22.12.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 376/25


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Ländliche Entwicklung und Beschäftigung in den Westbalkanländern“ (Initiativstellungnahme)

2011/C 376/05

Berichterstatter: Cveto STANTIČ

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss auf seiner Plenartagung am 19./20. Januar 2011, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Ländliche Entwicklung und Beschäftigung in den Westbalkanländern“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 8. September 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 474. Plenartagung am 21./22. September 2011 (Sitzung vom 21. September) mit 166 gegen 1 Stimme bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Zu den sozioökonomischen Merkmalen der ländlichen Gebiete in der EU und in den Westbalkanländern (1) gibt es nur widersprüchliche und nicht vergleichbare Daten, was zum Teil auf das Fehlen einer einheitlichen Definition des Begriffs ländlicher Raum zurückzuführen ist. Deshalb unterstützt der EWSA die Idee der EU-weiten Vereinheitlichung der Kriterien für die Definition des ländlichen Raums, durch die ländliche Gebiete selbst sowie die für sie eingesetzten Strategien und Maßnahmen besser vergleichbar würden.

1.2   Die ländlichen Gebiete in den Westbalkanländern stehen vor zahlreichen strukturellen und sozioökonomischen Problemen, für die im Rahmen der EU-Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums und der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) Lösungen gefunden werden können. Der EWSA empfiehlt nachdrücklich, dass die Westbalkanländer bei der Gestaltung ihrer Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums und unter Berücksichtigung ihrer besonderen nationalen Probleme und Prioritäten die Erfahrungen der EU auf diesem Gebiet in ihrer Politik zum Tragen bringen.

1.3   Riesige Gebiete in den Westbalkanstaaten leiden nach wie vor unter Entvölkerung und ihre Ressourcen bleiben ungenutzt; während sich die Bevölkerung und Wirtschaftstätigkeit unverhältnismäßig stark in den städtischen Zentren konzentrieren. Diese Entwicklung hat anhaltende negative wirtschaftliche, soziale, raumplanerische und ökologische Folgen. Daher sollten spezielle gebietsbezogene Maßnahmen konzipiert und ergriffen werden, um in diesen Gebieten ein nachhaltiges Wachstum anzustoßen.

1.4   Das Wirtschaftsgefüge im ländlichen Raum der Westbalkanländer ist durch das Vorherrschen der Subsistenz- und Semisubsistenz-Landwirtschaft, eine hohe Arbeitslosigkeit, verdeckte Erwerbslosigkeit und eine schwach ausgeprägte Mobilität der Arbeitskräfte gekennzeichnet. Die einzigen Wettbewerbsvorteile ländlicher Gebiete sind niedrige Lohnkosten und hochwertige natürliche Ressourcen. Eine Entwicklung des Unternehmertums wird durch eine Reihe von Faktoren gebremst: unterentwickelte Infrastruktur, Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, eingeschränkter Zugang zu den Märkten und Krediten, fehlende Investitionsförderung und geringes unternehmerisches Potenzial.

1.5   Die extensive Landwirtschaft ist nach wie vor eine wesentliche wirtschaftliche Triebkraft und einer der wichtigsten Arbeitgeber im ländlichen Raum der Westbalkanländer. Sie braucht allerdings eine Modernisierung und Produktivitätssteigerung, die zum einem Arbeitskräfteüberschuss in der Landwirtschaft führen dürfte. Die Lösung liegt in der Diversifizierung der Wirtschaft im ländlichen Raum, um so das Einkommensrisiko der ländlichen Haushalte zu vermindern.

1.6   Die Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung, die die Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft unterstützen sollen, sind noch unzureichend und stehen nicht im Einklang mit der EU-Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums. Selbst wenn es bestimmte nationale Strategien gibt, wird deren Kontinuität und Umsetzung durch politische Instabilität und häufige Regierungswechsel stark beeinträchtigt. In den meisten Ländern sind Fonds für die ländliche Entwicklung vorhanden, diese sind aber im Vergleich zur EU nur schwach dotiert.

1.7   Die Heranführungshilfe im Bereich Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (IPARD) bleibt die wichtigste Quelle für finanzielle Unterstützung im ländlichen Raum. Den meisten Ländern fällt es schwer, das derzeitige EU-Modell für die ländliche Entwicklung zu übernehmen, da dieses sehr komplex und mit anspruchsvollen Umsetzungsverfahren verbunden ist. Die EU sollte daher die Möglichkeit einer Vereinfachung der IPARD-Verwaltungs- und Kontrollprinzipien und -verfahren erwägen, um eine wirksame Nutzung der verfügbaren Mittel und Maßnahmen zu fördern.

1.8   Eine der größten Schwierigkeiten beim Zugang zu IPARD liegt offenbar in den unzureichenden administrativen und institutionellen Kapazitäten auf nationaler und lokaler Ebene und der geringen Kapazität der potenziellen Begünstigten. Die Regierungen dieser Länder sind aufgefordert, größere Anstrengungen beim Aufbau ihrer Institutionen und Kapazitätsaufbau potenzieller Begünstigter zu unternehmen.

1.9   Der EWSA empfiehlt zudem mehr Flexibilität bei der Verwendung von Heranführungshilfe für die Entwicklung des ländlichen Raums, und zwar insbesondere dadurch, dass beim Zugang zu Beihilfen für die Landwirtschaft und die ländliche Entwicklung nicht mehr zwischen Kandidatenländern und potenziellen Kandidatenländern unterschieden wird. Da sich die Situation von Land zu Land unterscheidet, sollte sich die Beurteilung der Verwaltungs- und Absorptionskapazität stärker nach dem Einzelfall richten.

1.10   Um die Arbeitslosigkeit, Armut und Ausgrenzung auf dem Lande wirksamer bekämpfen zu können, müssen die verschiedenen Maßnahmen und zur Verfügung stehenden Mittel besser miteinander koordiniert werden. Die Regionalpolitik kann eine wichtige zusätzliche Unterstützung für die Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums leisten, wenn beide Bereiche richtig miteinander kombiniert und kohärent angewandt werden.

1.11   Es gilt es, vor allem folgende einzelstaatlichen Maßnahmen zu stärken und besser zu koordinieren:

—   Maßnahmen zur aktiven Eingliederung: besserer Zugang zu Informationen und Beratung über Sozialleistungen;

—   arbeitsmarktpolitische Maßnahmen: eine höhere Beschäftigungsrate und geringere regionale Unterschiede können durch mehr aktive Arbeitsmarktmaßnahmen erreicht werden;

—   Schul-, Aus- und Weiterbildung: Bildungsangebote auf allen Ebenen, Bekämpfung von Schulabbruch und Stärkung der Fähigkeiten und Qualifizierung junger Menschen durch maßgeschneiderte Schulungsmaßnahmen, damit die Kompetenzen besser den Arbeitsmarkterfordernissen entsprechen;

—   Maßnahmen der ländlichen Entwicklung: den Schwerpunktachsen II und III sollte mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, während es Maßnahmen der Schwerpunktachse I in den meisten Ländern bereits gibt (2).

1.12   Die Zivilgesellschaft spielt auf dem Lande keine wichtige Rolle, was mit mangelnden unternehmerischen und organisatorischen Fähigkeiten, demografischen Problemen und einer im Vergleich zu den Städten gering ausgeprägten sozialen Infrastruktur zusammenhängt. Eine mögliche Lösung liegt in der Vernetzung lokaler zivilgesellschaftlicher Organisationen, um eine kritische Bevölkerungsmasse und Flächendeckung zu erreichen. Das LEADER-Konzept (3) ist in diesem Zusammenhang ein sehr nützliches Instrument für eine bessere Beteiligung der Zivilgesellschaft.

1.13   Um den Lebensstandard zu verbessern und junge Leute auf dem Lande zu halten, braucht es eine diversifizierte ländliche Wirtschaft. Die größten Herausforderungen im Hinblick auf dieses Ziel sind nach wie vor Investitionen in die ländliche Infrastruktur, die Verflechtung einer wissensbasierten Landwirtschaft mit der Lebensmittelindustrie, besseres Humankapital, ein günstiges Umfelds für Unternehmer und bessere sozialen Dienste. Der Agro- und Ökotourismus auf der Grundlage des reichen Kultur-, Geschichts- und Naturerbes bietet ebenfalls beträchtliche Chancen.

2.   Einleitung und Hintergrund

2.1   Definition für ländliche Gebiete

2.1.1   Eine Schwierigkeit bei der Behandlung dieses Themas liegt darin, dass es keine einheitliche Definition für ländliche Gebiete auf EU-Ebene gibt. Einzelne Länder arbeiten mit unterschiedlichen offiziellen Definitionen, die nach verschiedenen Kriterien wie Bevölkerungsdichte, landwirtschaftlich geprägte Wirtschaft, Abgelegenheit, mangelnder Zugang zu wichtigen Dienstleistungen usw. bestimmt werden. Für internationale Vergleiche wird oft auf die OECD-Definition des Begriffs „ländlicher Raum“ zurückgegriffen. Vor kurzem passten auch die Westbalkanländer ihre Statistiken an diese Methodologie an.

2.1.2   Aus diesem Grund unterstützt der EWSA eine EU-weite Harmonisierung der Kriterien für Definitionen des Begriffs „ländlicher Raum“. Dies würde eine bessere Vergleichbarkeit und Überwachung der Wirksamkeit der umgesetzten Maßnahmen und Politiken möglich machen.

2.2   Die Entwicklung des ländlichen Raums in der EU als wichtiger Bestandteil der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und der künftigen GAP-Reform

2.2.1   Angesichts der Tatsache, dass fast 60 % der EU-Bevölkerung in ländlichen Gebieten lebt, die 90 % der Gesamtfläche der EU ausmachen, ist die ländliche Entwicklung ein lebenswichtiger Politikbereich für die EU. Aus den Fördermitteln für die ländliche Entwicklung wird ein breites Spektrum von Maßnahmen finanziert. Das derzeitige EU-Modell basiert auf vier Schwerpunktachsen und lässt den Mitgliedstaaten und den Regionalregierungen genügend Spielraum, um die politischen Strategien auf ihre besonderen Bedürfnisse abzustimmen.

2.2.2   Eine ausgewogene räumliche Entwicklung gehört zu den Hauptzielen der anstehenden GAP-Reform. Der Ausschuss ist in diesem Zusammenhang der Überzeugung, dass eine Ausrichtung der europäischen Agrarpolitik und der EU-Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums auf Innovation und Wettbewerbsfähigkeit neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen, Arbeitsplätze schaffen und zur Einkommensdiversifizierung in ländlichen Gebieten beitragen kann (4).

2.3   Die Bedeutung der Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung für die Volkswirtschaften der Westbalkanländer

2.3.1   Betrachtet man die Größe der ländlichen Gebiete, den in ihnen lebenden Bevölkerungsanteil (5) und die große Bedeutung der Landwirtschaft für die Volkswirtschaften, wird klar, dass auch die Entwicklung des ländlichen Raums zu einem erstrangigen Politikbereich im Westbalkanraum werden muss.

2.3.2   Die ländlichen Gebiete in den Westbalkanstaaten stehen vor einer Reihe besonderer struktureller und sozioökonomischer Herausforderungen wie geringe Einkommensniveaus, fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten, ein sich verschlechterndes Lebensniveau, Landflucht usw., denen mit einer angemessenen Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums ausgehend vom diesbezüglichen komplexen EU-Rahmen erfolgreich begegnet werden kann.

3.   Einige gemeinsame Merkmale der ländlichen Gebiete in den Westbalkanländern - Schlüsselfaktoren für ihr Wirtschaftspotenzial

3.1   Der westliche Balkanraum ist außerordentlich reich an Flora und Fauna und gehört damit zu den Gebieten mit der größten biologischen Vielfalt in Europa. In den Westbalkanländern gibt es eine Vielzahl von verschiedenen natürlichen Lebensräumen wie Lagunen und andere meeresnahe Feuchtgebiete, mediterrane Wälder, Bergwiesen und -weiden, Süßwasserfeuchtgebiete und Karst-Landschaften.

3.2   Der Bevölkerungsrückgang, vor allem in abgelegenen und weniger fruchtbaren Gebieten, und die (außer in Albanien und im Kosovo) zu beobachtende Bevölkerungsalterung wirken sich deutlich nachteilig auf den Arbeitsmarkt im ländlichen Raum aus. Eine in allen Ländern dieser Region zu beobachtende Entwicklung ist die Abwanderung aus den ländlichen Gebieten in die Städte und an die Küste sowie ins Ausland. Aufs Land ziehen dagegen vorwiegend Rentner oder Flüchtlinge.

3.3   Durch die ungünstige Bildungsstruktur, ein geringes Qualifikationsniveau sowie mangelnde Kenntnisse und Fähigkeiten der Erwerbstätigen werden die Zukunftschancen für die ländliche Wirtschaft stark beeinträchtigt. Der Arbeitsmarkt ist durch eine sehr geringe Arbeitskräftemobilität gekennzeichnet, die einen Mangel an Beschäftigungsalternativen und anderen Einkommensmöglichkeiten hervorruft.

3.4   Die in den meisten ländlichen Gebieten vorherrschende Erwerbstätigkeit ist die Landwirtschaft auf der Grundlage von Weidewirtschaft, Ackerbau und Viehzucht mit geringer Intensität. Verglichen mit den EU-Mitgliedstaaten gibt es hier sehr hohe Beschäftigungsanteile in der Landwirtschaft.

3.5   Die Haushalte in ländlichen Gebieten, vor allem die mit geringem Einkommen, haben nur begrenzten Zugang zu landwirtschaftlichen Märkten, Arbeitsmärkten und Finanzmärkten und auch nur eingeschränkt Zugang zu Informationen und Wissen. Aus diesem Grund haben sie wesentlich schlechtere Chancen, dem Armutsrisiko zu entgehen.

3.6   Die geringe Diversifizierung der Erwerbstätigkeit und des Einkommens sowie die geringe Beschäftigung in der Privatwirtschaft stellen für die ländlichen Gebiete erhebliche Probleme dar. Wirtschaftliche Dienstleistungen und die soziale Infrastruktur sind schwach und unterentwickelt. Das beeinträchtigt die Lebensqualität der Menschen auf dem Lande sowie die Wettbewerbsfähigkeit und das soziale Gefüge im ländlichen Raum.

4.   Landwirtschaft bleibt die wichtigste Triebkraft der ländlichen Wirtschaft in den Westbalkanländern

4.1   Obgleich der Anteil der Landwirtschaft an der Volkswirtschaft seit 2000 zurückgeht, liegt er in den Westbalkanländern sowohl in Bezug auf die Wertschöpfung als auch auf die Beschäftigung weit über dem EU-Durchschnitt.

4.2   Die Landwirtschaft in den meisten Westbalkanstaaten (insbesondere den südlichen) ist nach wie vor vornehmlich durch kleine und zersplitterte private Landbetriebe gekennzeichnet. Die durchschnittliche Betriebsgröße reicht von 1,2 ha in Albanien bis knapp 4 ha in Serbien. Die Entwicklung der Landwirtschaft wird zudem durch folgende Faktoren gehemmt: schwach entwickelte Marktstrukturen, unzureichende Infrastruktur, geringe Erzeugung für den Markt, fehlende Kenntnisse und Kompetenzen und Nichteinhaltung der Lebensmittelsicherheitsvorschriften.

4.3   Die landwirtschaftliche Erzeugung war aufgrund der Übergangsperiode und in manchen Ländern auch aufgrund von Kriegen rückläufig, ist aber seit 2000 wieder gewachsen, was im Wesentlichen auf Investitionen in die Produktionstechnik zurückzuführen ist. Der Gesamtertrag liegt in den meisten Ländern aber noch immer unter dem Niveau der Zeit vor der Übergangsperiode. Ungeachtet einiger Defizite verfügen die meisten Westbalkanländer über ein ziemlich gutes natürliches Potenzial für die Landwirtschaft (relativ kostengünstige Arbeitskräfte, Land und Wasserressourcen sowie gute Klima- und Bodenbedingungen für bestimmte Erzeugnisse wie Tabak, bestimmte Obst- und Gemüsesorten, Wein, Getreide und Fleisch.

4.4   Im nördlichen Teil des Balkans gibt es auch einige hochproduktive Anbaugebiete mit gut integrierten Wirtschaftssystemen (Savebecken, Donaubecken und Pannonische Tiefebene). Dort gibt es günstige Boden- und Klimabedingungen für eine kapitalintensive Landwirtschaft. Zudem verfügt dieses Gebiet über ein gutes Humankapital, ausgeprägtes Unternehmertum, einen ausreichend diversifizierten Industriesektor und eine gut entwickelte Infrastruktur.

5.   Die Herausforderung lautet ländliche Entwicklung über die Landwirtschaft hinaus

5.1   Der hohe Anteil der in der Landwirtschaft tätigen Arbeitskräfte spiegelt sich im Beitrag der Landwirtschaft zum BIP nicht direkt wider. Deshalb muss die ländliche Wirtschaft künftig in der Lage sein, den Überschuss an landwirtschaftlichen Arbeitskräften zu absorbieren und in andere Beschäftigungsalternativen umzulenken.

5.2   Die Ansiedlung von Industriebetrieben im ländlichen Raum hat sich oft als sehr wirksames Instrument zur Schaffung von neuen Beschäftigungsmöglichkeiten und zusätzlichen Einkommensmöglichkeiten erwiesen. Zudem belegen die bisherigen Erfahrungen die positive Wirkung von Betriebsinvestitionen, Modernisierungs-, Bildungs- und Umweltmaßnahmen auf die Beschäftigung und die Verringerung der verdeckten Arbeitslosigkeit in landwirtschaftlichen Betrieben. Zu den Branchen mit großem Wachstumspotential gehören die Verarbeitungsindustrie, Erzeugnisse mit geschützter Ursprungsbezeichnung und Bio-Lebensmittel, Agrotourismus, Handwerk, Holzverarbeitung, Erzeugung von erneuerbarer Energie, ein breites Spektrum von Gesundheits- und Sozialdienstleistungen usw.

5.3   Für eine schnellere Entwicklung der ländlichen Wirtschaft sind umfangreichere und gezieltere Investitionen in öffentliche Güter und Dienstleistungen erforderlich: bessere Straßen- und Bewässerungsinfrastruktur, ein besseres Unternehmensumfeld und ein effizienter Informations-, Wissens- und Technologietransfer.

6.   Agrarpolitik und Politik der ländlichen Entwicklung vor dem Hintergrund des EU-Beitritts

6.1   Alle Länder der Region streben klar einen EU-Beitritt an. Im Hinblick darauf stehen sie alle vor ähnlichen Herausforderungen: Sie müssen ihre hochgradig fragmentierte Land- und Nahrungsmittelwirtschaft umgestalten und modernisieren, um auf dem EU-Markt wettbewerbsfähig sein zu können.

6.2   Den letzten Fortschrittsberichten (6) der Europäischen Kommission zur Landwirtschaft und ländlichen Entwicklung zufolge müssen die meisten Westbalkanländer weitere Anstrengungen unternehmen, um sich stärker an den Acquis im Landwirtschaftsbereich und an die EU-Politik der ländlichen Entwicklung anzupassen.

6.3   Im Vergleich zur EU nehmen sich die nationalen Mittel zur Unterstützung der Landwirtschaft in den Westbalkanländern relativ bescheiden aus. Im ganzen westlichen Balkan kommt eine breite Palette von Maßnahmen und Stützungsinstrumenten zur Anwendung. In den letzten Jahren flossen die Mitteltransfers für die Landwirtschaft hauptsächlich in Direktbeihilfen für die Erzeuger.

6.4   EU-Finanzhilfe

6.4.1   Die Heranführungshilfe für die Landwirtschaft und die Entwicklung des ländlichen Raums erfolgt über IPARD (7) die fünfte Komponente von IPA - dem allgemeinen Heranführungshilfe-Instrument der EU. Nur Länder mit Kandidatenstatus können mit IPARD-Mitteln gefördert werden (Kroatien, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Montenegro und die Türkei).

6.4.2   Der EWSA weist auf die besonderen Schwierigkeiten hin, vor denen die Westbalkanländer derzeit bei der Umsetzung der Heranführungshilfe für die Entwicklung des ländlichen Raums stehen. Es ist schwierig, Investitionsmaßnahmen im Rahmen von IPARD einzusetzen, da diese voll ausgebildete lokale Strukturen für die Umsetzung und Kontrolle voraussetzen (Verwaltung und Verantwortung für IPARD sind vollständig dezentralisiert, das heißt die EU-Institutionen führen nur die nachträgliche Kontrolle durch). Dies führt dazu, dass viele Projektanträge abgelehnt werden, und bedingt, dass in der Vorbereitungsphase sowohl vonseiten des Staates als auch des potenziellen Begünstigten erhebliche Investitionen erforderlich sind.

6.4.3   Die IPARD-Verwaltungs- und Kontrollgrundsätze und –verfahren könnten vereinfacht werden, um die Westbalkanländer zu einem besseren Einsatz von Maßnahmen mit direkter Auswirkung auf die ländliche Entwicklung anzuhalten, zum Beispiel von Maßnahmen zur Verbesserung der ländlichen Infrastruktur, zur Diversifizierung der Erwerbstätigkeit und für Schulungen (IPARD-Schwerpunktachse 3).

6.4.4   Einer der Hauptgründe für die schleppende Nutzung von EU-Geldern ist die schwach ausgeprägte Verwaltungskapazität und das Fehlen geeigneter Institutionen auf nationaler und insbesondere auf lokaler Ebene, was die allgemeine Aufnahmefähigkeit für Heranführungsfinanzhilfen insgesamt beeinträchtigt. Der Mangel an geeigneten Grunddienstleistungen (Einholung von Baugenehmigungen, Grundbuchämter, unzulängliche Dienste im Bereich Pflanzenschutz und Tiermedizin usw.) hat ebenfalls zur niedrigen Erfolgsquote bei den letzten Ausschreibungen für Projekte der ländlichen Entwicklung beigetragen.

6.4.5   Einer besseren Nutzung von EU-Fonds steht offenbar auch die geringe Kapazität der potenziellen Begünstigten im Wege. Abhilfe könnte die Entwicklung effizienterer Beratungsdienste schaffen.

6.4.6   Die Situation ist von Land zu Land unterschiedlich und hängt nicht immer mit den Fortschritten auf dem Weg zum EU-Beitritt und/oder dem Status als Kandidatenland zusammen. Aus diesem Grund möchte der EWSA mehr Flexibilität beim Einsatz der Heranführungshilfe für die ländliche Entwicklung empfehlen, insbesondere dadurch, dass beim Zugang zu Beihilfen nicht mehr zwischen Kandidatenländern und potenziellen Kandidatenländern unterschieden wird und die individuelle Beurteilung der Verwaltungs- und Absorptionskapazität der einzelnen Länder mehr Gewicht erhält.

7.   Ländliche Arbeitsmärkte in den Westbalkanländern

7.1   Die ländlichen Arbeitsmärkte in den meisten Westbalkanländern weisen folgende gemeinsamen Merkmale auf:

Bei der Beschäftigung dominieren landwirtschaftliche Arbeitskräfte, während die Anteile der im Dienstleistungssektor Beschäftigten und der Selbstständigen (ohne Landwirtschaft) deutlich unter dem Durchschnitt liegen.

Teilzeit- und Saisonarbeit sind für die meisten Menschen in ländlichen Gebieten sehr oft die einzige Einkommensquelle.

Ein schlechter Bildungsstand und mangelnde Fähigkeiten und Kenntnisse, oft als Ergebnis der Bevölkerungsalterung und der zunehmenden Zahl von Schulabbrechern.

Es fehlen Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft, was zu einer hohen Abhängigkeit von Saisonarbeit und zu verdeckter Arbeitslosigkeit führt.

Am stärksten von einer Ausgrenzung aus dem Arbeitsmarkt gefährdet sind junge Menschen, Frauen, ältere Menschen, ethnische Minderheiten (Roma) und Kriegsflüchtlinge. Einige der Genannten werden nicht immer als Erwerbslose registriert („verdeckte Arbeitslosigkeit“).

Landarbeiter werden selten in die verschiedenen staatlichen Beschäftigungsprogramme einbezogen. Eine verstärkte Förderung und geeignete Beratungsdienste für solche Programme sind nötig.

8.   Strategien und Maßnahmen im Bereich ländliche Entwicklung und Beschäftigung

8.1   Die gegenwärtigen politischen Strategien dieser Länder im Bereich der ländlichen Entwicklung sind vor allem durch folgende Merkmale gekennzeichnet: schwach ausgeprägtes politisches Bewusstsein, geringes Verständnis des EU-Konzepts für die ländliche Entwicklung - kein Gesamtansatz oder Planungsstrukturen, fehlende vertikale und horizontale politische Koordination und mangelnde interministerielle Zusammenarbeit auf dem Gebiet der ländlichen Entwicklung.

8.2   In den nationalen Politikansätzen für die ländliche Entwicklung werden bestimmte Schlüsselprobleme und Entwicklungschancen nicht gebührend berücksichtigt. So fehlt es an Anreizen für biologischen Landbau, genetische Ressourcen, Forstwirtschaft, Tourismus usw. Gleiches gilt für benachteiligte Gebiete und Semisubsistenzbetriebe.

8.3   Die Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums können im Zusammenwirken mit regionalpolitischen Maßnahmen und geeigneten sektorspezifischen operationellen Programmen einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Beschäftigungslage und der sozialen Integration in ländlichen Gebieten leisten. Eine gute Regionalpolitik kann wichtige zusätzliche Unterstützung zur Stärkung ärmerer ländlicher Regionen leisten.

8.4   Im Vergleich zur EU ist die nationale Regionalpolitik in den meisten dieser Länder jedoch noch stärker unterentwickelt als die Politik der ländlichen Entwicklung. Aus diesem Grund sind ein kohärenter Ansatz und eine bessere Koordinierung zwischen den verfügbaren Maßnahmen und Mitteln notwendig, um die verschiedenen Ressourcen (einzelstaatliche Mittel, EU-Fonds und Mittel von anderen Gebern) zusammenzuführen.

8.5   Aufgrund der politischen Instabilität und der häufigen Regierungswechsel mangelt es in den meisten Ländern der Region an Kontinuität bei der Umsetzung der verschiedenen Politiken und Maßnahmen für die ländliche Entwicklung.

9.   Die Rolle der organisierten Zivilgesellschaft bei der ländlichen Entwicklung

9.1   Der EWSA hat in seiner Stellungnahme zum Thema „Zivilgesellschaft/ländliche Gebiete (8) eine Reihe von Problemen und Herausforderungen bei der Entwicklung zivilgesellschaftlicher Organisationen in ländlichen Gebieten - vor allem in den neuen Mitgliedstaaten - aufgezeigt. Zu diesen Herausforderungen gehören Hindernisse beim Zugang zu Wissen und Informationen, fehlende unternehmerische Kompetenzen, demografische Probleme und die im Vergleich zu Städten schlechtere Qualität der sozialen Infrastruktur.

9.2   Der Status und die Rolle der Zivilgesellschaft im westlichen Balkanraum und die Herausforderungen für die dortige Zivilgesellschaft wurden in einer Reihe von EWSA-Stellungnahmen behandelt (9). Es gibt zwar einige spezifische Fragen, die einzelne Länder betreffen und in deren Mittelpunkt die Rechtsvorschriften, öffentliche Finanzierung und der Steuerstatus zivilgesellschaftlicher Organisationen sowie der Entwicklungsstand des zivilgesellschaftlichen und sozialen Dialogs stehen, doch die gesamte Region und insbesondere ihre ländlichen Gebiete stehen gemeinsam vor bestimmten Problemen:

Es gibt grundsätzlich keine lange Tradition im Hinblick auf die Zivilgesellschaft.

Die öffentliche Finanzierung zivilgesellschaftlicher Organisationen ist zumeist unzureichend und nicht besonders transparent.

Eine neue EU-finanzierte fachliche Unterstützung für zivilgesellschaftliche Organisationen in den Westbalkanländern (10) wurde eingeleitet, hat aber noch nicht die angestrebten Ergebnisse gebracht.

Grundsätzlich müssen Kapazitäten aufgebaut und spezifische Kenntnisse und Kompetenzen auf verschiedenen Gebieten entwickelt werden.

Die Vorteile einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft werden von den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und Behörden im Allgemeinen nicht erkannt.

Stadt-Land-Kluft: Die meisten zivilgesellschaftlichen Organisationen konzentrieren sich entweder in der Hauptstadt oder in zwei oder drei anderen Städten, wohingegen es auf dem Land kein Bewusstsein für die Rolle der Zivilgesellschaft und für ihre Tätigkeit gibt.

Die meisten zivilgesellschaftlichen Organisationen und auch die Bauernverbände sind zersplittert und machen sich gegenseitig Konkurrenz, statt zusammenzuarbeiten. Deshalb gelingt es ihnen nicht, starke Interessengruppen aufzubauen.

9.3   Die organisierte Zivilgesellschaft in den ländlichen Gebieten des westlichen Balkanraums umfasst traditionell religiöse Gruppen, Verbände nationaler Minderheiten, Vereinigungen der Feuerwehrmänner, Jäger und Angler, Kultur- und Kunstvereine, Sportvereine, Frauenorganisationen u.ä. Geografisch sind die Organisationen ungleichmäßig verteilt. Die religiösen Gruppen und Verbände ethnischer Minderheiten sind am besten organisiert und vertreten ihre Belange erfolgreich.

9.4   Die Möglichkeit einer aktiveren Beteiligung dieser Organisationen an Programmen zum Schutz und Erhalt des Kulturerbes und zum Umweltschutz wird von den Politikern nicht immer ausreichend anerkannt. Der Einfluss dieser Organisationen auf Entwicklungsinitiativen ist dagegen begrenzt und bleibt auf die engen Grenzen der lokalen Gemeinde (des Dorfes) beschränkt. Eine Vernetzung auf höherer Ebene gibt es nicht.

9.5   Von Gebern finanzierte Projekte haben neue Formen zivilgesellschaftlicher Organisationen hervorgebracht, die hauptsächlich Informationen und Wissen in den Bereichen Beitrittspolitik, Landwirtschaft, Umwelt, Menschenrechte u.ä. vermitteln. Einschnitte bei der Finanzierung durch die Geber haben zur Auflösung vieler dieser Organisationen geführt.

9.6   Die Rolle der Bauernverbände: Während der Übergangsperiode ging das alte Genossenschaftssystem aus sozialistischen Zeiten fast völlig unter. Später wurde bei vielen von Gebern finanzierten Projekten, die hauptsächlich eine Modernisierung der landwirtschaftlichen Erzeugung anstrebten, der Zusammenschluss von Landwirten gefördert oder sogar zur Bedingung gemacht. Derzeit ist der tatsächliche Einfluss der verschiedenen Bauern- und Erzeugerverbände auf die Maßnahmen der Agrarpolitik und der ländlichen Entwicklung relativ gering. Die meisten von ihnen spielen jedoch eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von Wissen, bei der Beratung und bei der Verkaufsförderung für landwirtschaftliche Erzeugnisse.

9.7   Das LEADER-Konzept  (11) für die ländliche Entwicklung zeigt, wie vernetztes Arbeiten und die Förderung des Dialogs auf lokaler Ebene zu einer besseren Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Aufstellung und Umsetzung lokaler Entwicklungsstrategien beitragen können. Dieser von der Basis ausgehende partnerschaftliche Ansatz, der die verschiedenen lokalen Akteure einbezieht, zeitigte in vielen EU-Ländern vielversprechende Ergebnisse und gilt als wertvolles Instrument für die Beschäftigungsförderung im ländlichen Raum.

10.   Probleme, die im Hinblick auf eine stärker diversifizierte ländliche Wirtschaft angegangen werden müssen

10.1   Diversifizierte und wissensbasierte Landwirtschaft

10.1.1   Die Intensivierung und die technischen Fortschritte in der Landwirtschaft eröffnen neue Beschäftigungsmöglichkeiten in verschiedenen verwandten Branchen wie Verkehr, Verpackungsindustrie, Lagereinrichtungen, Verkauf und Wartung von Maschinen, Qualitätskontrolle usw.

10.1.2   Eine Diversifizierung innerhalb der Landwirtschaft selbst hin zu Erzeugnissen mit höherer Wertschöpfung (Bio-Produkte, Erzeugung von Qualitätslebensmitteln und hochwertigem Fleisch, Erzeugnisse mit geschützter geografischer Herkunft, nach Hausmacherart verarbeitete Lebensmittel usw.) kann ebenfalls neue Chancen für die künftige Entwicklung und für die Verminderung der versteckten Arbeitslosigkeit bringen.

10.2   Investitionen in ländliche Infrastruktur

Eine gute Infrastruktur, zu der Straßen, Wasser- und Stromversorgung sowie Informations- und Telekommunikationsdienste gehören, kann die Entwicklung landwirtschaftlicher Betriebe und anderer Unternehmen fördern. Zugleich verbessert eine gute Infrastruktur die Mobilität und den Zugang zu sozialen Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit und Bildung und damit den Lebensstandard der Haushalte auf dem Lande.

10.3   Entwicklung des Humankapitals

Besser gebildete und anpassungsfähigere ländliche Arbeitskräfte haben bessere Beschäftigungschancen außerhalb der Landwirtschaft. Dabei kommt es vor allem darauf an, dass die Programme für die berufliche Bildung auf die Erfordernisse der ländlichen Diversifizierungsprogramme abgestimmt werden. Programme für lebenslanges Lernen, Vorabqualifizierung und Stärkung des Wissens und der Kompetenzen im Managementbereich sind besonders wichtig.

10.4   Schaffung eines optimalen wirtschaftlichen Umfelds

10.4.1   Die Förderung des Unternehmertums und die Beschleunigung der Gründung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in ländlichen Gebieten würden ebenfalls zur Diversifizierung der Wirtschaftstätigkeit beitragen und junge Leute vom Abwandern abhalten. Zu den Hindernissen für neue Investitionen und neue Unternehmen gehören unattraktive Steuersysteme, ineffiziente Verfahren für die Registereintragung von Unternehmen sowie die schwache Infrastruktur und der Mangel an gut ausgebildeten jungen Menschen.

10.4.2   Der Zugang zu Krediten, die auf die Bedürfnisse von Landbewohnern zugeschnitten sind, ist nach wie vor ein besonderes Problem. Banken und anderen Finanzeinrichtungen müssen dazu bewegt werden, die Kreditvergabe an die Landwirtschaft zu erleichtern. Wichtig ist dies auch im Hinblick auf die Kofinanzierungsregeln für IPARD-Fonds.

10.5   Aufbau effizienter Beratungsdienste

Beratungsdienste sollten von der fachlichen Beratung für Landwirte zu innovativerem, bedarfsgerechterem Wissens- und Informationstransfer übergehen. Moderne Beratungsdienste sollten auf die Bedürfnisse der breiteren Landbevölkerung (Verbraucher, Unternehmer, Landwirte, Bedürftige usw.) eingehen und ihr dabei helfen, die neuen Grundsätze und Regeln der Politik zu verinnerlichen.

10.6   Wiederbelebung des Genossenschaftswesens durch Verbesserung des institutionellen Rahmens und Stärkung der Humanressourcen sowie Hilfsprogramme

Genossenschaften sind eine traditionelle Organisationsform der ländlichen Gesellschaft und können bei der Entwicklung des Sozialkapitals in ländlichen Gebieten eine wichtige Rolle spielen. Durch sie können Arbeitsplätze und zusätzliche Einkommensquellen entstehen, und die Menschen können über sie aktiv an der Entwicklung ihrer Gemeinschaften teilnehmen.

Der Aufbau sozialwirtschaftlicher Unternehmen kann gleichfalls neue Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnen, insbesondere für Frauen und Jugendliche als die am stärksten gefährdeten Gruppen.

10.7   Förderung basisorientierter Ansätze (Leader-Programm)

Es bedarf einer besseren Verknüpfung und Koordinierung zwischen den verschiedenen ländlichen Akteuren sowohl in vertikaler Hinsicht (zwischen den Regierungs- und Verwaltungsbehörden der nationalen, regionalen und kommunalen Ebene) als auch in horizontaler Hinsicht (Unternehmer, Berufsverbände, Landwirte usw.). Bei der Umsetzung lokaler Entwicklungsstrategien sollten die beteiligten Institutionen sich besser abstimmen, und der Entscheidungsprozess sollte von unten nach oben gerichtet sein.

10.8   Tourismus und Agrotourismus

10.8.1   Der Agrotourismus kann eine beträchtliche Entwicklungschance für ländliche Gebiete bieten. Der westliche Balkanraum bietet ein gut erhaltenes natürliches, kulturelles und historisches Erbe sowie hochwertige Lebensmittel und eine relative Nähe zum EU-Tourismusmarkt. Ökotourismus und neue Nachhaltigkeitstrends zur Förderung einer gesunden Umwelt und Lebensweise,(wozu Ökoprodukte und Erzeugnisse aus Biotierhaltung und -landbau wie Rindfleisch, Heilpflanzen, Waldfrüchte, Pilze gehören), stehen sehr gut im Einklang mit dem Kultur- und Naturerbe dieser Region.

10.8.2   Der moderne und aktive Agrotourist verlangt jedoch nach Qualitätsleistungen, gut ausgestatteten Unterkünften und einem vielfältigen Freizeit- und Kulturangebot. Die Entwicklung des Agrotourismus wird noch durch eine Reihe von Hindernissen gehemmt: schwache Infrastruktur, unterentwickelte Vermarktung regionaler Produkte (Souvenirs), niedrige Bettenkapazität und schlechte Qualität der Unterkünfte, schlechte Ausschilderung der Sehenswürdigkeiten, fehlendes Reisezielmanagement usw.

10.9   Grenzüberschreitende Projekte könnten ebenfalls Katalysatoren für eine bessere Nutzung des lokalen Entwicklungspotenzials sein (gemeinsame Straßeninfrastruktur, Energienetze, touristische Einrichtungen, regionale Marken usw.).

10.10   Erneuerbare Energie als potenzielle Beschäftigungs- und Einkommensquelle

Die meisten Anlagen für die Erzeugung erneuerbarer Energie werden ihren Standort in ländlichen Gebieten haben: Energiepflanzenanbau, Biogasanlagen, Erzeugung von Biotreibstoff, Herstellung von Holzpellets/-briketts, Windkraftanlagen usw. Diese Anlagen werden nicht nur gebaut, sondern müssen während ihrer Laufzeit auch unterhalten und gewartet werden und sichern so zusätzliche Arbeitsplätze und Einkommensquellen.

Brüssel, den 21. September 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Kosovo (gemäß der Resolution Nr. 1244/1999 des UN-Sicherheitsrates), Montenegro und Serbien.

(2)  Achse 1 – Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft, Achse 2 – Verbesserung der Umwelt und der Landschaft, Achse 3 – Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum und Förderung der Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft, Achse 4 – LEADER-Ansatz.

(3)  Es handelt sich um eine EU-Programm mit der französischen Abkürzung LEADER (Liaison Entre Actions de Développement de l'Economie Rurale), was Verknüpfung zwischen den Aktionen für die ländliche Entwicklung bedeutet.

(4)  EWSA-Stellungnahme NAT/481, Ziffer 3.3.4, „Zukunft der GAP“.

(5)  Die Westbalkanländer haben eine Gesamtfläche von 264 462 km2 (was 6 % der Gesamtfläche der EU entspricht). Ihre Bevölkerung beläuft sich auf 26,3 Mio. Einwohner, von denen 50 % in ländlichen Gebieten leben. Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte beträgt 89,2 Einwohner pro Quadratkilometer und ist damit deutlich geringer als die der EU (114,4).

(6)  Fortschrittsberichte der Europäischen Kommission, November 2010: http://ec.europa.eu/enlargement/press_corner/key-documents/reports_nov_2010_de.htm.

(7)  IPARD: Das Heranführungsinstrument für die Landwirtschaft und die Entwicklung des ländlichen Raums umfasst neun Maßnahmen im Rahmen von drei Prioritätsachsen: 1) Verbesserung der Markteffizienz und Anwendung der Gemeinschaftsstandards, 2) Aktionen zur Vorbereitung auf die Umsetzung von Agrarumweltmaßnahmen und LEADER und 3) Entwicklung der Wirtschaft im ländlichen Raum. Im Zeitraum 2007-2013 werden ca. eine Milliarde Euro bereitgestellt, während sich die Gesamtmittel für das Heranführungsinstrument im gleichen Zeitraum auf über 10 Milliarden EUR belaufen.

(8)  Stellungnahme des EWSA Abl. C 175 vom 28.7.2009, S. 37, „Zivilgesellschaft/ländliche Gebiete“.

(9)  Stellungnahmen Abl. C 18 vom 19.1.2011, S. 11, Abl. C 317 vom 23.12.2009, S. 15, Abl. C 224 vom 30.8.2008, S. 130, Abl. C 204 vom 9.8.2008, S. 120, Abl. C 27 vom 3.2.2009, S. 140, Abl. C 44 vom 16.2.2008, S. 121.

(10)  Fazilität zur Förderung der Zivilgesellschaft.

(11)  Es handelt sich um eine EU-Programm mit der französischen Abkürzung LEADER (Liaison Entre Actions de Développement de l'Economie Rurale), was Verknüpfung zwischen den Aktionen zur ländlichen Entwicklung bedeutet.