8.5.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 131/66


Dienstag, 25. Oktober 2011
Organisierte Kriminalität in der Europäischen Union

P7_TA(2011)0459

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. Oktober 2011 zur organisierten Kriminalität in der Europäischen Union (2010/2309(INI))

2013/C 131 E/08

Das Europäische Parlament,

gestützt auf Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union, Artikel 67 Kapitel 4 (Artikel 82-86) und Kapitel 5 (Artikel 87-89) des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

unter Hinweis auf das Stockholmer Programm über den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (1), die Mitteilung der Kommission „Schaffung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts für die Bürger Europas – Aktionsplan zur Umsetzung des Stockholmer Programms“ (KOM(2010)0171) und die Mitteilung der Kommission „EU-Strategie der inneren Sicherheit: Fünf Handlungsschwerpunkte für mehr Sicherheit in Europa“ (KOM(2010)0673),

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates Justiz und Inneres vom 8. und 9. November 2010 zur Schaffung und Umsetzung eines EU-Politikzyklus zur Bekämpfung der organisierten und schweren internationalen Kriminalität,

gestützt auf den Rahmenbeschluss 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (2),

in Kenntnis des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, die von der Generalversammlung am 15. November 2000 verabschiedet wurde (Resolution 55/25), und der entsprechenden Zusatzprotokolle, insbesondere des Zusatzprotokolls zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, des Zusatzprotokolls gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg und des Zusatzprotokolls gegen die unerlaubte Herstellung von Feuerwaffen, deren Teilen, Komponenten und Munition sowie gegen den unerlaubten Handel damit,

gestützt auf den Rahmenbeschluss 2003/577/JI des Rates vom 22. Juli 2003 über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union, den Rahmenbeschluss 2005/212/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über die Einziehung von Erträgen, Tatwerkzeugen und Vermögensgegenständen aus Straftaten (3) und den Rahmenbeschluss 2006/783/JI des Rates vom 6. Oktober 2006 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Einziehungsentscheidungen,

unter Hinweis auf den Rahmenbeschluss 2007/845/JI des Rates vom 6. Dezember 2007 über die Zusammenarbeit zwischen den Vermögensabschöpfungsstellen der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Aufspürens und der Ermittlung von Erträgen aus Straftaten oder anderen Vermögensgegenständen im Zusammenhang mit Straftaten (4) und auf den Bericht der Kommission KOM(2011)0176 auf der Grundlage von Artikel 8 des vorgenannten Beschlusses,

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union (7769/3/10) zur Einziehung und Vermögensabschöpfung,

in Kenntnis des Übereinkommens Nr. 198 des Europarats über Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten,

unter Hinweis auf die von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie mit dem Titel „Bewertung der Effizienz der von den EU-Mitgliedstaaten verwendeten Methoden für die Identifizierung, das Aufspüren, das Einfrieren und die Beschlagnahme von Erträgen aus Straftaten“ (2009),

unter Hinweis auf die Studie des Europäischen Parlaments mit dem Titel „Die Rolle der EU bei der Bekämpfung der internationalen organisierten Kriminalität“ (5),

unter Hinweis auf die von Europol jährlich erstellten OCTA-Berichte (European Organised Crime Threat Assessment) (6) und insbesondere den OCTA-Bericht 2011,

unter Hinweis auf den gemeinsamen Bericht von Europol, Eurojust und Frontex über den Stand der inneren Sicherheit in der Europäischen Union (2010),

unter Hinweis auf die Jahresberichte der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht zum Stand der Drogenproblematik in Europa,

unter Hinweis auf die Jahresberichte der „Direzione Nazionale Antimafia“ (DNA) in Italien; sowie auf die Berichte des Bundeskriminalamtes (BKA) über die ’Ndrangheta in Deutschland, insbesondere den jüngsten Lagebericht mit dem Titel „Untersuchung der Aktivitäten der Clans aus San Luca in Deutschland“,

unter Hinweis auf den von Europol 2008 erstellten ROCTA-Bericht (Russian Organised Crime Threat Assessment Report),

unter Hinweis auf den Gesamtbericht über die Tätigkeit von Europol (2009),

unter Hinweis auf die vom Europäischen Parlament in Auftrag gegebene Studie „Verbesserung der Abstimmung zwischen den für polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit zuständigen Gremien der EU: Auf dem Weg zur Einrichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft“,

gestützt auf den Rahmenbeschluss 2006/960/JI des Rates vom 18. Dezember 2006 über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union,

unter Hinweis auf den Beschluss 2009/426/JI des Rates vom 16. Dezember 2008 zur Stärkung von Eurojust und zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/187/JI über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität (7),

unter Hinweis auf die jährlichen Tätigkeitsberichte von Eurojust (2002-2010) (8),

gestützt auf den Beschluss 2008/976/JI des Rates vom 16. Dezember 2008 über das Europäische Justizielle Netz (9),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament über die Rolle von Eurojust und des Europäischen Justiziellen Netzes bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Terrorismus in der Europäischen Union (KOM(2007)0644),

gestützt auf den Beschluss 2009/371/JI des Rates vom 6. April 2009 zur Errichtung des Europäischen Polizeiamts (Europol) (10),

gestützt auf den Rahmenbeschluss 2008/977/JI des Rates vom 27. November 2008 über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden (11),

unter Hinweis auf das Übereinkommen vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (12), sowie den Rechtsakt des Rates vom 16. Oktober 2001 über das entsprechende Durchführungsprotokoll und auf das Übereinkommen vom 18. Dezember 1997 über die gegenseitige Amtshilfe und Zusammenarbeit der Zollverwaltungen (Neapel II) (13),

gestützt auf den Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten und die später erlassenen Änderungsrechtsakte (14),

unter Hinweis auf die Mitteilungen der Kommission auf der Grundlage von Artikel 34 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (KOM(2005)0063 und KOM(2006)0008),

unter Hinweis auf den am 11. Juli 2007 von der Kommission unterbreiteten Bericht über die Umsetzung des Europäischen Haftbefehls und den Informationsvermerk des Generalsekretariats des Rates vom 11. Juni 2008 über „Antworten auf Fragen zu quantitativen Informationen in Bezug auf die Anwendung des Europäischen Haftbefehls – Jahr 2007“ (15),

unter Hinweis auf seine Empfehlung an den Rat zur Bewertung des Europäischen Haftbefehls (16),

gestützt auf den Rahmenbeschluss 2002/465/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über gemeinsame Ermittlungsgruppen (17) und den Bericht der Kommission über die Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über gemeinsame Ermittlungsgruppen (KOM(2004)0858),

unter Hinweis auf die Studie des Europäischen Parlaments aus 2009 mit dem Titel „Einsatz des Europäischen Haftbefehls und der gemeinsamen Ermittlungsgruppen auf nationaler und europäischer Ebene“ (18),

unter Hinweis auf die Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 (19) zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates,

unter Hinweis auf die 40 Empfehlungen der „Financial Action Task Force“ (FATF) zur Bekämpfung der Geldwäsche,

unter Hinweis auf die Richtlinie 2005/60/EG vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zweck der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (20),

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1889/2005vom 26.Oktober 2005 über die Überwachung von Barmitteln, die in die Gemeinschaft oder aus der Gemeinschaft verbracht werden (21),

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1781/2006 vom 15. November 2006 über die Übermittlung von Angaben zum Auftraggeber bei Geldtransfer (22),

gestützt auf den Rahmenbeschluss 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (23) und den Bericht der Kommission an den Rat gemäß Artikel 9 des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI (KOM(2007)0328),

in Kenntnis des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption (sogenanntes „Übereinkommen von Merida“),

unter Hinweis auf die Straf- und Zivilrechtsübereinkommen des Europarats über Korruption; unter Hinweis auf das Europäische Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind, und auf das OECD-Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr,

unter Hinweis auf die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 (24) über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge in der geänderten Fassung,

unter Hinweis auf die Studie des Europäischen Parlaments mit dem Titel „Finanzinstitutionen und Einsatz der Strukturfondsmittel in Italien“ (2009),

in Kenntnis der EU-Strategie zur Drogenbekämpfung (2005-2012) und des EU-Drogenaktionsplans (2009-2012),

unter Hinweis auf den Weltdrogenbericht 2010 des UNO-Büros für Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung (UNODC),

unter Hinweis auf den Jahresbericht 2010 der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht zum Stand der Drogenproblematik in Europa,

unter Hinweis auf die von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie des „Center for the Study of Democracy“ mit dem Titel „Untersuchung der Verbindungen zwischen der organisierten Kriminalität und der Korruption“ (2010),

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels sowie auf die Empfehlung der Europäischen Kommission vom 13. Juni 2007 (25) zur Festlegung einer Reihe von Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Verordnung,

unter Hinweis auf die von der Europäischen Kommission finanzierte Transcrime-Studie 2008 mit dem Titel „Schutzgelderpressungen: Notwendigkeit eines Instruments zur Bekämpfung der Aktivitäten der organisierten Kriminalität“,

gestützt auf die Entschließung des Rates vom 25. September 2008 über einen europäischen Gesamtplan zur Bekämpfung von Nachahmungen und Piraterie und auf die Entschließung vom 23. Oktober 2009 über eine verbesserte Strategie für die Zusammenarbeit im Zollwesen,

unter Hinweis auf die Richtlinie 2008/99/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt (26),

in Kenntnis der schriftlichen Erklärung 2/2010 des Europäischen Parlaments zu den Bemühungen der Union zur Bekämpfung der Korruption,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 20. November 2008 mit dem Titel „Erträge aus organisierter Kriminalität - Straftaten dürfen sich nicht auszahlen“ (KOM(2008)0766),

gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,

in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres und der Stellungnahme des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A7-0333/2011),

A.

in der Erwägung, dass das vorrangige Ziel der Europäischen Union in der Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen besteht, in dem die Kriminalität verhütet und bekämpft wird (Art. 3 AEUV), sowie darin, durch Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Kriminalität, durch Maßnahmen zur Koordinierung und Zusammenarbeit von Polizeibehörden und Organen der Strafrechtspflege und den anderen zuständigen Behörden sowie durch die gegenseitige Anerkennung strafrechtlicher Entscheidungen und erforderlichenfalls durch die Angleichung der strafrechtlichen Rechtsvorschriften ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten (Art. 67 AEUV);

B.

in der Erwägung, dass die organisierte Kriminalität gewaltige Sozialkosten verursacht, die Menschenrechte verletzt, die demokratischen Regeln unterdrückt, die missbräuchliche Verwendung und die Vergeudung von Ressourcen (finanzielle Mittel, Human- und Sachressourcen usw.) bedeutet, den gemeinschaftlichen freien Markt verändert, Unternehmen und die legale Wirtschaft verseucht, die Korruption fördert und die Umwelt kontaminiert und zerstört;

C.

in der Erwägung, dass besorgniserregende Ergebnisse gerichtlicher, ermittlungsbehördlicher und journalistischer Untersuchungen gezeigt haben, dass die organisierte Kriminalität in einigen Mitgliedstaaten Politik, öffentliche Verwaltung und legale Wirtschaft tiefgreifend und massiv unterwandert hat; in der Erwägung, dass es denkbar ist, dass eine ähnliche Unterwanderung auch in den übrigen Ländern der Europäischen Union stattgefunden, und dadurch die organisierte Kriminalität an Macht und Einfluss gewonnen hat;

D.

in der Erwägung, dass Ziel und Ausgangspunkt der organisierten Kriminalität der wirtschaftliche Gewinn ist und wirksame Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung dieses Phänomens infolgedessen auf die Ermittlung, das Einfrieren, die Beschlagnahme und die Einziehung von Erträgen aus Straftaten ausgerichtet sein müssen; in der Erwägung, dass der auf EU-Ebene bestehende Rechtsrahmen offensichtlich nicht ausreicht, um effiziente Gegenmaßnahmen ergreifen zu können, und es einer Gesetzgebung bedarf, die beispielsweise den sogenannten erweiterten Verfall sowie Maßnahmen gegen auf Strohmänner und Tarnorganisationen eingetragenes Vermögen ermöglicht; ferner in der Erwägung, dass durch die Weiterverwendung der eingezogenen Vermögenswerte für soziale Zwecke insofern die Möglichkeit eines positiven Ansatzes bei den Bekämpfungsstrategien besteht, als der eingezogene Vermögenswert nicht mehr lediglich als einer kriminellen Vereinigung entzogene Ressource verstanden wird, sondern einen Faktor darstellt, der in doppelter Hinsicht nützlich ist, nämlich sowohl zur Verhütung der organisierten Kriminalität als auch zur Förderung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung;

E.

in der Erwägung, dass die kriminellen Vereinigungen ihre Aktivitäten auf zahlreiche und immer größere Bereiche wie beispielsweise internationalen Drogenhandel, Menschenhandel und Ausbeutung, Finanzstraftaten, internationalen Waffenhandel, Produktfälschung, Internetkriminalität, Umweltstraftaten, missbräuchliche Verwendung von öffentlichen Mitteln, Betrug sowie Erpressung bzw. Schutzgelderpressung ausdehnen, und dass diese Aktivitäten in der Regel internationaler und grenzüberschreitender Natur sind; in der Erwägung, dass die daraus stammenden Erträge zu einem großen Teil gewaschen werden;

F.

in der Erwägung, dass illegale Immigrantinnen und Mädchen von der organisierten Kriminalität – wie Prostitution und Menschenhandel – stärker bedroht sind als Frauen und Mädchen, die EU-Bürgerinnen sind;

G.

in der Erwägung, dass zwar noch keine Gesamtuntersuchung vorliegt, vorsichtigen Schätzungen zufolge sich der Umsatz der in Europa tätigen kriminellen Vereinigungen mit mafiösen Strukturen, insbesondere der italienischen Vereinigungen, wie aus zahlreichen Studien (unter anderem der Eurispes-Studie) hervorgeht und durch den gemeinsamen Bericht 2010 von Eurojust, Europol und Frontex bestätigt wird, jedoch auf mindestens 135 Milliarden EUR beläuft und damit höher ist als das Gesamt-BIP von sechs EU-Mitgliedstaaten, wobei in diesem Zusammenhang der Fall der ‘Ndrangheta kennzeichnend ist, der in den EU-Mitgliedstaaten und weltweit am tiefsten verwurzelten Mafia, deren Jahresgewinn bei mindestens rund 44 Milliarden EUR liegt;

H.

in der Erwägung, dass die Bedrohung der Europäischen Union durch das organisierte Verbrechen über ihre eigenen Grenzen hinausreicht, weshalb einer solchen Bedrohung unter Berücksichtigung der Notwendigkeit eines globalen und internationalen Ansatzes und mithin einer engen Zusammenarbeit mit Drittländern und mit internationalen Institutionen wie Interpol und UNODC entgegengewirkt werden muss,

I.

in der Erwägung, dass Korruption das grundlegende Erpressungs- und Belohnungsinstrument der organisierten Kriminalität bildet, um öffentliche Gelder zu veruntreuen und die Politik auf lokaler Ebene, die öffentliche Verwaltung und den privaten Sektor zu unterwandern;

J.

in der Erwägung, dass die Geldwäsche zu den heimtückischsten Kanälen gehört, um illegal erzielte Profite in den legalen Wirtschaftskreislauf einzuschleusen, und eine unumgängliche Übergangsphase darstellt, ohne welche die kriminell erworbene Kaufkraft eine lediglich potentielle, innerhalb der Schattenwirtschaft nutzbare Möglichkeit bliebe, aber nicht zu einer wirklichen wirtschaftlichen Macht werden könnte; in der Erwägung, dass Kooperation und internationale Zusammenarbeit für einen erfolgreich geführten Kampf gegen Geldwäsche von grundlegender Bedeutung sind;

K.

in der Erwägung, dass der internationale Drogenhandel die Haupteinnahmequelle der organisierten Kriminalität und der Mafiavereinigungen bildet und die Grundvoraussetzungen für ihren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolg schafft; in der Erwägung, dass die Europäische Union sowohl einen der wichtigsten Absatzmärkte für den Drogenhandel (Heroin, Kokain und Cannabis) als auch einen Produzenten (speziell auf dem Gebiet synthetischer Drogen) darstellt; in der Erwägung, dass an einem Handel eine Vielzahl eindeutig identifizierbarer, außereuropäischer Erzeuger- und Transitländer beteiligt ist, insbesondere in Lateinamerika, Westafrika und Asien;

L.

in der Erwägung, dass Erpressung, Schutzgelderpressung und Wucher zu den Praktiken gehören, mittels derer die organisierte Kriminalität die legale Wirtschaft untergräbt, jede Form des freien Marktes entscheidend verändert und die Rechte von Bürgern, Unternehmern, Arbeitnehmern und Berufstätigen beschränkt; ferner in der Erwägung, dass, wie die von der Kommission finanzierte Transcrime-Studie von 2008 mit dem Titel „Schutzgelderpressungen: Notwendigkeit eines Instruments zur Bekämpfung der Aktivitäten der organisierten Kriminalität“ gezeigt hat, dieses Phänomen besorgniserregende Ausmaße in zumindest der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten annimmt und in der übrigen Hälfte jedenfalls eine beträchtliche Präsenz aufweist; in der Erwägung, dass zwischen der Verbreitung von Schutzgelderpressungen und der Kontrolle eines Gebietes, seiner Wirtschaft, seiner Unternehmen und seiner Politik durch die organisierte Kriminalität ein Zusammenhang besteht; in der Erwägung schließlich, dass für eine wirksame Bekämpfung der Schutzgelderpressung es zunächst wesentlich ist, die Opfer zur Anzeige zu ermutigen, und dass es eines entschiedenen Auftretens der staatlichen Behörde vor Ort bedarf;

Einleitung

1.

begrüßt die vom Stockholmer Programm im entsprechenden Aktionsplan und der Strategie zur inneren Sicherheit vorgeschlagenen Initiativen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, und erwartet, dass die Bekämpfung der organisierten Kriminalität im nächsten Dreiervorsitz in die politischen Prioritäten aufgenommen wird und greifbare Ergebnisse erzielt werden;

2.

bekräftigt seine Überzeugung, dass die organisierte Kriminalität, sei sie nun mafia-ähnlich oder nicht, zu den schwersten Bedrohungen für die innere Sicherheit der EU und die Freiheit ihrer Bürger gehört; ist der Auffassung, dass zwar die Gefahr einer zunehmend häufigeren Zusammenarbeit der kriminellen Vereinigungen mit Terrororganisationen besteht, die organisierte Kriminalität jedoch unabhängig vom Terrorismus behandelt werden muss, und fordert eine besondere und sektorübergreifende EU-Strategie zu diesem Thema, die legislative und operative Maßnahmen, die Bereitstellung von Haushaltsmitteln und einen präzisen Zeitrahmen für die Umsetzung umfasst; unterstützt die Schlussfolgerungen des Rates vom 8./9. November 2010 zur Schaffung und Umsetzung eines EU-Politikzyklus zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, und fordert den Rat auf, den Beschluss zu überprüfen und die Einbeziehung des Europäischen Parlaments bei der Festlegung der Prioritäten, der Erörterung der strategischen Ziele und der Bewertung der Ergebnisse des Politikzyklus vorzusehen;

3.

unterstützt die Mitgliedstaaten bei ihren Maßnahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und fordert sie auf, ihre Justiz- und Strafverfolgungsbehörden auf der Grundlage der vorhandenen Erfahrungen u.a. durch einen Vergleich der zur Unterstützung der Tätigkeit vorgesehenen gesetezlichen und sonstigen Instrumente zu stärken, und geeignete personelle und finanzielle Mittel zu diesem Zweck bereitzustellen; ersucht die Mitgliedstaaten, entschlossen einen proaktiven Ermittlungsansatz zu entwickeln, nationale Pläne zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität auszuarbeiten und durch spezielle Strukturen die zentrale Koordinierung der Maßnahmen zu gewährleisten, indem sie auf den besten Erfahrungen einiger Mitgliedstaaten aufbauen; fordert den COSU (Ausschuss für innere Sicherheit) auf, ein jährliches Treffen zu organisieren, an dem zumindest die Mitgliedstaaten, die Kommission, der Rat, das Europäische Parlament, Europol und Eurojust teilnehmen sollten, und auf dem die erzielten Ergebnisse und die künftigen Pläne zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität auf EU-Ebene und auf einzelstaatlicher Ebene präsentiert werden können;

4.

weist mit Nachdruck darauf hin, dass alle Maßnahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität die Grundrechte uneingeschränkt beachten, in einem angemessenen Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehen und dass diese Ziele in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein müssen und im Einklang mit Artikel 52 der Charta der Grundrechte, und keine unangemessene Einschränkung der Freiheit des Einzelnen darstellen dürfen, wie dies in der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Charta der Grundrechte der EU und den verfassungsrechtlichen Grundsätzen, die den Mitgliedstaaten gemeinsam sind, verankert ist;

5.

drückt – eingedenk dessen, dass durch Artikel 222 des AEUV die rechtliche Verpflichtung der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten festgeschrieben ist, die Solidaritätsklausel anzuwenden – ihre tiefe Sorge über den Versuch der organisierten Kriminalität aus, in die Politik, die Regierung auf allen Ebenen, die Wirtschaft und die Finanzwelt einzudringen; fordert die Kommission, den Rat und die Mitgliedstaaten auf, ihre abschreckenden Maßnahmen auf den Zugriff auf die aus Straftaten stammenden Vermögen einschließlich der oft durch ein Netz an Strohmännern, Helfershelfern, politischen Institutionen und Lobbygruppen verborgenen Vermögen zu konzentrieren; betont, dass die Rolle der so genannten Wirtschaftskriminalität bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens in vollem Umfang berücksichtigt werden muss;

Verbesserung des EU-Gesetzgebungsrahmens

6.

fordert die Mitgliedstaaten angesichts der Tatsache, dass die internationalen kriminellen Netzwerke außerordentlich aktiv sind und die organisierte Kriminalität an Umfang und Komplexität zunimmt, auf, die Zusammenarbeit und Koordinierung zu verbessern und ihren rechtlichen Rahmen vor allem in Bezug auf die Ausarbeitung von gemeinsamen und homogenen strafrechtlichen Tatbeständen und Vorgehensweisen anzugleichen, wobei man sich an der guten Praxis der am weitesten fortgeschrittenen Regelungen bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität orientieren sollte; fordert die Mitgliedstaaten auf, die rechtzeitige und effektive Ratifizierung und/oder Umsetzung sämtlicher direkt oder indirekt mit der Bekämpfung der organisierten Kriminalität im Zusammenhang stehender europäischer und internationaler Rechtsinstrumente zu gewährleisten;

7.

nimmt die äußerst beschränkte Wirkung zur Kenntnis, die der Rahmenbeschluss 2008/841/JI zur organisierten Kriminalität auf die Gesetzgebungssysteme der Mitgliedstaaten ausübt, da er zu keinen signifikanten Verbesserungen in den nationalen Gesetzgebungen sowie in der operativen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität geführt hat, und fordert die Kommission auf, bis Ende 2013 einen Richtlinienvorschlag vorzulegen, der eine konkretere Definition der organisierten Kriminalität enthält und die Schlüsselmerkmale dieser Erscheinung insbesondere mittels Schwerpunktlegung auf den Schlüsselbegriff der „Vereinigung“ besser definiert und die neuen Formen der organisierten Kriminalität einbezieht; fordert, dass in Bezug auf den Straftatbestand der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und unter Berücksichtigung der verschiedenen einzelstaatlichen Rechtssysteme und ihrer Besonderheiten eine Studie über die Abschaffung des gegenwärtig geltenden dualen Ansatzes (der sowohl die Beteiligung als auch die Verabredung einer strafbaren Handlung unter Strafe stellt) durchgeführt und eine Reihe typischer Straftaten bestimmt wird, für die unabhängig von der in den Mitgliedstaaten vorgesehenen Höchststrafe dieser Straftatbestand als erfüllt angesehen wird; fordert außerdem, sich ernsthafter mit der Frage zu befassen, jedwede Form der Unterstützung krimineller Organisationen als Straftat zu behandeln;

8.

fordert die Kommission auf, sobald wie möglich einen Rahmenvorschlag für eine Richtlinie über das Verfahren zur Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten vorzulegen, wie dies in ihrem Arbeitsprogramm für 2011 vorgesehen ist, und fordert daher die Kommission unter Hinweis auf die Erfordernis, die in der Charta der Grundrechte und in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Grundrechte zu achten, auf:

Normen zum wirksamen Einsatz von Instrumenten wie den erweiterten Verfall und die Einziehung ohne Verurteilung auszuarbeiten;

Vorschriften über die Erleichterung der Beweislast nach der Verurteilung einer Person wegen einer schweren Straftat (einschließlich solcher im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität) hinsichtlich der Herkunft des Vermögens dieser Person auszuarbeiten;

die Einführung von Instrumenten in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten anzuregen, mit denen im Straf-, Zivil- und Steuerrecht die Beweislast betreffend die Herkunft des Vermögens einer Person, die wegen einer Straftat im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität verurteilt worden ist, gegebenenfalls erleichtert werden kann;

in ihren Vorschlag Vorschriften aufzunehmen, die im Falle der Übertragung von Vermögensgegenständen auf Dritte die Beschlagnahme und die spätere Einziehung ermöglichen; fordert außerdem, dass das Verhalten von Strohmännern als Straftat behandelt wird, weil es darauf abzielt, die Anwendung vermögensrechtlicher Schutzmaßnahmen zu umgehen oder das Begehen von Straftaten wie Hehlerei, Geldwäsche und Verwendung von Geldern illegalen Ursprungs zu erleichtern; fordert die Kommission daher auf, in ihren Legislativvorschlägen klarzustellen, dass der im UN-Übereinkommen von Palermo geregelte und in den Rahmenbeschluss 2008/841/JI übernommene Begriff „Ertrag aus Straftaten“ breiter gefasst ist als der Begriff „Gewinn“; fordert die Mitgliedstaaten auf, diesen Begriff unverzüglich in ihre Rechtsordnungen zu übernehmen, damit jegliche Einnahmen, die unmittelbar oder mittelbar mit der Begehung von Straftaten im Rahmen krimineller Vereinigungen zusammenhängen, beschlagnahmt oder eingezogen werden können;

9.

fordert die Kommission auf, einzuräumen und zu bekräftigen, dass europäische Normen zur Weiterverwendung der Erträge aus Straftaten für soziale Zwecke, darunter für den Zeugenschutz, unaufschiebbar sind, damit die Vermögenswerte der kriminellen Vereinigungen und ihrer Mitglieder in legale, saubere, transparente und seriöse Wirtschaftskreisläufe zurückgeführt werden können;

10.

befürwortet eine verstärkte Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zur Anerkennung und vollständigen Vollstreckung von Beschlagnahme- und Einziehungsanordnungen; ist der Auffassung, dass die Vermögensabschöpfungsstellen ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens sind, und dass sie so bald wie möglich mit den nötigen Mitteln, dem nötigen Fachwissen und den nötigen Befugnissen auszustatten sind; stimmt der Analyse der Kommission zu den Hauptschwierigkeiten, die in Bezug auf die aktiven Vermögensabschöpfungsstellen auftreten, zu; fordert die Kommission auf, die Rolle und die Zuständigkeiten der Vermögensabschöpfungsstellen zu stärken und ihnen einen flexibleren und einheitlicheren Zugang zu den Informationen zu gewähren, unter Achtung der Grundrechte und Datenschutzbestimmungen der EU;

11.

fordert die Kommission auf, bis Ende 2013 eine Studie über die Ermittlungspraktiken der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu veranlassen, wobei das Hauptaugenmerk auf den Einsatz von Mitteln wie z. B. Telefonüberwachung, akustische Wohnraumüberwachung, Durchsuchungen, verlängerte U-Haft, verlängerte Beschlagnahme, verdeckte Ermittlungen, kontrollierte Lieferungen und überwachte Lieferungen zu legen ist; fordert die Kommission auf, im Sinne von Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union bis Ende 2014 einen Richtlinienvorschlag über gemeinsame Ermittlungstechniken zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität vorzulegen;

12.

unterstreicht, wie wichtig es ist, primären und sekundären Opfern der organisierten Kriminalität, Zeugen, Informanten bzw. Hinweisgebern und ihren Familienangehörigen einen angemessenen Schutz zu garantieren; begrüßt in dieser Hinsicht den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über Mindeststandards zu den Rechten, zur Unterstützung und zum Schutz von Kriminalitätsopfern; fordert jedoch, dass die EU-Rechtsvorschriften auch Zeugen, Informanten bzw. Hinweisgeber und ihre Familienangehörigen abdecken; fordert die Gleichbehandlung aller Opferkategorien (insbesondere Opfer der organisierten Kriminalität, Opfer des Terrorismus und Opfer, die in Ausübung ihrer Pflichten geschädigt wurden) sowie Maßnahmen zur Ausdehnung des Zeugenschutzes sowie des Schutzes der Informanten bzw. Hinweisgeber und ihrer Familienangehörigen über die Dauer des Gerichtsverfahrens hinaus; betont, dass Minderjährige besondere Aufmerksamkeit und Behandlung und in besonderer Weise Schutz, Hilfe und Orientierung benötigen, wenn sie Opfer der organisierten Kriminalität geworden sind; fordert die Kommission auf, klare Richtlinien zugunsten der Zeugen, der Informanten bzw. Hinweisgeber und ihren Familienangehörigen zu erlassen und ihnen eine grenzübergreifende europäische Rechtsstellung zuzuerkennen, indem der Schutz, der diesen Personen innerhalb der Mitgliedstaaten gewährt wird, auf Antrag des Herkunftsstaates der Informanten, Zeugen oder Hinweisgeber ausgedehnt wird; schlägt die Schaffung eines europäischen Fonds zum Schutz und zur Unterstützung der Opfer des organisierten Verbrechens und der Zeugen vor, auch durch Unterstützung der von den Mitgliedstaaten anerkannten Nichtregierungsorganisationen, die gegen die Mafia und gegen Schutzgelderpressung kämpfen; begrüßt in diesem Zusammenhang den Erlass jener – von einigen Mitgliedstaaten verabschiedeter – Rechtsvorschriften, die im Falle von Straftaten der organisierten Kriminalität auf einen besseren Schutz der Zeugen und Informanten abzielen (beispielsweise durch Zulassung der „Fernvernehmung in der Hauptverhandlung“);

13.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Rolle der Verbände von Angehörigen der Opfer sowie deren Dialog mit den Institutionen zu fördern und die Einrichtung eines EU-Forums dieser Verbände zu fördern;

Beseitigung der tief verwurzelten organisierten Kriminalität mit mafia-ähnlichen Strukturen in der EU

14.

fordert die Kommission mit Nachdruck auf, einen Vorschlag zu einer Richtlinie vorzulegen, die darauf ausgerichtet ist, die Zugehörigkeit zu einer mafia-artigen oder sonstigen kriminellen Vereinigung in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen strafbar zu machen, damit kriminelle Organisationen unter Strafe gestellt werden, die aus ihrer eigenen Existenz Profit ziehen, da sie in der Lage sind, auch ohne konkrete Gewalttaten oder Bedrohungen Einschüchterung zu erzeugen, um Straftaten zu begehen und auf das System der Leitung im Wirtschafts-, Verwaltungs- und öffentlichen Dienstleistungssektor sowie auf das Wahlsystem Einfluss zu nehmen;

15.

beabsichtigt, innerhalb von drei Monaten nach Annahme dieser Entschließung eine Sonderkommission über die Verbreitung der grenzüberschreitend agierenden kriminellen Vereinigungen, einschließlich Mafia-Organisationen, einzurichten, deren Ziel unter anderem die Analyse des Ausmaßes der Erscheinung und der negativen sozio-ökonomischen Auswirkungen auf EU-Ebene einschließlich der Frage der missbräuchlichen Verwendung von öffentlichen Mitteln durch kriminelle Vereinigungen und Mafia-Organisationen und des Problems der Unterwanderung des öffentlichen Sektors durch diese und der „Verseuchung“ der legalen Wirtschaft und des Finanzwesens sowie die Ausarbeitung einer Reihe von Gesetzgebungsmaßnahmen, die dieser konkreten und bekannten Bedrohung für die Europäische Union und ihre Bürger entgegenwirken können, sein soll; fordert daher die Konferenz der Präsidenten auf, den Vorschlag gemäß Artikel 184 der Geschäftsordnung zu unterbreiten;

16.

fordert die Kommission auf, bis Juni 2013 unter Mitwirkung von Europol und Eurojust eine Studie zur Beurteilung des negativen Einflusses der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität in der Europäischen Union durchzuführen; fordert Europol auf, bis 2012 eine thematische OCTA zur Bedrohung durch die Präsenz mafia-artiger krimineller Vereinigungen in der EU auszuarbeiten;

17.

weist darauf hin, dass dem 2011 von Europol veröffentlichten OCTA-Bericht (Bewertung der Bedrohungslage im Bereich der organisierten Kriminalität durch die Europäische Union) zufolge kriminelle Organisationen in der Lage sind, sich anzupassen und rasch neue illegale Märkte ausfindig zu machen und auszubeuten; hält es deshalb für erforderlich, nicht nur die traditionellen Aktivitäten der organisierten Kriminalität zu bekämpfen, sondern auch den neuen Formen organisierter Kriminalität besondere Aufmerksamkeit zu schenken;

Verbesserung der Funktionsweise der in verschiedener Weise mit der Bekämpfung der organisierten Kriminalität befassten europäischen Einrichtungen und Stärkung der Beziehungen zu anderen internationalen Institutionen

18.

fordert die Mitgliedstaaten auf, den Beschluss 2009/426/JI zur Stärkung von Eurojust unverzüglich umzusetzen und anzuwenden und alle darin vorgesehenen Vorschriften einzuhalten; fordert die Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass ihre nationalen Eurojust-Mitglieder unverzüglich über jeden Fall unterrichtet werden, in den mindestens zwei Mitgliedstaaten unmittelbar einbezogen sind, sofern es ernstzunehmende Anzeichen dafür gibt, dass eine kriminelle Organisation beteiligt ist; betont die Bedeutung einer Stärkung von Eurojust zum Zweck einer besseren Schlagkraft bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität im Hinblick auf dessen Initiativrechte, insbesondere das Initiativrecht für die Aufnahme von Ermittlungen, und die gemäß Artikel 85 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union zugewiesenen Befugnisse; fordert die europäischen Institutionen auf, ihr politisches Gewicht auf internationaler Ebene deutlich zu machen, damit Überlegungen darüber angestoßen werden, ob einige Erfahrungen der EU, wie die mit Eurojust, auf internationaler Ebene nachgeahmt werden können, indem eventuell das bisher auf EU-Ebene erworbene Know-how zur Verfügung gestellt wird;

19.

fordert die Kommission auf, sobald wie möglich eine Folgenabschätzung hinsichtlich des Zusatznutzens der Europäischen Staatsanwaltschaft auszuarbeiten, unter Prüfung der Möglichkeit einer Erweiterung ihres Aufgabenbereichs auf die Bekämpfung der schweren grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität und der Korruption, wie in Artikel 86 Absatz 4 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehen, und unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Grundrechte und die Rechte der Verteidigung im Besonderen sowie der Notwendigkeit einer vorherigen Harmonisierung der Normen des Strafverfahrensrechts und des materiellen Strafrechts und der Regeln der Strafgerichtsbarkeit; fordert die Kommission auf, Konsultationen mit allen maßgeblich Beteiligten, einschließlich der Agentur für Grundrechte, des Europäischen Datenschutzbeauftragten, des Europarates, des Europäischen Parlaments, der nationalen Parlamente und der Zivilgesellschaft aufzunehmen, um die Auswirkungen der möglichen Einrichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft zu erörtern;

20.

unterstützt die 2009 skizzierte Fünfjahresstrategie für die Entwicklung von Europol; fordert Europol auf, die Begegnungen mit dem Europäischen Parlament und die Beziehungen zu ihm auszubauen, damit die Fortschritte bei der Umsetzung dieser Strategie und eventuelle Schwachstellen regelmäßig gemeinsam erörtert werden können; fordert Europol auf, sich wirksamer für die Bekämpfung des organisierten Verbrechens und der Mafia einzusetzen, indem es innerhalb seiner Organisation eine spezielle Abteilung einrichtet und fördert und die zugewiesenen Mittel in diesem Bereich besser nutzt; fordert Europol – im Hinblick auf die Bekämpfung krimineller Vereinigungen auf internationaler Ebene und insbesondere den Informationsaustausch – zu einer noch engeren Zusammenarbeit mit Interpol auf; fordert Europol auf, die Beziehungen zu den zuständigen Behörden von Drittstaaten zu intensivieren und strategische wie auch operative Vereinbarungen mit ihnen zu schließen;

21.

fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, die praktische Zusammenarbeit der nationalen Polizeidienste zu intensivieren und dafür die förmlichen Beschränkungen möglichst weitgehend aufzuheben;

22.

bekräftigt die Bedeutung einer verbesserten praktischen Zusammenarbeit zwischen den Polizei- und Justizbehörden der Mitgliedstaaten, um Daten zu kriminellen Organisationen auszutauschen und die Ermittlungen zu koordinieren; fordert die Kommission und Eurojust auf, dazu ein wirksameres Netz nationaler Anlaufstellen zu errichten; ersucht die Kommission zudem, jährliche Berichte zu den Fortschritten bei der intensivierten Zusammenarbeit zwischen den Polizei- und Justizbehörden im Bereich der organisierten Kriminalität vorzulegen;

23.

weist darauf hin, dass es trotz der zwischen Europol, Eurojust und OLAF abgeschlossenen bilateralen Protokolle und Vereinbarungen noch viel Raum für die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen diesen Einrichtungen gibt; fordert Europol, Eurojust und OLAF und den europäischen Koordinator für die Bekämpfung des Menschenhandels daher auf, sich konkret und gemeinsam sowohl für die Bewertung und ständige Aktualisierung der Vereinbarungen über die Zusammenarbeit als auch für deren Umsetzung einzusetzen, wobei das Hauptaugenmerk auf den Austausch von Fallsynthesen, Informationen zu Fällen und Informationen und Daten strategischer Art zu legen ist; ist der Auffassung, dass diese Kooperationsbeziehungen zwischen Europol, Eurojust und OLAF nur im Rahmen einer klaren Abgrenzung der Zuständigkeiten vollständig zum Tragen kommen können, damit Überschneidungen zwischen den verschiedenen Stellen vermieden werden; fordert die Kommission auf, eine Studie zur Beurteilung der Schlagkraft der Kriminalbehörden der EU und der Mitgliedstaaten durchzuführen;

Entwicklung des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung strafrechtlicher Entscheidungen und Verbesserung der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in der EU und mit Drittländern

24.

ist sich bewusst, dass es zur Überwindung der praktischen Hindernisse bei der justiziellen Zusammenarbeit notwendig ist, höchste Aufmerksamkeit auf die Information und Sensibilisierung der Polizei- und Justizbehörden zu lenken, und fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, die Aus- und Fortbildung von Justiz und Polizei als politische Priorität zu betrachten; fordert gleichzeitig die Kommission auf, die erforderlichen Maßnahmen, auch finanzieller Art, zu ergreifen, um die Tätigkeit der Mitgliedstaaten zu unterstützen;

25.

stellt fest, dass die justizielle Zusammenarbeit, auch zwischen den Mitgliedstaaten, einer der Pfeiler bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität und bei der Schaffung eines gemeinsamen Raumes der Sicherheit und des Rechts ist, und ruft die Mitgliedstaaten dazu auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen und unverzüglich alle bereits auf EU-Ebene bestehenden Instrumente der justiziellen Zusammenarbeit und insbesondere das Übereinkommen über die Rechtshilfe von 2000 und das dazugehörige Protokoll von 2001 sowie den Rahmenbeschluss über gemeinsame Ermittlungsgruppen umzusetzen; ist sich bewusst, dass es zur Überwindung der praktischen Hindernisse bei der justiziellen Zusammenarbeit notwendig ist, höchste Aufmerksamkeit auf die Information und Sensibilisierung der Polizei- und Justizbehörden sowie der Verteidiger zu lenken, und fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, die Aus- und Fortbildung von Justiz und Polizei ebenso wie die Rechte der Verteidigung als politische Priorität zu betrachten; fordert die Kommission gleichzeitig auf, die erforderlichen Ressourcen, auch finanzieller Art, bereitzustellen, um die Tätigkeit der Mitgliedstaaten zu unterstützen;

26.

fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, die Bemühungen um eine wirksame Anwendung des Europäischen Haftbefehls fortzusetzen; fordert die Kommission auf, zu erwägen, ob die in Artikel 4 des Rahmenbeschlusses genannten Gründe, aus denen die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls abgelehnt werden kann, nicht neu verfasst werden sollten, damit den Verpflichtungen der Union im Zusammenhang mit den Grundrechten Rechnung getragen wird sowie im Lichte der bisherigen Erfahrungen mit nachfolgenden Instrumenten der gegenseitigen Anerkennung in Bezug auf typische Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität, einschließlich der Straftat einer mafiösen Vereinigung; fordert die Justizbehörden der Mitgliedstaaten auf, ale Anstrengungen zu unternehmen, um sicherzustellen, dass die von ihnen erlassenen europäischen Haftbefehle immer Interpol übermittelt werden;

27.

erkennt die entscheidende Bedeutung der gemeinsamen Ermittlungsgruppen bei der Bekämpfung des grenzüberschreitenden organisierten Verbrechens an und verleiht seiner Besorgnis darüber Ausdruck, dass aufgrund der unzulänglichen Umsetzung des betreffenden Rahmenbeschlusses und der zögerlichen Haltung einiger nationaler Justizbehörden dieses Ermittlungsinstrument nicht voll zur Geltung gebracht werden kann; fordert die Kommission und den Rat auf, sowohl durch Sicherstellung der vollständigen Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2002/465/JI in allen Mitgliedstaaten, als auch durch Bereitstellung angemessener finanzieller Unterstützung die Rolle der gemeinsamen Ermittlungsgruppen neu zu beleben; weist mit Nachdruck darauf hin, dass die Arbeitsergebnisse der gemeinsamen Ermittlungsgruppen auf europäischer Ebene (z. B. durch den Wert der eingezogenen Vermögensgegenstände) und auf nationaler Ebene (z. B. Effektivität der verschiedenen Gruppenmitglieder) bewertet werden können, und fordert die Kommission in dieser Frage zur Zusammenarbeit mit Eurojust und Europol auf;

28.

weist darauf hin, dass für die organisierte Kriminalität Grenzen kein Hindernis darstellen; hält es folglich für erforderlich, die externe Dimension des Phänomens in den europäischen Rahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu integrieren; stellt fest, dass es hierbei wichtig ist, den Europäischen Auswärtigen Dienst und das Gemeinsame Lagezentrum (SitCen) stärker einzubeziehen; fordert, dass die Kommission die Abkommen mit Drittländern über die justizielle und ermittlungsbehördliche Zusammenarbeit zur Bekämpfung der internationalen organisierten Kriminalität zunehmend effektiver gestaltet und sie ständig aktualisiert; fordert des Weiteren bei der Ausarbeitung solcher Abkommen einen Ansatz, der den – mit den jeweiligen Gegebenheiten der einzelnen Drittländer verbundenen – Besonderheiten des von der organisierten Kriminalität für die innere und äußere Sicherheit der Europäischen Union ausgehenden Bedrohungspotenzials gebührend berücksichtigt; fordert seitens Europol immer häufigere und präzisere regelmäßige Analysen über nicht europäische kriminelle Organisationen, deren Tätigkeiten mittelbar oder unmittelbar Auswirkungen auf die Europäische Union haben; erachtet es als vorrangig, dass die Europäische Union und die internationalen Institutionen ihre Anstrengungen in der Balkanregion, insbesondere in Bezug auf die Frage der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, verstärkt fortsetzen; fordert, dass die Europäische Kommission in Zusammenarbeit mit Europol ein gemeinsames Projekt mit Interpol zur Förderung der Einrichtung und Anwendung eines regionalen Systems für den Austausch polizeilicher und justizieller Informationen mit Westafrika entwickelt und der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten das Know-how und die nötigen Mittel, unter anderem in den Bereichen Ausbildung und Follow-up, bereitstellt;

Weitere Empfehlungen für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität

29.

unterstreicht die Wichtigkeit, eine Kultur der Legalität zu fördern und bei den Bürgern und in der öffentlichen Meinung im Allgemeinen das Bewusstsein und Wissen über diese Erscheinungen zu stärken; unterstreicht in diesem Sinne die grundlegende Rolle einer gänzlich unbeeinflussten Presse, die dadurch in der Lage ist, die Verbindungen von organisierte Kriminalität und persönlichen Interessen zu ermitteln und aufzudecken; ist der Auffassung, dass bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben die uneingeschränkte Achtung des Grundrechts auf die Würde, die Ehre und die Privatsphäre des Menschen mit aller Entschiedenheit gewährleistet werden muss; fordert die Kommission auf, spezielle Aktionspläne zur Förderung einer Kultur der Legalität vorzulegen, unter anderem durch die Schaffung eigens für diesen Zweck bestimmter Haushaltskapitel;

30.

betont, dass sich die europäischen Institutionen und die Mitgliedstaaten zu einem ganzheitlichen Ansatz beim Vorgehen gegen den Kinderhandel verpflichten müssen, der sektorenübergreifende Maßnahmen zum Schutz der Rechte von Kindern, die Opfer des Kinderhandels geworden sind oder von Kinderhandel bedroht sind, zur Querschnittsaufgabe macht; stellt nachdrücklich fest, dass die Mitgliedstaaten aktiv zum Kampf gegen illegale Adoption beitragen sollten und einen Rahmen zur Gewährleistung von Transparenz und wirksamer Überwachung der Entwicklung von verlassenen und adoptierten Kindern entwickeln sollten;

31.

unterstreicht die grundlegende Bedeutung der Transparenz im öffentlichen Sektor bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und fordert die Kommission auf, aktiv zu werden, damit die notwendigen Vorschriften festgelegt werden, um die vollständige Rückverfolgbarkeit und Kontrolle der Vergabe und der Verwendung von Mitteln der EU sowohl durch die zuständigen Institutionen als auch durch die Bürger und die Presse zu gewährleisten; fordert, dass diese Informationen gleichzeitig auf einer speziellen Website zur Verfügung gestellt werden, und zwar in maschinenlesbaren, vergleichbaren Open-Data-Formaten und in mindestens einer Arbeitssprache der EU, sodass die Daten für die Zivilgesellschaft zur freien Weiterverwendung und Weiterverarbeitung leicht zugänglich sind; fordert die Mitgliedstaaten auf, analoge Maßnahmen zu ergreifen, damit jeder Einsatz öffentlicher Finanzmittel transparent wird, wobei besonderes Augenmerk auf die lokalen Verwaltungen zu legen ist, die besonders anfällig für eine Unterwanderung durch die organisierte Kriminalität sind, und wobei die von Natur aus eher im Verborgenen durchgeführten Maßnahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu berücksichtigen sind;

32.

fordert bei Wahrung aller Menschen- und Grundrechte, dass für Straftaten, die mit der organisierten Kriminalität in Zusammenhang stehen, ein angemessenes strafrechtliches Sanktionensystem und eine geeignete Regelung für den Strafvollzug vorgesehen werden, um einerseits von der Begehung von Straftaten abzuschrecken und andererseits zu verhindern, dass es während der Haft möglich ist, die Vereinigungen weiterhin zu lenken oder durch die Begehung weiterer Straftaten zu deren Zielen beizutragen;

Bekämpfungsmaßnahmen in Bezug auf spezielle Handlungsschwerpunkte der organisierten Kriminalität

33.

ist der Überzeugung, dass zwischen organisierter Kriminalität und Korruption ein enger Zusammenhang besteht, und betont nachdrücklich die bereits durch Annahme der schriftlichen Erklärung 02/2010 erfolgte Aufforderung hinsichtlich der Einrichtung eines objektiven und quantifizierbaren Bewertungs- und Kontrollmechanismus für die Antikorruptionspolitik der 27 Mitgliedstaaten als auch die Forderung zur Ausarbeitung einer gemeinsamen Politik der europäischen Institutionen bei der Bekämpfung der Korruption; unterstreicht die Notwendigkeit eines proaktiven Ansatzes bei der Bekämpfung der Korruption und fordert die Kommission auf, das Gewicht auf Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption im öffentlichen und im privaten Sektor zu legen; ist ferner der Auffassung, dass es vordringlich ist, wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption in der Nachbarschaftspolitik, in der Phase vor dem Beitritt und beim Einsatz von Finanzmitteln für die Entwicklungshilfe, insbesondere durch die Europäische Investitionsbank und die neuen Strukturen, die derzeit im Rahmen des Europäischen Auswärtigen Dienstes geschaffen werden, zu erarbeiten; fordert die Kommission auf, das Parlament zu informieren und eine wirksame Kontrolle der ergriffenen Maßnahmen und erzielten Ergebnisse sicherzustellen;

34.

fordert die Mitgliedstaaten auf, unverzüglich die internationalen Instrumente zur Korruptionsbekämpfung, insbesondere das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption und die Straf- und Zivilrechtsübereinkommen des Europarats über Korruption (1999) zu ratifizieren;

35.

setzt sich für die Festlegung von Vorschriften ein, die eine Kandidatur von Personen, die wegen Straftaten der Beteiligung an kriminellen Vereinigungen oder solchen, die typischerweise im Umfeld dieser begangen wurden (Menschenhandel, internationaler Drogenhandel, Geldwäsche, Betrug, Korruption und Schutzgelderpressung usw.), rechtskräftig verurteilt wurden, zum Europäischen Parlament ausschließen; fordert die Mitgliedstaaten auf, analoge Bestimmungen für Wahlen zu nationalen Parlamenten und Kommunalwahlen festzulegen;

36.

fordert die Kommission auf, klare Richtlinien und geeignete Legislativvorschläge festzulegen, um zu verhindern, dass Unternehmen, die mit der organisierten Kriminalität und der Mafia verbunden sind, an öffentlichen Ausschreibungen und an der Verwaltung öffentlicher Aufträge teilnehmen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Rückverfolgbarkeit von Finanzströmen bei Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge zu gewährleisten und die Einführung von Regeln zu prüfen, mit denen die Behinderung der von der öffentlichen Verwaltung durchgeführten Vergabeverfahren bestraft werden soll; fordert die Kommission auf, sicherzustellen, dass Artikel 45 der Richtlinie 2004/18/EG uneingeschränkt und korrekt angewandt wird, und die vorgesehenen Möglichkeiten des „Self-Cleaning“ von vornherein auszuschließen, wobei sie klarstellen sollte, dass Verurteilungen, die einen Ausschluss bewirken, juristische und/oder natürliche Personen betreffen, und sie ferner veranlassen sollte, dass ein solcher Ausschlussgrund nicht lediglich für den Zeitraum der Verurteilung, sondern für immer gilt; fordert von der Kommission die Vorlage von Vorschlägen zur Festlegung der Gründe für den Ausschluss von einem Vergabeverfahren bzw. besonderer Vorsichtsmaßnahmen für Personen, gegen die ermittelt wird oder die strafrechtlich verfolgt werden; fordert eine Erweiterung der Skala der Straftaten, die zu einem Ausschluss führen, auf all diejenigen, die typischerweise von dem organisierten Verbrechen begangen werden sowie Maßnahmen zur Vermeidung einer Umgehung von Rechtsvorschriften durch den Rückgriff auf Strohmänner und Helfershelfer; ersucht die Mitgliedstaaten um analoge Maßnahmen für sämtliche anderen Vergabeformen, Konzessionen, Lizenzen oder öffentliche Subventionen, selbst wenn sie nicht unter das EU-Recht fallen; ersucht die Kommission um die Erarbeitung adäquater legislativer und operativer Instrumente sowohl für den Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und den Institutionen und Agenturen der EU als auch für die Aufstellung „schwarzer Listen“ zur Verhütung der missbräuchlichen Verwendung öffentlicher Gelder in der Europäischen Union;

37.

begrüßt die Annahme der Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels, der häufig mit Aktivitäten der organisierten Kriminalität in Form von Ausnutzung der Prostitution, Ausbeutung der Arbeitskraft, Organentnahme und Sklaverei in Zusammenhang steht; betont die außerordentliche Bedeutung einer raschen und wirksamen Umsetzung dieser Richtlinie;

38.

fordert die Mitgliedstaaten und die Organe der EU auf, der Tatsache gebührend Rechnung zu tragen, dass die organisierte Kriminalität ihre Aktivitäten und ihre Interessen weiterhin nicht zuletzt durch den Drogenhandel fördert und den weltweiten Absatzmarkt für illegale Drogen auf neue Märkte und neue Substanzen auszudehnen versucht;

39.

ersucht die Europäische Investitionsbank und sämtliche europäischen Einrichtungen der Mitgliedstaaten für die Entwicklungsfinanzierung, ihre Politik im Zusammenhang mit den Offshore-Finanzplätzen und nicht kooperationsbereiten Hoheitsgebieten zu verbessern, indem sie insbesondere eine Liste von Ländern, die im Vergleich zu der schwarzen und grauen OECD-Liste strenger zu überwachen sind, aufstellen und, wo nötig, für jedes Land eine erhöhte Sorgfalt anwendet; indem sie jede Form der Unterstützung von Finanzintermediären an Standorten, die als hochriskant gelten, ablehnen und die Verlegung des Sitzes von in nicht kooperationsbereiten Hoheitsgebieten und Offshore-Finanzzentren eingetragenen Gesellschaften als unabdingbare Voraussetzung für die finanzielle Unterstützung bestimmter Aktivitäten fordert; ersucht die europäischen Institutionen und die Mitgliedstaaten, sich aktiv dafür einzusetzen, dass alle 40 Empfehlungen der „Financial Action Task Force“ ordnungsgemäß umgesetzt werden, indem für jede Einrichtung spezifische Strategien verabschiedet werden, die unter anderem eine erhöhte Sorgfalt vorsehen, insbesondere im Falle politisch sensibler Fälle;

40.

betont, dass die organisierte Kriminalität Kommunikations- und Informationstechnologien zu illegalen Zwecken nutzt, womit Delikte in Verbindung mit Identitätsraub, Computerkriminalität, Betrug, illegale Wetten und Manipulierung von Sportveranstaltungen begangen werden; fordert in diesem Zusammenhang die Entwicklung eines kohärenten europäischen Rechtsrahmens; fordert die Organe der EU auf, möglichst viele ihrer internationalen Partner aufzufordern, das Übereinkommen über Computerkriminalität aus dem Jahr 2001 zu unterzeichnen und zu ratifizieren; verweist auf den Trend, dass sich kriminelle Organisationen zunehmend auf Gelegenheiten zu Geldwäsche oder Finanzkriminalität konzentrieren, was zu einer stärkeren Verbreitung von internetbasierten kriminellen Aktivitäten führen könnte;

41.

fordert die europäischen Institutionen auf, ein klares Signal auf EU-Ebene und auf internationaler Ebene für die Bekämpfung sämtlicher Formen der Geldwäsche durch Nutzung der Finanzmärkte abzugeben, insbesondere durch mögliche Maßnahmen der Kapitalkontrolle, wie sie unlängst auch vom Internationalen Währungsfonds angeregt wurden: indem sie die Senkung der Durchlässigkeit der Finanzmärkte bei mittelfristigen Operationen fördern, indem sie höhere Transparenz bei der Verwendung öffentlicher Gelder – beginnend bei Fördermitteln für den privaten Sektor – durchsetzen und durch Einführung von nach Ländern untergliederten Finanzreportings für alle multinationalen Wirtschaftsakteure eine zuverlässige und wirksame Offensive gegen diese Steueroasen einleiten, indem sie ein multilaterales Abkommen über den Austausch von Steuerdaten fördern und gleichzeitig die Definition der Steueroase und die Liste dieser verschwiegenen Hoheitsgebiete prüfen; fordert die Kommission auf, klare Richtlinien zur Rückverfolgbarkeit von Geldern festzulegen, um die Ermittlung von Vorgängen im Zusammenhang mit dem „Waschen“ von aus Straftaten stammendem Schwarzgeld zu erleichtern; fordert die Kommission auf, im Hinblick auf ihren Legislativvorschlag zur Aktualisierung der Geldwäscherichtlinie den Straftatbestand des Waschens von Erträgen aus Straftaten so allgemein wie möglich zu definieren und eine Rechtsgrundlage für eine möglichst breite Palette von Ermittlungsbefugnissen in Bezug auf derartige Straftaten zu schaffen; fordert in diesem Zusammenhang, den Straftatbestand des sogenannten Self-Cleaning, d. h. der Geldwäsche durch dieselbe natürliche oder juristische Person, die das Geld illegal erworben hat, in allen Mitgliedstaaten obligatorisch aufzunehmen; ruft die Kommission des Weiteren dazu auf, in ihrem Vorschlag zu prüfen, ob es möglich ist, in den Straftatbestand des Waschens Fälle einzubeziehen, in denen der Straftäter hätte annehmen können, dass es sich bei den betreffenden Vermögenswerten um Erträge von Straftaten handelte;

42.

fordert die Kommission auf, die Umsetzung der EU-Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt durch die Mitgliedstaaten strikt zu überwachen, damit diese rechtzeitig und effizient vorgenommen wird; fordert die Kommission auf, innovative Instrumente für die strafrechtliche Verfolgung von Umweltdelikten, an denen die organisierte Kriminalität beteiligt ist, zu konzipieren, zum Beispiel indem sie einen Vorschlag zur Ausdehnung der positiven Erfahrungen Italiens mit dem Straftatbestand der „organisierten Tätigkeit des illegalen Abfallhandels“ auf die EU vorlegt, der seit 2011 in die Delikte mit erheblichen Auswirkungen auf die Gesellschaft, die daher in den Aufgabenbereich der Antimafia-Bezirksdirektion fallen, einbezogen wurde; fordert ein entschiedeneres Vorgehen der CITES-Büros und ihre stärkere Koordinierung auf europäischer Ebene beim illegalen Handel mit geschützten und vom Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzenarten;

43.

fordert die Mitgliedstaaten zu einem proaktiven Ansatz bei der Aufdeckung von Fällen der Schutzgelderpressung auf, beispielsweise durch Anreize und Formen der finanziellen Unterstützung für die Weiterführung einer unternehmerischen Tätigkeit im Falle der Anzeigeerstattung sowie mittels der Durchführung erkenntnisgestützter Ermittlungen; vertritt die Auffassung, dass die gewichtigere Rolle der Zivilgesellschaft und ihrer partnerschaftlichen Kooperation mit den Justiz- und Strafverfolgungsbehörden von entscheidender Bedeutung ist und gefördert werden muss; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Unterzeichnung von Absichtserklärungen zwischen dem Staat und Gewerbetreibenden und Unternehmern, die sich über Schutzgelderpressung beschweren, anzuregen, damit diese trotz der diesbezüglichen Schwierigkeiten arbeiten können; fordert die Kommission auf, in ihren Vorschlag für eine Richtlinie über die Einziehung von Erträgen aus Straftaten, die im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität begangen wurden, die Ausweitung der gegenwärtig in Artikel 3 Absatz 1 des Rahmenbeschlusses 2005/212/JI vorgesehenen Maßnahmen auf die Straftat der Schutzgelderpressung aufzunehmen;

44.

fordert die Kommission auf, den Rechtsrahmen für die Bekämpfung von Markenpiraterie durch spezifische Bestimmungen über die Rolle der organisierten Kriminalität zu ergänzen; unterstützt die Beschlüsse in der Entschließung des Rates vom 23. Oktober 2009 über eine verbesserte Strategie für die Zusammenarbeit im Zollwesen, wobei besonderes Augenmerk auf die Entwicklung neuer Kooperationsformen und neuer Ermittlungsmethoden, auf die Anwendung eines institutionellen Ansatzes auf der Grundlage der Zusammenarbeit zwischen Zollverwaltungen, Polizei und anderen zuständigen Behörden sowie auf die Optimierung des bestehenden Kooperationsprozesses zu legen ist, um bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität zu einem effizienten Ansatz zu gelangen und die Sicherstellung illegaler Waren in der gesamten Europäischen Union zu ermöglichen; hält es für erforderlich, bei der Verabschiedung und Umsetzung des fünften Aktionsplans für die Zusammenarbeit der Zollbehörden diesen Zielsetzungen einen hohen Stellenwert einzuräumen;

*

* *

45.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Parlamenten der Mitgliedstaaten, Europol, Eurojust, der Europäischen Investitionsbank, Interpol und UNODC zu übermitteln.


(1)  ABl. C 115 vom 4.5.2010, S. 1.

(2)  ABl. L 300 vom 11.11.2008, S. 42.

(3)  ABl. L 68 vom 15.3.2005, S. 49.

(4)  ABl. L 332 vom 18.12.2007, S. 103.

(5)  PE 410.678.

(6)  http://www.europol.europa.eu/index.asp?page=publications&language=

(7)  ABl. L 138 vom 4.6.2009, S. 14.

(8)  http://www.eurojust.europa.eu/press_annual.htm

(9)  ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 130.

(10)  ABl. L 121 vom 15.5.2009, S. 37.

(11)  ABl. L 350 vom 30.12.2008, S. 60.

(12)  ABl. C 197 vom 12.7.2000, S. 3.

(13)  ABl. C 24 vom 23.1.1998, S. 1.

(14)  ABl. L 190 vom 18.7.2002, S. 1.

(15)  10330/2008.

(16)  ABl. C 291 E vom 30.11.2006, S. 244.

(17)  ABl. L 162 vom 20.6.2002, S. 1.

(18)  PE 410.671.

(19)  ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1.

(20)  ABl. L 309 vom 25.11.2005, S. 15.

(21)  ABl. L 309 vom 25.11.2005, S. 9.

(22)  ABl. L 345 vom 8.12.2006, S. 1.

(23)  ABl. L 192 vom 31.7.2003, S. 54.

(24)  ABl. L 134 vom 30.4.2004, S. 114.

(25)  ABl. L 61 vom 3.3.1997, S. 1.

(26)  ABl. L 328 vom 6.12.2008, S. 28.