28.1.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 24/40


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Cloud Computing in Europa“ (Initiativstellungnahme)

2012/C 24/08

Berichterstatter: Eric PIGAL

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss auf seiner Plenartagung am 20. Januar 2011, gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Cloud Computing in Europa“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 7. Oktober 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 475. Plenartagung am 26./27. Oktober (Sitzung vom 26. Oktober) mit 143 gegen 1 Stimme bei 7 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Gestützt auf die Strategie Europa 2020 und insbesondere die Digitale Agenda befasst sich der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss in dieser Initiativstellungnahme mit einem noch in intensiver Entwicklung begriffenen, aussichtsreichen IT-Ansatz: dem „Cloud Computing“. Zunächst werden die praktischen Cloud Computing-Erfahrungen der im Ausschuss vertretenen Akteure sowie der Akteure des Cloud-Computing-Markts mit dieser neuen Entwicklung zusammengetragen. Anschließend wird der Ausschuss Empfehlungen formulieren, wie sich Europa (1) in diesem lohnenswerten Bereich mit Hilfe führender Unternehmen an die Spitze setzen kann.

1.2   Cloud Computing beruht auf einer digitalen Architektur, die den Vorteil rasch verfügbarer Lösungen bietet, die leicht erweiterbar sind und nutzungsabhängig abgerechnet werden können.

1.3   Cloud Computing stützt sich in der Praxis auf ein vielversprechendes Geschäftsmodell:

eine große Zahl potenzieller Anwender: Privatanwender, Unternehmen, öffentliche Dienste usw.;

die gemeinsame Nutzung der IT-Ressourcen und -Werkzeuge durch mehrere Benutzerumgebungen, was eine optimale Auslastung ermöglicht;

die Gewährleistung von Mobilität, denn insbesondere mobile Anwender können so ständig auf ihre Daten zugreifen;

die einfache, flexible und transparente Integration der verschiedenen technischen Bausteine: Internet, IT Facilities Management, mobile Anwendungen usw.;

niedrigere Betriebskosten während der gesamten Lebensdauer der IT-Systeme ohne hohe Vorabinvestitionen;

die Rückbesinnung der Unternehmen auf ihr Kerngeschäft, ohne dass sie mit der Komplexität der IT-Systeme konfrontiert werden;

Wachstumschancen durch neue Tätigkeitsfelder für wichtige Akteure des Sektors, Systemintegratoren, Softwareanbieter usw.

1.4   Bislang allerdings ist Cloud Computing noch unausgereift bzw. weist Schwachpunkte auf:

eine Vielzahl an Normen, mit denen die Nutzung des Cloud Computing geregelt und kontrolliert werden soll;

keine erkennbare europäische Governancestruktur zur Durchsetzung solcher Normen;

mangelnde Erfahrung der Anwender, vor allem der Privatanwender, um die beworbenen Vorteile und vor allem die potenziellen Risiken einschätzen zu können;

systeminhärente Anfälligkeit des Internet: Unterbrechungen durch Störungen, Cyberangriffe usw.;

Überlastung des Internet: sinkende Leistung, permanent steigender Datenverkehr (Audio- und Video-Dateien, Spam), die Nachteile des IP-Adressensystems;

Überlastung der Server: durch gemeinsame Nutzung von Server-Ressourcen und mögliche Überbuchung der Systeme kann es zu Datenstau kommen;

die Gefahren in Verbindung mit der Auslagerung von Daten und Anwendungen an Dritte;

die Risiken in Verbindung mit einer geografischen Verlagerung der Daten oder Anwendungen in ein anderes Land mit einer anderen Rechtsordnung;

das soziale Risiko aufgrund der Konzentration von Entwicklung, Vorhaltung, Support und Betrieb;

die Unklarheit der Rechte und Pflichten sowohl der Nutzer als auch der Cloud-Computing-Anbieter;

die undeutliche Unterscheidung zwischen der für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten verantwortlichen Person und der diese Datenverarbeitung durchführenden Person;

Komplexität bis hin zur Undurchschaubarkeit der Cloud-Computing-Verträge für all diejenigen, die nicht über einschlägige Kenntnisse verfügen, was die Sammlung, Verarbeitung und Übertragung der Daten der Verbraucher sowie deren gesetzliche Rechte betrifft.

1.5   Cloud Computing könnte Europa Gelegenheit bieten, auf einem vielversprechenden, großen und strategisch wichtigen Markt tätig zu werden. Dazu empfiehlt der Ausschuss, das die Europäische Kommission selbst, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten oder mit den einschlägigen europäischen Unternehmen, Maßnahmen in folgenden Bereichen durchführt:

1.5.1   Kompetenzen

Analyse der erforderlichen Kompetenzentwicklung (Informatiker/Informationstechniker) mit Blick auf die Entwicklung der Anforderungen und der Humanressourcen im Kontext des Cloud Computing;

Anregung bzw. Koordinierung von Berufsbildungs- bzw. Schulungsprogrammen;

Einführung spezifischer Zertifizierungen oder Bescheinigungen als Anerkennung bzw. Nachweis der Qualifikationen von Cloud Computing-Experten.

1.5.2   Forschung und Investitionen

Förderung einer Koordinierung der europäischen Forschungszentren, um Fach- und Sachwissen auf dem aktuellsten Stand zu halten;

Förderung des Glasfaser-Ausbaus über Subventionen für oder Partnerschaften mit europäischen Telekommunikationsunternehmen.

1.5.3   Partnerschaft

Förderung von Zusammenschlüssen europäischer Unternehmen für Investitionen in gemeinsame Cloud Computing-Vorhaben, bspw. unter dem Forschungsrahmenprogramm;

Förderung und sogar finanzielle Unterstützung von Investitionen in den Bau riesiger Serverfarmen in EU-Mitgliedstaaten, wie es sie in anderen Regionen bereits gibt;

Nutzung des öffentlichen Auftragswesens zur Anregung von Partnerschaften;

Zusammenführung der Hersteller von Cloud Computing-Software und der Telekommunikationsunternehmen, da diese naturgemäß in direktem Kontakt zu den potenziellen Cloud Service-Kunden stehen.

1.5.4   Normen und Governancestruktur

Aufruf an öffentliche und private Akteure zur Beteiligung an der Aufstellung von Regeln für die Beziehungen zwischen den Providern auf der einen und den europäischen Unternehmen oder Bürgern auf der anderen Seite;

Durchsetzung der EU-Vorschriften für Datensicherheit, Schutz der Privatsphäre usw. bei Cloud Computing-Lösungen unter Berufung auf den Vorsprung der EU in diesem Bereich;

Einrichtung einer europäischen Instanz zur Überwachung der Einhaltung besagter Vorschriften;

Begrenzung der Auslagerung sensibler Daten auf Server außerhalb Europas durch geeignete Rechtsvorschriften;

ernsthafte Berücksichtigung der sich durch die Anwendung des Cloud Computing ergebenden Herausforderungen im Zuge der Überarbeitung der Richtlinie zum Schutz personenbezogener Daten, wobei sich der EWSA der Tragweite dieser Herausforderungen bewusst ist.

2.   Einleitung

2.1   Cloud Computing ist ein weiterer Evolutionsschritt, der in seiner Folgenschwere in etwa der Entwicklung der Client/Server-Systeme oder der Einführung des Internet entspricht.

2.2   Bei Cloud Computing werden bestehende Modelle und Technologien wie Internet, Serverfarmen, IT Facilities Management bzw. Outsourcing usw. miteinander kombiniert und optimiert. Cloud Computing weist deshalb auch die gleichen Stärken und Schwächen auf wie seine Bausteine, bspw. in Sachen Internetgeschwindigkeit, Datenschutz im IT Facilities Management, Überbuchung gemeinsam genutzter Rechner usw.

2.3   Der Ausschuss hat sich in verschiedenen Stellungnahmen bereits zu mehreren Aspekten in diesem Kontext geäußert, die für das Cloud Computing unmittelbar relevant sind:

Datenschutz (2);

Telekommunikationssysteme (3);

Elektronische Kommunikation (4);

Internetdienste (5);

Verbraucherschutz (6);

Internet der Dinge - Aktionsplan für Europa (7).

Um sich nicht unnötig zu wiederholen, wird sich der Ausschuss in dieser Stellungnahme nur mit den Aspekten befassen, die das Cloud Computing unmittelbar angehen.

2.4   Der Ausschuss steht mit seinem Interesse für Cloud Computing nicht allein auf weiter Flur, auch andere europäische Einrichtungen und Organisationen beschäftigen sich mit dem Thema.

2.5   Die Kommissionsvizepräsidentin Neelie KROES umriss am 27. Januar 2011 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos ihre Vorstellungen wie folgt:

Wir können uns es nicht leisten, auf eine allgemein anerkannte Definition für Cloud Computing zu warten. Wir müssen handeln. (…) Wie in der Digitalen Agenda für Europa vorgesehen, habe ich mit der Ausarbeitung einer EU-weiten Cloud Computing-Strategie begonnen. Dies geht über einen politischen Rahmen hinaus, denn Europa soll nicht nur cloudfreundlich werden, sondern erfolgreich in der Cloud aktiv sein.

2.6   Die Europäische Kommission hat 2009 IT-Experten und Forscher mit der Erstellung einer Studie über die Zukunft des Cloud Computing  (8) beauftragt. Ferner hat sie eine öffentliche Konsultation  (9) zu Cloud Computing eingeleitet, deren Ergebnisse in die Entwicklung einer europäischen Cloud Computing-Strategie einfließen werden, die 2012 vorgelegt werden soll. Cloud Computing ist ein wichtiger Baustein für die Umsetzung der Strategie Europa 2020, insbesondere für die beiden Leitinitiativen „Digitale Agenda“ und „Innovation“.

Über das 7. Forschungsrahmenprogramm (10) werden bereits Cloud Computing-Programme finanziert.

2.7   Des Weiteren hat die ENISA  (11) im November 2009 einen Bericht über „Cloud Computing: Benefits, Risks and Recommendations for Information Security“ [Cloud Computing: Nutzen, Risiken und Empfehlungen zur Informationssicherheit] veröffentlicht.

2.8   Das amerikanische Normeninstitut NIST (12) hat vor kurzem folgende Veröffentlichung vorgelegt: „Cloud Computing Standards Roadmap“ (NIST CCSRWG - 092 - 5. Juli 2011).

3.   Einleitende technische Erläuterungen

3.1   Die Bemühungen um eine einheitliche Begriffsbestimmung wurden weitgehend von den Bestrebungen der Softwareunternehmen durchkreuzt, ihre bestehende Software mit dem Stempel „cloudfähig“ zu versehen.

Dennoch besteht weitgehend Einhelligkeit darüber, dass Cloud Computing rasch verfügbare und leicht erweiterbare Lösungen bietet, die nach Nutzung abgerechnet werden können.

3.2   Welche Eigenschaften sind für Cloud Computing charakteristisch?

—   Abstraktion: Für den Nutzer, ob Privatanwender oder Unternehmen, verblassen die Konfiguration der IT-Leistungen, der Ort ihrer Bereitstellung oder ihre Wartung bis zur Unsichtbarkeit.

—   Benutzerfreundlichkeit: Unter der Voraussetzung eines Internetzugangs können die Benutzer jederzeit und von jedem Rechner (ob PC, Pad oder Smartphone) aus auf ihre Daten und Anwendungen zugreifen.

—   Dynamische Skalierbarkeit: Der Anbieter liefert bedarfsgerecht und flexibel in Echtzeit die vom Anwender benötigten IT-Dienste und Rechenkapazität. So können die Bedarfsspitzen des Anwenders abgefedert werden, ohne dass er seine interne IT redundant auf Spitzenlast auslegen muss.

—   Gemeinsame Nutzung: Dadurch, dass sich mehrere Benutzerumgebungen die IT-Ressourcen teilen, ist eine Skalierung möglich. So kann die bestmögliche Auslastung und optimale Skalierbarkeit riesiger Serverfarmen mit mehreren tausend Rechnern erreicht werden.

—   Abrechnung nach Nutzung: Der Anwender bezahlt nur für die tatsächliche Nutzung, d.h. für Dauer und Umfang der jeweils benötigten Leistung. Cloud Computing-Verträge werden häufig noch ad hoc gestaltet, nehmen jedoch allmählich eine standardisiertere Form an.

3.3   Auf Unternehmensebene erstreckt sich die Cloud-Nutzung zunächst auf Collaboration-Anwendungen wie E-Mail oder Webkonferenzen, Cloudfähigkeits-Entwicklungs- und –Testumgebungen, Kundenbeziehungsmanagement-Anwendungen (CRM) und Business-Intelligence-Systeme.

Künftig ist davon auszugehen, dass die meisten IT-Anwendungen cloudfähig sind.

3.4   Unter Cloud Computing werden üblicherweise folgende drei – zunehmend komplexe – Ebenen subsumiert und teilweise auch kombiniert, die sich an unterschiedliche Anwenderkreise richten:

—   IaaS (Infrastructure as a Service)– ein Anwender mietet die benötigte Infrastruktur als virtuellen Service über das Internet, hauptsächliche Adressaten: IT-Dienste großer Unternehmen;

—   PaaS (Platform as a Service)– Funktionen für die Entwicklung und Bereitstellung von Anwendungen werden über das Internet bereitgestellt, Adressaten: Softwareentwickler;

—   SaaS (Software as a Service)– Software-Anwendungen werden direkt über das Internet genutzt, hauptsächliche Adressaten: Endnutzer, nicht notwendigerweise Informatiker; z.B. E-Mail für Privatanwender.

3.5   Mittlerweile werden Private Clouds verbreitet genutzt; ihr Management und Betrieb werden innerhalb eines Unternehmens abgewickelt, das sich so die Flexibilität und Leistungsfähigkeit von Cloud Computing zunutze machen kann, ohne sich mit der Problematik der Auslagerung von IT-Leistungen an einen Cloud-Dienste-Anbieter auseinandersetzen zu müssen.

Diese Lösung kann mehreren Bedürfnissen gerecht werden:

vorsichtige, unternehmensinterne Vorbereitung auf die Verlagerung der vorhandenen IT-Systeme auf eine Cloud Computing-Plattform;

Umstellung der unternehmensinternen Rechen- und IT-Zentren auf eine service-orientierte Architektur, die eine transparentere nutzungsabhängige Abrechnung der für die anderen Abteilungen erbrachten Rechenleistungen ermöglicht.

4.   Auswirkungen von Cloud Computing

4.1   Was bringt Cloud Computing für Unternehmen?

4.1.1   Wie bereits gesagt weist Cloud Computing die gleichen Stärken und Schwächen auf wie einiger seiner Bausteine.

4.1.2   Deshalb zunächst einige Vorteile, die Unternehmen nicht erst aus Cloud Computing, sondern bereits aus der Entwicklung des IT Facilities Management gezogen haben:

Konzentration auf das Kerngeschäft;

Skalenvorteile durch Industrialisierung und die gemeinsame Nutzung der Anbieterleistungen durch mehrere Anwender;

Verfügbarkeit hoher Fach- und Sachkompetenz.

4.1.3   Einer jüngeren Studie zufolge werden 70 % der Kosten eines hausinternen Rechen- und IT-Zentrums durch die Verwaltung der internen Anwendungen verursacht. Wenn ein Teil der IT-Leistungen ausgelagert werden kann, können die frei werdenden Kapazitäten auf Innovation und die Entwicklung neuer Dienste ausgerichtet werden.

4.1.4   Als Vorteile für Unternehmen werden am häufigsten genannt:

—   Geringere Erstinvestitionen: Bei den neuen digitalen Lösungen erfordert die Nutzung und Erweiterung von IT-Leistungen nicht länger umfangreiche Investitionen in Rechenzentren, Server, Software, Schulungen für anbieterspezifische Software usw.

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass erhebliche Investitionen erforderlich sein werden, um die bestehenden Lösungen sowohl der Unternehmen als auch der Softwareanbieter cloudfähig zu machen.

—   Bessere Performanz und Verfügbarkeit: Die Entwicklungsteams können sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren und müssen sich nicht um die vom Cloud Computing-Anbieter bereitgestellte IT-Infrastruktur kümmern; flexible und bedarfsgerechte Überlassung materieller und personeller Ressourcen.

—   Kostenrechnung und Kostensenkung: Statt fixer Investitionen fallen variable Kosten an. Cloud Computing ist eine mietvertragliche Leistung, in der die Wartung inbegriffen ist, d.h. transparente Software- oder Infrastruktur-Aktualisierungen und direkter Online-Support bei auftretenden Mängeln durch den Softwareanbieter oder Server-Hersteller.

—   Stärkung des Dienstleistungsmodells: Die hausinterne IT-Abteilung kann sich auf die Zusagen des Cloud Computing-Anbieters in Bezug auf Qualität, Verfügbarkeit, Sicherheit und Skalierbarkeit der IT-Leistungen berufen und ihrerseits ihren internen Kunden Vereinbarungen über Art und Umfang der zu erbringenden Dienstleistung (Service Level Agreements, SLA) vorschlagen.

—   Mobilität der Mitarbeiter: Durch Cloud Computing-Lösungen können alle Mitarbeiter eines Unternehmens an jedem Ort jederzeit auf aktuelle Unternehmensdaten zugreifen.

4.2   Für bestimmte Unternehmen ist Cloud Computing besonders interessant:

Kleinstunternehmen und KMU können kostengünstig auf IT-Ressourcen (Hardware, Software, Expertise) zugreifen.

Startup-Unternehmen, die sich definitionsgemäß in einer starken Wachstumsphase befinden, können auf flexibel skalierbare IT-Leistungen zugreifen.

4.3   Was haben Systemintegratoren von Cloud Computing zu erwarten?

4.3.1   Systemintegratoren entwickeln IT-Lösungen für ihre gewerblichen Kunden.

Aufgrund ihrer Expertise, ihrer Personalkapazitäten und ihrer flexiblen Anpassung an die schwankenden Kundenerfordernisse haben sie mittlerweile eine Schlüsselfunktion in der Informationstechnik.

Auf dem europäischen Markt führend sind Accenture, Atos, Cap Gemini, HP, IBM, Wipro usw.

4.3.2   Da IT-Entwicklungen naturgemäß punktuell und zeitlich begrenzt sind, fordern die hausinternen IT-Abteilungen Systemintegratoren nach Bedarf allein in der Entwicklungsphase an.

Die hausinternen IT-Abteilungen werden nur soweit in diese Entwicklungsphase einbezogen, dass sie anschließend die Nutzung und Wartung übernehmen können.

4.3.3   Auch im Zusammenhang mit Cloud Computing werden die Systemintegratoren für die Planung und Entwicklung von Lösungen für ihre gewerblichen Kunden zuständig sein.

In Anbetracht der damit verbundenen neuen Tätigkeiten können die Systemintegratoren dem Cloud Computing eigentlich nur positiv gegenüber stehen.

4.3.4   Allerdings stellt sich die Frage, ob diese neue Tätigkeit von Dauer sein wird oder ob es sich nur um eine punktuelle Maximallast wie seinerzeit bei der Jahrtausendwende oder bei der Einführung des Euro handelt.

Über mehrere Jahrzehnte hinweg haben Innovationen und technischer Fortschritt zu einer Produktivitätssteigerung geführt, die jedoch weder den Entwicklungsumfang beeinträchtigt noch einen Rückgang der Informatikerzahlen bewirkt hat, sondern ganz im Gegenteil eine erhebliche Ausweitung von Zahl und Einsatzbereich der Informationssysteme.

Cloud Computing fügt sich logisch in diesen Trend ein. Es ist davon auszugehen, dass Cloud Computing über weitere IT-Entwicklungen neue Tätigkeitsfelder für Systemintegratoren erschließen wird.

4.4   Wie bereiten sich die Softwareanbieter auf Cloud Computing vor?

4.4.1   Microsoft, Google, Oracle oder SAP, um nur einige Beispiele zu nennen, müssen alle erhebliche Investitionen in die „Umstellung“ ihres bestehenden Angebots vornehmen, damit es als „cloud ready“ vermarktet werden kann.

4.4.2   Diese Umstellung erfordert zunächst umfangreiche Investitionen in neue IT-Entwicklungen, wodurch vor allem einige „Geschäftsmodelle“ in Frage gestellt werden. Bspw. weicht Microsoft mit seinem Cloud-Angebot Office 365 grundlegend von seinem Modell ab, bei dem ab der ersten Nutzung einer Microsoft-Software eine Lizenz erworben werden muss.

4.5    Provider und Cloud Computing

4.5.1   In den letzten zehn Jahren hat sich das IT Facilities Management und in diesem Zusammenhang vor allem das Hosting von IT-Leistungen entwickelt (die Verwaltung von Servern, Netz und Basissoftware).

Durch Cloud Computing wird dieser Ansatz weiterentwickelt, indem die gehosteten IT-Leistungen vielen Kunden (Unternehmen oder Privatanwendern) gemeinsam zur Verfügung gestellt werden.

4.5.2   Cloud Computing vereinfacht demnach das Outsourcing, wobei durch eine Konzentration der Hosting-Einrichtungen riesige Serverfarmen entstehen. Die Entwicklung des Cloud Computing dürfte daher zu einer Umgestaltung des Sektors führen, bedingt durch den zunehmenden Wettbewerb zwischen den Dienste-Anbietern, durch Unternehmensübernahmen und -fusionen angesichts des ungeheuren Investitionsbedarfs und durch die unvermeidlichen sozialen Auswirkungen, die erfahrungsgemäß durch solche Konzentrationsphasen ausgelöst werden.

4.6   Sieht der öffentliche Sektor Cloud Computing aus einem anderen Blickwinkel als der private Sektor?

4.6.1   Der öffentliche und der private Sektor gründen auf Strategien, Kulturen, Menschen und Organisationen mit vergleichbaren Zielen, Grenzen und Arbeitsweisen.

4.6.2   Folglich dürfte Cloud Computing den öffentlichen Verwaltungen ähnliche Vorteile bringen wie den privatwirtschaftlichen Unternehmen (siehe oben).

Zudem können die öffentlichen Dienstleistungen für die Bürger aufgrund einer besseren Verfügbarkeit, Zugänglichkeit usw. durch Cloud Computing verbessert werden.

4.6.3   Nichtsdestotrotz weist der öffentliche Sektor besondere Merkmale auf:

Finanzkrise

Die krisenbedingte Haushaltsdisziplin macht Einschnitte in den öffentlichen Investitionsprogrammen, auch im IT-Bereich, notwendig. Cloud Computing ist in diesem Kontext ein idealer Ansatz, der es ermöglicht, IT-Ressourcen ohne Vorabinvestitionen zu nutzen.

Öffentliche Forschung

Die öffentliche Forschung spielt natürlich auch in der Privatwirtschaft eine Rolle, ist aber im öffentlichen Sektor über die nationalen Forschungszentren, die Hochschulzentren und die öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) sehr gegenwärtig.

Mögliche IT-Bedarfsspitzen im Zuge der Forschungstätigkeit können durch Cloud Computing problemlos aufgefangen werden.

Öffentliche Investitionen

Öffentliche Investitionen in Cloud Computing könnten als Hebel dienen, nationale oder europäische privatwirtschaftliche Investitionen, insbesondere von Telekommunikationsbetreibern, zu mobilisieren. In der Vergangenheit haben öffentliche Investitionen teilweise als Katalysator für privatwirtschaftliche Investitionen und Strategieentscheidungen gewirkt, so z.B. in der Luft- und Raumfahrt, der Mobiltelefonie, bei Hochgeschwindigkeitszügen usw.

Einige Mitgliedstaaten haben bereits massiv in die Änderung der Software ihrer Verwaltungen für eine Cloud-Migration investiert.

4.7   Ist Cloud Computing für Privatanwender von Belang?

4.7.1   Es gibt insbesondere an Privatanwender gerichtete Cloud Computing-Lösungen, so z.B. die Angebote iCloud von Apple, Microsoft Office 365, Picasa usw.

4.7.2   Nur wenige Privatanwender sind bereit, einen oder mehrere Server, eine Netzinfrastruktur oder dergleichen vorzuhalten. Auch können oder wollen sich nicht alle mit der Wartung dieser Infrastruktur befassen, auch nicht auf einem einzelnen PC.

4.7.3   Bislang auf PC (der Festplatte) verfügbare IT-Anwendungen (Textverarbeitung, Druck, Aufbewahren von Fotos, Datenspeicherung usw.) werden allmählich durch Internet-Anwendungen ersetzt und als Software-as-a-Service (SaaS, s.o.) in die „Wolke“ verlagert.

4.7.4   Die Nutzung der Basisversion dieser Dienste ist gratis. Die Provider finanzieren dies häufig dadurch, dass sie die Kundendaten eventuell gezielt für Marketing- und Werbezwecke nutzen können. Meistens wird eine kostenpflichtige Premiumversion mit mehr Speicherkapazität, zusätzlichen Anwendungen usw. vorgeschlagen.

4.7.5   Für Privatanwender löst Cloud Computing die zunehmende Komplexität der IT-Werkzeuge durch eine Vereinfachung der Nutzung und die Auslagerung der Ressourcenverwaltung. Hier wird ferner ein Modell geboten, bei dem IT-Leistungen nach Nutzung abgerechnet werden und das für die begrenzte und sporadische Nutzung der IT-Werkzeuge und -Ressourcen in Privathaushalten geeignet ist.

4.7.6   Schließlich gilt auch die mobile und ständige Zugriffsmöglichkeit auf Daten als immer wichtigerer Vorteil. Mehrere Cloud-Dienste-Anbieter (13) bieten ihren Kunden an, ihre Musik- oder Fotodateien o.ä. von überall aus anzuhören bzw. anzusehen.

4.8   Hat Cloud Computing neben seinen wirtschaftlichen und kommerziellen auch noch soziale Auswirkungen?

4.8.1   Vor allem die Berufsgruppe der Informatiker und Informationstechniker dürfte von der Entwicklung des Cloud Computing betroffen sein.

4.8.2   Die Tätigkeit der Systemintegratoren dürfte durch Cloud Computing nicht beeinträchtigt werden; im Gegenteil, in der Anfangsphase ist eher eine merkliche Steigerung zu erwarten. Zwar müssen sich die Informatiker und Informationstechniker dieser Unternehmen neue Kenntnisse aneignen, um Cloud Computing-Lösungen entwickeln zu können, doch dürften die Personalkapazitäten der Systemintegratoren davon nicht berührt werden.

4.8.3   Die für Entwicklungen zuständigen hausinternen Informatiker/Informationstechniker (der gewerblichen Kunden der Systemintegratoren) dürften ihre zentrale Aufgabe, gemeinsam mit den externen Informatikern Entwicklungen durchzuführen, um anschließend die Wartung sicherstellen zu können, verlieren. Wenn also tatsächlich ein Teil der Wartung in die Cloud ausgelagert werden kann, wird wohl auch die unternehmensinterne Personalkapazität im Entwicklungsbereich entsprechend reduziert.

4.8.4   Die für Support und Betrieb zuständigen Informatiker dürften stärker betroffen sein. Ihre Tätigkeit wurde ja bereits im Zuge des IT Facilities Management weitgehend ausgelagert und von externen Dienstleistern übernommen. Mit der Einführung von Cloud Computing wird sich das IT Facilities Management weiterentwickeln, dürfte aber von der Konzentrationsentwicklung und der geografischen Verlagerung im IT-Sektor beeinflusst werden. Es dürfte also mit einem Personalabbau in den Bereichen Support und Betrieb sowie Hosting zu rechnen sein.

4.8.5   Durch die ganze oder teilweise Auslagerung der IT-Dienste gibt es kaum noch Berührungspunkte zwischen Informatikern und IT-Endanwendern. Diese organisationstechnische oder auch geografische Entfernung erschwert ihre Interaktion. Interaktion aber fördert eine direkte und wirksame Zusammenarbeit und persönliche Kontakte, die es den IT-Fachleuten ermöglichen, die Schwierigkeiten und Erwartungen der Anwender besser zu verstehen.

4.9   Worauf ist bei Abschluss eines Cloud Computing-Vertrags zu achten?

4.9.1   Die Beziehung zwischen Kunde und Cloud Computing-Anbieter gestaltet sich auf zweierlei Weise: kostenlose oder kostenpflichtige Dienste. Allerdings ist die Unterscheidung nicht immer eindeutig, da kostenlose Dienste nichtfinanzielle Kosten verursachen können wie Kontextwerbung oder die mögliche Weiterverwendung der Kundendaten durch den Provider.

4.9.2   Kostenlose oder preiswerte Dienste sind im Allgemeinen auf Privatanwender ausgerichtet. Nichtsdestotrotz müssen diese die „allgemeinen Geschäftsbedingungen“ genau prüfen, die zwar weniger formell erscheinen mögen, aber doch bindend sind. Auch für Privatanwender sind Informationen, die sie einem Provider überlassen, wertvoll. Wenn Probleme auftreten, kann ein kostenloser Dienst womöglich in Zeitaufwand und Informationsverlust gemessen doch teuer zu stehen kommen.

4.9.3   Auch ein Unternehmen muss den Inhalt des Cloud Computing-Vertrags genau prüfen oder am besten durch Rechtsexperten prüfen lassen. Schließlich vertraut das Unternehmen einem externen Provider wertvolle Daten und Instrumente an und könnte bei einem Missbrauch der Informationen in größte Schwierigkeiten geraten.

4.9.4   Cloud Computing-Verträge sind selten verhandelbar, und die meisten Provider verlangen von ihren potenziellen Kunden die Einwilligung in ihre standardvertraglichen Regelungen. Allerdings kann ein besonders lukrativer oder strategisch wichtiger Auftrag auch hier einen Provider zu Vertragsanpassungen motivieren.

4.9.5   Kostenlose oder kostenpflichtige Leistung, standardisierter oder individueller Vertrag, folgende Aspekte müssen klar geregelt werden:

die Ebene der Cloud-Dienste (IaaS, PaaS, SaaS);

die gewährleistete Systemverfügbarkeit und die Haftung bei Datenverlust oder Schäden;

das Ausmaß der Ressourcenteilung mit anderen Nutzern (Überbuchung von Ressourcen bzw. Thin Provisioning);

die Flexibilität der Ressourcen und die Abrechnung nach Nutzungsumfang;

die Rechte und Pflichten des Cloud Computing-Anbieters in Bezug auf die Weitergabe von Informationen an Dritte, bspw. eine Justizbehörde;

die exakte Identität der Diensteanbieter in Anbetracht der vielschichtigen Cloud-Architektur;

die Möglichkeiten, den Vertrag zu kündigen, und der anbieterseitige Support in der Übergangszeit;

die Frage, welche Rechtsordnung anwendbar ist und welche Gerichte zuständig sind (national oder international).

5.   Die Schwachpunkte von Cloud Computing

5.1   Cloud Computing ist internetgestützt und somit auch vom Internet abhängig. Das Internet jedoch scheint an Grenzen zu stoßen, insbesondere seine Geschwindigkeit.

Die unaufhörlich wachsende Zahl der Internetnutzer und -anwendungen, die ins Unermessliche gehenden übertragenen Datenmengen (vor allem Audio- und Filmdateien), die von den Anwendern erwünschten immer kürzeren Antwortzeiten machen deutlich, dass die an das Internet gestellten Leistungsanforderungen potenziell problematisch sind. Der Datenverkehr in Verbindung mit Cloud Computing muss diese Probleme durch die zusätzliche übertragene Datenmenge, vor allem aber durch eine weitere Verkürzung der für die Nutzer vertretbaren Antwortzeiten, geradezu weiter verschärfen.

5.2   Die Widerstandsfähigkeit des Internet wird ebenfalls zur Gefahrenquelle für Cloud Computing. Technische Probleme, Cyberangriffe und jüngst auch politische Eingriffe haben das Internet lahmgelegt und dadurch seine Anfälligkeit, vor allem aber auch die Abhängigkeit seiner Nutzer, deutlich gemacht. Durch Cloud Computing wächst der Sicherheitsbedarf im Internet, das ursprünglich nicht für Geschäftsanwendungen gedacht war.

5.3   Ein wesentlicher, durch mehrere Faktoren bedingter Schwachpunkt des Cloud Computing ist die Sicherheit der Daten, die in die Cloud ausgelagert und dabei ggf. auch geografisch verlagert werden.

Zunächst kann die kontinuierliche, hohe Verfügbarkeit der ausgelagerten Daten für einen Cloud Computing-Anwender geschäftskritisch, gar überlebenswichtig sein. Die Vertraulichkeit ist insofern problematisch, als die Daten von einem externen Cloud-Anbieter gespeichert und vorgehalten werden.

Besonders kritisch ist die Vertraulichkeit bei sehr werthaltigen Daten, vor allem mit Blick auf Industriespionage.

5.4   Cloud-Lösungen sind für Hackerangriffe umso anfälliger, als die riesigen Serverkapazitäten der betreffenden IT-Dienstleister eine große Angriffsfläche bieten und ein mit ihrer Größe, ihrem Image und ihrem Kritikalitätsgrad zunehmend attraktives Angriffsziel darstellen. Um diesen zunehmenden Angriffen zu begegnen, sind daher zusätzliche Bemühungen und Spezialisten erforderlich.

Es ist jedoch auch zu beachten, dass die Anbieter von IT-Dienstleistungen (Outsourcing, Cloud Computing usw.) bereits sehr für Sicherheit und Cyberkriminalität sensibilisiert und vermutlich besser gerüstet sind als die meisten ihrer Unternehmenskunden.

Um es mit einem Bild auszudrücken: Ein Banksafe ist sicherlich ein Anziehungspunkt für Einbrecher, aber Schmuck ist hierin sehr viel sicherer aufgehoben als in einem Schmuckkästchen im Schlafzimmer!

5.5   Beim Dienst über Ländergrenzen hinweg kann auch die Überlegung schwierig sein, ob die Rechtsordnung des Landes des Anwenders oder des Providers gelten soll.

Außerdem muss festgelegt werden, welche Aufsichtsbehörde die Anwendung der Rechtsvorschriften überwachen und eventuelle Streitigkeiten zwischen Anwender und Provider schlichten soll.

In diesem Zusammenhang ist die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie die einschlägige Stellungnahme des Ausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zum Schutz von Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (14) relevant.

Die europäischen Datenschutzvorschriften schränken den Datentransfer in Drittländer erheblich ein. Der internationale Ansatz von Cloud Computing wirft Fragen im Zusammenhang mit der Übertragung von Daten zwischen Kunde und Provider zum einen und innerhalb der Provider-Infrastruktur zum anderen auf.

In diesem Zusammenhang stellt sich als weiteres Problem die fehlende (weltweite) Internet- und damit auch Cloud Computing-Governance.

Ein Aspekt des Datenschutzes betrifft das Urheberrecht. Da urheberrechtlich geschützte Daten über verschiedene Rechenzentren übertragen und räumlich verteilt werden können, ist es schwierig, Vorschriften für ihren Schutz, Urheberrechtseinnahmen und Kontrolle festzulegen.

5.6   Einige Akteure haben dank IT-Innovationen eine marktbeherrschende Stellung errungen, so z.B. Microsoft und Apple für Einzelgeräte (PC, Mobiltelefonie usw.) oder Google als Suchmaschine und Facebook als soziales Netzwerk. Die EU hat stets darüber gewacht, dass diese marktbeherrschenden Stellungen nicht den Interessen der anderen Akteure in den betreffenden Sektoren oder der Verbraucher schaden.

Bei Cloud Computing werden verschiedene Schlüsseltechnologien miteinander verknüpft, was Tür und Tor für marktbeherrschende Anbieter und die damit verbundenen Risiken öffnet. Die EU darf in ihrer Wachsamkeit also nicht nachlassen.

5.7   Portabilität ist nicht nur ein technischer, sondern auch ein wirtschaftlich relevanter Aspekt. Ohne Portabilität wird der Anwender eines Cloud-Angebots Opfer eines Lock-in-Effekts und kann die Auftragsdatenverarbeitung nicht einem anderen Anbieter übertragen, d.h. der Wettbewerb zwischen den Anbietern wird beeinträchtigt. Die Verwendung von Open Standards und die Gewährleistung der Interoperabilität der Dienste und Anwendungen kann eine einfache, rasche und für den Nutzer kostengünstige Übertragung von Daten von einem Anbieter zu einem anderen ermöglichen.

5.8   All diese Problemfelder könnten sich als gefährliche Hemmschwellen für die Nutzung und Verbreitung des Cloud Computing-Modells erweisen. Die Medienaufbereitung (in Presse, Rundfunk, sozialen Netzwerken usw.) dieser Schwachpunkte und damit verbundener Rechtsstreite könnte dem Cloud Computing großen Schaden zufügen und zum Verlust des Vertrauens der Anwender in die Technologie und in die Anbieter führen.

6.   Herausforderungen und Chancen für Europa

6.1   In den Worten von Neelie KROES hebt die Europäische Kommission darauf ab, Europa „cloud-aktiv“ zu machen. Aus dem Begriff „aktiv“ geht jedoch nicht hervor, ob es sich um die schlichte Nutzung oder um die Entwicklung von Cloud Computing handelt. Die erste Auslegung würde von einem erheblichen Mangel an Ehrgeiz zeugen. Das Anstreben eines „cloud-produktiven“ Europas ist viel aussagekräftiger – ein Europa, das nicht nur von anderen entwickelte Cloud-Lösungen nutzt, sondern auch eigene anbietet.

6.2   Die digitale Industrie – Dienste, Produkte, Inhalte – wird weitgehend von außereuropäischen Akteuren dominiert, zumeist von nordamerikanischen oder asiatischen Unternehmen.

Auf dem Telekommunikationsmarkt immerhin zieht Europa mit den anderen Regionen gleich. Betreiber wie Deutsche Telekom, Orange oder Telefonica sind Spitzenspieler.

6.3   Die digitale Industrie ist ein Wachstumsmotor, doch Europa steht noch am Fuß der Leiter. In den letzten Jahren hat Europa in verschiedenen Bereichen die Weltmarktführung übernommen, wobei es seinen Vorsprung in der Mobiltelefonie allerdings jüngst verloren hat.

6.4   Cloud Computing bietet nun eine Gelegenheit, die Karten neu zu mischen. Wieder wird ein Wettlauf um die Weltmarktführung beginnen, denn die aktuell marktbeherrschenden Akteure müssen sich gegenüber anderen und neuen Marktteilnehmern behaupten.

6.5   Der globale Ansatz von Cloud Computing macht die Entwicklung globaler Grundsätze und Standards erforderlich. Die EU muss bei der Aufstellung dieser Grundsätze und Standards weiterhin mit internationalen Organisationen zusammenarbeiten. Sie muss sich an die Spitze der Bemühungen um Erarbeitung globaler Grundsätze und Standards stellen und gewährleisten, dass diese Grundsätze und Standards das in den europäischen Rechtsvorschriften vorgesehene hohe Schutzniveau personenbezogener Daten sicherstellen.

6.6   In diesem neuen weltweiten Wettlauf hat Europa einige große Vorteile:

Es besitzt eine ausgezeichnete digitale Infrastruktur. Der Glasfaserausbau geht voran. Die Infrastruktur wird von einigen Schlüsselakteuren beherrscht, die bei der Festlegung der Standards im Telekommunikations-Umfeld und hinsichtlich der notwendigen Investitionen ihren Einfluss geltend machen können.

Durch eine starke öffentliche Investitionspolitik kann Europa privatwirtschaftliche Investitionen katalysieren.

Die regionalen oder nationalen KMU bevorzugen Anbieter in ihrem näheren Umfeld, d.h. europäische Cloud-Dienste-Anbieter.

Bestimmte Sektoren (Gesundheitssektor, Militär, Verkehrswesen, öffentlicher Sektor) unterliegen nationalen oder auch europäischen Vorschriften und Beschränkungen und werden deshalb nationalen oder europäischen Cloud-Dienste-Anbietern den Vorzug geben. Andere Bereiche (bspw. Banken, Versicherungen, Energiewirtschaft, Pharma-Industrie), in denen die Datensicherheit kritische Bedeutung hat, werden bevorzugt auf nationale oder europäische Cloud-Dienste-Anbieter zurückgreifen.

Brüssel, den 26. Oktober 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Im weiteren Verlauf werden die Bezeichnungen „Europa“, „Europäische Union“ bzw. „EU“ gleichbedeutend nebeneinander verwendet.

(2)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Schutz personenbezogener Daten“, ABl. C 248 vom 25.8.2011, S. 123.

(3)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Elektronische Kommunikationsnetze“, ABl. C 224 vom 30.8.2008, S. 50.

(4)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Überlegungen zum Umfang des Universaldienstes im Bereich der elektronischen Kommunikation“, ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 8.

(5)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Weiterentwicklung des Internets“, ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 92.

(6)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Kreative Online-Inhalte im Binnenmarkt“, ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 63.

(7)  ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 60 und ABl. C 255 vom 22.9.2010, S. 116.

(8)  Europäische Kommission / Generaldirektion Informationsgesellschaft und Medien – Bericht einer Expertengruppe – Berichterstatter: Lutz SCHUBERT (Bericht liegt nur in englischer Sprache vor).

(9)  Vom 16. Mai bis 31. August 2011.

(10)  RP7 (7. Rahmenprogramm).

(11)  European Network and Information Security Agency - Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit.

(12)  National Institute of Standards and Technology (USA).

(13)  Amazon Cloud Drive, iCloud von Apple.

(14)  ABl. C 159 vom 17.6.1991, S. 38 (CESE 569/1991).