7.12.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 377/156


Donnerstag, 12. Mai 2011
Sri Lanka: Folgemaßnahmen zu dem UN-Bericht

P7_TA(2011)0242

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. Mai 2011 zur Lage in Sri Lanka

2012/C 377 E/21

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Bericht der Sachverständigengruppe des VN-Generalsekretärs zur Rechenschaftspflicht in Sri Lanka vom 31. März 2011,

unter Hinweis auf die Erklärung des VN-Generalsekretärs vom 25. April 2011 zur Veröffentlichung des Berichts der Sachverständigengruppe über Sri Lanka,

unter Hinweis auf die Übereinkommen, zu deren Unterzeichnern Sri Lanka gehört, und durch die es verpflichtet ist, vermeintliche Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte zu untersuchen und die Verantwortlichen zu bestrafen,

unter Hinweis auf die im Namen der Europäischen Union abgegebene Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 1. Juli 2010 zur Bildung einer VN-Sachverständigengruppe zur Klärung der Verantwortung in Sri Lanka,

unter Hinweis auf die Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zu dem Bericht der Sachverständigengruppe des VN-Generalsekretärs zur Verantwortung in Sri Lanka vom 10. Mai 2011,

unter Hinweis auf seine Entschließungen zu Sri Lanka vom 5. Februar 2009 (1), vom 12. März 2009 (2) und vom 22. Oktober 2009 (3),

unter Hinweis auf das Zusatzprotokoll II zur Vierten Genfer Konvention über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte,

gestützt auf Artikel 122 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass der andauernde Konflikt in Sri Lanka im Mai 2009 mit der Kapitulation der Bewegung der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) und dem Tod ihres Anführers zu Ende gegangen ist; in der Erwägung, dass infolge des Konflikts eine große Zahl von Einwohnern Sri Lankas als Binnenvertriebene lebt, insbesondere im Norden des Landes,

B.

in der Erwägung, dass in den letzten Monaten des Konflikts heftige Kämpfe in von der Zivilbevölkerung bewohnten Gebieten Schätzungen zufolge zu Tausenden von Toten und Verletzten unter der Zivilbevölkerung geführt haben,

C.

in der Erwägung, dass bei einem Besuch Ban Ki-moons in Sri Lanka am 23. Mai 2009, kurz nach dem Ende des Konflikts, Präsident Mahinda Rajapaksa and Ban Ki-moon eine gemeinsame Erklärung abgegeben haben, in der der VN-Generalsekretär die Bedeutung hervorhob, einen Prozess zur Klärung der Verantwortung einzuleiten und die Regierung von Sri Lanka einwilligte, Maßnahmen zu ergreifen, um vermeintlichen Verstößen gegen das Kriegsrecht nachzugehen,

D.

in der Erwägung, dass die Regierung von Sri Lanka am 15. Mai 2010 eine achtköpfige Kommission für Vergangenheitsbewältigung und Versöhnung (Lessons Learned and Reconciliation Commission – LLRC) gebildet hat, die die Ereignisse in Sri Lanka zwischen Februar 2002 und Mai 2009 untersuchen soll, um für Verantwortlichkeit, Gerechtigkeit und Versöhnung in dem Land zu sorgen,

E.

in der Erwägung, dass der VN-Generalsekretär am 22. Juni 2010 die Bildung einer Sachverständigengruppe angekündigt hat, die ihn in Bezug auf die Verantwortlichkeit für angebliche Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte während der letzten Phasen des Konflikts in Sri Lanka beraten soll,

F.

in der Erwägung, dass der am 25. April 2011 veröffentlichte Bericht der Vereinten Nationen zu der Schlussfolgerung gelangt, dass Berichte, denen zufolge sowohl die Regierungstruppen als auch die LTTE militärische Operationen unter eklatanter Missachtung des Schutzes, der Rechte, des Wohlergehens und des Lebens von Zivilisten durchgeführt und die Normen des Völkerrechts nicht eingehalten haben, glaubhaft sind,

G.

in der Erwägung, dass die internationale Gemeinschaft in den letzten Phasen des Konflikts die Regierung von Sri Lanka wiederholt aufgefordert hat, internationalen Beobachtern die Einreise zu gestatten, um die humanitäre Situation der von den Kämpfen betroffenen Zivilbevölkerung zu überwachen,

H.

in der Erwägung, dass die Sachverständigengruppe auch zu der Schlussfolgerung gelangt ist, dass die Bemühungen Sri Lankas fast zwei Jahre nach dem Ende des Krieges drastisch hinter den internationalen Normen für Verantwortlichkeit zurückbleiben,

1.

verleiht seiner Besorgnis über die Schwere der Vorwürfe in dem VN-Bericht Ausdruck; betont, dass diesen Vorwürfen und der Frage der Verantwortung gründlich nachgegangen werden muss, bevor eine dauerhafte Versöhnung in Sri Lanka erreicht werden kann;

2.

erkennt an, dass die Sachverständigengruppe zu dem Schluss gelangt ist, dass Vorwürfe glaubhaft sind, die, falls sie bewiesen werden, deutlich machen, dass sowohl die Regierung von Sri Lanka als auch die LTTE zahlreiche Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und gegen internationale Menschenrechtsnormen begangen haben, von denen einige als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit betrachtet werden müssen;

3.

begrüßt die Initiative des VN-Generalsekretärs, eine Sachverständigengruppe zur Verantwortlichkeit in Sri Lanka im Hinblick auf angebliche Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte während der letzten Phasen des bewaffneten Konflikts zu bilden;

4.

begrüßt die Entscheidung Ban Ki-moons, den Bericht vom 25. April 2011 zu veröffentlichen;

5.

hebt hervor, dass das Bekenntnis zu den Menschenrechten und zur Verantwortlichkeit einer der Hauptpunkte der gemeinsamen Erklärung des Präsidenten von Sri Lanka und des VN-Generalsekretärs vom 23. Mai 2009 war;

6.

begrüßt die Entscheidung des VN-Generalsekretärs, positiv auf die Empfehlung der Sachverständigengruppe zu reagieren, die Maßnahmen der VN zur Umsetzung ihres humanitären Auftrags und ihres Schutzmandats während des Krieges in Sri Lanka und insbesondere während der letzten Phasen des Konflikts zu überprüfen; nimmt zur Kenntnis, dass die Sachverständigengruppe empfohlen hat, dass der VN-Generalsekretär unverzüglich mit der Einrichtung eines unabhängigen internationalen Mechanismus beginnen sollte, wobei der Generalsekretär jedoch darauf hingewiesen wurde, dass dafür die Zustimmung des betreffenden Landes oder ein Beschluss der Mitgliedstaaten auf einem angemessenen zwischenstaatlichen Forum erforderlich ist;

7.

ist der Ansicht, dass im Interesse der Gerechtigkeit und der Versöhnung in Sri Lanka eine vollständige, unparteiische und transparente Untersuchung der im Bericht der VN-Sachverständigengruppe enthaltenen Vorwürfe gerechtfertigt ist; bestärkt die Regierung von Sri Lanka, in konstruktiver Weise auf die Empfehlungen der Sachverständigengruppe zu reagieren;

8.

ist tief besorgt über die beunruhigende mangelnde Unabhängigkeit der Justiz, die eine ergänzende Rolle zu einem unabhängigen Untersuchungsgremium spielen könnte; fordert die Regierung von Sri Lanka auf, für eine restitutive und ausgleichende Rechtsprechung Sorge zu tragen;

9.

fordert die Regierung von Sri Lanka auf, gemäß ihren internationalen Verpflichtungen und zur Verbesserung des innerstaatlichen Prozess zur Klärung der Verantwortungsfrage zu den Bemühungen beizutragen, die bereits im Interesse einer umfassenden Versöhnung unternommen werden;

10.

erkennt in diesem Zusammenhang an, dass die Regierung von Sri Lanka eine Kommission zur Aufarbeitung der Vergangenheit und Versöhnung (Lessons Learned and Reconciliation Commission – LLRC) eingerichtet hat; fordert die LLRC auf, dem VN-Bericht ernsthafte Beachtung zu schenken; weist darauf hin, dass die LLRC befugt ist, den Generalstaatsanwalt von Sri Lanka auf der Grundlage ihrer Erkenntnisse zur Einleitung von Strafverfahren aufzufordern;

11.

fordert, dass sowohl der LTTE als auch der Regierung von Sri Lanka für vermeintliche Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und gegen internationale Menschenrechtsnormen zur Verantwortung gezogen werden;

12.

fordert die Regierung von Sri Lanka auf, die Empfehlungen der Sachverständigengruppe beginnend mit den unverzüglich zu ergreifenden Maßnahmen umzusetzen und sofort mit einer ernsthaften Untersuchung der Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und gegen internationale Menschenrechtsnormen zu beginnen, die angeblich von beiden Seiten in dem bewaffneten Konflikt begangen worden sind;

13.

fordert die Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Rat und die Kommission auf, weitere Bemühungen zur Stärkung des Prozesses der Verantwortlichkeit in Sri Lanka zu fördern und den VN-Bericht zu unterstützen;

14.

fordert die Regierung von Sri Lanka auf, bei der Berücksichtigung der wirklichen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Besorgnisse und Interessen ihrer tamilischen Bürger proaktiv vorzugehen; fordert die Regierung von Sri Lanka in diesem Zusammenhang auf, aktive Maßnahmen im Bereich der Übertragung politischer Befugnisse zu ergreifen und die Aufnahme von Tamilen in den Staatsdienst, die Polizei und die Streitkräfte zu fördern, damit sich die tamilische Bevölkerung sicher fühlt, die Niederlage der LTTE als Befreiung erkennt und, gleichberechtigt mit ihren singhalesischen Mitbürgern, einer erfolgreichen und glücklichen Zukunft entgegensieht;

15.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, Generalsekretär der Vereinten Nationen sowie dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament von Sri Lanka zu übermitteln.


(1)  ABl. C 67 E vom 18.3.2010, S. 141.

(2)  ABl. C 87 E vom 1.4.2010, S. 127.

(3)  ABl. C 265 E vom 30.9.2010, S. 29.