mindestens auf dem Niveau des letzten Programmplanungszeitraums bleiben. Sie sollten auch dazu verwendet werden, die Beteiligung der Öffentlichkeit, die Unterstützung der Zivilgesellschaft und das Bewusstsein für die gemeinsamen europäischen Werte zu fördern.

2.   Hintergrund: Die Vorschläge zum mehrjährigen Finanzrahmen der EU und zur Kohäsionspolitik 2014-2020

2.1   Der neue politische Rahmen für das kommende Jahrzehnt, das heißt die Europa-2020-Strategie, ist vom Europäischen Rat am 17. Juni 2010 gebilligt worden.

2.2   Die Kommission hat am 29. Juni 2011 den Vorschlag für den "Ein Haushalt für Europa 2020" veröffentlicht, mit dem die neuen Finanzperspektiven der EU für den Zeitraum 2014-2020 festgelegt werden.

2.3   Am 6. Oktober 2011 hat die Kommission ihre Legislativvorschläge zu den Strukturfonds veröffentlicht, darunter auch zum Europäischen Sozialfonds.

2.4   Zu diesen Vorschlägen fand eine breit angelegte Anhörung der Zivilgesellschaft und der beteiligten Akteure statt. Die Konsultation wurde am Jahresende abgeschlossen. Im Januar 2012 wird die Kommission ihr letztes Paket von Vorschlägen zum gemeinsamen strategischen Rahmen veröffentlichen, das dem Europäischen Parlament, dem Rat, dem Ausschuss der Regionen und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vorgelegt werden wird.

2.5   Speziell in Bezug auf die Zukunft des ESF hat der EWSA am 15. März 2011 eine Stellungnahme zum Thema "Die Zukunft des Europäischen Sozialfonds nach 2013" (3) verabschiedet. Es soll nun untersucht werden, ob die Kernpunkte im Vorschlag der künftigen ESF-Verordnung berücksichtigt wurden, der Gegenstand der vorliegenden Stellungnahme ist.

2.6   Zum wirtschaftlichen Rahmen: Um die neuen Finanzperspektiven angemessen zu analysieren, muss auf den allgemeinen Zusammenhang hingewiesen werden, also auf die Herausforderungen im Zuge der Globalisierung, die Demographie- und Migrationsperspektiven und insbesondere die tiefgreifende Wirtschaftskrise, welche die Prinzipien, auf denen die Europa-2020-Strategie beruhte, grundlegend verändert hat. Infolgedessen ist es von zentraler Bedeutung, dass höhere Investitionen in Infrastrukturen, regionale Wettbewerbsfähigkeit und Unternehmensentwicklung –insbesondere der KMU und der Unternehmen der Sozialwirtschaft – begleitet werden von Maßnahmen zur Schaffung dauerhafter Arbeitsplätze in den Politikbereichen Arbeitsmarkt, allgemeine und berufliche Bildung, soziale Eingliederung, Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer, Unternehmen und Unternehmer.

2.7   Die Ziele und Instrumente der Europa-2020-Strategie, die im Grunde positiv sind, müssen besser ausgerichtet und an die neue Lage angepasst werden. Dies muss im Rahmen eines geregelten und integrativen Arbeitsmarktes erfolgen, der den Bürgerinnen und Bürgern Europas, insbesondere den auf dem Arbeitsmarkt am schwierigsten zu vermittelnden Personen (wie jungen Menschen, Frauen, Migranten, Langzeitarbeitslosen, älteren Menschen, Behinderten und Angehörigen ethnischer Minderheiten u.a.), Chancen auf sichere und hochwertige Arbeitsplätze bietet, die ihren Berufsqualifikationen entsprechen.

2.8   Hinsichtlich der Anwendung und der praktischen Aspekte für den Zugang zu ESF-Mitteln sind zahlreiche Verbesserungen vorzunehmen, vor allem ein Bürokratieabbau vor und während der Umsetzung des operationellen Programms, d.h. Lockerung der Verfahren für den Zugang zu Finanzmitteln, insbesondere Beschleunigung des Zahlungssystems zur Minimierung der finanziellen Belastung derjenigen, die die Programme ausführen, und Vereinfachung der Rechnungslegung und der Kontenbereinigung; ferner sollte u.a. der Grundsatz einheitlicher Sätze flächendeckender, aber gleichzeitig auch realistisch zur Anwendung gebracht werden.

2.9   Der EWSA vertritt die Ansicht, dass der gemeinsame strategische Rahmen die sich aus den Zielen der Europa-2020-Strategie ergebenden Investitionsprioritäten widerspiegelt, indem er auf die Chancen eingeht, die ein offenerer und zugänglicherer Arbeitsmarkt insbesondere den auf dem Arbeitsmarkt am schwierigsten zu vermittelnden Personen bietet (wie junge Menschen, Frauen, Migranten, Langzeitarbeitslose, ältere Menschen, Behinderte und Angehörige ethnischer Minderheiten u.a.). Die Globalzuschüsse sollten vermehrt dafür eingesetzt werden, kleinen Nichtregierungsorganisationen den Zugang zu den Fonds zu erleichtern.

2.10   Der ESF muss das Hauptinstrument für die Umsetzung der Ziele der Europa-2020-Strategie sein, insbesondere in den Bereichen Beschäftigung, Bildung, soziale Eingliederung und Armutsbekämpfung. Er muss die von den Mitgliedstaaten im Rahmen der integrierten Leitlinien und nationalen Reformprogramme ergriffenen Maßnahmen unterstützen. Nach Ansicht des EWSA sollten die nationalen Reformprogramme u.a. Ziele für die soziale Eingliederung der schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen enthalten, das heißt von jungen Menschen, Frauen, Migranten, Langzeitarbeitslosen, älteren Menschen und, Behinderten – um die nationalen Reformprogramme auf die Einhaltung der im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte der Menschen mit Behinderungen enthaltenen Verpflichtungen auszurichten – sowie von Angehörigen ethnischer Minderheiten. Die nationalen Reformprogramme sollten auch Ziele zur Erreichung des in der Europa-2020-Strategie festgelegten Kernziels, die Zahl der in Armut lebenden Menschen bis 2020 um 20 Millionen zu reduzieren, enthalten.

2.11   Der Europäische Sozialfonds sollte dazu verwendet werden, die Beteiligung der Öffentlichkeit, die Unterstützung der Zivilgesellschaft und das Bewusstsein für die gemeinsamen europäischen Werte zu fördern.

3.   Allgemeine Bemerkungen zum Vorschlag der künftigen ESF-Verordnung

3.1   Der Haushalt der EU muss aufgestockt werden, besonders in den Kapiteln zur Förderung von Wirtschaftswachstum, sozialem Zusammenhalt, Innovation (einschließlich sozialer Innovation) und nachhaltiger Entwicklung auf nationaler und regionaler Ebene.

3.2   Der EWSA ist in Kenntnis des Kommissionsvorschlags der Ansicht, dass das Gesamtvolumen des EU-Haushalts in jedem Fall geringer ausfallen wird, trotz der möglichen Einführung einer Finanztransaktionssteuer und der Mittelerhöhung für den Europäischen Sozialfonds.

3.3   Wie bereits im laufenden Programmplanungszeitraum erhielten die Regionen eine ihrem wirtschaftlichen Entwicklungsgrad entsprechende Unterstützung. Dieser Entwicklungsgrad darf jedoch nicht allein nach dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf bemessen werden. Auch andere Kriterien müssen herangezogen werden, wie z.B. Arbeitslosenquoten, Beschäftigungs- und Erwerbsquoten, Qualifizierungsgrade, Armutsquoten, das Niveau an Wohlstand und sozialer Eingliederung sowie die Schulabbrecherquoten.

3.4   Der Einführung einer neuen Kategorie von "Übergangsregionen" mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-BIP von 75-90 % kann der EWSA zustimmen, sofern sie nicht die Höhe der Mittelzuwendungen für die Kategorie der schwächsten Regionen untergräbt. Angesichts ihrer Schutzbedürftigkeit müssen Beschäftigungsmaßnahmen für die auf dem Arbeitsmarkt am schwierigsten zu vermittelnden Personen (Langzeitarbeitslose, junge Menschen, Frauen, Migranten, ältere Menschen, Behinderte und Angehörige ethnischer Minderheiten) unabhängig von der Kategorie einer Region finanziert werden können.

3.5   Die Strukturfonds sind die Hauptinstrumente, um die Kluft im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen, den Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete und die Kluft zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu verringern, und zwar im Rahmen einer Strategie, die auf ein sogenanntes "intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum" in den Mitgliedstaaten, Regionen und Gebieten abzielt.

3.6   Es versteht sich von selbst, dass angesichts der gegenwärtigen Wirtschaftskrise die Europäische Beschäftigungsstrategie wieder ins Zentrum der EU-Prioritäten rücken muss und mehr Mittel für die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen zur Verfügung gestellt werden müssen.

3.7   Nach Auffassung des EWSA ist der Europäische Sozialfonds das Mittel der Wahl, mit dem die Umsetzung der EU-Sozialpolitik unterstützt werden kann, insbesondere in den Bereichen Beschäftigung, Bildung sowie soziale Eingliederung und Armutsbekämpfung; diese vorrangige Rolle sollte er auch im Rahmen der Europa-2020-Strategie behalten.

3.8   Der ESF darf nicht auf die Umsetzung der aktuellen Beschäftigungsleitlinien beschränkt werden. Die Rolle des ESF bei der Umsetzung der sozialen Agenda (4) muss ebenfalls verstärkt werden.

3.9   Der ESF sollte gleichzeitig die von den Mitgliedstaaten im Rahmen der nationalen Reformpläne verfolgten politischen Maßnahmen unterstützen und dazu beitragen, andere vorrangige Ziele der Europa-2020-Strategie zu erreichen, wie etwa verstärkte Investitionen in Forschung und Innovation, die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen, der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft und die nachhaltige Nutzung von Ressourcen.

3.10   Im aktuellen Ausnahmezustand muss der ESF auch ausnahmsweise auf die Bewältigung der Wirtschaftskrise ausgerichtet werden und die am schlechtesten gestellten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Bürgerinnen und Bürger vor den Auswirkungen schützen. Nach Überwindung der Krise sollte er für Präventivmaßnahmen, unter anderem für die menschliche Sicherheit bzw. die Fähigkeit des Menschen, ein Gefühl der Sicherheit aufrechtzuerhalten bzw. aufzubauen (securitability), verwendet werden. Konkret muss er – hoffentlich übergangsweise – Unterstützung leisten für Langzeitarbeitslose, auf dem Arbeitsmarkt am schwierigsten zu vermittelnde Personen, junge Menschen, Frauen, Migranten, ältere Menschen, Behinderte und Angehörige ethnischer Minderheiten u.a..

3.11   Um dies zu erreichen, muss der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung nach Dafürhalten des EWSA den Europäischen Sozialfonds ergänzen und unter Umständen schließlich in ihm aufgehen, um das Hauptaugenmerk besser auf die Arbeitslosigkeit richten und seine Inanspruchnahme vereinfachen zu können. Ferner sollte unbedingt gewährleistet werden, dass die Grundprinzipien der beiden Fonds auch miteinander in Einklang stehen, vor allem in Bezug auf die Partnerschaft und insbesondere die Mitwirkung der Sozialpartner.

3.12   Der EWSA schlägt vor, aus Gründen der Komplementarität und der Kohäsion den Fonds für die Anpassung an die Globalisierung mit dem Fachwissen des Europäischen Sozialfonds in sozialen Belangen zu vereinen. Da der ESF über den Sachverstand für eine recht rasche Prüfung der Anträge verfügt, würde die Zustimmung der Haushaltsbehörden auf Grundlage der positiven Einschätzung des ESF so zu einer Formalität.

3.13   Der EWSA spricht sich gegen die Einbeziehung von Landwirten in den Kompetenzbereich des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung aus, indem entweder der Kernbereich des Fonds oder gar seine Verwaltung dem Agrarsektor übertragen wird. Die GAP und die "neue Krisenreserve" in der Landwirtschaft müssen eine wirksamere Unterstützung der Agrarindustrie ermöglichen. Nach Ansicht des EWSA sollte auch gewährleistet sein, dass die ESF-Mittel zur technischen Hilfe weiterhin für die Zivilgesellschaft verfügbar und zugänglich sind (die technische Hilfe ist in der ESF-Verordnung nicht ausdrücklich genannt).

3.14   Nach Ansicht des EWSA muss das Partnerschaftsprinzip eine wesentliche Rolle spielen um sicherzustellen, dass die mit den EU-Strukturfonds einhergehenden Maßnahmen richtig funktionieren. Die Strukturfondsverordnungen müssen das Partnerschaftsprinzip eindeutig definieren, statt sich schlicht auf "aktuelle nationale Regelungen und Praktiken" zu beziehen, und sie müssen die Aufgaben der einzelnen Partner auf regionaler und lokaler Ebene klar festlegen. Der EWSA empfiehlt, die (auch in der Europa-2020-Strategie hervorgehobene) Rolle der Zivilgesellschaft bei der Umsetzung von Projekten zur sozialen Integration und zur Armutsbekämpfung ausdrücklich anzuerkennen.

4.   Besondere Bemerkungen und Vorschläge zu den einzelnen Kapiteln

4.1   Allgemeine Bestimmungen

4.1.1

Der EWSA begrüßt den themenspezifischen Ansatz, bei dem sich vier "thematische Ziele" in Interventionskategorien oder Investitionsprioritäten niederschlagen:

Förderung der Beschäftigung und Unterstützung der Mobilität der Arbeitskräfte

Investitionen in Bildung, Kompetenzen und lebenslanges Lernen

Förderung der sozialen Eingliederung und Bekämpfung der Armut

Verbesserung der institutionellen Kapazitäten und Förderung einer effizienten öffentlichen Verwaltung

4.1.2

Mindestens 40 % der insgesamt in jedem Mitgliedstaat zur Verfügung stehenden ESF-Mittel müssen für das thematische Ziel "Förderung der Beschäftigung und Unterstützung der Mobilität der Arbeitskräfte" bereitgestellt werden. Der EWSA unterstützt den Vorschlag, mindestens 20 % der gesamten ESF-Mittel für das thematische Ziel "Förderung der sozialen Eingliederung und Bekämpfung der Armut" bereitzustellen, um die soziale Eingliederung durch Beschäftigung und berufliche Bildung zu fördern, insbesondere in Bezug auf die schutzbedürftigsten Gruppen wie junge Menschen, Frauen, Migranten, ältere Menschen, Behinderte und Angehörige ethnischer Minderheiten u.a.; dies gilt besonders im Hinblick auf das Ziel, die Zahl der Menschen, die in Armut leben, bis zum Jahr 2020 um mindestens 20 Millionen zu verringern.

4.1.3

Im Rahmen der Europa-2020-Strategie ist die Förderung von Beschäftigung, sozialer Eingliederung und Bildung ein vorrangiges Ziel des ESF und soll es auch bleiben.

4.1.4

Der ESF muss die territorialen Beschäftigungspakte und die lokalen Initiativen für Beschäftigung, soziale Eingliederung und Bildung sowie die Marktstimulation durch neue Unternehmensgründungen, vor allem von KMU und Unternehmen der Sozialwirtschaft, sowie insbesondere durch Förderung der digitalen Integration, der Kultur und Kreativität als Faktoren einer erhöhten Beschäftigungsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger unterstützen. Darüber hinaus sollte er dazu verwendet werden, die Beteiligung der Öffentlichkeit an der Entscheidungsfindung, die Unterstützung der Zivilgesellschaft und das Bewusstsein für die gemeinsamen europäischen Werte zu fördern.

4.1.5

Der EWSA befürwortet den Schwerpunkt der sozialen Innovation und die Fördermöglichkeiten für Projekte im Bereich der Sozialwirtschaft, des sozialen Unternehmertums und der Sozialunternehmen.

4.1.6

Der EWSA begrüßt die Unterstützung transnationaler Zusammenarbeit durch den ESF als Mittel zur Förderung des Lernens voneinander und so zur Steigerung der Wirksamkeit der durch den ESF unterstützten Politiken.

4.2   Besondere Bestimmungen für die Programmplanung und Umsetzung – Das Partnerschaftsprinzip

4.2.1

Der EWSA vertritt die Ansicht, dass das Partnerschaftsprinzip eine wesentliche Rolle spielen muss, um sicherzustellen, dass die mit den EU-Strukturfonds einhergehenden Maßnahmen richtig funktionieren.

4.2.2

Die Strukturfondsverordnungen müssen das Partnerschaftsprinzip eindeutig definieren, statt sich schlicht auf "aktuelle nationale Regelungen und Praktiken" zu beziehen, und sie müssen die Aufgaben der einzelnen Partner auf regionaler und lokaler Ebene klar festlegen. Dazu muss für eine ausreichende Finanzierung Sorge getragen werden.

4.2.3

Der "europäische Verhaltenskodex für die Umsetzung des Partnerschaftsprinzips" muss die Rolle der einzelnen Partner auf den verschiedenen Ebenen klären und festlegen und ebenso klarstellen, dass – wenngleich ausschließlich die Sozialpartner für den sozialen Dialog zuständig sind – allen gemäß Artikel 5 des Vorschlags für eine Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen über die Fonds (5) anerkannten Partnern der Zugang zu den verschiedenen Umsetzungsphasen der Fonds gewährt werden muss, einschließlich Ausarbeitung und Umsetzung der operationellen Programme; für die angemessene Finanzierung zur Sicherstellung ihrer Teilnahme muss gesorgt werden.

4.2.4

Die Partner müssen von Anfang an Zugang zu Mitteln für die technische Hilfe haben, damit sie an der Konzipierung, Implementierung und Überwachung der Strukturfondsprogramme strategisch beteiligt sind. Die technische Hilfe ist auch wichtig, um die Vertretung in den Begleitausschüssen, welche die operationellen Programme auf allen Ebenen festlegen und umsetzen, zu gewährleisten und sicherzustellen, dass potenziellen Projektentwicklern technische Unterstützung zur Verfügung steht.

4.2.5

Die gegenwärtige Praxis der Konsultation, bei der die Sozialpartner zusammen mit den Mitgliedstaaten im ESF-Ausschuss angehört werden, könnte als vorbildliches Verfahren auf alle Fonds ausgeweitet werden. Der EWSA empfiehlt, in dieselbe Plattform Mechanismen für die Mitwirkung aller Partner aufzunehmen, die gemäß Artikel 5 der Verordnung mit allgemeinen Bestimmungen über die Fonds anerkannt sind.

4.2.6

Die Unterstützung der Einbeziehung der Sozialpartner und anderer Beteiligter, vor allem von Nichtregierungsorganisationen, an den durch den ESF geförderten Maßnahmen darf nicht auf die ärmsten Regionen bzw. die durch den Kohäsionsfonds geförderten Regionen, beschränkt werden, sondern muss vielmehr auf alle Mitgliedstaaten und Regionen der EU ausgedehnt werden.

4.2.7

Der EWSA vertritt die Ansicht, dass 2 % aller ESF-Mittel für die Unterstützung der Einbeziehung der Sozialpartner zur Verfügung gestellt werden sollen und weitere 2 % für die Beteiligung anderer Partner, die gemäß Artikel 5 der Verordnung mit allgemeinen Bestimmungen über aus dem ESF geförderte Maßnahmen anerkannt sind.

4.3   Besondere Bestimmungen für Verfahren, Leistungen und "Konditionalitäten"

4.3.1

Der EWSA teilt die Ansicht, dass die Fonds besser aufeinander abgestimmt und ihre Evaluierung, ihre Leistung und ihre Endergebnisse verbessert werden sollten.

4.3.2

Der EWSA befürwortet alle Maßnahmen mit dem Ziel, die Prioritäten der Strukturfonds zu begrenzen und auf ihren Ursprungszweck zurückzuführen, die bürokratischen Auflagen und Kosten zu verringern und die Ausgaben und Zahlungen zu beschleunigen.

4.3.3

Es müssen also Leistungsindikatoren festgelegt werden, aber es sind auch quantitative und qualitative Kriterien vonnöten. Dies beinhaltet die Evaluierung der Ergebnisse unter den Gesichtspunkten der Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen, der Qualität der geschaffenen Arbeitsplätze sowie eines Verzeichnisses aller zur Gewährleistung sozialer Eingliederung umgesetzter positiver Maßnahmen.

4.3.4

Der EWSA hat jedoch starke Vorbehalte gegen die geplante durchweg ergebnisgebundene Zuweisung der Mittel. Im Bereich der Beschäftigungspolitik und allgemein der Sozialpolitik lassen sich die Ergebnisse schwieriger bemessen und sind weniger deutlich sichtbar als beispielsweise in der Verkehrspolitik. Dies gilt insbesondere, wenn sie ausschließlich auf rein wirtschaftliche (‧harte‧) Resultate wie Arbeitsplätze reduziert werden; stattdessen sollten eher angemessene Ergebnisse für die am schwierigsten zu helfenden Gruppen, z.B. eine zurückgelegte Wegstrecke, und ‧weiche‧ Ergebnisse, wie z.B. eine Freiwilligentätigkeit, angeregt werden. Zudem bedeutet eine ergebnisgebundene Mittelzuweisung, dass die auf dem Arbeitsmarkt am schwierigsten zu vermittelnden Personen – die also kurzfristig am wenigsten "positive" Ergebnisse erzielen können – Gefahr laufen, nur einen eingeschränkten oder gar keinen Zugang zu den Fonds zu erhalten. Daher, und auch um die Ergebnisse bewerten zu können, die mit den durch den ESF kofinanzierten Programmen erzielt werden, muss die ESF-Verordnung unbedingt angemessene "Gemeinsame Output- und Ergebnisindikatoren für die Teilnehmer" vorschlagen, um diese Schwierigkeiten und die Komplexität der Leistung zu berücksichtigen.

4.3.5

Die ESF-Verordnung muss in den "gemeinsamen Outputindikatoren betreffend die Einrichtungen" die Anzahl der partnerschaftlich entwickelten Projekte aufnehmen und in den "gemeinsamen Indikatoren für längerfristige Ergebnisse betreffend die Teilnehmer" die Teilnehmer, die ihr Maß an sozialer Abhängigkeit verringert haben.

4.3.6

Die Bedingungen für die Verwendung von EU-Mitteln sollten sicherlich auf ausgewählte und wirksame Ziele abstellen, aber nicht den schwächsten Mitgliedstaat benachteiligen, und sie sollten auf die Förderung von Wirtschaftswachstum, auf mehr Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt abzielen.

4.3.7

Der EWSA lehnt den Vorschlag der Kommission zur Anwendung von mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt verknüpften finanziellen Sanktionen und Anreizen bei den Strukturfonds energisch ab. Diese Sanktionen würden nur die ohnehin geschwächten Mitgliedstaaten, Regionen und Gemeinden benachteiligen.

4.3.8

Darüber hinaus würde die europäische Solidarität, die ohnehin noch nicht weit genug geht, durch die Nichteinhaltung der gesamtwirtschaftlichen Verpflichtungen bedroht. Dies würde sich in einer Verarmung der schutzbedürftigsten Völker und Bevölkerungsgruppen der Europäischen Union auswirken, was den Grundprinzipien der Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie der im Vertrag von Lissabon erneut bekräftigten Kohäsionspolitik widerspricht.

Brüssel, den 22. Februar 2012

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  3114. Tagung des Rates Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz am 3. Oktober 2011 in Luxemburg, Punkt 12.

(2)  COM(2011) 615 final.

(3)  ABl. C 132 vom 3.5.2011, S. 8.

(4)  "Eine erneuerte Sozialagenda: Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität im Europa des 21. Jahrhunderts" (COM(2008) 412 final).

(5)  COM(2011) 615 final.