BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT über die Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität /* KOM/2011/0166 endg. */
[pic] | EUROPÄISCHE KOMMISSION | Brüssel, den 11.4.2011 KOM(2011) 166 endgültig BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT über die Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT über die Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität EINLEITUNG Die Verordnung (EG) Nr. 1107/2006[1] des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität (nachstehend „die Verordnung“) wurde vom Europäischen Parlament und vom Rat am 5. Juli 2006 verabschiedet. Diese Rechtsvorschrift fügt sich ein in die von der Europäischen Kommission in allen Lebensbereichen der Bürger verfolgte Politik zur Bekämpfung der Diskriminierung von behinderten Personen und - allgemeiner - von Personen mit einem dauerhaften oder zeitweiligen Mobilitätsproblem. Allgemein wird davon ausgegangen, dass jeder sechste europäische Bürger unter einer Behinderung leidet. Darüber hinaus führt die immer älter werdende europäische Bevölkerung zu einer steten Zunahme von Flugreisenden, die aufgrund einer Behinderung oder eingeschränkter Mobilität spezieller Hilfe bedürfen. Das Ziel der Verordnung ist klar: Es geht darum, dass Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität vergleichbare Flugreisemöglichkeiten haben sollen wie die anderen Bürger. Ihrem Buchstaben und ihrem Geist nach basiert die Verordnung auf dem Gleichgewicht zwischen den Erfordernissen der Bekämpfung von Diskriminierung und den betrieblichen Erfordernissen und schreibt ein allgemeines Gebot der Nichtdiskriminierung fest. Einerseits werden den Betreibern eine Reihe von Informations- und Hilfspflichten auferlegt, andererseits sind Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität gehalten, benötigte Hilfeleistungen vorab anzumelden, wobei Abweichungen von der Pflicht zur Hilfeleistung unter genau festgelegten Bedingungen vorgesehen sind. Die Verordnung kann nur funktionieren, wenn dieses Gleichgewicht besteht und gewahrt wird. Die Kommission hat 2009 und gemäß Artikel 17 der Verordnung zwei Studien zur Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 in Auftrag gegeben. Ziel der ersten Studie war eine allgemeine Bewertung der Funktionsweise der Verordnung, die zweite Studie befasste sich im Einzelnen mit den in den Mitgliedstaaten geltenden Sanktionsregelungen bei Verstößen gegen die Verordnung. Die Abschlussberichte dieser Studien wurden im Juni bzw. September 2010 vorgelegt und können über die Internetseite der Generaldirektion Mobilität und Verkehr[2] eingesehen werden. Dieser Bericht dient nicht dazu, den Inhalt dieser leicht zugänglichen Studien nochmals im Einzelnen darzulegen, sondern nach einer kurzen Zusammenfassung Schlussfolgerungen aus diesen Studien im Hinblick auf Verbesserungen zu ziehen. DIE WICHTIGSTE ERGEBNISSE DER STUDIEN Die zur Anwendung der Verordnung durchgeführten Studien vermitteln ein umfassendes Bild der aktuellen Situation in der Europäischen Union. So sind der mit der Verordnung geschaffene Rechtsrahmen und die grundlegenden Vorschriften zur Erbringung von Hilfeleistungen in den Mitgliedstaaten eingeführt worden. Für Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität sind also die Veränderungen greifbar – ein nicht zu leugnender Erfolg. In der Handhabung dieser neuen Regelungen bestehen allerdings nach wie vor Unterschiede zwischen Mitgliedstaaten, Flughäfen und Luftfahrtunternehmen. Das größte Problem besteht weiterhin in der fehlenden Harmonisierung und der mitunter uneinheitlichen Auslegung. Die Erfolge Das Inkrafttreten der Verordnung war nach allgemeiner Auffassung ein unbestreitbarer Fortschritt für Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität. Die für den Erfolg ausschlaggebenden Elemente lassen sich wie folgt zusammenfassen: a) Ein einheitlicher Rechtsrahmen. Mit der Verordnung wurden in der gesamten Europäischen Union geltende einheitliche Mindestvorgaben eingeführt[3]. Heute finden diese einheitlichen Schutzregelungen in Europa Anwendung: Dank dieser Vorschriften besteht eine Liste mit genauen Angaben zu den Hilfeleistungen, auf die die betreffenden Flugreisenden unentgeltlich Anspruch haben. b) Eine klare Aufgabenteilung zwischen Flughäfen und Luftfahrtunternehmen. Heute weiß jeder, welche Pflichten er hat und wie er sie – auch in finanzieller Hinsicht – zu erfüllen hat. c) Die Einführung eines Netzes nationaler spezialisierter Stellen (nachstehend „nationale Durchsetzungsstellen“) in allen Mitgliedstaaten und der Austausch von Informationen und bewährten Verfahren im Sinne einer echten Zusammenarbeit mit Stellen im Umfeld der Kommission, aber auch anderer Einrichtungen[4] . Mittlerweile hat sich im Luftverkehr in Europa eine Kultur der Hilfeleistung für Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität herausgebildet. Heute ist allen Akteuren dieses Problem bewusst, weshalb sie konkrete Maßnahmen ergreifen. Trotz dieser positiven Aspekte mussten die Dienststellen der Kommission aber auch Unzulänglichkeiten feststellen. Die Probleme Die Erfahrungen, aber auch die verschiedenen von der Kommission und von anderen Stellen[5] durchgeführten Studien haben gezeigt, dass bei der Anwendung der Verordnung Probleme bestehen, die das Potenzial der Verordnung einschränken können. Die Statistiken zeigen, dass die große Mehrheit der Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität durchaus die ihnen zustehenden Hilfeleistungen erhalten hat, und dass nur in wenigen Fällen Probleme aufgetreten sind. Es bedarf jedoch kontinuierlicher Anstrengungen, um die Anwendung der Verordnung zu verbessern. Probleme im Zusammenhang mit den Pflichten der Flughäfen Ein Großteil der Hilfeleistungen für Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität obliegt den Flughafenbetreibern[6]. Ihrer Verantwortung unterliegen sämtliche im Bereich der Flughäfen bis hin zum Sitzplatz im Flugzeug zurückgelegten Wege des Flugreisenden sowie die Gepäckabfertigung. a) Die Qualität der Dienstleistung und deren Anpassung an die individuellen Bedürfnisse einer Person mit Behinderung oder eingeschränkter Mobilität sind mitunter unzureichend. Die Hilfeleistungen sind offenbar sehr unterschiedlicher Qualität und mitunter nicht an die besonderen Bedürfnisse der Flugreisenden angepasst, vor allem, wenn es sich um Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität handelt, deren Mobilität vollständig oder nahezu vollständig eingeschränkt ist. Auch die Ausbildung des Personals ist nicht immer ausreichend. b) Die Notwendigkeit, Flugreisende besser zu informieren. Die Information der Flugreisenden wird häufig als unzureichend oder kaum verfügbar bewertet. Dieser für die reibungslose Anwendung der Verordnung unerlässliche Aspekt ist nach wie vor eine ihrer größten Schwachstellen. c) Die Handhabung der Mobilitätshilfen Auch die Handhabung der Mobilitätshilfen gibt Anlass zur Sorge. Es handelt sich häufig um empfindliche und teure Vorrichtungen, die für den Flugreisenden lebenswichtig sind. Probleme im Zusammenhang mit den Pflichten der Luftfahrtunternehmen a) Beschränkungen bei der Buchung oder bei der Anbordnahme von Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität aus Sicherheitsgründen Aus den Studien und Beschwerden ergeben sich Hinweise darauf, dass bei der Anwendung der Verordnung durch die Luftfahrtunternehmen die größten Probleme in der Ablehnung von Buchungen oder der Anbordnahme von Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität bestehen, für die Sicherheitsgründe geltend gemacht werden. Hierunter fallen Situationen, in denen die Luftfahrtunternehmen von der Person mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität fordern, dass sie sich von einer Person begleiten lässt, die ihr während des Flugs Hilfeleistungen erbringen kann und der der volle Flugpreis berechnet wird. Gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung sind Luftfahrtunternehmen berechtigt, vom Grundsatz der Nichtdiskriminierung abzuweichen, so dass sie entweder die Buchung oder Anbordnahme einer Person mit Behinderung oder eingeschränkter Mobilität verweigern oder die Anwesenheit einer Begleitperson verlangen können, um geltenden Sicherheitsanforderungen nachzukommen, die in internationalen, gemeinschaftlichen oder nationalen Rechtsvorschriften festgelegt sind, oder die die Behörde aufgestellt hat, die dem betreffenden Luftfahrtunternehmen das Luftverkehrsbetreiberzeugnis ausgestellt hat. Es handelt sich also um eine klar festgelegte Abweichung[7]. Offenbar besteht eine gewisse Unklarheit hinsichtlich der Definition der Sicherheitskriterien, die zur Abweichung vom Nichtdiskriminierungsgebot berechtigen. So lässt sich die Ablehnung einer Anbordnahme oder die Begrenzung der Zahl von Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität an Bord bzw. die Forderung nach der Anwesenheit einer Begleitperson mit der Einhaltung der Sicherheitsanweisungen[8] im Falle eines Druckabfalls, von Turbulenzen, abrupter Flugmanöver oder eines Unfalls sicherlich rechtfertigen. Bislang sind nur wenige Sicherheitsvorschriften für die Beförderung von Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität unionsweit harmonisiert. Auch unterliegt die Anwendung dieser Vorschriften meist der Zuständigkeit der nationalen Stellen. Die diesbezüglichen Vorschriften werden auf Vorschlag des jeweiligen Luftfahrtunternehmens, das auch seine eigene Risikoabschätzung vornimmt, von der zuständigen Behörde genehmigt. Hier sei ergänzend angemerkt, dass einige Luftfahrtunternehmen dazu neigen, die Anforderungen an die Flugsicherheit und Fragen, die allein das Wohlbefinden der Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität betreffen (Nahrungsaufnahme, Nutzung der Toiletten, usw.), miteinander zu vermengen. Für die aus Sicherheitsgründen verweigerte Anbordnahme dürfen allein Gründe der Flugsicherheit geltend gemacht werden. Die Harmonisierung der Sicherheitsvorschriften ist zwar eine komplexe Aufgabe und erfordert die Zusammenarbeit der zuständigen nationalen Behörden, doch die Kommission ist der Auffassung, dass sich schon jetzt einfache Grundsätze zur Regelung der in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a und Absatz 2 genannten Abweichungen aufstellen lassen: - Jede Abweichung, für die Sicherheitsgründe geltend gemacht werden, um die Verweigerung einer Buchung oder Beförderung oder die Forderung nach der Anwesenheit einer Begleitperson zu rechtfertigen, muss sich auf eine oder mehrere rechtlich zwingende Richtlinien der Flugsicherheit[9] stützen und nicht auf einfache Empfehlungen oder die Geschäftspolitik des Luftfahrtunternehmens. - Wird die Beförderung verweigert, sind dem Flugreisenden die genaue Begründung unter Angabe der Rechtsgrundlage mitzuteilen, auf die sich die Ablehnung stützt. - Die nationalen Behörden sollten die Sicherheitsvorschriften, die bei einer Ablehnung der Beförderung geltend gemacht werden können, genau festlegen und veröffentlichen, um ein größeres Verständnis und eine schrittweise Harmonisierung der Vorgehensweisen zu erreichen. Die Gründe, die zur Rechtfertigung der Ablehnung einer Beförderung angeführt werden, sollten in direktem Zusammenhang mit der Flugsicherheit stehen und sich auf folgende Grundsätze stützen: - Das Unvermögen, die Sicherheitsanweisungen der Flugbegleiter zu verstehen; das Unvermögen, Handgriffe zur Gewährleistung der Sicherheit selbst vorzunehmen (Anlegen, Lösen des Sicherheitsgurts, Herunterziehen und Anlegen der Sauerstoffmaske, Herausnehmen und Anlegen der Rettungsweste); das Unvermögen, selbst in eingeschränktem Maße, an der eigenen Evakuierung mitzuwirken; das Unvermögen, sich während des Flugs selbständig die notwendige Versorgung oder medizinische Behandlung zukommen zu lassen. - Im Übrigen sollte bei einer Beschränkung der Zahl der Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität auf einem Flug, je nach Art des Luftfahrzeugs, die Zahl der Flugreisenden ohne Behinderungen[10], die in der Lage wären, diesen Personen bei einer Notevakuierung zu helfen[11], nicht unterschritten werden. Auf dieser Grundlage gehen einige Behörden davon aus, dass auf einem gegebenen Flug diese Beschränkung bei der Hälfte der Zahl der Flugreisenden ohne Behinderungen anzusetzen ist. b) Fragen zu Hilfeleistungen an Bord. Probleme bei der Anwendung entstehen auch bei der Frage der Hilfeleistung während des Flugs, vor allem hinsichtlich der Pflicht der Luftfahrtunternehmen zur Begleitung bis zu den Toiletten. Diese Pflicht ist eindeutig in Anhang II der Verordnung geregelt, so dass die Luftfahrtunternehmen alle Maßnahmen ergreifen müssen, um unter Einhaltung der Sicherheitsrichtlinien dieser Verpflichtung nachzukommen, auch indem sie die Ausstattung an Bord und die Ausbildung der Flugbegleiter anpassen. c) Probleme bei den Mobilitätshilfen Die Bestimmungen, welche Mobilitätshilfen unentgeltlich transportiert werden müssen, werden unterschiedlich ausgelegt. Einigen Flugreisenden wurde die unentgeltliche Mitnahme bestimmter Mobilitätshilfen mit der Begründung verweigert, dass diese für die Reise, für die Hilfeleistungen beantragt wurden, nicht unmittelbar notwendig wären. Das Recht auf Reisemöglichkeiten, wie es im ersten Erwägungsgrund der Verordnung dargelegt ist (Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung) sollte sich nicht auf die physische Beförderung beschränken, sondern auch den Zweck der Reise einschließen, was für diese Kategorie von Flugreisenden bedeutet, dass sie die Mobilitätshilfen und die für ihre Aktivitäten notwendige medizinische Ausrüstung auch nach dem Flug zur Verfügung haben müssen. d) Probleme bei der Information von Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität. Schließlich werden Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität häufig offenbar nur unzureichend über ihre Rechte informiert - sei es bei der Buchung oder bei der Ablehnung der Anbordnahme. Nach dem Buchstaben und dem Geist der Verordnung müssen Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität vor ihrer Buchungsanfrage über Informationen verfügen, damit sie ihre Buchung und die Beantragung von Hilfeleistungen in voller Kenntnis ihrer Rechte und der Ausnahmen hiervon vornehmen können. Probleme im Zusammenhang mit den Pflichten der nationalen für die Anwendung dieser Verordnung zuständigen Stellen Probleme zeigten sich bei der einheitlichen Auslegung der Verordnung sowie bei der Bearbeitung der Beschwerden von Flugreisenden und der Anwendung der Sanktionsmaßnahmen. Mit Blick auf die einheitliche Auslegung der Verordnung veranstaltet die Kommission seit 2006 Sitzungen, auf denen die zuständigen nationalen Behörden etwaige unterschiedliche Auslegungen erörtern können. Die Protokolle dieser Sitzungen werden auf der Website der Generaldirektion Mobilität und Verkehr veröffentlicht. Zwischen den Mitgliedstaaten bestehen große Unterschiede. Einige Behörden scheinen sehr aktiv zu sein, sowohl was die Information der Öffentlichkeit über ihre Rechte als auch die Überwachung der Anwendung der Verordnung vor Ort und die Bearbeitung von Beschwerden anbelangt. Andere verhalten sich eher passiv. Ein weiteres Problem besteht in der unzureichenden Abstimmung ihrer Maßnahmen: So wurden die Luftfahrtunternehmen je nach Mitgliedstaat mit unterschiedlichen Auslegungen der Verordnung konfrontiert. Die Sanktionen zeichnen sich durch eine enorme Bandbreite aus. Einige Regelungen sind eher administrativer Art, andere rechtlicher Art und wieder andere strafrechtlicher Art. Auch die Fristen bei der Bearbeitung von Beschwerden sind äußerst unterschiedlich: Sie reichen von einigen Wochen bis zu sechs Monaten. Diese Situation schadet der Effizienz des Systems insgesamt. Auch die Entscheidungen der nationalen Durchsetzungsstellen weichen in ihrer Detailliertheit und Wirkung sowie hinsichtlich ihrer praktischen Folgen für die Flugreisenden von einem Mitgliedstaat zum anderen erheblich voneinander ab. Sonstige Probleme Uneinigkeit hinsichtlich der Höhe, der Berechnungsmodalitäten und der Anlastung der Kosten In einigen Mitgliedstaaten kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Luftfahrtunternehmen und den Flughafenbetreibern über die Höhe und Modalitäten der Berechnung der in Artikel 8 der Verordnung genannten Umlage. So konnten erhebliche Unterschiede zwischen den Flughäfen festgestellt werden, ohne dass dies stets klar begründet erscheint. Probleme bei der Auslegung bestimmter grundlegender Begriffsbestimmungen Probleme sind bei der Auslegung bestimmter Begriffsbestimmungen der Verordnung aufgetreten, allein schon bei der Festlegung, welche Personen als Personen mit eingeschränkter Mobilität gelten. Unklar war, ob schwangere Frauen, übergewichtige Personen oder Kleinkinder auch unter diesen Begriff fallen. In unklaren Situationen, in denen allgemein gültige, genaue und einfache Antworten nicht immer möglich sind, gilt es, allgemeine Auslegungsgrundsätze festzulegen: In diesem Fall findet die Verordnung nicht nur auf behinderte Personen Anwendung, sondern dient auch dem Schutz von Personen, die aufgrund ihres Alters oder eines anderen beeinträchtigenden Grundes in ihrer Mobilität eingeschränkt sind[12]. Da sie vom Anwendungsbereich der Verordnung nicht ausdrücklich ausgeschlossen werden, gilt diese also auch für Situationen mit Kindern, deren Autonomie während einer Flugreise aufgrund ihres Alters eingeschränkt ist. Daher hat eine erwachsene Person, die allein mit mehreren Kleinkindern reist, Anspruch auf eine den tatsächlichen Umständen ihrer Reise angepasste Hilfeleistung. Ebenso darf ein Fall von Übergewicht, der die Mobilität eines Flugreisenden deutlich einschränkt, nicht a priori vom Geltungsbereich der Verordnung ausgeschlossen werden. Diese Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, jeden Einzelfall zu prüfen und sich dabei das allgemeine Ziel der Verordnung, nämlich das Nichtdiskriminierungsgebot, vor Augen zu halten. Die Betreiber müssen keinen allzu weit gefassten Anwendungsbereich der Begriffsbestimmungen fürchten, da sie durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen der Hilfeleistung und dem angestrebten Ziel vor Missbrauch geschützt sind, d. h., dass der Flugreisende selbst in der Lage sein muss, den Flug, den er gebucht hat, anzutreten[13]. Die Beförderung und die Bereitstellung von medizinischem Sauerstoff Die Beförderung und die Bereitstellung von medizinischem Sauerstoff unterliegen ganz unterschiedlichen Regelungen, die von Luftfahrtunternehmen zu Luftfahrtunternehmen abweichen und bei den betroffenen Flugreisenden zu Unsicherheiten und großer Unzufriedenheit führen. In ihrer jetzigen Fassung kann mit der Verordnung das Problem nicht gelöst werden, wenngleich die Frage des Einsatzes von medizinischem Sauerstoff an Bord einer schnellen Lösung bedarf, da die derzeitige Situation nicht zufriedenstellend ist: So werden Flugreisende, für die der Sauerstoff lebenswichtig ist, entweder abgelehnt oder sie werden hinsichtlich der Beförderungsbedingungen und der Kosten im Ungewissen gelassen. Der Einsatz von medizinischem Sauerstoff muss in der Europäischen Union unter Berücksichtigung der Fluggastrechte, der Vorschriften für die Flugsicherheit und der Beschränkungen des Luftverkehrs harmonisiert werden. Einerseits gilt der Sauerstoff als medizinisches Material und ist in Anwendung der Verordnung also unentgeltlich zu befördern[14], andererseits unterliegt er auch den Vorschriften für gefährliche Stoffe, weshalb einige Luftfahrtunternehmen, die lieber ihren eigenen Sauerstoff zur Verfügung stellen, die Anbordnahme untersagen. Letztere erachten damit diese Hilfeleistung als Dienstleistung, auf die sie ihre jeweilige Tarifpolitik anwenden, die von der unentgeltlichen Zurverfügungstellung bis zu einer mitunter teuren Berechnung reicht. Die Kommission hatte schon mehrfach Gelegenheit, sich in den Antworten auf parlamentarische Anfragen und Petitionen zu diesem Thema zu äußern und dabei festzustellen, dass hierdurch widersprüchliche Situationen entstehen, die sie bedauert[15]. Allgemeine Informationen für Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität Die Kommission unternimmt derzeit gewaltige Anstrengungen, um die Öffentlichkeit über das Internet und über regelmäßige Beiträge in den Medien über ihre Rechte zu informieren. So hat die Kommission am 29. Juni letzten Jahres eine umfangreiche, europaweite Informationskampagne („ Ihre Rechte als Reisende – immer dabei “) gestartet, die auf zwei Jahre angelegt ist[16]. Mit Hilfe von Informationsbroschüren, Plakaten an Reiseschwerpunkten, die Einrichtung einer eigenen Website zu den Rechten von Reisenden[17]sowie Berichten in Printmedien und audiovisuellen Medien sollen Bürger für ihre Rechte sensibilisiert und ermutigt werden, diese auch in Anspruch zu nehmen. Diese Bemühungen sollten von allen Akteuren, insbesondere von den nationalen Behörden in den Mitgliedstaaten, aufgegriffen werden. Die Kommission ruft dazu auf, Informationsmaßnahmen möglichst bürgernah vor Ort durchzuführen. Stärkung der Effizienz der Anmeldung Die Anmeldung ist heutzutage unzureichend und wenig effizient: Daher werden Überlegungen angestellt, mit welchen technischen und rechtlichen Mitteln die Situation verbessert werden kann. Ein wichtiges Element zur Steigerung der Zahl der Anmeldungen, die derzeit bei etwa 40 % liegt, ist die Einführung einer systematischen Information der Flugreisenden über die zur Verfügung stehenden Hilfeleistungen und über die Notwendigkeit, ihren Hilfebedarf vorab anzumelden. Diese Information sollte so bald und so klar wie möglich bei der Vorbereitung und Buchung der Reise weitergegeben werden. Hierzu müssen die Akteure der Branche, deren Aufgabe es ist, die Flugreisenden über Rechte und Pflichten aus der Verordnung zu unterrichten, geschult werden. Ein entsprechender Hinweis könnte systematisch auf die Flugscheine, die Bestellformulare und/oder die Rechnungen aufgedruckt werden. Vor dem Hintergrund dieser Zusammenfassung der Funktionsweise der Verordnung (EG) Nr. 1107/2006, ihrer Vorteile und ihrer Schwächen sollen mit diesem Bericht Vorschläge unterbreitet werden, wie die Anwendung der Verordnung verbessert werden könnte. SCHLUSSFOLGERUNGEN UND VORSCHLÄGE Die Anwendung der Verordnung ist offenbar im Großen und Ganzen zufriedenstellend und dürfte sich nach und nach verbessern - trotz einiger erheblicher Unterschiede je nach Luftfahrtunternehmen und Mitgliedstaat und der Tatsache, dass die Verordnung in der Öffentlichkeit nur unzureichend bekannt ist. Auch wenn heutzutage in der gesamten Europäischen Union anerkannt wird, dass Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität Anspruch auf Hilfeleistungen haben, haben wir doch noch keine effiziente und harmonisierte Anwendung erreicht, die einen wirklich gemeinsamen Raum auf diesem Gebiet konkret greifbar machen würde. Es bleibt also noch Einiges zu tun: Mit den Verbesserungsvorschlägen, die in aktiver Zusammenarbeit mit allen Akteuren weiterentwickelt werden müssen (beispielsweise mit internationalen Organisationen, vor allem mit der Europäischen Zivilluftfahrtkonferenz, nationalen Behörden, Behindertenverbänden, Flughäfen, Luftfahrtunternehmen und Unterauftragnehmern), soll dieses Ziel erreicht werden. Die erste insgesamt positive Bilanz der Anwendung der Verordnung zeigt, dass zu diesem Zeitpunkt eine Überarbeitung der Rechtsvorschrift nicht notwendig ist. Der Rechtsrahmen ist neueren Datums und erscheint ausreichend flexibel, um notwendigen Verbesserungen Rechnung tragen zu können, ohne dass zu diesem Zeitpunkt die Einleitung eines Rechtsetzungsverfahrens notwendig wäre. Die Kommission schlägt daher in ihrer Funktion als koordinierendes und überwachendes Organ mehrere Handlungsschwerpunkte für Verbesserungen innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens vor. Erster Schwerpunkt: Einheitliche Auslegung der Verordnung - Die Kommission wird vorschlagen, das Netz der Durchsetzungsstellen zu formalisieren und hierzu eine aus diesen nationalen Behörden hervorgehende Expertengruppe zu bilden. - Die Kommission wird mit dieser Gruppe Leitlinien für die Auslegung der Verordnung erörtern, die in Form eines Arbeitspapiers der Kommissionsdienststellen angenommen werden, um so eine möglichst einheitliche Auslegung der Bestimmungen der Verordnung zu erreichen. - Die Kommission wird sich vergewissern, dass besondere Anstrengungen unternommen werden, um zu einer gemeinsamen Auslegung der Sicherheitsvorschriften zu gelangen, die die Ablehnung einer Buchung oder Anbordnahme rechtfertigen könnten. Die Kommission wird hier im Einvernehmen mit der Europäischen Zivilluftfahrtkonferenz handeln. - Die Kommission wird dafür Sorge tragen, dass eine konsolidierte und allen Mitgliedstaaten gemeinsame Liste der Gründe erstellt und veröffentlicht wird, die bei einer Ablehnung der Beförderung von Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität oder bei der Forderung nach der Anwesenheit einer Begleitperson geltend gemacht werden können. Zweiter Schwerpunkt: Verbesserungen bei der praktischen Anwendung der Verordnung - Die Kommission wird in Zusammenarbeit mit den Akteuren, etwa den Verbraucherverbänden (beispielsweise dem Europäischen Verbraucherzentrum) darauf achten, dass kontinuierlich eine echte Informationspolitik verfolgt wird, die auf die unter die Verordnung fallenden Personen ausgerichtet ist, insbesondere auf die Personen, die sich zwar hiervon nicht betroffen fühlen, jedoch durchaus in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen könnten. - Die Kommission wird in Zusammenarbeit mit den Behindertenverbänden die Durchführung von Ausbildungsprogrammen fördern, um die Dienstleistungen zu verbessern und um eine effizientere Anwendung der einschlägigen europäischen Vorschriften zu erreichen. - Die Kommission wird der Expertengruppe der nationalen Behörden die Verabschiedung von Maßnahmen vorschlagen, mit denen die Anmeldung von Hilfeleistungen bereits zum Zeitpunkt der Buchung unterstützt wird, verbunden mit einem System zur Ausstellung eines Belegs. Dritter Schwerpunkt: Stärkung der Überwachung und Wirksamkeit der Sanktionsregelungen durch die nationalen Behörden - Die Kommission wird mit der Gruppe der Gesetzgeber die Möglichkeit erörtern, eine gemeinsame Datenbank einzurichten, um die Bearbeitung von Beschwerden sowie Verwaltungs- und Justizentscheidungen im Zusammenhang mit der Anwendung der Verordnung verfolgen zu können. - Die Kommission strebt darüber hinaus die Einführung eines europaweit harmonisierten Aktionsplans an, in dem im Einzelnen die Maßnahmen aufgeführt werden, zu deren Durchführung sich die nationalen Behörden verpflichten (regelmäßige Überprüfungen der Betreiber, Inspektionen vor Ort, usw.). - Die Kommission wird die Luftfahrtunternehmen dazu auffordern, einen Verantwortlichen für die Beilegung von Streitfällen zu benennen, der vor Ort ist und die Befugnis hat, sofortige Entscheidungen zu treffen, um einen Streitfall mit einem Flugreisenden beizulegen. - Die Kommission wird mit den nationalen Durchsetzungsstellen die Möglichkeit erörtern, eine Liste der verhängten Sanktionen und der betroffenen Betreiber zu veröffentlichen, um die abschreckende Wirkung der Sanktionsregelungen zu erhöhen. Viertens: Behandlung der Frage des medizinischen Sauerstoffs Die Kommission wird die Aushandlung einer freiwilligen Vereinbarung aller Parteien über die Frage des Einsatzes von medizinischem Sauerstoff an Bord fördern. Sollte dies nicht gelingen, wird die Kommission die Verabschiedung allgemeiner Vorgaben in Erwägung ziehen – entweder in Form einer unverbindlichen Leitlinie oder, falls dies notwendig erscheint, durch Festlegung verbindlicher Vorschriften. Die künftigen Lösungen sollten sich vor allem an den drei folgenden Kernpunkten orientieren: - Die Zertifizierung bestimmter Geräte für die Beförderung im Luftverkehr im Hinblick auf die Bordzulassung, sofern bestimmte Wartungskriterien erfüllt sind. - Die Festlegung eines für die gesamte Europäische Union geltenden einheitlichen Höchsttarifs für die Bereitstellung von Sauerstoff an Bord. - Eine klare und präzise Information der Flugreisenden über die Bedingungen für die Bereitstellung von medizinischem Sauerstoff an Bord. [1] ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 1. [2] http://ec.europa.eu/dgs/transport/index_en.htm [3] Hinzuzurechnen sind die Länder außerhalb der EU, die die europäische Regelung anwenden. [4] Wie der Unterausschuss der Europäischen Zivilluftfahrtkonferenz (ECAC) zu Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität. [5] CAA-Studie zur Anwendung des EU-Rechts auf dem Gebiet der Rechte von Flugreisenden mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität im VK, März 2010. Arbeiten des Unterausschusses der CEAC zu Personen mit Behinderungen und eingeschränkter Mobilität. Reaktionen auf die von der Europäischen Kommission im ersten Halbjahr 2010 durchgeführte öffentliche Anhörung zu den Rechten von Flugreisenden. [6] Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1107/2006. [7] Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung. [8] Im Wesentlichen geht es um den Einbau und die Nutzung des Sicherheitsgurts, der Sauerstoffmaske und der Rettungsweste, die schnelle Evakuierung des Flugzeugs über die von den Flugbegleitern angezeigten Wege. [9] In der EU sind die in der Verordnung (EWG) 3922/1991 vom 31.12.1991 enthaltenen betrieblichen Richtlinien (OPS „Operational Standards“) verbindlich. Diese Verordnung regelt die gemeinsamen technischen Vorschriften und Verwaltungsverfahren in der Zivilluftfahrt, auch die Sicherheitsvorschriften für die Beförderung von Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität (siehe beispielsweise OPS 1.260, Seite 34 oder Anhang I zu OPS 1.1045, Punkt 8.2.2). Hierbei kann es sich auch um nationale Vorschriften handeln: Beispielsweise für das Vereinigte Königreich, Code of practice S. 38; für Deutschland das LBA- Rundschreiben S. 36, für Belgien Circulaire Nr. CIR/OPS-04 vom Dezember 2006, veröffentlicht durch die DGTA, Centre de Communication Nord. [10] Als Flugreisende ohne Behinderungen gelten entsprechend der IACO-Richtlinie (Dok. 7192 Ausbildungshandbuch Teil E-1) die Personen, die von den Flugbegleitern ausgewählt werden, um sie in Notfallsituationen zu unterstützen, indem sie beispielsweise die Türen öffnen oder anderen Flugreisenden bei der Evakuierung des Flugzeugs helfen. [11] Siehe JAA Temporärer Leitfaden TGL Nr. 44. [12] Artikel 2 Buchstabe a der Verordnung. [13] Artikel 7 der Verordnung. [14] Anhang II, Absatz 2 [15] Siehe beispielsweise die Antwort der Kommission vom 25.3.2010 auf die Petition Nr. 1438/2009 von David Buckle und die Antworten auf die schriftlichen Anfragen E-3760/09, E-5076/09, E-5586/09 und E-2962/10. [16] Siehe: http://ec.europa.eu/transport/passenger-rights/de/index.html [17] Siehe: http://ec.europa.eu/transport/passenger-rights/de/index.html