52011PC0793

Vorschlag für RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über Formen der alternativen Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Richtlinie über alternative Streitbeilegung) /* KOM/2011/0793 endgültig - 2011/0373 (COD) */


BEGRÜNDUNG

1. Hintergrund des vorgeschlagenen Rechtsakts

Dieser Vorschlag ist – zusammen mit dem Vorschlag für eine Verordnung über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (OS) – im Rahmen der Bemühungen um einen besser funktionierenden Einzelhandels-Binnenmarkt zu sehen, insbesondere aber um eine Verbesserung des Rechtsschutzes für Verbraucher.

Ein erheblicher Teil der europäischen Verbraucher stößt beim Erwerb von Waren und Dienstleistungen auf dem Binnenmarkt auf Probleme. Im Jahr 2010 taten das etwa 20 % der europäischen Verbraucher[1]. Obgleich Rechtsvorschriften allgemein ein hohes Verbraucherschutzniveau garantieren, bleiben die Probleme, auf die Verbraucher stoßen, oft ungelöst. Der Schaden, der europäischen Verbrauchern durch Probleme mit dem Erwerb von Waren oder Dienstleistungen entsteht, wird auf 0,4 % des EU-BIP geschätzt.

Neben traditionellen Rechtsbehelfen[2] steht Verbrauchern und Unternehmen in manchen Mitgliedstaaten auch die Möglichkeit offen, sich mit ihren Beschwerden an Stellen für die alternative Streitbeilegung („AS-Stellen“) zu wenden. Diese Stellen dienen der außergerichtlichen Lösung von Streitigkeiten der Parteien durch Intervention z. B. von Schlichtern, Mediatoren, Ombudsleuten oder Beschwerdestellen.

Die Kommission hat zwei Empfehlungen zur alternativen Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten[3] abgegeben und zwei Netzwerke eingerichtet, die sich damit befassen (ECC-NET[4] und FIN-NET[5]). Mehrere sektorspezifische Rechtsvorschriften der EU enthalten einschlägige Bestimmungen[6], und die Mediations-Richtlinie[7] fördert die gütliche Beilegung von Streitigkeiten, auch auf dem Gebiet des Verbraucherrechts. Eine Bewertung der aktuellen Situation hat allerdings gezeigt, dass die folgenden Unzulänglichkeiten die Effektivität von AS-Verfahren einschränken: Zuständigkeitslücken, mangelnde Kenntnis seitens der Verbraucher und Unternehmen sowie uneinheitliche Qualität der AS-Verfahren[8].

Besonders bei grenzübergreifenden Rechtsgeschäften erweist sich die mangelnde Effektivität von AS-Verfahren als problematisch (z. B. Sprachbarrieren, gegebenenfalls höhere Kosten, unterschiedliche Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten).

Angesichts dieser festgestellten Probleme hat sich die Kommission verpflichtet, einschlägige Maßnahmen vorzuschlagen, die dafür sorgen, dass für alle Arten von Verbraucherbeschwerden AS-Stellen zur Verfügung stehen und dass Streitigkeiten über grenzüberschreitende Rechtsgeschäfte leichter gelöst werden können[9].

2. Ergebnisse der Anhörungen interessierter Kreise und Folgenabschätzung 2.1. Einholung von Fachwissen und Anhörung interessierter Kreise

Die Kommission hat mehrere Studien zur alternativen Streitbeilegung durchgeführt. Dazu gehören die im Jahr 2009 veröffentlichte Studie über die Anwendung der alternative Streitbeilegung in der Europäischen Union[10], in der die in allen Mitgliedstaaten existierenden AS-Stellen und deren Funktionsweise eingehend analysiert wurden, die Studie über den Rechtsschutz für Verbraucher in der EU[11], die Bewertung der mit der Einhaltung von Rechtsvorschriften verbundenen Kosten einschließlich der Verwaltungskosten und Belastungen von Unternehmen im Zusammenhang mit dem Einsatz von AS-Verfahren (2011) und die Studie über grenzübergreifende alternative Streitbeilegung in der Europäischen Union (2011)[12].

Eine öffentliche Konsultation zum Einsatz von AS-Stellen wurde im Januar 2011 eingeleitet[13]. Es zeigte sich, dass in der Sache weitgehend Einvernehmen besteht: alle Teilnehmer waren sich darüber einig, dass AS-Verfahren weiterentwickelt werden müssen, damit der Binnenmarkt besser funktionieren kann. Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer sprach sich auch für Maßnahmen auf EU-Ebene aus und unterstrich die Notwendigkeit hochwertiger AS-Verfahren, die insbesondere bei Streitigkeiten über grenzübergreifende Rechtsgeschäfte und im digitalen Umfeld zur Verfügung stehen sollten. Ihrer Ansicht nach sollten effektive AS-Verfahren an einer Reihe von gemeinsamen Grundsätzen ausgerichtet sein, wie etwa Unparteilichkeit, Transparenz, Effektivität und Fairness. Viele Teilnehmer befürworteten eine Verbesserung von OS-Verfahren, insbesondere im Rahmen des elektronischen Geschäftsverkehrs, wo die Zahl der Beschwerden vor allem im Bereich der Bagatellsachen zunimmt.

Im März 2011 veranstalteten die Kommissionsdienststellen zusammen mit dem Europäischen Parlament ein Gipfeltreffen zum Thema „Alternative Streitbeilegung für Binnenmarkt und Verbraucher“, an dem circa 200 Interessierte teilnahmen. In der Diskussion zeigte sich, dass die Entwicklung der alternativen Streitbeilegung unter Einschluss von OS-Verfahren für Verbraucher allgemeine Zustimmung findet; ferner wurde die Notwendigkeit eines Tätigwerdens der EU hervorgehoben. Im April 2011 fand im Rahmen des Europäischen Verbrauchergipfels[14] ein Workshop statt mit dem Titel „ADR: how to make it work better?“ (AS: wie kann sie besser funktionieren?), an dem 60 Stakeholder teilnahmen.

Ergänzender Input kam insbesondere aus zwei Unternehmensbefragungen, die von den Kommissionsdienststellen im Zeitraum Dezember 2010 bis Januar 2011 bzw. März bis Mai 2011 durchgeführt wurden, die erste unter Einschaltung des European Business Test Panel (Testgruppe europäischer Unternehmen)[15] und die zweite mithilfe der SME Survey Platform (KMU-Umfrageplattform)[16].

Der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) wurde ebenfalls angehört.

2.2. Folgenabschätzung

Die Kommission hat eine detaillierte Folgenabschätzung durchgeführt; dabei wurden mehrere Optionen sowohl in Bezug auf das Thema „Flächendeckendes Angebot von AS-Systemen, Information und Qualität“ als auch in Bezug auf das Thema „OS-Systeme für grenzübergreifende Rechtsgeschäfte des elektronischen Geschäftsverkehrs“ geprüft. Fazit dieser Folgenabschätzung war, dass nur eine Kombination aus zwei Instrumenten für AS und OS dafür sorgen kann, dass ein Zugang zu unparteilichen, transparenten, effektiven und fairen Möglichkeiten der außergerichtlichen Lösung inländischer wie auch grenzübergreifender verbraucherrechtlicher Streitigkeiten besteht. So eignet sich insbesondere eine Rahmenrichtlinie am besten zur Gewährleistung eines flächendeckenden Angebots an AS-Stellen in allen Mitgliedstaaten, zur Information der Verbraucher über derartige Verfahren und zur Sicherung der Wahrung bestimmter Qualitätsgrundsätze durch die AS-Stellen. Durch ein flächendeckendes Angebot an AS-Stellen soll der erforderliche Rahmen geschaffen werden, auf dessen Grundlage ein EU-weites OS-System effektive Lösungen für Streitigkeiten im Zusammenhang mit grenzübergreifenden Rechtsgeschäften des elektronischen Geschäftsverkehrs bieten kann.

3. Rechtliche Aspekte des Vorschlags 3.1. Hauptelemente des Vorschlags 3.1.1. Für alle verbraucherrechtlichen Streitigkeiten soll es AS-Verfahren geben

Der vorliegende Vorschlag begründet für die Mitgliedstaaten die Pflicht, dafür zu sorgen, dass alle den Verkauf von Waren oder die Bereitstellung von Dienstleistungen betreffenden Streitigkeiten zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer einer AS-Stelle vorgelegt werden können, und zwar auch in Form von Online-Systemen. Dieser Pflicht können die Mitgliedstaaten dadurch nachkommen, dass sie bereits existierende AS-Stellen nutzen und gegebenenfalls deren Zuständigkeitsbereich anpassen; sie können aber auch neue AS-Stellen oder eine ergänzende Stelle mit branchenübergreifender Zuständigkeit schaffen.

Der vorliegende Vorschlag betrifft Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern, die sich aus dem Kauf von Waren oder der Bereitstellung von Dienstleistungen ergeben. Auslöser der Streitigkeit können nicht nur Beschwerden von Verbrauchern über Unternehmer sein, sondern auch Beschwerden von Unternehmern über Verbraucher. Der vorliegende Vorschlag bezieht sich auf AS-Stellen, die sich um eine außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern bemühen. Erfasst werden insbesondere Mediationsverfahren; doch auch außergerichtliche Adjudikationsverfahren wie Verfahren vor Verbraucherbeschwerdestellen, Schlichtungs- oder Schiedsverfahren gehören mit dazu. Nicht unter den vorliegenden Vorschlag fallen von Unternehmern betriebene Systeme für den Umgang mit Verbraucherbeschwerden oder Stellen, in denen ausschließlich vom Unternehmer beschäftigte natürliche Personen mit der Streitbeilegung betraut sind. Unmittelbare Verhandlungen zwischen den Parteien werden ebenfalls nicht erfasst.

3.1.2. Information über alternative Streitbeilegung und Zusammenarbeit

Im Streitfall müssen die Verbraucher rasch herausfinden können, welche AS-Stellen für ihren Rechtsstreit zuständig sind. Deshalb sorgt der vorliegende Vorschlag dafür, dass Verbraucher die entsprechenden Informationen zu der zuständigen AS-Stelle in den wichtigsten vom Unternehmer bereitgestellten Geschäftsunterlagen oder – falls der Unternehmer eine Website hat – auf dieser Website finden. Außerdem werden die Unternehmer die Verbraucher darüber informieren müssen, ob sie in Bezug auf gegen sie erhobene Verbraucherbeschwerden die Zuständigkeit einer AS-Stelle anerkannt haben oder nicht. Diese Verpflichtung wird für die Unternehmer einen Anreiz darstellen, häufiger von AS-Stellen Gebrauch zu machen.

Der vorliegende Vorschlag sieht vor, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass Verbraucher Unterstützung erhalten, wenn sie in eine grenzübergreifende Streitigkeit verwickelt sind. Die Mitgliedstaaten können diese Aufgaben ihren zum Netz der Europäischen Verbraucherzentren (EVZ-Netz) gehörigen Zentren übertragen; dieses Netz nimmt bereits die Aufgabe wahr, die Verbraucher an die für grenzübergreifende Streitigkeiten zuständigen AS-Stellen zu verweisen.

Der Vorschlag enthält für AS-Stellen Anreize zum Beitritt zu Netzen von AS-Stellen, die sich auf bestimmten Sachgebieten mit der Beilegung von Streitigkeiten befassen. Darüber hinaus fördert der vorliegende Vorschlag die Kooperation zwischen AS-Stellen und nationalen Behörden, die mit der Durchsetzung des Verbraucherrecht betraut sind.

Im Einklang mit den einschlägigen Rechtsvorschriften der EU enthält der Vorschlag Bestimmungen zur Wahrung strengster Garantien in Bezug auf die Vertraulichkeit und den Datenschutz.

3.1.3. Qualität von AS-Stellen

Dieser Vorschlag soll dafür sorgen, dass AS-Stellen bestimmten Qualitätsgrundsätzen wie Unparteilichkeit, Transparenz, Effektivität und Fairness entsprechen. Derartige Grundsätze sind bereits in zwei Empfehlungen der Kommission verankert. Dadurch, dass der vorliegende Vorschlag diesen Grundsätzen Verbindlichkeit verleiht, werden gleiche Ausgangsbedingungen für AS-Stellen geschaffen; gleichzeitig werden sowohl Verbraucher als auch Unternehmer den entsprechenden Verfahren mehr Vertrauen entgegenbringen.

Die Transparenz von AS-Stellen sollte gewährleisten, dass die Parteien vor einer etwaigen Einleitung eines AS-Verfahrens über alles informiert sind, was sie wissen müssen, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können. AS-Verfahren sollten effektiv und so ausgestaltet sein, dass sie gewisse Nachteile von Gerichtsverfahren – wie hohe Kosten, lange Dauer und Komplexität – nicht aufweisen. Auf der Grundlage der Ergebnisse vorliegender Studien sieht der vorliegende Vorschlag vor, dass Streitigkeiten binnen 90 Tagen beigelegt werden sollten. Um sicherzustellen, dass AS-Verfahren für alle Verbraucher zugänglich bleiben, ist vorgesehen, dass sie für Verbraucher entweder kostenlos oder mit geringen Kosten verbunden sein sollen.

3.1.4. Überwachung

Damit gewährleistet ist, dass AS-Stellen ordnungsgemäß funktionieren und Verbrauchern wie Unternehmern hochwertige Dienstleistungen bieten, sollten sie genau überwacht werden. In jedem Mitgliedstaat wird eine Behörde für die Überwachung der Arbeit der im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats eingerichteten AS-Stellen zuständig sein. Die zuständigen Behörden werden u. a. auf der Grundlage einer Mitteilung, die sie von den AS-Stellen erhalten, zu beurteilen haben, ob die einzelnen AS-Stellen den Qualitätsanforderungen des vorliegenden Vorschlags genügen. Außerdem werden die zuständigen Behörden regelmäßige Berichte über die Entwicklung und das Funktionieren der AS-Stellen veröffentlichen. Alle drei Jahre wird die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat über die Anwendung dieser Richtlinie Bericht erstatten.

3.2. Subsidiaritätsprinzip

Der Vorschlag beruht auf Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

Die Entwicklung eines gut funktionierenden AS-Systems in der Europäischen Union, das unter Wahrung der jeweiligen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten auf den dort bereits existierenden AS-Stellen aufbaut, wird das Vertrauen der Verbraucher in den Einzelhandels-Binnenmarkt – auch in den elektronischen Geschäftsverkehr – stärken. Damit werden sich auch den Unternehmen neue Möglichkeiten eröffnen. Maßnahmen der Mitgliedstaaten allein würden zu einer weiteren Zersplitterung im Bereich der alternativen Streitbeilegung führen, wodurch die Ungleichbehandlung von Verbrauchern und Unternehmern im Binnenmarkt und die Unterschiede hinsichtlich des Umfangs des Rechtsschutzes für Verbraucher innerhalb der EU verstärkt würden. Maßnahmen auf EU‑Ebene, wie sie hier vorgeschlagen werden, dürften den Verbrauchern EU-weit denselben Schutz bieten und den Wettbewerb zwischen den Unternehmen fördern, was wiederum dazu führen wird, dass mehr Produkte oder Dienstleistungen über die Grenzen hinweg ausgetauscht werden.

Wenn auf EU-Ebene einheitliche Grundsätze und Regeln für AS-Stellen und AS-Verfahren in allen Mitgliedstaaten festgelegt werden, dann ergibt sich der eindeutige Vorteil, dass ein wirksamer und angemessener Umgang mit inländischen und grenzübergreifenden verbraucherrechtlichen Streitigkeiten gewährleistet ist. Ferner wird so für ein einheitlicheres Qualitätsniveau von AS-Verfahren in der EU gesorgt.

Die Unterschiede in den nationalen Strategien in Bezug auf AS-Verfahren (oder deren Fehlen) zeigen, dass unilaterale Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht zu einer befriedigenden Lösung für Verbraucher und Unternehmen führen. Wenn die alternative Beilegung grenzübergreifender Streitigkeiten effizient und effektiv funktionieren soll, dann muss es ein gut funktionierendes System innerstaatlicher AS-Stellen geben, auf dem die EU-weite OS-Plattform verankert werden kann.

3.3. Verhältnismäßigkeit

Der Vorschlag entspricht aus folgenden Gründen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit:

Die vorgeschlagene Maßnahme geht nicht über das zum Erreichen ihrer Ziele unbedingt erforderliche Maß hinaus. Es werden nicht alle Aspekte der alternativen Streitbeilegung, sondern lediglich einige besonders wichtige Aspekte der außergerichtlichen Streitbeilegung geregelt. Das Fundament der Rahmenrichtlinie werden die bereits existierenden AS-Stellen bilden; die Wahl der Form und Mittel zur Erreichung der erwarteten Ergebnisse bleibt den Mitgliedstaaten überlassen.

Die Zielsetzungen dieses Vorschlags sollen mit dem geringstmöglichen Kostenaufwand für Unternehmen und Mitgliedstaaten unter Vermeidung von Doppelausgaben oder unnötiger Verwaltungslasten erreicht werden.

4.         Auswirkungen auf den Haushalt

Dieser Vorschlag hat keine Auswirkungen auf den EU-Haushalt. Deshalb ist dem Vorschlag kein Finanzbogen beigefügt.

2011/0373 (COD)

Vorschlag für

RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

über Formen der alternativen Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Richtlinie über alternative Streitbeilegung)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114,

gestützt auf den Vorschlag der Europäischen Kommission[17],

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses[18],

nach Übermittlung des Vorschlags an die nationalen Parlamente,

nach Anhörung des Europäischen Datenschutzbeauftragten,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Gemäß Artikel 169 Absätze 1 und 2 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) leistet die Union durch die Maßnahmen, die sie nach Artikel 114 dieses Vertrags erlässt, einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus. Gemäß Artikel 38 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stellt die Politik der Union ein hohes Verbraucherschutzniveau sicher.

(2) Gemäß Artikel 26 Absatz 2 AEUV soll der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen umfassen, in dem der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen gewährleistet ist. Wenn die Verbraucher in der Lage sein sollen, dem Binnenmarkt Vertrauen entgegenzubringen und ihn in vollem Umfang zu nutzen, dann müssen ihnen einfache und kostengünstige Möglichkeiten der Beilegung von Streitigkeiten zur Verfügung stehen, die sich aus dem Kauf von Waren oder der Bereitstellung von Dienstleistungen ergeben. Dies gilt für Rechtsgeschäfte unabhängig davon, ob sie offline oder online getätigt werden, und ist besonders wichtig, wenn Verbraucher über die Grenzen hinweg einkaufen.

(3) Alternative Streitbeilegung (AS) ist eine einfache, schnelle und kostengünstige Möglichkeit der außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern. Allerdings ist die alternative Streitbeilegung noch nicht in der gesamten Europäischen Union hinreichend entwickelt. Wenn Verbraucher das der alternativen Streitbeilegung innewohnende Potenzial nutzen sollen, dann ist es erforderlich, dass für alle Arten verbraucherrechtlicher Streitigkeiten entsprechende Verfahren zur Verfügung stehen, dass sie ein gleichmäßiges Qualitätsniveau aufweisen und dass Verbraucher und Unternehmer darüber Bescheid wissen. Außerdem ist es erforderlich, dass AS-Stellen grenzübergreifende Streitigkeiten effektiv bearbeiten.

(4) In ihrer Binnenmarktakte[19] bezeichnete die Kommission Rechtsvorschriften über alternative Streitbeilegung auch für den elektronischen Geschäftsverkehr als einen der zwölf Hebel zur Förderung des Wachstums und des Vertrauens in den Binnenmarkt.

(5) Der Europäische Rat hat das Parlament und den Rat aufgefordert, bis Ende 2012 eine erste Gruppe vorrangiger Maßnahmen zur Neubelebung des Binnenmarkts zu verabschieden.[20]

(6) Die Entwicklung einer gut funktionierenden alternativen Streitbeilegung innerhalb der Europäischen Union ist notwendig, wenn das Vertrauen der Verbraucher in den Binnenmarkt – unter Einschluss des elektronischen Geschäftsverkehrs – gestärkt werden soll. Diese sollte unter Wahrung der jeweiligen innerstaatlichen Rechtstraditionen auf den vorhandenen Verfahren der alternativen Streitbeilegung in den Mitgliedstaaten aufbauen.

(7) Diese Richtlinie sollte für vertragliche Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern gelten, die sich unabhängig von der jeweiligen Wirtschaftsbranche aus dem Kauf von Waren oder der Bereitstellung von Dienstleistungen ergeben. Dabei sollte es keine Rolle spielen, ob die Streitigkeiten Beschwerden von Verbrauchern über Unternehmer oder Beschwerden von Unternehmern über Verbraucher betreffen. Für Streitigkeiten unter Unternehmern sollte diese Richtlinie nicht gelten; allerdings sollte sie die Mitgliedstaaten auch nicht davon abhalten, Bestimmungen über Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung solcher Streitigkeiten einzuführen oder beizubehalten.

(8) Die Definition des Verbrauchers sollte natürliche Personen, die außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handeln, umfassen. Wird der Vertrag jedoch teilweise für gewerbliche und teilweise für nichtgewerbliche Zwecke abgeschlossen (Verträge mit doppeltem Zweck) und ist der gewerbliche Zweck im Gesamtzusammenhang des Vertrags nicht überwiegend, so sollte die betreffende Person ebenfalls als Verbraucher betrachtet werden.

(9) Diese Richtlinie gilt unbeschadet der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen[21], der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen[22], der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“)[23] und der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“)[24].

(10) Diese Richtlinie sollte Vorrang vor anderen EU-Rechtsvorschriften haben, die Bestimmungen enthalten, die auf die Förderung der Einrichtung von AS-Stellen in einer bestimmten Branche abzielen. In Fällen, in denen sektorspezifische Rechtsvorschriften die Einrichtung solcher Stellen vorsehen, sollte die vorliegende Richtlinie nur Vorrang haben, soweit diese Rechtsvorschriften nicht zumindest ein entsprechendes Verbraucherschutzniveau gewährleisten.

(11) Nicht nur innerhalb der EU, sondern auch innerhalb der Mitgliedstaaten selbst gibt es sehr unterschiedliche AS-Stellen. Diese Richtlinie sollte für alle Stellen gelten, die auf Dauer eingerichtet sind und die Beilegung einer Streitigkeit in einem AS-Verfahren anbieten. Ein Schlichtungsverfahren, das ad hoc außerhalb des Rahmens einer AS-Stelle für eine einzelne Streitigkeit zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer eingeleitet wird, sollte nicht als AS-Verfahren gelten.

(12) Diese Richtlinie sollte weder für Verfahren vor Streitbeilegungsstellen gelten, bei denen ausschließlich vom Unternehmer beschäftigte natürliche Personen mit der Streitbeilegung betraut sind, noch für Verfahren vor vom Unternehmer betriebenen Verbraucherbeschwerdestellen. Unmittelbare Verhandlungen zwischen den Parteien sollten ebenfalls nicht erfasst werden. Außerdem sollte sie nicht in Fällen gelten, in denen ein Richter im Rahmen eines Gerichtsverfahrens versucht, eine gütliche Einigung herbeizuführen.

(13) Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass unter diese Richtlinie fallende Streitigkeiten einer AS-Stelle vorgelegt werden können, die den Anforderungen dieser Richtlinie genügt. Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, dieser Pflicht dadurch nachzukommen, dass sie entweder auf bereits bestehende AS-Stellen zurückgreifen und gegebenenfalls deren Zuständigkeitsbereich anpassen, oder dadurch, dass sie die Einrichtung neuer AS-Stellen vorsehen. Die vorliegende Richtlinie sollte die Mitgliedstaaten nicht zur Schaffung einer speziellen AS-Stelle für jede Einzelhandelsbranche verpflichten. Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, die Schaffung einer ergänzenden AS-Stelle vorzusehen, die für diejenigen Streitigkeiten zuständig ist, die nicht in die Zuständigkeit anderer spezieller Stellen fallen.

(14) Diese Richtlinie sollte die rechtliche Situation von Unternehmern unberührt lassen, die in den Zuständigkeitsbereich einer AS-Stelle fallen, die sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet. Die Mitgliedstaaten sollten die Entwicklung solcher Stellen fördern.

(15) Diese Richtlinie sollte das Recht der Mitgliedstaaten zur Beibehaltung oder Einführung von AS-Verfahren zur Beilegung mehrerer gleicher oder ähnlicher Streitigkeiten zwischen einem Unternehmer und mehreren Verbrauchern unberührt lassen. Solche Systeme können als Vorstufe zur Weiterentwicklung von kollektiven AS-Verfahren in der EU betrachtet werden.

(16) Die Verarbeitung von Informationen über unter diese Richtlinie fallende Streitigkeiten sollte mit den Regelungen zum Schutz persönlicher Daten vereinbar sein, die von den Mitgliedstaaten durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr erlassen wurden.

(17) Die mit der Beilegung von Streitigkeiten betrauten natürlichen Personen sollten nur dann als unparteiisch gelten, wenn auf sie kein Druck ausgeübt werden kann, der ihre Haltung gegenüber der Streitigkeit beeinflussen könnte. Besonders notwendig ist die Gewährleistung der Nichtausübung derartigen Drucks, wenn AS-Stellen von einer der Parteien oder von einer Organisation finanziert werden, der eine der Parteien angehört.

(18) Zur Sicherung der Transparenz von AS-Stellen ist es erforderlich, dass die Parteien vor einer etwaigen Einleitung eines AS-Verfahrens über alles informiert werden, was sie wissen müssen, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können.

(19) AS-Verfahren sollten effektiv sein. Es sollte sich um einfache und zügige Verfahren handeln, die im Allgemeinen nicht mehr als 90 Tage in Anspruch nehmen. Die AS-Stelle sollte diese Frist verlängern können, wenn dies wegen der Komplexität der Streitigkeit erforderlich sein sollte.

(20) AS-Verfahren sollten für Verbraucher kostenlos oder so kostengünstig sein, dass die Nutzung solcher Verfahren für Verbraucher wirtschaftlich sinnvoll bleibt.

(21) AS-Verfahren sollten fair sein, so dass die Parteien einer Streitigkeit in vollem Umfang über ihre Rechte und die Folgen von Entscheidungen, die sie im Rahmen eines AS-Verfahrens treffen, informiert sind.

(22) Im Fall einer Streitigkeit müssen Verbraucher rasch herausfinden können, welche AS-Stellen für ihre Beschwerde zuständig sind und ob der betreffende Unternehmer sich an einem bei einer AS-Stelle eingeleiteten Verfahren beteiligen wird. Unternehmer sollten deshalb in ihren wichtigsten Geschäftsunterlagen und – falls sie eine Website haben – auf ihrer Website hierüber informieren. Diese Verpflichtung sollte unbeschadet der Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe t, 7 Absatz 1 und 8 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über Verbraucherrechte[25] gelten. Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe t der Richtlinie 2011/83/EU bestimmt für im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verbraucherverträge, dass der Unternehmer den Verbraucher über die Möglichkeit des Zugangs zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren, dem er unterworfen ist, und die Voraussetzungen für diesen Zugang informieren muss, bevor der Verbraucher an einen Vertrag gebunden ist. Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2011/83/EU bestimmt, dass bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen diese Information auf Papier oder, wenn der Verbraucher einverstanden ist, auf einem anderen dauerhaften Datenträger bereitzustellen ist.

(23) Die vorliegende Richtlinie schreibt nicht vor, dass Unternehmer sich an AS-Verfahren beteiligen müssten oder dass das Ergebnis solcher Verfahren für sie verbindlich sein sollte, wenn ein Verbraucher eine Beschwerde gegen sie erhoben hat. Diese Richtlinie lässt jedoch nationale Rechtsvorschriften unberührt, nach denen die Teilnahme von Unternehmern an solchen Verfahren verpflichtend ist oder deren Ergebnisse für sie bindend sind, sofern diese Rechtsvorschriften die Parteien nicht daran hindern, ihr Recht gemäß Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf Zugang zum Gerichtssystem wahrzunehmen.

(24) Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass AS-Stellen bei der Beilegung grenzübergreifender Streitigkeiten kooperieren.

(25) Netze von AS-Stellen, die die Beilegung grenzübergreifender Streitigkeiten erleichtern, wie beispielsweise das FIN-NET im Bereich der Finanzdienstleistungen, sollten innerhalb der EU gestärkt werden. Die Mitgliedstaaten sollten den Beitritt von AS-Stellen zu solchen Netzen fördern.

(26) Eine enge Zusammenarbeit zwischen AS-Stellen und den mit der Durchsetzung des Verbraucherrechts der EU betrauten nationalen Behörden sollte die wirksame Anwendung des einschlägigen EU-Rechts stärken.

(27) Damit gewährleistet ist, dass AS-Stellen ordnungsgemäß und effektiv funktionieren, sollten sie genau überwacht werden. Die Kommission und die nach dieser Richtlinie zuständigen Behörden sollten eine Liste der dieser Richtlinie entsprechenden AS-Stellen veröffentlichen und aktualisieren. Andere Einrichtungen, etwa AS-Stellen, Verbraucher- und Wirtschaftsverbände sowie das Netz der Europäischen Verbraucherzentren, sollten diese Liste ebenfalls veröffentlichen. Außerdem sollten die zuständigen Behörden regelmäßige Berichte über die Entwicklung und das Funktionieren der AS-Stellen veröffentlichen. AS-Stellen sollten den zuständigen Behörden die spezifischen Informationen liefern, auf denen diese Berichte beruhen sollten. Die Mitgliedstaaten sollten den AS-Stellen empfehlen, sich bei der Bereitstellung dieser Informationen an die Empfehlung 2010/304/EU der Kommission zur Verwendung einer harmonisierten Methodik zur Klassifizierung und Meldung von Verbraucherbeschwerden und Verbraucheranfragen zu halten[26].

(28) Es ist notwendig, dass die Mitgliedstaaten Sanktionen für Verstöße gegen die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Information der Verbraucher durch Unternehmer und über die Informationen, die AS-Stellen den zuständigen Behörden mitteilen müssen, festlegen und für deren Durchsetzung sorgen. Diese Sanktionen sollten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

(29) Im Interesse einer verstärkten grenzübergreifenden Zusammenarbeit bei der Durchsetzung dieser Richtlinie sollte die Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden (Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz)[27] durch Aufnahme eines Verweises auf diese Richtlinie in ihren Anhang geändert werden.

(30) Die Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen[28] sollte durch Aufnahme eines Verweises auf die vorliegende Richtlinie in ihren Anhang geändert werden, damit die durch diese Richtlinie geschützten kollektiven Interessen der Verbraucher gewahrt bleiben.

(31) Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich durch Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus einen Beitrag zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts zu leisten, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann und daher besser auf der EU-Ebene zu erreichen ist, kann die Europäische Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Verordnung nicht über das für das Erreichen dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(32) Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt sind, speziell in den Artikeln 7, 8, 38 und 47 –

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

KAPITEL I ALLGEMEINE VORSCHRIFTEN

Artikel 1 Gegenstand

Diese Richtlinie soll zum Funktionieren des Binnenmarkts und zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus beitragen, indem sie dafür sorgt, dass mit Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern Stellen befasst werden können, die unparteiische, transparente, effektive und faire Verfahren zur alternativen Streitbeilegung anbieten.

Artikel 2 Geltungsbereich

1. Diese Richtlinie gilt für Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung vertraglicher Streitigkeiten, die sich aus dem Verkauf von Waren oder der Bereitstellung von Dienstleistungen durch einen in der EU niedergelassenen Unternehmer an einen in der EU wohnhaften Verbraucher ergeben, durch Einschalten einer Streitbeilegungsstelle, die eine Lösung vorschlägt oder vorschreibt oder die Parteien mit dem Ziel zusammenbringt, sie zu einer gütlichen Einigung zu veranlassen (im Folgenden: AS-Verfahren).

2. Diese Richtlinie gilt nicht für

(a) Verfahren vor Streitbeilegungsstellen, bei denen die mit der Streitbeilegung betrauten natürlichen Personen ausschließlich vom Unternehmer beschäftigt werden;

(b) Verfahren vor Verbraucherbeschwerdestellen, die vom Unternehmer betrieben werden;

(c) unmittelbare Verhandlungen zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer unabhängig davon, ob sie diese selbst oder durch Vertreter führen;

(d) Bemühungen von Richtern um die gütliche Beilegung eines Rechtsstreits im Rahmen eines Gerichtsverfahrens.

Artikel 3 Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften der EU

1.           Diese Richtlinie gilt unbeschadet der Richtlinie 2008/52/EG, der Verordnung (EG) Nr. 44/2001, der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 und der Verordnung (EG) Nr. 593/2008.

2.           Artikel 5 Absatz 1 dieser Richtlinie hat Vorrang vor den im Anhang dieser Richtlinie genannten Bestimmungen.

3.           Diese Richtlinie hat nur insoweit Vorrang vor zwingenden sektorspezifischen Rechtsvorschriften der EU, die sich auf alternative Streitbeilegung beziehen, als diese Rechtsvorschriften nicht zumindest ein entsprechendes Verbraucherschutzniveau gewährleisten.

Artikel 4 Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie

(b) bezeichnet der Ausdruck „Verbraucher“ jede natürliche Person, die zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können;

(c) bezeichnet der Ausdruck „Unternehmer“ jede natürliche oder juristische Person – ob in privatem oder öffentlichem Besitz –, die zu Zwecken handelt, die ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, wobei sie dies auch durch eine in ihrem Namen oder Auftrag handelnde Person tun kann;

(d) ist ein Unternehmer niedergelassen,

– wo er seinen Geschäftssitz hat, falls der Unternehmer eine natürliche Person ist;

– wo sich sein satzungsmäßiger Sitz, seine Hauptverwaltung oder sein Geschäftssitz einschließlich einer Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung befindet, falls der Unternehmer eine Gesellschaft oder sonstige juristische Person oder eine Vereinigung natürlicher und juristischer Personen ist;

(e) bezeichnet der Ausdruck „grenzübergreifende Streitigkeit“ eine vertragliche Streitigkeit, die sich aus dem Verkauf von Waren oder der Bereitstellung von Dienstleistungen ergibt, sofern der Verbraucher zum Zeitpunkt der Bestellung der Waren oder Dienstleistungen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt, in dem der Unternehmer niedergelassen ist;

(f) bezeichnet der Ausdruck „AS-Stelle“ jede Stelle, die unabhängig von ihrer Bezeichnung auf Dauer eingerichtet ist und die Beilegung einer Streitigkeit in einem AS-Verfahren anbietet;

(g) ist eine AS-Stelle eingerichtet,

– wenn die Stelle von einer natürlichen Person betrieben wird: dort, wo die Stelle ihre Streitbeilegungstätigkeit ausübt;

– wenn die Stelle von einer juristischen Person oder einer aus natürlichen und juristischen Personen bestehenden Vereinigung betrieben wird: dort, wo diese juristische Person oder die aus natürlichen und juristischen Personen bestehende Vereinigung ihre Streitbeilegungstätigkeit ausübt oder ihren satzungsmäßigen Sitz hat;

– wenn die Stelle von einer Behörde oder sonstigen öffentlichen Einrichtung betrieben wird: dort, wo die Behörde oder sonstige öffentliche Einrichtung ihren Sitz hat.

KAPITEL II ZUGANG ZUR ALTERNATIVEN STREITBEILEGUNG UND DAFÜR GELTENDE GRUNDSÄTZE

Artikel 5 Zugang zur alternativen Streitbeilegung

3. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass unter diese Richtlinie fallende Streitigkeiten einer AS-Stelle vorgelegt werden können, die den Anforderungen dieser Richtlinie genügt.

4. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass AS-Stellen

(a) eine Website besitzen, auf der die Parteien online Beschwerden einreichen können;

(b) den Parteien den Austausch von Informationen mit ihnen auf elektronischem Wege ermöglichen;

(c) sowohl inländische als auch grenzübergreifende Streitigkeiten akzeptieren, und zwar auch Streitigkeiten, die unter die Verordnung (EU) Nr. [Office of Publications insert reference number] des Europäischen Parlaments und des Rates [Office of Publications insert date of adoption] über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (Verordnung über Online-Streitbeilegung) fallen[29]; und

(d) in Verfahren zur Beilegung von unter diese Richtlinie fallenden Streitigkeiten die notwendigen Maßnahmen treffen, um dafür zu sorgen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 95/46/EG erfolgt.

5. Die Mitgliedstaaten können ihrer Verpflichtung nach Absatz 1 dadurch nachkommen, dass sie für die Einrichtung einer ergänzenden AS-Stelle sorgen, die für diejenigen in Absatz 1 genannten Streitigkeiten zuständig ist, für deren Beilegung keine bereits existierende AS-Stelle zuständig ist.

Artikel 6 Fachwissen und Unparteilichkeit

1. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die mit alternativer Streitbeilegung betrauten natürlichen Personen über das erforderliche Fachwissen verfügen und unparteiisch sind. Dies ist dadurch zu gewährleisten, dass sichergestellt wird, dass sie

(a) über das Wissen, die Fähigkeiten und die Erfahrung verfügen, die für die Arbeit im Bereich der alternativen Streitbeilegung erforderlich sind;

(b) nicht ohne triftigen Grund ihres Amtes enthoben werden können;

(c) nicht in einem Interessenkonflikt mit einer der Parteien stehen.

2. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass AS-Stellen, bei denen die mit der Streitbeilegung betrauten natürlichen Personen ein Kollegium bilden, mit einer gleichen Anzahl von Vertretern der Verbraucherinteressen und Vertretern der Unternehmerinteressen besetzt sind.

Artikel 7 Transparenz

1. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass AS-Stellen auf ihren Websites und in gedruckter Form in ihren Räumen folgende Informationen bereitstellen:

(a) welche natürlichen Personen mit der alternativen Streitbeilegung betraut sind, wie sie benannt werden und wie lange ihre Amtszeit dauert;

(b) wie sie finanziert werden, einschließlich des Anteils öffentlicher und privater Mittel;

(c) gegebenenfalls, ob sie Netzwerken von AS-Stellen zur Erleichterung grenzübergreifender Streitbeilegung angehören;

(d) für welche Arten von Streitigkeiten sie zuständig sind;

(e) welche Verfahrensvorschriften für die Beilegung einer Streitigkeit gelten;

(f) in welchen Sprachen Beschwerden bei der AS-Stelle eingereicht werden können und in welchen Sprachen das AS-Verfahren geführt werden kann;

(g) auf welche Regelungen sich die AS-Stelle bei der Streitbeilegung stützen kann (z. B. Rechtsvorschriften, Billigkeitserwägungen, Verhaltenskodizes);

(h) welche Vorbedingungen die Parteien gegebenenfalls erfüllen müssen, damit ein AS-Verfahren eingeleitet werden kann;

(i) die Kosten, die gegebenenfalls von den Parteien zu tragen sind;

(j) die ungefähre Dauer des AS-Verfahrens;

(k) die Rechtswirkung des Ergebnisses des AS-Verfahrens.

2. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass AS-Stellen auf ihren Websites und in gedruckter Form in ihren Räumen jährliche Tätigkeitsberichte bereitstellen. Diese Berichte enthalten folgende Informationen sowohl zu inländischen als auch zu grenzübergreifenden Streitigkeiten:

(a) Anzahl der eingegangenen Streitigkeiten und Art der Beschwerden, auf die sie sich beziehen;

(b) wiederkehrende Problemstellungen bei Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern;

(c) Prozentsatz der Streitbeilegungsverfahren, die ergebnislos abgebrochen wurden;

(d) durchschnittlicher Zeitaufwand für die Lösung von Streitigkeiten;

(e) sofern bekannt, Prozentsatz der Fälle, in denen sich die Parteien an die Ergebnisse der AS-Verfahren gehalten haben;

(f) gegebenenfalls, ob sie mit Netzwerken von AS-Stellen zur Erleichterung grenzübergreifender Streitbeilegung kooperieren.

Artikel 8 Effektivität

Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass AS-Verfahren effektiv sind und die folgenden Voraussetzungen erfüllen:

(a) Das AS-Verfahren ist für beide Parteien leicht zugänglich, und zwar unabhängig davon, wo sie sich befinden;

(b) die Parteien haben Zugang zu dem Verfahren, ohne einen Rechtsvertreter einschalten zu müssen; gleichwohl können sich die Parteien in jedem Verfahrensstadium von einem Dritten vertreten oder unterstützen lassen;

(c) das AS-Verfahren ist für Verbraucher entweder kostenlos oder die Kosten sind gering;

(d) die Streitigkeit wird binnen 90 Tagen nach Eingang der Beschwerde bei der AS-Stelle beigelegt. In komplizierten Fällen kann die AS-Stelle diese Frist verlängern.

Artikel 9 Fairness

1. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass in AS-Verfahren

(a) die Parteien in die Lage versetzt werden, ihre Meinung zu äußern und das Vorbringen der Gegenpartei zur Rechts- und Sachlage sowie etwaige Stellungnahmen von Experten zur Kenntnis zu nehmen;

(b) beide Parteien das Ergebnis des AS-Verfahrens einschließlich der Gründe, auf denen es basiert, schriftlich oder auf einem dauerhaften Datenträger erhalten.

2. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass in AS-Verfahren, die auf eine Beilegung der Streitigkeit durch Empfehlung einer Lösung abzielen,

(a) der Verbraucher über Folgendes informiert wird, bevor einer empfohlenen Lösung zustimmt:

i)        dass er die Wahl hat, der empfohlenen Lösung zuzustimmen oder nicht;

ii)       dass die empfohlene Lösung ungünstiger sein kann als das Ergebnis eines Gerichtsverfahrens, in dem Rechtsvorschriften angewandt werden;

iii)      dass er das Recht hat, sich von unabhängiger Seite beraten zu lassen, bevor er der empfohlenen Lösung zustimmt;

(b) dass die Parteien über die Rechtswirkungen einer solchen Vereinbarung informiert werden, bevor sie einer empfohlenen Lösung zustimmen;

(c) dass den Parteien eine angemessene Überlegungsfrist eingeräumt wird, bevor sie einer empfohlenen Lösung zustimmen.

KAPITEL III INFORMATION UND KOOPERA TION

Artikel 10 Information der Verbraucher durch Unternehmer

1. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassene Unternehmer die Verbraucher über die AS-Stellen informieren, die für etwaige Streitigkeiten zwischen ihnen und Verbrauchern zuständig sind. Zu informieren ist u. a. über die Adressen der Websites einschlägiger AS-Stellen; ferner ist anzugeben, ob der Unternehmer sich im Fall von Streitigkeiten mit Verbrauchern zur Einschaltung dieser Stellen verpflichtet.

2. Die in Absatz 1 genannten Informationen müssen leicht, unmittelbar und deutlich sichtbar zu finden und dauerhaft zugänglich sein, und zwar, sofern der Unternehmer eine Website besitzt, auf dieser Website, in den allgemeinen Geschäftsbedingungen für Kauf- oder Dienstleistungsverträge zwischen dem Unternehmer und Verbrauchern sowie in Rechnungen und Quittungen, die sich auf solche Verträge beziehen. Ferner ist anzugeben, wo weitere Informationen über die betreffende AS-Stelle und zu den Bedingungen ihrer Einschaltung erhältlich sind.

3. Die Bestimmungen dieses Artikels gelten unbeschadet der Bestimmungen der Artikel 6, 7 und 8 der Richtlinie 2011/83/EU zur Information der Verbraucher über Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge.

Artikel 11 Unterstützung für Verbraucher

1. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Verbraucher bei Streitigkeiten über grenzübergreifende Verträge über den Verkauf von Waren oder die Bereitstellung von Dienstleistungen Unterstützung erhalten können. Diese Unterstützung soll den Verbrauchern insbesondere dabei helfen, in einem anderen Mitgliedstaat die richtige AS-Stelle zu finden, die für ihre grenzübergreifende Streitigkeit zuständig ist.

2. Die Mitgliedstaaten können die Verantwortung für die in Absatz 1 genannte Aufgabe ihren Zentren des Europäischen Netzes der Verbraucherzentren, Verbraucherverbänden oder jeder anderen Einrichtung übertragen.

Artikel 12 Allgemeine Informationen

Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass AS-Stellen, Verbraucherverbände, Wirtschaftsverbände, die Zentren des Europäischen Netzes der Verbraucherzentren und gegebenenfalls die gemäß Artikel 11 Absatz 2 bezeichneten Einrichtungen in ihren Räumen und auf ihren Websites die Liste der in Artikel 17 Absatz 3 genannten AS-Stellen veröffentlichen.

Artikel 13 Kooperation zwischen AS-Stellen zur Beilegung grenzübergreifender Streitigkeiten

1. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass AS-Stellen bei der Beilegung grenzübergreifender Streitigkeiten kooperieren.

2. Gibt es für eine bestimmte Branche auf Ebene der EU ein Netzwerk von AS-Stellen zur Erleichterung der Beilegung grenzübergreifender Streitigkeiten, so fördern die Mitgliedstaaten den Beitritt von AS-Stellen, die sich mit diese Branche betreffenden Streitigkeiten befassen, zu diesem Netzwerk.

3. Die Kommission veröffentlicht eine Liste mit den Namen und Kontaktangaben der in Absatz 1 genannten Netzwerke. Falls erforderlich, aktualisiert die Kommission diese Liste alle zwei Jahre.

Artikel 14 Kooperation zwischen AS-Stellen und den für die Durchsetzung des EU-Verbraucherrechts zuständigen nationalen Behörden

1. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass AS-Stellen und nationale Behörden, die mit der Durchsetzung des EU-Verbraucherrechts betraut sind, miteinander kooperieren.

2. Diese Kooperation umfasst den Austausch von Informationen über Geschäftspraktiken von Unternehmern, über die Beschwerden von Verbrauchern eingegangen sind. Dazu gehört auch, dass die betreffenden nationalen Behörden technische Gutachten und Informationen zur Verfügung stellen, wenn diese für die Bearbeitung individueller Streitigkeiten erforderlich sind.

3. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Kooperation und der Informationsaustausch gemäß den Absätzen 1 und 2 den Bestimmungen der Richtlinie 95/46/EG über den Schutz personenbezogener Daten entsprechen.

KAPITEL IV ÜBERWACHUNG VON AS-STELLEN

Artikel 15 Benennung der zuständigen Behörden

1. Jeder Mitgliedstaat benennt eine Behörde, die für die Überwachung und Entwicklung der in seinem Hoheitsgebiet eingerichteten AS-Stellen zuständig ist. Jeder Mitgliedstaat teilt der Kommission mit, welche Behörde er benannt hat.

2. Die Kommission erstellt eine Liste der ihr gemäß Absatz 1 gemeldeten Behörden und veröffentlicht diese Liste im Amtsblatt der Europäischen Union.

Artikel 16 Informationen, die den zuständigen Behörden von den AS-Stellen mitzuteilen sind

1. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass in ihrem Hoheitsgebiet eingerichtete AS-Stellen der zuständigen Behörde Folgendes mitteilen:

(a) ihre Bezeichnung, Kontaktangaben und Website-Adresse;

(b) Informationen zu ihrer Struktur und Finanzierung, darunter Informationen zu den mit der alternativen Streitbeilegung betrauten natürlichen Personen sowie dazu, wie deren Tätigkeit finanziert wird und von wem sie beschäftigt werden;

(c) ihre Verfahrensvorschriften;

(d) gegebenenfalls ihre Gebühren;

(e) die ungefähre Dauer des AS-Verfahrens;

(f) in welchen Sprachen Beschwerden bei der AS-Stelle eingereicht werden können und in welchen Sprachen das AS-Verfahren geführt werden kann;

(g) eine Erklärung zu den Voraussetzungen ihrer Zuständigkeit;

(h) eine mit Gründen versehene, auf einer Selbsteinschätzung beruhende Erklärung der AS-Stelle dazu, ob sie als in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallende AS-Stelle zu qualifizieren ist und ob sie die Voraussetzungen des Kapitels II erfüllt.

Ergeben sich Änderungen hinsichtlich der in den Buchstaben a bis g genannten Informationen, so teilen die AS-Stellen diese Änderungen unverzüglich der zuständigen Behörde mit.

2. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass AS-Stellen den zuständigen Behörden mindestens einmal jährlich folgende Informationen mitteilen:

(a) Anzahl der eingegangenen Streitigkeiten und Art der Beschwerden, auf die sie sich beziehen;

(b) Prozentsatz der AS-Verfahren, die ergebnislos abgebrochen wurden;

(c) durchschnittlicher Zeitaufwand bei der Lösung der eingegangenen Streitfälle;

(d) sofern bekannt, Prozentsatz der Fälle, in denen sich die Parteien an die Ergebnisse der AS-Verfahren gehalten haben;

(e) einschlägige Statistiken, die zeigen, in welcher Weise Unternehmer bei Streitigkeiten mit Verbrauchern auf Verfahren der alternativen Streitbeilegung zurückgreifen;

(f) wiederkehrende Problemstellungen bei Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern;

(g) gegebenenfalls eine Einschätzung der Effektivität ihrer Kooperation mit Netzwerken von AS-Stellen zur Erleichterung grenzübergreifender Streitbeilegung;

(h) eine Selbsteinschätzung der Effektivität des von der betreffenden Stelle angebotenen AS-Verfahrens und der Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit.

Artikel 17 Rolle der zuständigen Behörden und der Kommission

1. Jede zuständige Behörde beurteilt aufgrund der Informationen, die sie gemäß Artikel 16 Absatz 1 erhalten hat, ob die ihr gemeldeten AS-Stellen als AS-Stellen im Sinne dieser Richtlinie zu qualifizieren sind und die Voraussetzungen des Kapitels II erfüllen.

2. Jede zuständige Behörde erstellt auf der Grundlage ihrer Beurteilung gemäß Absatz 1 eine Liste der AS-Stellen, bei denen die in Absatz 1 genannten Bedingungen erfüllt sind.

Die Liste enthält folgende Angaben:

(a) Bezeichnung, Kontaktangaben und Websiteadressen dieser AS-Stellen;

(b) gegebenenfalls ihre Gebühren;

(c) in welchen Sprachen Beschwerden bei der AS-Stelle eingereicht werden können und in welchen Sprachen das AS-Verfahren geführt werden kann;

(d) Voraussetzungen ihrer Zuständigkeit;

(e) gegebenenfalls Notwendigkeit der Anwesenheit der Parteien oder ihrer Vertreter; und

(f) Verbindlichkeit oder Unverbindlichkeit des Verfahrensergebnisses.

Jede zuständige Behörde übermittelt der Kommission diese Liste. Werden der zuständigen Behörde Änderungen gemäß Artikel 16 Absatz 1 Unterabsatz 2 mitgeteilt, so wird die Liste unverzüglich aktualisiert und die Kommission hierüber informiert.

3. Die Kommission erstellt eine Liste der ihr gemäß Absatz 2 gemeldeten AS-Stellen und aktualisiert diese Liste bei jeder Mitteilung von Änderungen gemäß Absatz 2 Unterabsatz 3 Satz 2. Die Kommission veröffentlicht diese Liste und ihre Aktualisierungen und übermittelt sie den zuständigen Behörden und den Mitgliedstaaten.

4. Jede zuständige Behörde veröffentlicht die konsolidierte Liste der in Absatz 3 genannten AS-Stellen auf ihrer Website sowie in jeder anderen Weise, die sie für geeignet hält.

5. Alle zwei Jahre veröffentlicht jede zuständige Behörde einen Bericht über die Entwicklung und die Arbeitsweise von AS-Stellen. Der Bericht umfasst insbesondere

(a) gegebenenfalls eine Beschreibung der Sachgebiete, für die es noch keine AS-Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten gibt, die unter diese Richtlinie fallen;

(b) eine Beschreibung der Best Practices von AS-Stellen;

(c) gegebenenfalls eine statistisch belegte Darlegung der Unzulänglichkeiten, die gegebenenfalls das Funktionieren von AS-Stellen sowohl zur Beilegung von inländischen als auch zur Beilegung grenzübergreifender Streitigkeiten behindern;

(d) gegebenenfalls Empfehlungen dazu, wie das Funktionieren von AS-Stellen verbessert werden könnte.

KAPITEL V SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 18 Sanktionen

Die Mitgliedstaaten legen fest, welche Sanktionen bei einem Verstoß gegen die gemäß den Artikeln 10 und 16 Absätze 1 und 2 dieser Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Vorschriften zu verhängen sind, und treffen die zu deren Durchsetzung erforderlichen Maßnahmen. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

Artikel 19 Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004

Im Anhang der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 wird folgende Nummer angefügt:

"20.   Richtlinie … des Europäischen Parlaments und des Rates vom … über Formen der alternativen Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Richtlinie 2009/22/EG (ABl. L … vom …, S. 1): Artikel 10.“

Artikel 20 Änderung der Richtlinie 2009/22/EG

Im Anhang der Richtlinie 2009/22/EG wird folgende Nummer angefügt:

"14.   Richtlinie … des Europäischen Parlaments und des Rates vom … über Formen der alternativen Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Richtlinie 2009/22/EG (ABl. L … vom …, S. 1): Artikel 10.“

Artikel 21 Mitteilungen

1. Spätestens bis zum [Amt für Veröffentlichungen: bitte dasselbe Datum einfügen wie in Artikel 22 Absatz 1 = Umsetzungsdatum der Richtlinie] teilen die Mitgliedstaaten der Kommission mit,

(a) gegebenenfalls die Bezeichnungen und Kontaktangaben der gemäß Artikel 11 Absatz 2 benannten Einrichtungen; und

(b) die gemäß Artikel 15 Absatz 1 benannten zuständigen Behörden.

Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission etwaige spätere Änderungen dieser Angaben mit.

2. Spätestens bis zum [Amt für Veröffentlichungen: bitte Datum einfügen: sechs Monate nach dem in Artikel 22 Absatz 1 eingefügten Umsetzungsdatum] übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission die erste der in Artikel 17 Absatz 2 genannten Listen.

3. Die Kommission übermittelt den Mitgliedstaaten die in Absatz 1 Buchstabe a genannten Informationen.

Artikel 22 Umsetzung

1. Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, um dieser Richtlinie spätestens am [Amt für Veröffentlichungen: Datum einfügen: 18 Monate nach Inkrafttreten] nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Rechtsvorschriften mit und fügen eine Entsprechungstabelle dieser Rechtsvorschriften und der vorliegenden Richtlinie bei.

Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme.

2. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten nationalen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 23 Bericht

Spätestens bis zum [Amt für Veröffentlichungen: bitte Datum einfügen: fünf Jahre nach Inkrafttreten] übermittelt die Kommission dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss einen Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie. In dem Bericht wird auf die Entwicklung und den Rückgriff auf AS-Stellen in der gesamten Europäischen Union sowie auf die Auswirkungen dieser Richtlinie auf Verbraucher und Unternehmer eingegangen. Dem Bericht sind gegebenenfalls Vorschläge zur Änderung dieser Richtlinie beizufügen.

Artikel 24 Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 25 Adressaten

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am

Im Namen des Europäischen Parlaments     Im Namen des Rates

Der Präsident                                                Der Präsident

ANHANG

1. Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates sowie der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (Artikel 14 Absatz 1), ABl. L 271 vom 9.10.2002, S. 16.

2. Richtlinie 2008/122/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Januar 2009 über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsverträgen, Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte sowie Wiederverkaufs- und Tauschverträgen (Artikel 14 Absatz 2), ABl. L 33 vom 3.2.2009, S. 10.

3. Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (Artikel 53 Absatz 1), ABl. L 145 vom 30. 4.2004, S. 1.

4. Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über die Rückversicherung (Artikel 11 Absatz 1), ABl. L 9 vom 15.1.2003, S. 3).

5. Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (Artikel 19 Absatz 1 Unterabsatz 3), ABl. L 52 vom 27.2.2008, S. 3.

[1]               Eurobarometer 342, „Consumer Empowerment“, S. 169.

[2]               Siehe z. B. die Verordnung (EG) Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 1).

[3]               Empfehlung 98/257/EG der Kommission betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind, ABl. L 115 vom 17.4.1998, S. 31, und Empfehlung 2001/310/EG der Kommission über die Grundsätze für an der einvernehmlichen Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten beteiligte außergerichtliche Einrichtungen, ABl. L 109 vom 19.4.2001, S. 56.

[4]               Das Netz der Europäischen Verbraucherzentren (European Consumer Centre Network, ECC-Net) hilft Verbrauchern, bei grenzübergreifenden Streitigkeiten das richtige ADR-System in einem anderen Mitgliedstaat zu finden.

[5]               Das FIN-NET besteht aus AS-Systemen für die Beilegung grenzübergreifender Streitigkeiten zuwischen Verbrauchern und Anbietern von Finanzdienstleistungen.

[6]               So z. B. die Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und die Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt (ABl. L 211 vom 14.8.2009, S. 55 und 94), die Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge (ABl. L 133 vom 22.5.2008, S. 66), die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. L 178 vom 17.7.2000, S. 1).

[7]               ABl. L 136 vom 24.5.2008, S. 3.

[8]               Vgl. „Study on the use of Alternative Dispute Resolution in the European Union“ vom 16. Oktober 2009, http://ec.europa.eu/consumers/redress_cons/adr_study.pdf, S. 56-63; 112-115; 120-121.

[9]               Leitinitiative der Strategie Europa 2020: „Eine Digitale Agenda für Europa“, KOM(2010) 245, S. 13. Mitteilung der Kommission „Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte, KOM (2011) 206, S. 9.

[10]             „Study on the use of Alternative Dispute Resolution in the European Union“, Civic Consulting of the Consumer Policy Evaluation Consortium (CPEC), 2009, abrufbar unter: http://www.cc.cec/home/dgserv/sg/evaluation/pages/eims_en.htm.

[11]             „Consumer redress in the European Union“: http://ec.europa.eu/consumers/redress_cons/docs/ecc_network_centers.pdf

[12]             http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2009_2009/documents/dv/sec_2007_5/sec_2007_530.pdf

[13]             Öffentliche Konsultation zum Gebrauch alternativer Streitbeilegungsverfahren in Bezug auf Handelsgeschäfte und -praktiken in der EU: http://ec.europa.eu/consumers/redress_cons/Feedback_Statement_Final.pdf.

[14]             http://www.european-consumer-summit.eu/workshops3_en.asp.

[15]             335 Unternehmen aus allen EU-Mitgliedstaaten wurden zu ihren Erfahrungen und Meinungen zu ADR-Systemen befragt: http://ec.europa.eu/yourvoice/ebtp/consultations/2010/adr/index_de.htm.

[16]             In dieser Konsultation beantworteten 927 kleine und mittelgroße Unternehmen Fragen zur alternativen Streitbeilegung.

[17]             ABl. C … vom …, S.

[18]             ABl. C … vom …, S.

[19]             Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Binnenmarktakte – Zwölf Hebel zur Förderung von Wachstum und Vertrauen „Gemeinsam für neues Wachstum“, KOM (2011) 206 endg., S. 9.

[20]             Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 24./25. März 2011 (EUCO 10/11), S. 4. Siehe auch Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 23. Oktober 2011 (EUCO 52/11), S. 1-2.

[21]             ABl. L 136 vom 24.5.2008, S. 3.

[22]             ABl. L 12 vom 16.1.2001, S. 32.

[23]             ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 40.

[24]             ABl. L 177 vom 4.7.2008, S. 6.

[25]             ABl. L … vom …, S. …

[26]             ABl. L 136 vom 2.6.2010, S. 1.

[27]             ABl. L 364 vom 9.12.2004, S. 1.

[28]             ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30-36.

[29]             ABl. L … vom …, S. …