7.12.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 377/99


Donnerstag, 12. Mai 2011
Öffentliche Aufträge

P7_TA(2011)0233

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. Mai 2011 zum gleichberechtigten Zugang zu öffentlichen Märkten in der EU und in Drittstaaten und zur Überprüfung des Rechtsrahmens für öffentliche Aufträge, einschließlich Konzessionen

2012/C 377 E/12

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf die Richtlinien 2004/18/EG und 2004/17/EG zur Vergabe öffentlicher Aufträge und die Richtlinien 89/665/EWG, 92/13/EWG und 2007/66/EG zu Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Mai 2010 zu neuen Entwicklungen im öffentlichen Auftragswesen (1),

unter Hinweis auf den Bericht von Mario Monti an den Präsidenten der Europäischen Kommission José Manuel Barroso mit dem Titel „Eine neue Strategie für den Binnenmarkt im Dienste der Wirtschaft und Gesellschaft Europas“,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission „Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte – Für eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft“ (KOM(2010)0608),

unter Hinweis auf das Grünbuch der Kommission über die Modernisierung der europäischen Politik im Bereich des öffentlichen Auftragswesens – Wege zu einem effizienteren europäischen Markt für öffentliche Aufträge (KOM(2011)0015),

gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass ein gut funktionierender Markt für öffentliche Aufträge von entscheidender Bedeutung ist, um die Entwicklung des Binnenmarkts zu unterstützen, Anreize für Innovationen zu schaffen, Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit zu begünstigen, ein höheres Niveau des Schutzes von Umwelt, Klima und sozialen Rechten in der ganzen EU zu fördern und optimale Ergebnisse für die staatlichen Behörden, die Bürger und die Steuerzahler zu erreichen,

B.

in der Erwägung, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge für die Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise und den Schutz vor weiteren künftigen Krisen äußerst wichtig ist, weil sie als Katalysator für die Wiederbelebung der EU-Wirtschaft und daher für mehr Beschäftigung und Wohlstand in der EU wirkt,

C.

in der Erwägung, dass ein fundiertes und wohldurchdachtes Verfahren zur Optimierung des Rechtrahmens für öffentliche Aufträge für den Wohlstand der Bürger, Verbraucher und Unternehmen in der EU, für die nationalen, regionalen und lokalen Behörden und somit für die Akzeptanz der EU als Ganzes von grundlegender Bedeutung ist,

D.

in der Erwägung, dass angesichts der Vielzahl an Fragen, die sich im Rahmen der Überprüfung des Vergaberechts der EU stellen, nach Dringlichkeit und Thematik geordnete Prioritäten unter Berücksichtigung der derzeitigen politischen Entwicklungen auf EU-Ebene und internationaler Ebene festgelegt werden müssen,

E.

in der Erwägung, dass auf der Grundlage einer ständigen Konsultation der Interessenträger zahlreiche Fragen im Zusammenhang mit den herkömmlichen Rahmenbedingungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge und das damit eng verbundene Thema der Konzessionen kohärent bewertet werden müssen,

F.

in der Erwägung, dass die spezifische Frage der Gleichbehandlung und des fairen Wettbewerbs auf den Märkten für öffentliche Aufträge in der EU und in Drittstaaten dringend einer größeren politischen Aufmerksamkeit bedarf, insbesondere im Hinblick auf die derzeitigen Probleme im Zusammenhang mit dem Zugang zu öffentlichen Märkten in Drittstaaten, die geringen Fortschritte bei den Verhandlungen über das WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen und das Zögern zahlreicher Drittstaaten, diesem Übereinkommen beizutreten,

1.

weist auf seine Anmerkungen in seiner Entschließung vom 18. Mai 2010 zu neuen Entwicklungen im öffentlichen Auftragswesen und insbesondere auf Ziffer 46 dieser Entschließung hin, in der es zwar protektionistische Maßnahmen bei öffentlichen Aufträgen auf weltweiter Ebene entschieden ablehnt, sich jedoch nachdrücklich vom Grundsatz der Gegenseitigkeit und der Verhältnismäßigkeit in diesem Bereich überzeugt erklärt; fordert die Kommission auf, eine genaue Analyse der potenziellen Vorteile und Probleme im Zusammenhang mit der Einführung gezielter verhältnismäßiger Beschränkungen des Zugangs zu Teilen des EU-Marktes für öffentliche Aufträge durchzuführen, eine Folgenabschätzung vorzunehmen, in der analysiert wird, zu welchem Zeitpunkt sie eingeführt werden sollen, und die Rechtsgrundlage für diejenigen Handelspartner zu bewerten, die Nutzen aus dem offenen EU-Markt ziehen, aber keine Bereitschaft zeigen, ihre eigenen Märkte für EU-Unternehmen zu öffnen, wobei die Kommission weiterhin die EU-Partnerländer dazu anhalten sollte, auf der Grundlage von Gegenseitigkeit und Verhältnismäßigkeit Marktzugangsregeln zugunsten europäischer Unternehmen anzubieten, bevor sie neue Rechtsakte im Bereich öffentlicher Aufträge vorschlägt;

2.

ist der Ansicht, dass auf der Grundlage von positiver Reziprozität und Transparenz und unter Einsatz aller verfügbaren Instrumente tatsächlich offenere Märkte für öffentliche Aufträge gewährleistet und protektionistische Maßnamen vermieden werden können;

3.

fordert die Kommission auf, Daten über den Grad der Öffnung des Bereichs öffentliche Aufträge zu liefern und Gegenseitigkeit mit anderen Industrieländern und bedeutenden aufstrebenden Volkswirtschaften sicherzustellen; fordert die Kommission auf, neue Mittel zu prüfen, mit denen für europäische Unternehmen der Zugang zu den Märkten für öffentliche Aufträge außerhalb der EU verbessert wird, damit gleiche Bedingungen für europäische und ausländische Unternehmen, die um öffentliche Aufträge konkurrieren, sichergestellt sind; empfiehlt generell, dass künftige von der Union ausgehandelte Handelsabkommen ein Kapitel über nachhaltige Entwicklung enthalten, das sich auf die Grundsätze der sozialen Verantwortung von Unternehmen stützt, wie sie in der 2010 aktualisierten Fassung der OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen festgelegt wurden;

4.

ist davon überzeugt, dass zur Vermeidung neuer protektionistischer Maßnahmen, die den Interessen von EU-Exporteuren auch in anderen Bereichen als den öffentlichen Märkten abträglich sein könnten, die Kommission geeignete Maßnahmen finden sollte, mit denen umfassende Gegenmaßnahmen der EU oder der Mitgliedstaaten ausgeschlossen werden und die auf angemessenen Instrumenten im Bereich öffentlicher Aufträge beruhen;

5.

fordert in diesem Zusammenhang die Kommission auf, die mit außerordentlich niedrigen Angeboten verbundenen Probleme zu bewerten und angemessene Lösungen vorzuschlagen;

6.

empfiehlt den Vergabebehörden, in Fällen außerordentlich niedriger Angebote zu einem frühen Zeitpunkt den anderen Bietern hinreichende Informationen zur Verfügung zu stellen, damit sie prüfen können, ob Gründe für die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens vorliegen;

7.

hält es für dringend geboten, dass die EU eine bessere Kohärenz zwischen der gemeinsamen Außenhandelspolitik der EU und Praktiken in den Mitgliedstaaten erreicht, bei denen auf Kosten von EU-Unternehmen und zum Nachteil der in den EU-Mitgliedstaaten geltenden arbeits-, sozial- und umweltrechtlichen Normen außergewöhnlich niedrige Angebote von Unternehmen akzeptiert werden, deren Heimatländer nicht das WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen unterzeichnet haben;

8.

betont im Zusammenhang mit der Frage Nr. 114 im Grünbuch der Kommission über die Modernisierung der europäischen Politik im Bereich des öffentlichen Auftragswesens, in der um die Aufstellung einer Rangordnung der Prioritäten bei den in diesem Grünbuch angesprochenen Themen gebeten wird, dass es wichtig ist, wirkungsvolle Lösungen in Bezug auf den nötigen fairen, offenen und ausgewogenen Marktzugang zu finden, dabei aber zügig weitere dringliche Angelegenheiten in Angriff zu nehmen, wie die Vereinfachung und Klärung der Vorschriften, Verbesserung des Zugangs für KMU zu öffentlichen Aufträgen, Ankurbelung von Innovationen im Wege öffentlicher Aufträge und anschließend Prüfung weiterer Aspekte der Überarbeitung des Bereichs öffentliche Aufträge im Zusammenhang mit Konzessionen; fordert daher die Kommission auf, zunächst das Thema der Vereinfachung der Vorschriften, der Schaffung eines ausgewogenen Zugangs zu öffentlichen Märkten und der Verbesserung des Zugangs für KMU anzugehen und als zweiten Schritt die Überprüfung öffentlicher Aufträge und Konzessionen durchzuführen, um die erforderliche enge Einbindung nicht nur des Europäischen Parlaments und der Mitgliedstaaten, sondern auch der Bürger und Unternehmen zu ermöglichen, damit die notwendige Würdigung all dieser wichtigen Binnenmarktthemen mit ihrer hohen Relevanz für den Gesamtwohlstand der EU erreicht wird;

9.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.


(1)  Angenommene Texte, P7_TA(2010)0173.