52011DC0829

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT mit zusätzlichen Informationen zum Bericht der Kommission an den Rat betreffend die Ausnahmeklausel vom 13. Juli 20111 /* KOM/2011/0829 endgültig */


EINLEITUNG

Artikel 10 von Anhang XI der Ratsverordnung über das Statut der EU-Beamten stellt eine Ausnahmeklausel dar, die an rechtliche Voraussetzungen geknüpft ist. Vor einer Anwendung dieser Klausel, die zu einem Gesetzgebungsverfahren auf der Grundlage von Artikel 336 AEUV führen würde, muss geprüft werden, ob diese rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind oder nicht. Sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, kann die Klausel vor Gericht von sämtlichen betroffenen oder lediglich möglicherweise betroffenen Einzelpersonen und Organen angefochten werden, was bei Erfolg einer solchen Klage zu einer zusätzlichen Belastung für den EU-Haushalt führen kann, wenn für die Bediensteten an Dienstorten, in denen die Gehalts- oder Pensionsanpassung positiv ausfüllt, Verzugszinsen fällig werden.

Es muss hervorgehoben werden, dass auch, wenn die Voraussetzung für eine Anwendung des Artikels 10 (in Verbindung mit Artikel 336 AEUV) nicht erfüllt sind, ein unmittelbarer Rückgriff auf Artikel 336 zu einer Änderung des Beamtenstatuts möglich bleibt, falls dies politisch gewünscht wird.

Wie in dem im Juli 2011 vorgelegten Bericht über die Ausnahmeklausel ausgeführt, müssen die nachstehenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein, bevor auf sie zurückgegriffen werden kann:

- die Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage muss erheblich und abrupt sein,

- sie muss die wirtschaftliche und soziale Lage auf Unionsebene betreffen,

- sie muss aufgrund objektiver, von der Kommission mitgeteilter Daten bewertet werden,

- und die Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage muss dergestalt sein, dass sie aufgrund ihres außergewöhnlichen zeitlichen Ablaufs und ihres Ausmaßes bei Anwendung der Methode nicht angemessen berücksichtigt werden könnte. In seinem Urteil vom 24. November 2010 in der Rechtssache C-40/10 erklärte der Gerichtshof erstens, dass die Ausnahmeklausel nur „ in einer außergewöhnlichen Lage “ angewendet werden darf (Randnummer 74) und es zweitens erlaubt, „ die Folgen einer Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage, die zugleich erheblich und abrupt ist, zu berücksichtigen, wenn bei Anwendung der „normalen Methode“ die Beamtenbezüge nicht schnell genug angepasst würden “ (Randnummer 75).

Im Rahmen der jährlichen Gehaltsanpassung 2010 hat der Rat die Kommission aufgefordert, geeignete Vorschläge auf der Grundlage der Ausnahmeklausel mit dem Ziel einer Annahme durch das Europäische Parlament und den Rat vor Ende 2011 vorzulegen. Der Bericht der Kommission über die Ausnahmeklausel wurde der Arbeitsgruppe des Rates im Entwurf am 30. Juni 2011 vorgelegt und am 13. Juli 2011 von der Kommission innerhalb der vom Rat gesetzten Frist förmlich angenommen.

In diesem Bericht wurde eine große Bandbreite wirtschaftlicher und sozialer Indikatoren zur Beurteilung herangezogen, ob die Anwendung der Ausnahmeklausel im Jahr 2011 erforderlich sein würde. Als Grundlage dienten die von der GD ECFIN am 13. Mai 2011 veröffentlichten Frühjahrsprognosen. In dem Bericht kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass im Bezugszeitraum (1. Juli 2010 bis Mitte Mai 2011) keine erhebliche, abrupte Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage eingetreten war.

Auf Ersuchen des Rates vom 4. November 2011 werden im vorliegenden Bericht die jüngsten Entwicklungen in der Europäischen Union seit den Frühjahrsprognosen bis zum heutigen Tag berücksichtigt.

Die von der GD ECFIN am 10. November 2011 veröffentlichten Konjunkturprognosen bieten ein weniger optimistisches Bild des Jahres 2011 als die Frühjahrsprognosen. Das gilt sowohl für die wirtschaftlichen als auch die sozialen Indikatoren. Die wirtschaftliche Erholung ist zum Stillstand gekommen, und die Aussichten haben sich verschlechtert. Nachlassendes Vertrauen und vermehrte Turbulenzen auf den Finanzmärkten beeinträchtigen Investitionen und Verbrauch, während die dringliche Konsolidierung der öffentlichen Haushalte die Binnennachfrage belastet und die sich abschwächenden weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Ausfuhrtätigkeit dämpfen. Die konjunkturelle Belebung in den letzten beiden Jahren hat nur zu einem langsamen Beschäftigungswachstum geführt.

Dennoch, und obwohl die kurzfristigen Indikatoren auf eine anhaltende Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit in der EU hindeuten, ist die Wachstumsentwicklung im laufenden Jahr insgesamt gesehen wegen eines guten ersten Quartals immer noch relativ stark, und das Wachstum wird sich nach aktuellen Prognosen auf 1,6 % beziffern.

Obwohl mit einer starken Verlangsamung gerechnet wird, können die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen im Hinblick auf die Kriterien der Methode nicht als außergewöhnlich betrachtet werden, so dass über die Anwendung der Methode hinausgehende Maßnahmen gerechtfertigt wären. Diese schlechten Aussichten hatten auch Auswirkungen auf die Gehälter im öffentlichen Dienst in den Mitgliedstaaten, insbesondere wegen der notwendigen Haushaltskonsolidierung. Deswegen dürften die Gehälter im öffentlichen Dienst im Vergleich zum diesjährigen Lohnzuwachs in der Gesamtwirtschaft (3 %) nur einen bescheidenen Anstieg verzeichnen. Der Kaufkraftverlust der nationalen Zentralstaats-Beamten bis Juli 2011 wird durch die Anwendung der Methode auch auf die EU-Beamten übertragen und dazu führen, dass ihre Realgehälter (sämtliche Dienstposten zusammengenommen) um 1,8 % zurückgehen werden. Die Verschlechterung der wirtschaftlichen Aussichten hat nicht zu einer Lage geführt, in der die normale Methode nicht mehr funktionieren und den Beschlüssen der Mitgliedstaaten betreffend ihre nationalen Beamten nicht mehr Rechnung tragen würde.

Das Wirtschaftswachstum in der EU wird im letzten Quartal 2011 voraussichtlich zum Stillstand kommen und 2012 nur sehr gering ausfallen. Sollte sich die Wirtschaftslage weiter verschlechtern und die Mitgliedstaaten zu Maßnahmen auf nationaler Ebene veranlassen, die von einer normalen Anwendung der Methode nicht rasch genug aufgefangen würden, wird die Kommission im Sinne der vom Gerichtshof hervorgehobenen loyalen Zusammenarbeit die Anwendung der Ausnahmeklausel vorschlagen, um die Maßnahmen auf nationaler Ebene gebührend zu berücksichtigen, aber auch, um die Zeitspanne zwischen dem Inkrafttreten dieser Maßnahmen und der nächsten, ein Jahr später anstehenden Gehaltsanpassung zu verkürzen.

Auf die in den Mitgliedstaaten empfohlenen, geplanten oder bereits durchgeführten Sparmaßnahmen und Reformen hat die Kommission bereits mit ihrem Vorschlagsentwurf zur Änderung des Beamtenstatuts reagiert, der sich unmittelbar auf Artikel 336 stützt und beträchtliche Einsparungen nach sich ziehen würde, die während des nächsten Finanzrahmens über eine Milliarde Euro betragen und langfristig über einer Milliarde Euro pro Jahr liegen würden.

DIE WIRTSCHAFTLICHEN VORAUSSCHÄTZUNGEN VOM HERBST 2011

Die Wirtschaft in der EU ist in den Jahren 2010 und 2011 gewachsen

Die Rezession endete im Herbst 2009, und seit 2010 zieht die Wirtschaft wieder an. Insgesamt nahm das BIP über das gesamte Jahr 2010 hinweg betrachtet in der EU um 2,0 % und im Euro-Währungsgebiet um 1,9 % zu[1].

Nach der Herbstprognose 2011 weisen die kurzfristigen Indikatoren eine anhaltende Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit in der EU aus. Allerdings ist auch zu erkennen, dass die EU-Wirtschaft wegen eines guten ersten Quartals auch 2011 insgesamt ein Wachstum verzeichnen wird. Konkret wurden die Prognosen vom Frühjahr (1,6 % Wachstum im Euroraum, 1,8 % in der EU insgesamt) zwar nach unten korrigiert (auf 1,5 % bzw. 1,6 %), bleiben aber auf das Jahr 2011 bezogen im positiven Bereich. Das BIP-Wachstum wird im letzten Quartal 2011 voraussichtlich zum Stillstand kommen und erst gegen Ende 2012 wieder leicht anziehen.

Die Verlangsamung der konjunkturellen Erholung im Jahr 2011 ist jedoch nicht vergleichbar mit den Turbulenzen, unter denen die Union 2008 und 2009 zu leiden hatte, als das Wachstum von 3,2 % (2007) auf 0,3 % (2008) zurückging und dann tief in den negativen Bereich abglitt (-4,2 % im Jahr 2009).

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Der Arbeitsmarkt bleibt 2010 und 2011 stabil

In der Herbstprognose 2011 wird darauf hingewiesen, dass die Beschäftigtenzahl gegen Ende 2010 in dem Moment langsam anzog, als die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden nicht länger anstieg. Die verzögerte Reaktion der Beschäftigungsentwicklung auf die konjunkturelle Wiederbelebung war eine Konsequenz des Hortens von Arbeitskräften während der Rezession, weshalb es zuerst zu einem beträchtlichen Wiederanstieg der Arbeitsproduktivität kam. Trotz des Wiederanziehens der Konjunktur in der EU war das Beschäftigungswachstum gering und reichte für eine nennenswerte Verringerung der Arbeitslosenquote nicht aus. Die Arbeitslosenquote schwankte 2010 und 2011 sowohl im Euroraum als auch in der EU insgesamt nur marginal.

Ungeachtet einer leichten Aufwärtskorrektur dürfte die Arbeitslosenquote in der EU der Herbstprognose zufolge 2011 mit 9,7 % auf dem gleichen Niveau liegen wie 2010 (siehe nachstehendes Schaubild). Diese Zahlen entfernen sich kaum von der Frühjahrsprognose, in der für 2011 mit einem leichten Rückgang der Arbeitslosigkeit in der EU auf 9,5 % gerechnet worden war.

Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Beschäftigungsentwicklung in der EU mit +0,4 % nach zwei Jahren mit negativen Werten (2009 -1,8 %, 2010 -0,5 %) wieder im positiven Bereich liegen dürfte.

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Die Gesamtvergütung für die Beschäftigten nimmt in der Privatwirtschaft und insgesamt 2010 und 2011 zu

Die Kommission hält es für sinnvoll, auch die Lage der öffentlichen Bediensteten mit der Gesamtentwicklung für die Beschäftigten aller Sektoren in der EU zu vergleichen. Dabei wird die Gesamtvergütung, d.h. die Gesamt-Arbeitskosten für sämtliche Beschäftigten (Bruttolöhne nebst Zuschlägen für Mehrarbeit und Boni sowie Sachleistungen und Sozialbeiträgen der Arbeitgeber[2]) im öffentlichen Sektor (Gesamtstaat[3]) derjenigen in der Gesamtwirtschaft gegenübergestellt.

In der Herbstprognose 2011 wird für die kommenden Jahre ein Anstieg der Gesamtvergütung über sämtliche Wirtschaftssektoren hinweg um jährlich 2-3 % vorausgeschätzt.

2007 hatte die Gesamtvergütung aller aktiv Beschäftigten um 5,2% und 2008 um 4,4 % zugenommen, während sie 2009 mitten in der Finanzkrise um 0,3 % zurückging, als das BIP gleichzeitig um 4,2 % schrumpfte. Die aktuelle Prognose des diesjährigen Einkommenszuwachses liegt mit 3,0 % über dem Wert der Frühjahrsprognose (2,4 %).

Im öffentlichen Sektor ging der Zuwachs der Vergütung der Beschäftigten von 3,4 % im Jahr 2009 auf 1,2 % im Jahr 2010 zurück. Der Herbstprognose zufolge dürfte sich dieser Trend auch 2011 fortsetzen (0,6 %). Real dürfte die Vergütung der öffentlich Bediensteten damit um 2,2 % zurückgehen. Dieser Wert entspricht dem im Rahmen der Methode ermittelten Kaufkraftverlust der nationalen Beamten von 1,8 %, der auch auf die EU-Beamten übertragen werden soll.

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Die Finanzen der öffentlichen Hand geben Anlass zur Sorge

Das Jahr 2011 steht für den Übergang von der Stabilisierung zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen. Das Gesamtstaatsdefizit ist von 6,9 % (2009) auf 6,6 % (2010) zurückgegangen und wird voraussichtlich weiter abnehmen. Die Haushaltsdefizite des Jahres 2011 werden inzwischen auf 4,7 % des BIP in der EU und 4,1 % im Euro-Währungsgebiet veranschlagt. Weitere wahrscheinliche, aber noch nicht ergriffene Konsolidierungsmaßnahmen wurden in der Herbstprognose nicht berücksichtigt.

Zwar hatten die massiven finanziellen Interventionen der Mitgliedstaaten nachhaltige Folgen für die Staatsfinanzen, aber in den meisten Mitgliedstaaten sind die öffentlichen Schulden vor der letzten Wirtschaftskrise entstanden. Insgesamt erreichten die Schulden der öffentlichen Hand in der EU 2010 80,3 % des BIP und dürften auch 2011 den Herbstprognosen zufolge mit 82,5 %.in dieser Größenordnung verbleiben (siehe nachstehendes Schaubild). Diese Prognose blieb gegenüber den Frühjahrsprognosen (82,3 %) nahezu unverändert.

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Alles in allem geben die Finanzen der öffentlichen Hand in der EU und insbesondere im Euroraum nach wie vor Anlass zu großer Besorgnis. Diese Besorgnis reicht mindestens bis ins Jahr 2007 zurück; inzwischen wurden Maßnahmen zur Anpassung der öffentlichen Finanzen ergriffen. Auch wenn diese Maßnahmen zu einer allmählichen Verbesserung des gesamtstaatlichen Haushaltssaldos geführt haben, haben die jüngsten Entwicklungen erkennen lassen, dass die Folgen der zunehmenden Verschuldung auf die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen und ihre Auswirkungen auf die Märkte für Staatsanleihen die entscheidende Herausforderung darstellen. Das schwächere Wirtschaftswachstum hat zu einer Verschlechterung der Haushaltslage geführt und die Aufmerksamkeit auf die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen gelenkt. Darin liegt der Hauptgrund für die Erwartung, dass die Gehälter der öffentlich Bediensteten in der Europäischen Union nicht oder nur geringfügig ansteigen werden.

Die Folgen der Staatsschuldenkrise werden aufgrund der notwendigen finanzpolitischen Sparmaßnahmen der kommenden Jahre noch eine lange Zeit auf der Beamtenschaft der Mitgliedstaaten lasten. Das wird sich zweifellos unmittelbar auf die Gehälter der EU-Beamten auswirken, eben weil sie wegen der Anwendung der Methode der Gehaltsentwicklung um öffentlichen Dienst in den Mitgliedstaten folgen.

Die Inflation ist bleibt unter Kontrolle

Die am HVPI gemessene Inflation hat sich in der ersten Jahreshälfte vor allem wegen der hohen Energie- und Nahrungsmittelpreise beschleunigt. Da die Rohstoffpreise in der ersten Hälfte des Jahres 2011 ihren Höhepunkt erreicht hatten und die Preise auf den Rohöl-Terminmärkten auf eine Fortsetzung des allmählichen Abwärtstrends hindeuten, dürfte die Headline-Inflation schrittweise abebben und im Laufe des Jahres 2012 auf unter 2 % zurückgehen. Der grundlegende Preisdruck wird wegen der anhaltenden, in den meisten Mitgliedstaaten 2012 voraussichtlich leicht wachsenden Produktionslücken die Inflation weiterhin dämpfen, während die Löhne aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit nur einen moderaten Zuwachs verzeichnen dürften.

Die HVPI-Inflationsrate dürfte 2011 der Herbstprognose zufolge (die der Frühjahrsprognose entspricht) 3,0 % betragen.

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Der Indikator der wirtschaftlichen Einschätzung ist zurückgegangen

Es handelt sich um einen Indikator, dessen Werte extremen Schwankungen unterliegen. Lag der Indikator der wirtschaftlichen Einschätzung[4] im März 2009 mit 66,9 noch auf dem niedrigsten Wert seit 1990, überschritt er im April 2010 seinen Durchschnittswert im Zeitraum 1990-2010 (der definitionsgemäß 100 beträgt). Im März 2011 erreichte er mit 107,4 einen Höchstwert, ging jedoch in den letzten Monaten stark zurück (auf 93,8 im Oktober 2011), liegt jedoch immer noch deutlich über den Tiefstständen von 2009.

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FAZIT

Gemäß der Ausnahmeklausel in Artikel 10 von Anhang XI zum Statut muss die Kommission prüfen, ob aus objektiven Daten eine erhebliche, abrupte Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage in der Union hervorgeht.

Darüber hinaus muss sie gemäß dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-40/10 prüfen, ob die wirtschaftlichen und sozialen Daten „eine außergewöhnliche Lage“ ergeben, in der „bei Anwendung der normalen Methode die Beamtenbezüge nicht schnell genug angepasst würden“.

Wie die Kommission in ihrem Bericht vom 13. Juli 2011 darlegte, wird mit dem Begriff der „Verschlechterung” die Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage beschrieben. Ob eine „erhebliche“ Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage eingetreten ist, sollte auf der Grundlage des Ausmaßes und der Dauer der wirtschaftlichen und der sozialen Auswirkungen bestimmt werden. Ob eine „abrupte“ Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage eingetreten ist, sollte anhand der Geschwindigkeit und der Vorhersehbarkeit der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen bestimmt werden. In diesem Zusammenhang ist es überaus wichtig, zwischen normalen Fluktuationen des Wirtschaftszyklus und durch äußere Ereignisse verursachten Fluktuationen zu unterscheiden.

Die von der GD ECFIN am 10. November 2011 veröffentlichten Prognosen weisen gegenüber den Frühjahrsprognosen eine Verschlechterung der Wirtschaftsentwicklung aufgrund sowohl der wirtschaftlichen als auch der sozialen Indikatoren aus und lassen erkennen, dass die europäische Wirtschaft sich in einer Schwächephase befindet.

Jedoch ist die Wachstumsentwicklung im laufenden Jahr insgesamt gesehen, obwohl die kurzfristigen Indikatoren auf eine anhaltende Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit in der EU hindeuten, immer noch relativ stark. Das BIP dürfte beispielsweise 2011 immer noch um 1,6 % und damit auf einem ähnlichen Niveau ansteigen wie 2010 (2,0 %), während es beispielsweise 2009 um 4,2 % zurückgegangen war. Der für das letzte Quartal 2011 prognostizierte Stillstand dürfte nicht lange anhalten, denn schon für das erste Quartal 2012 wird wieder mit einem moderaten Wachstum gerechnet.

Zudem bleibt die Arbeitslosenquote 2011 gegenüber 2010 (9,7 %) stabil, während die in den vergangenen beiden Jahren rückläufige Beschäftigung (-1,8 % 2009 und -0,5 % 2010) 2011 erstmalig wieder zunehmen dürfte (+0,4 %).

In der Gesamtwirtschaft dürfte der Lohnzuwachs 2011 mit 3,0 % auf einem hohen Niveau verbleiben, während er im öffentlichen Dienst viel geringer ausfällt (0,6 %) und damit dem im Rahmen der Methode ermittelten Kaufkraftverlust der EU-Beamten entspricht (-1,8 %).

Das gesamtstaatliche Defizit in der EU dürfte von nahezu 7 % (2009 und 2010) auf 4,7 % in diesem Jahr zurückgehen; hier ist die Herbstprognose gegenüber der Frühjahrsprognose unverändert. Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und der Abbau der öffentlichen Defizite dürften voranschreiten, auch wenn der Schuldenstand die EU-Wirtschaft weiterhin, wie schon seit spätestens 2007, belastet.

Auch wenn die Herbstprognosen für das Jahr 2011 eindeutig eine weniger günstige Entwicklung der wirtschaftlichen und sozialen Lage vorhersagen als die Frühjahrsprognosen, ergibt sich aus den Kriterien von Artikel 10 des Anhangs XI zum Beamtenstatut in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof, dass die EU nicht in einer Hinblick auf die Kriterien der Methode außergewöhnlichen Lage ist, in der, wie vom Gerichtshof dargelegt, bei Anwendung der „normalen Methode“ die Beamtenbezüge nicht schnell genug angepasst würden, um den Maßnahmen der Mitgliedstaaten gegenüber den nationalen Beamten Rechnung zu tragen. Dem gegenüber den relativ hohen Lohnzuwächsen in der Gesamtwirtschaft bescheidenen Anstieg der Vergütungen für die öffentlich Bediensteten wird mit der Anwendung der Methode Rechnung getragen.

Die Gehaltsentwicklung der Beschäftigten im Gesamtstaat findet in der Anwendung der Methode 2011 ihren angemessenen Niederschlag. Den Arbeitnehmern im öffentlichen Sektor steht voraussichtlich ein Kaufkraftverlust von 2,2 % bevor; dieser Wert entspricht den von den Mitgliedstaaten vorgelegten Zahlen für die nationalen Beamten des Zentralstaats (Kaufkraftverlust von 1,8 %). Dieser Kaufkraftverlust würde mit der Methode auf die EU-Bediensteten an sämtlichen Dienstorten übertragen, da ihre realen Gehälter um den gleichen Prozentsatz beschnitten würden.

Der Kaufkraftverlust der nationalen und europäischen Beamten entspricht der aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Lage, so dass keine weiteren über diesen Verlust hinausgehenden Maßnahmen gerechtfertigt wären. Die Kommission könnte daher keine Maßnahmen auf der Grundlage der Ausnahmeklausel vorschlagen, ohne gegen Artikel 10 des Anhangs XI des Beamtenstatuts und die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu verstoßen.

Diese Feststellung schließt jedoch Strukturreformen im europäischen öffentlichen Dienst, die sich unmittelbar auf Artikel 336 AEUV stützen, keineswegs aus. Deshalb verweist die Kommission an ihren Entwurf zur Änderung des Beamtenstatuts, in dem u.a. folgende Maßnahmen vorgeschlagen werden: ein Abbau des Personalbestands in sämtlichen Organen, Einrichtungen und Agenturen um 5 %, eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit für alle EU-Bediensteten auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich, eine Anhebung des normalen Pensionsalters auf 65 Jahre, eine weitreichende Einschränkung der Vorruhestandsregelungen sowie eine Reform der Karriereentwicklung, durch die die Gehälter für bestimmte Funktionsgruppen erheblich gesenkt werden. Diese Maßnahmen entsprechen denen, die für die nationalen Beamten ergriffen oder erwogen werden, und würden beträchtliche Einsparungen nach sich ziehen, die während des nächsten Finanzrahmens über eine Milliarde Euro betragen und nach 2020 sogar noch höher liegen würden.

Eingedenk der jüngsten finanziellen Turbulenzen und dem anhaltenden Sparbedarf in den einzelstaatlichen Verwaltungen und Haushalten hat die Kommission ferner beschlossen, eine zusätzliche Anhebung der Solidaritätsabgabe auf bis zu 6 % vorzuschlagen. Im Falle ihrer Annahme durch die gesetzgebenden Organe würde diese zusätzliche Erhöhung auf die Gehälter der EU-Beamten bis zum Ablauf der vorgeschlagenen überarbeiteten Methode zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge im Jahr 2022 auswirken.

Die Kommission wird diesen Vorschlag im Dezember 2011 vorlegen, sobald die obligatorische förmliche Anhörung des Statutsbeirats abgeschlossen ist.

Abschließend möchte die Kommission auf den Umstand zurückkommen, dass das Wirtschaftswachstum in der EU im letzten Quartal 2011 voraussichtlich zum Stillstand kommen und 2012 nur sehr gering ausfallen wird. Sollte sich die Wirtschaftslage weiter verschlechtern und die Mitgliedstaaten zu Maßnahmen auf nationaler Ebene veranlassen, die von einer normalen Anwendung der Methode nicht rasch genug aufgefangen würden, wird die Kommission im Sinne der vom Gerichtshof hervorgehobenen loyalen Zusammenarbeit die Anwendung der Ausnahmeklausel vorschlagen, um die Maßnahmen auf nationaler Ebene gebührend zu berücksichtigen, aber auch, um die Zeitspanne zwischen dem Inkrafttreten dieser Maßnahmen und der nächsten jährlichen Gehaltsanpassung zu verkürzen.

[1] Etwaige leichte Abweichungen gegenüber vergangenen Zahlen sind auf regelmäßige Aktualisierungen von Eurostat zurückzuführen.

[2] Weshalb sich in diesen Zahlen Veränderungen bei der Beschäftigungsquote und den Sozialleistungen ebenso niederschlagen wie das Lohnniveau.

[3] In diesem Abschnitt wird unter dem öffentlichen Sektor immer der gesamte öffentliche Dienst eines Landes verstanden. Dieser Sektor Gesamtstaat umfasst alle institutionellen Einheiten, die zu den sonstigen Nichtmarktproduzenten zählen, deren Produktionswert für den Individual- und Kollektivkonsum bestimmt ist, die sich primär mit Zwangsabgaben von Einheiten anderer Sektoren finanzieren und/oder die Einkommen und Vermögen umverteilen. Die institutionellen Einheiten umfassen sämtliche staatlichen Einrichtungen sowie einige gemeinnützige Einrichtungen und autonome Pensionsfonds. Der Sektor Gesamtstaat gliedert sich in vier Teilsektoren: Bund (Zentralstaat), Länder, Gemeinden und Sozialversicherung.

[4] Erhebungen bei Unternehmen und Verbrauchern ergeben monatlich Urteile und Erwartungen zu diversen Facetten der Wirtschaftstätigkeit in den Wirtschaftssektoren Industrie, Dienstleistungen, Baugewerbe, Einzelhandel und Verbraucher. Für jeden der fünf von der Umfrage betroffenen Sektoren wurden Vertrauensindikatoren eingeführt, um auf der Ebene von Einzelsektoren die allgemeinen Wahrnehmungen und Erwartungen in einem eindimensionalen Index wiederzugeben. Um die Wirtschaftstätigkeit insgesamt verfolgen zu können, wird seit 1985 der allgemeine Indikator der wirtschaftlichen Einschätzung als gewichtete Summe dieser fünf Einzelindikatoren berechnet.