28.1.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 24/99


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Binnenmarktakte — Zwölf Hebel zur Förderung von Wachstum und Vertrauen — Gemeinsam für neues Wachstum“

KOM(2011) 206 endg.

2012/C 24/22

Berichterstatterin: Benedicte FEDERSPIEL

Mitberichterstatter: Martin SIECKER und Ivan VOLEŠ

Die Europäische Kommission beschloss am 13. April 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Binnenmarktakte — Zwölf Hebel zur Förderung von Wachstum und Vertrauen — Gemeinsam für neues Wachstum

KOM(2011) 206 endg.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 3. Oktober 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 475. Plenartagung am 26./27. Oktober 2011 (Sitzung vom 27. Oktober) mit 150 Stimmen bei 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) verfolgt den Binnenmarkt eingehend von der zivilgesellschaftlichen Warte aus. Zu diesem Zweck hat er 1994 die Binnenmarktbeobachtungsstelle (BBS) geschaffen. Der EWSA unterstützt die Initiative der Kommission, den Binnenmarkt neu zu beleben und zu modernisieren, bedauert jedoch, dass die Monti-, Lamassoure-, González-, Grech- und Herzog-Berichte nicht umfassend berücksichtigt wurden und der Binnenmarkt nicht wirklich in den Dienst der Verbraucher und Bürger gestellt wurde, wie dies das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 20. Mai 2010 gefordert hat.

1.2   In seiner Stellungnahme zur Binnenmarktakte (1) hatte der EWSA eine Reihe von Maßnahmen aufgezeigt, die in der Binnenmarktakte fehlen. Hebel stehen u.a. noch in folgenden Bereichen aus: Urheberrechtsabgaben, Überarbeitung der Richtlinie zum Urheberrecht, Netzneutralität, Datenschutzvorschriften, Anlegerschutz, Protokoll über den sozialen Fortschritt, Satzung der Europäischen Privatgesellschaft, elektronische Beschaffung, europäische Ratingagenturen, Gleichstellung der Geschlechter, Kleinst- und Familienunternehmen, Maßnahmen zur Förderung der Gründung neuer bzw. der Expansion bestehender Unternehmen, Kredit- und Debitkarten, elektronischer Zahlungsverkehr, Verbraucherkredit und Überschuldung, Überweisungen zwischen Banken, Jugend sowie Maßnahmen zur Vollendung der gemeinsamen Währung und zur Konsolidierung des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums (SEPA) usw.

1.3   Der Ausschuss hatte eine Reihe von Prioritäten für einen integrierten Binnenmarkt ausgewählt, von denen viele nun in der Liste der als „zwölf Hebel“ bezeichneten prioritären Maßnahmen aufgeführt werden: die Charta der Grundrechte als integraler Bestandteil des Binnenmarktes, Dienstleistungen, Finanzdienstleistungen für Privatkunden, Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (DAI), nachhaltige Entwicklung, kleine und mittlere Unternehmen und andere Formen des Unternehmertums, Wettbewerbsfähigkeit, Normung, digitaler Binnenmarkt, Corporate Governance und Beteiligung der Arbeitnehmer, Freizügigkeit von Arbeitnehmern und wirtschaftliche Freiheiten, Rechtsvorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens, externe Dimension und Zugang zum Recht/Sammelklagen.

2.   Wesentlicher Inhalt der Mitteilung der Kommission

2.1   Der Binnenmarkt weist eine Reihe von Unzulänglichkeiten auf, die nicht nur von Mario MONTI in seinem Bericht „Eine neue Strategie für den Binnenmarkt“, sondern auch vom Europäischen Parlament in dem von Louis GRECH erstellten „Bericht über die Schaffung eines Binnenmarktes für Verbraucher und Bürger“ aufgezeigt wurden. Zur Behebung dieser Unzulänglichkeiten gilt es, eine dynamische, bereichsübergreifende Strategie zu entwickeln. Ziel muss es sein, die Zersplitterung des Marktes zu überwinden und Barrieren und Hindernisse für den freien Dienstleistungsverkehr sowie für Innovation und Kreativität zu beseitigen. Ferner geht es darum, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihren Binnenmarkt zu stärken und die Verbraucher in den Genuss aller Vorteile des Binnenmarktes kommen zu lassen.

2.2   In ihrer Mitteilung „Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte“ hat die Kommission 50 Vorschläge zur Bewältigung der vor uns liegenden Herausforderungen zur Diskussion gestellt (2). Ausgehend von den im Zuge der öffentlichen Debatte eingegangenen Beiträgen hat die Kommission zwölf Hebel politischen Handelns herausgearbeitet. Zu jedem dieser Hebel schlägt die Kommission eine Leitaktion vor, die die EU bis Ende 2012 mit dem Ziel beschließen soll, das Wachstum anzukurbeln und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu stärken.

2.3   Damit die vorgeschlagenen Maßnahmen in Sachen Wachstum und Beschäftigung die gewünschten Wirkungen erzielen, müssen die für ihre Gestaltung und wirksame Umsetzung erforderlichen vier Mindestvoraussetzungen erfüllt sein: 1) ein besserer Dialog mit der gesamten Zivilgesellschaft, 2) eine enge Partnerschaft mit den verschiedenen Akteuren, 3) eine wirksame Unterrichtung von Bürgern und Unternehmen und 4) eine entschlossenere Kontrolle der Anwendung der Binnenmarktvorschriften. Ende 2012 wird eine neue Etappe in der Weiterentwicklung des Binnenmarktes eingeleitet. Den Überlegungen wird eine große Wirtschaftsstudie zugrunde liegen, die Aufschluss über Bereiche mit ungenutztem Wachstumspotenzial geben und gegebenenfalls neue Wachstumshebel aufzeigen sollte. Die Kommission wird ferner die Zivilgesellschaft und alle Binnenmarktakteure mit Hilfe ihrer neuen Steuerungsinstrumente konsultieren.

3.   Allgemeine Bemerkungen und Empfehlungen

3.1   Der EWSA begrüßt das ehrgeizige Ziel der Kommission, das Wachstum anzukurbeln und das Vertrauen in den Binnenmarkt zu stärken. Er weist darauf hin, dass der Binnenmarkt ein Kernstück des europäischen Integrationsprozesses ist und den europäischen Interessenträgern unmittelbar spürbaren Nutzen und den europäischen Volkswirtschaften nachhaltiges Wachstum bringen kann. Ein funktionierender, zukunftsorientierter Binnenmarkt ist daher im gegenwärtigen Kontext für die politische und wirtschaftliche Zukunft der Europäischen Union nicht nur wünschenswert, sondern entscheidend wichtig. Um diesen Nutzen zu bewirken, muss sich die Kommission bei ihren Vorschlägen ehrgeizige Ziele setzen, die über die Beseitigung kleiner Einzelprobleme hinausweisen.

3.2   Der Ausschuss hält fest, dass die Mitteilung der Kommission nur der zweite Schritt in einem Prozess ist, bei dem noch viele weitere Schritte folgen müssen. Die Kommission erläutert in dieser Mitteilung ihre Entscheidung, von den ursprünglichen 50 Vorschlägen ihrer Mitteilung „Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte“ nunmehr 12 Hebel auszuwählen. Der Ausschuss hat festgestellt, dass viele der vorgeschlagenen Hebel nicht so neu sind wie angekündigt, da sie bereits in den Arbeitsprogrammen der Kommission für 2010 und 2011 (3) enthalten waren.

3.3   Zudem ist dem Ausschuss daran gelegen, den Grundgedanken nachzuvollziehen, der dem politischen Ansatz mit Blick auf die Vollendung des Binnenmarkts insgesamt zugrunde liegt und der die Kommission letztlich veranlasst hat, aus der großen Zahl möglicher Hebel ebenjene zwölf auszuwählen. Dazu finden sich weder in der Mitteilung noch in der Analyse der betreffenden Maßnahmen Hinweise.

3.4   Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, die Arbeit auch an denjenigen Vorschlägen fortzusetzen, die in der ursprünglichen Mitteilung (KOM(2010) 608 endg.) aufgeführt waren, jedoch nicht unter die 12 Hebel aufgenommen wurden. Er empfiehlt außerdem, dass die Kommission die fehlenden Hebel (siehe Ziffer 1.2) berücksichtigt, die der Ausschuss in seiner vorhergehenden Stellungnahme zur Binnenmarktakte umrissen hat. Der Ausschuss möchte über die Entwicklungen in beiden Bereichen informiert werden und erinnert die Kommission daran, dass rasche Anschlussmaßnahmen notwendig sind, damit die Weiterentwicklung des Binnenmarktes das Wachstum in Europa in naher Zukunft positiv beeinflussen kann.

3.5   Mehrere Vorschläge sind bereits in Vorbereitung und sollen noch in diesem Jahr vorgelegt werden. Der EWSA erwartet, dass die Kommission ihn zu diesen und weiteren konkreten Vorschlägen konsultiert, damit er den Standpunkt aller maßgeblichen Interessenträger einbringen kann. Er ist auch bereit, sich an der Bewertung der voraussichtlichen Auswirkungen der neuen Rechtsvorschriften auf den Binnenmarkt zu beteiligen und einen Beitrag zu der großen Wirtschaftsstudie zu leisten, die Aufschluss über Bereiche mit ungenutztem Wachstumspotenzial geben und gegebenenfalls neue Wachstumshebel aufzeigen soll. Der EWSA stellt fest, dass mehr getan werden muss, um die Auswirkungen früherer und gegenwärtiger Binnenmarktvorschriften mit Schwerpunkt darauf zu bewerten, ob die Kombination von Maßnahmen erfolgreich zum besseren Funktionieren des Binnenmarktes im Hinblick auf einen unmittelbar spürbaren Nutzen für Unternehmen, Arbeitnehmer und Verbraucher beigetragen hat.

3.6   Der EWSA betont überdies, dass die Entwicklung des Binnenmarktes nicht nur Sache der GD Markt mit ihren Aktionen und Maßnahmen ist, sondern auch viele andere Politikbereiche betrifft. Er weist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von Initiativen wie die Digitale Agenda (4) und den Bericht über die Unionsbürgerschaft hin (5) und appelliert an die Kommission, Fortschritte in Richtung eines funktionierenden Binnenmarktes in den in diesen Mitteilungen behandelten Politikbereichen zu gewährleisten.

3.7   In der Einleitung unterstreicht die Kommission die Bedeutung der nachhaltigen Entwicklung. Der Ausschuss bedauert, dass die von der Kommission im Jahr 2008 angenommene ehrgeizige Strategie für nachhaltige Entwicklung in dieser Mitteilung nicht aufgegriffen wird. Die notwendige Umstellung auf nachhaltigere Produktions- und Verbrauchsmuster sollte gebührend unterstützt werden.

3.8   Vor dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags hatte das politische und wirtschaftliche Interesse eines wiedervereinten Europas Vorrang vor sozialen Belangen und vor der Nachhaltigkeit. Im Lissabon-Vertrag wurde dieses Ungleichgewicht theoretisch behoben, so dass die anderen Interessen nun die gleiche Bedeutung haben (auch wenn die praktischen Auswirkungen dieser Änderung abzuwarten bleiben). In der Mitteilung wird jedoch mehrfach erwähnt, dass weder zusätzliche Belastungen für die Unternehmen noch zusätzliche Kosten für die Verbraucher entstehen dürfen, auf die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer und die Behörden wird jedoch nicht eingegangen.

3.9   Der EWSA bekräftigt seine Forderung nach einem ganzheitlichen Ansatz. Seiner Meinung nach ist die Förderung des Wachstums und des Wirtschaftspotenzials zwar wichtig, aber der Schwerpunkt der Vorschläge sollte stärker auf den Verbrauchern und Bürgern als unabhängigen Akteuren bei der Schaffung des Binnenmarktes liegen.

3.10   Der EWSA plädiert für Nulltoleranz bei Nichtumsetzung der EU-Vorschriften durch die Mitgliedstaaten und erinnert den Rat und die Kommission daran, dass eine verspätete, uneinheitliche und unvollständige Umsetzung ein großes Hemmnis für einen funktionierenden Binnenmarkt ist. Sehr begrüßenswert fände er die Veröffentlichung von Entsprechungstabellen durch die Mitgliedstaaten, da sie zu mehr Ansehen und einem besseren Verständnis des Binnenmarktes beitragen würden (6).

4.   Besondere Bemerkungen und Empfehlungen zu den zwölf Hebeln

4.1   Maßnahmen für KMU

4.1.1   Der EWSA begrüßt die Vorschläge, die zur Lösung verschiedener Probleme der KMU beitragen sollen, insbesondere was den verstärkten Zugang zu grenzüberschreitender Risikokapitalfinanzierung angeht. Dies wird nach Auffassung des Ausschusses allerdings nicht ausreichen, um das Problem der infolge der Krise generell eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten vieler KMU in ganz Europa zu lösen. Darüber hinaus sollte den Bedürfnissen von Kleinst- und Familienunternehmen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, die oft nicht in der Lage sind, auf die bestehenden Instrumente zur Unterstützung zurückzugreifen, und deren wirtschaftliches Überleben häufig durch verspätete bzw. ausbleibende Zahlungen beeinträchtigt wird. Es sollte geprüft werden, welche Auswirkungen Basel III auf die Bereitschaft der Banken zur Finanzierung von KMU hat.

4.1.2   Der EWSA macht außerdem darauf aufmerksam, dass sich die meisten anderen Leitaktionen mehr oder weniger stark auf die KMU auswirken werden. Die Bedeutung des Small Business Act sollte nicht unterschätzt werden. Der Grundsatz des „Think Small First“ - zuerst an die kleinen Betriebe denken - sollte deshalb in allen Gesetzgebungsvorschlägen angewandt werden, deren Auswirkungen auf KMU sowie Kleinst- und Familienunternehmen vorab geprüft werden sollten. Die Umsetzung und Überwachung sollte als eine Priorität der KMU-Politik der EU betrachtet werden.

4.1.3   Bei der künftigen Sprachenregelung für das Gemeinschaftspatent muss zur Vermeidung von Diskriminierung eine finanzielle Unterstützung für die Unternehmen aus denjenigen Ländern sichergestellt werden, deren Amtssprache nicht als zugelassene Verfahrenssprache beim Europäischen Patentamt verwendet wird.

4.2   Mobilität der Bürger

4.2.1   Die vorgeschlagene Leitaktion zur Steigerung der Mobilität der Bürger dient der Modernisierung des Systems für die Anerkennung von Berufsqualifikationen. Die Förderung der beruflichen und geografischen Mobilität der Arbeitnehmer könnte dazu beitragen, das Funktionieren der europäischen Arbeitsmärkte und die Bereitstellung grenzüberschreitender Dienstleistungen zu verbessern. Unternehmen in ganz Europa haben mit einem bedenklichen Fachkräftemangel zu kämpfen, der zum Teil auf Unzulänglichkeiten bei der allgemeinen und beruflichen Bildung zurückzuführen ist. Fortschritte in diesem Bereich sind zwar zu begrüßen, aber der Ausschuss fordert die Kommission nachdrücklich auf, die vielfältigen weiteren Hemmnisse in Angriff zu nehmen, die die Freizügigkeit der Bürger in der EU nach wie vor einschränken.

4.2.2   Bemühungen um die Anerkennung von Berufsqualifikationen wurden bereits Ende der 80er Jahre mit einer damals noch geringeren Anzahl von Mitgliedstaaten unternommen. Mit der 2005 verabschiedeten Richtlinie über Berufsqualifikationen wurden die 15 früheren gesonderten Richtlinien für die verschiedenen Kategorien von reglementierten Berufen konsolidiert. Da das damit angestrebte Ziel bislang nicht erreicht wurde, begann die Kommission 2010 mit der Überprüfung der Richtlinie.

4.2.3   Der EWSA unterstreicht, dass vor dem Erlass eventueller weiterer Rechtsvorschriften über die gegenwärtige Richtlinie hinaus gründlich untersucht werden sollte, wie die bestehenden Vorschriften verbessert werden können, um die gegenseitige Anerkennung beruflicher Qualifikationen stärker zu fördern. Folgende Möglichkeiten kommen in Betracht:

Verringerung der Zahl der reglementierten Berufe: Es sollte systematisch überprüft werden, inwieweit reglementierte Berufe unter Beachtung neuer Arbeitsmarkterfordernisse auch künftig reglementiert werden sollten.

Der Vorschlag der Schaffung eines Europäischen Berufsausweises muss eingehender geprüft werden (automatische Anerkennung durch die zuständigen Behörden, die auch dafür zuständig sein sollten, diese Ausweise auszustellen).

Eine Aktualisierung der Mindestausbildungsstandards, bei denen statt der Zahl der Ausbildungsstunden die erworbenen Fertigkeiten und Kompetenzen ausschlaggebend sind.

Gewährleistung, dass das allgemeine System der Richtlinie über Berufsqualifikationen parallel zum EQR (7) und zu den anderen Transparenzinstrumenten des Bologna- und Kopenhagen-Prozesses besteht.

4.2.4   Der EWSA schlägt vor, dass bis zur vollständigen Harmonisierung zwischen den 27 Mitgliedstaaten die Möglichkeit eines anderen Ansatzes auf der Grundlage gemeinsamer Maßnahmen zwischen einer kleineren Zahl von Mitgliedstaaten untersucht werden sollte, in dessen Rahmen möglicherweise durch eine verstärkte Zusammenarbeit und die Berücksichtigung von Migrationsmustern und Arbeitsmarktentwicklungen der gewünschte Erfolg zur Verbesserung der Mobilität der Arbeitnehmer herbeigeführt werden kann. Nach diesem ersten Schritt könnte es leichter sein, eine vollständige Harmonisierung in Angriff zu nehmen.

4.2.5   Der EWSA sieht keine Notwendigkeit für eine Überprüfung der Richtlinie über Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, da mit der Richtlinie ein ausreichender Rechtsrahmen geschaffen wurde. Es muss jedoch dafür gesorgt werden, dass die entsprechenden grenzüberschreitenden Verfahren besser funktionieren.

4.3   Rechte des geistigen Eigentums

4.3.1   Die Regelungen über die Rechte des geistigen Eigentums müssen für Urheber, Nutzer von Urheberrechten und Verbraucher (8) funktionieren. Verbraucher sollten unabhängig von ihrem Wohnort in der EU Zugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten und Produkten sowie zu auf urheberrechtlich geschütztem Material basierenden Dienstleistungen haben. Bei Lizenzen und Urheberrechten ist ein stärker gesamteuropäisch ausgerichteter Ansatz vonnöten.

4.3.2   Für die Verbraucher ist der derzeitige Rechtsrahmen für die Rechte des geistigen Eigentums verwirrend; noch unübersichtlicher stellt sich die Situation für ganz Europa dar. Der Rechtsrahmen muss klarer gestaltet werden, rechtliche Sanktionen und rechtliche Durchsetzung müssen verhältnismäßig sein: Einzelne Verbraucher, die möglicherweise unabsichtlich und/oder geringfügig für ihren persönlichen Gebrauch gegen Rechte des geistigen Eigentums verstoßen, müssen möglicherweise anders behandelt werden als Kriminelle, die derartige Aktivitäten im großen/gewerblichen Maßstab betreiben.

4.4   Verbraucher als Akteure des Binnenmarktes

4.4.1   Alternative Streitbeilegungsverfahren sind unter Umständen ein nützliches Instrument, um die Verbraucher zu schützen und ihnen schnell und kostengünstig zu ihrem Recht zu verhelfen – und zwar nicht nur im elektronischen Handel, sondern generell. Die Verbraucherinteressen sollten im Mittelpunkt dieser außergerichtlichen Verfahren stehen, und die Verbraucher sollten gegebenenfalls auch den Rechtsweg beschreiten können. Der Ausschuss begrüßt den im Arbeitsprogramm der Kommission für 2011 vorgesehenen Gesetzgebungsvorschlag für alternative Streitbeilegungsverfahren und weist darauf hin, dass der Vorschlag ein hohes Schutzniveau gewährleisten muss.

4.4.2   Zusätzlich zu den alternativen Streitbeilegungsverfahren hat die GD Justiz eine Konsultation zur Sammelklage durchgeführt. Leider ist für November kein Gesetzgebungsvorschlag vorgesehen, sondern nur eine weitere Mitteilung über die Ergebnisse der Konsultation in diesem Frühjahr, was enttäuschend ist. Es ist höchste Zeit, nunmehr Taten folgen zu lassen. Der Ausschuss hofft auf baldige Vorlage eines Gesetzgebungsvorschlags. Ein solcher Vorschlag muss zu einem Sammelklageinstrument führen, das sowohl national als auch grenzüberschreitend genutzt werden kann und allen Verbrauchern im Binnenmarkt offensteht.

4.4.3   Ein solches Instrument sollte allen zur Verfügung stehen, deren Rechte im Binnenmarkt verletzt werden. Nicht nur die Rechte der Verbraucher werden von Anbietern von Gütern und Dienstleistungen durch unlautere Vertragsbedingungen und unlautere Geschäftspraktiken verletzt. Auch Arbeitnehmer, deren Rechte verletzt werden, und die Bürger im Allgemeinen, die von Diskriminierung betroffen sind, sollten die Möglichkeit der Sammelklage haben. Möglicherweise bedürfen auch KMU eines vergleichbaren Schutzes gegen unlautere Geschäftspraktiken usw.

4.4.4   Im Großen und Ganzen bekommen die Verbraucher die Vorteile des Binnenmarktes im Bereich Finanzprodukte für Privatkunden noch nicht zu spüren. Zwar begrüßt der Ausschuss die Fortführung der Arbeit, bei der es um die Transparenz der Bankgebühren und um einen besseren Schutz von Kreditnehmern geht, aber es muss mehr getan werden, um den grenzüberschreitenden Zugang zu Finanzdienstleistungen für Privatkunden zu fördern. Außerdem sollte allen Bürgerinnen und Bürgern unabhängig von ihrem Wohnort in der EU ein Zahlungskonto mit Basisfunktionen zur Verfügung stehen.

4.4.5   Der EWSA begrüßt die Überarbeitung der Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit, bei der die Belange der Verbraucher stärker berücksichtigt werden, und wird sich zu den konkreten Vorschlägen äußern. Desgleichen ist ein höheres Maß an Marktüberwachung auf nationaler wie auch gesamteuropäischer Ebene wünschenswert.

4.4.6   Unmittelbare Rechte der Bürger und Verbraucher, die sich aus dem Binnenmarkt ergeben, sind ein Eckstein der Marktintegration und ein unmittelbar spürbarer Vorteil der wirtschaftlichen Integration Europas sowohl im Bereich der Passagierrechte als auch in Bezug auf Roaminggebühren und im elektronischen Handel. Die Verbraucher/Passagiere müssen leicht und schnell auf Mechanismen zugreifen können, die ihnen zu ihrem Recht verhelfen, insbesondere wenn sie sich in einer Notlage befinden, z.B. im Ausland ohne Mittel für die Heimkehr in ihr Land festsitzen. Von entscheidender Bedeutung ist außerdem eine einheitliche Anwendung, weil Passagiere in der EU nicht gleich behandelt werden, da die Rechtsdurchsetzung ebenso wie auch die Auslegung der geltenden Vorschriften und Regelungen sehr uneinheitlich sind.

4.5   Dienstleistungen

4.5.1   Der Ausschuss unterstützt den Vorschlag, das Normungssystem auf die Dienstleistungen auszudehnen, weist jedoch darauf hin, dass die Besonderheiten der Dienstleistungen berücksichtigt werden müssen und das Normungsmodell für Güter nicht unbesehen kopiert werden darf. Bei der Weiterentwicklung von Normen im Dienstleistungsbereich muss den Bedürfnissen des Marktes und der Gesellschaft sowie der Sicherheit der Verbraucher Rechnung getragen werden.

4.5.2   Der Ausschuss befürwortet die vorgeschlagene Einsetzung einer hochrangigen Gruppe für Unternehmensdienstleistungen, die die wichtigsten Hemmnisse und Engpässe des Marktes ermitteln soll.

4.5.3   Der Ausschuss begrüßt die Initiative, die öffentlichen Verwaltungen durch die Benennung von „einheitlichen Ansprechpartnern“ zu modernisieren. Die administrative Zusammenarbeit in grenzübergreifenden Angelegenheiten kann nur begrüßt werden. Diese Zusammenarbeit sollte auch auf Politikbereiche ausgedehnt werden, in denen die Einhaltung von Verpflichtungen zur Diskussion steht. Der EWSA hält die Schlussfolgerungen der Kommission bezüglich der Auswirkungen der Dienstleistungsrichtlinie und des Funktionierens des Dienstleistungssektors für verfrüht, da die Richtlinie erst vor wenigen Jahren in Kraft getreten ist (9).

4.6   Netze

4.6.1   Der Ausschuss ist der Ansicht, dass den Mitgliedstaaten bezüglich der Energienetze (10) weiterhin freigestellt werden sollte, für welche Energieform sie sich entscheiden. Das Gemeinwohl hängt von gut funktionierenden Netzen, der Qualität der Dienste und all denjenigen Mitteln ab, mit denen Universalität, Sicherheit und Kontinuität dieser Netze und Dienste zu vertretbaren Preisen gewährleistet werden. Die Europäische Union sollte auf internationaler Ebene in Energie- und Energietransportnetzfragen mit einer Stimme sprechen, diese Fragen, vor allem die Sicherheit der Energieversorgung, als integralen Aspekt ihrer Außenbeziehungen (Europäische Nachbarschaftspolitik - ENP) betrachten und Führungsstandards für die Transitländer vorschlagen. Die Mitgliedstaaten sollten diese Energiesolidarität gemeinsam mit der Europäischen Union auf internationaler Ebene vertreten und in der EU nach dem Grundsatz des allgemeinen Interesses verfahren. Der Ausschuss plädiert zudem für die Einrichtung eines europäischen beratenden Ausschusses für Energie und Klimawandel.

4.6.2   Fragen des Verkehrs (11) betreffend fordert der EWSA eine bessere Anbindung sowohl der westlichen und östlichen als auch der nördlichen und südlichen Gebiete der EU. Er spricht sich auch dafür aus, der sogenannten Nachbarschaftspolitik in Form einer besseren Anbindung der östlichen und südlichen Nachbarländer der EU besonderes Augenmerk zu schenken. Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten sich vor allem auf das Netz und nicht so sehr auf einzelne Infrastrukturprojekte konzentrieren. Dadurch wird auch die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten gefördert. Wenn die EU wirklich beabsichtigt, einen integrierten Verkehrsbinnenmarkt in Europa zu schaffen und die Kohäsionspolitik weiterzuführen, dann ist nach Auffassung des Ausschusses ein radikaler Kurswechsel bei der Wahl der Netze erforderlich. Insofern billigt der EWSA das kürzliche Umdenken im Bereich der TEN-V. Der EWSA empfiehlt zudem, das Instrument der öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) zur Finanzierung von TEN-V-Projekten behutsam und gezielt einzusetzen. Es sollte berücksichtigt werden, dass die Mitgliedstaaten über ein unterschiedliches Ausmaß an Erfahrungen verfügen. Zudem ist eine kohärente Finanzierungsstrategie erforderlich, mit deren Hilfe alle einschlägigen europäischen und nationalen Finanzinstrumente im Sinne des Ziels einer besseren Finanzierung in Anspruch genommen werden können.

4.7   Digitaler Binnenmarkt

4.7.1   Der elektronische Geschäftsverkehr leidet offenbar mit am stärksten unter der Fragmentierung des Binnenmarktes. Das Fehlen harmonisierter Vorschriften, die mangelnde Interoperabilität der Informationssysteme (12), ungelöste Probleme in Bezug auf die Rechte des geistigen Eigentums, fehlende Sicherheit von Zahlungen und nicht gewährleistete Verbraucherrechte vor allem im Bereich der Produktsicherheit behindern die umfassende Ausschöpfung des erheblichen Potenzials, das der grenzüberschreitende elektronische Handel sowohl für Anbieter als auch für Verbraucher bietet. Durch die in der Mitteilung der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen sollen einige der Hemmnisse des digitalen Binnenmarktes beseitigt werden, doch verweist der Ausschuss darauf, dass weitaus mehr erforderlich ist, um den Binnenmarkt auf das Informationszeitalter vorzubereiten, darunter auch einheitliche und hohe Datenschutznormen, z.B. mit Blick auf die elektronische Unterschrift. In diesem Zusammenhang bekräftigt der EWSA seine Forderung, dass die Netzneutralität als eines der Grundprinzipien im digitalen Binnenmarkt anerkannt werden muss.

4.7.2   Die Lösung der in der Mitteilung genannten Probleme in Bezug auf den elektronischen Handel kann dazu beitragen, das Vertrauen der Verbraucher in den Binnenmarkt zu stärken. Allerdings werden bisher nur wenige konkrete Maßnahmen vorgeschlagen. Der Ausschuss fordert die Kommission auf, einen ehrgeizigen Aktionsplan für die Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs zu entwickeln, in dessen Mittelpunkt der Verbraucher steht. Ziel muss die Schaffung eines Online-Marktes in der EU sein, auf dem sich die Verbraucher sicher und geschützt fühlen und wissen, wie sie im Fall von Verstößen Unterstützung zur Wahrnehmung ihrer Rechte erhalten können.

4.7.3   Als Ergebnis eines funktionierenden digitalen Binnenmarktes müssen für Verbraucher und Unternehmen die Hindernisse, die auf der Staatsangehörigkeit oder dem Wohnsitz beruhen, beseitigt werden. Verbraucher müssen also digitale Produkte wie Musik problemlos aus anderen Mitgliedstaaten bestellen können. Besonders wichtig ist dies, um den nachfolgenden Generationen von Unionsbürgern die Bedeutung des Binnenmarktes deutlich zu machen.

4.8   Soziales Unternehmertum

4.8.1   Der EWSA begrüßt die Förderung der sozialen Verantwortung von Unternehmen sowie die Initiative der Kommission zur Schaffung der erforderlichen politischen Rahmenbedingungen, die die Ausschöpfung des entsprechenden Potenzials ermöglichen sollen. Initiativen im Bereich der sozialen Verantwortung von Unternehmen sollten den grundlegenden Prinzipien der Binnenmarktvorschriften etwa im Bereich des Wettbewerbs und der staatlichen Beihilfen entsprechen und die einschlägigen Arbeiten des EWSA (13) berücksichtigen.

4.8.2   Der EWSA hat die Schaffung des Statuts der europäischen Stiftung unterstützt, fordert die Kommission jedoch auf, zu prüfen, ob darüber hinaus legislative Maßnahmen zur Erleichterung der grenzübergreifenden Tätigkeit bestehender Stiftungen ergriffen werden könnten, da analoge Modelle wie das Statut der Europäischen Genossenschaft und das Statut der europäischen Gesellschaft bisher nur wenig Anklang gefunden haben.

4.8.3   Die Kommission muss dafür Sorge tragen, dass sich die EU vermehrt für die Stärkung der sozialen Verantwortung der Unternehmen einsetzt, damit die Einbindung der Arbeitnehmer weiter vorangetrieben und die Transparenz der von den Unternehmen bereitgestellten Informationen erhöht wird. Das Recht der Arbeitnehmer auf Unterrichtung, Anhörung und Mitbestimmung ist im Vertrag als Bestandteil verschiedener Formen der Einbindung der Arbeitnehmer als Grundrecht festgeschrieben worden: Artikel 151 Absatz 1 „Dialog zwischen den Sozialpartnern“ und Artikel 153 Absatz 1 AEUV, wo es unter Buchstabe f) heißt, dass die Union die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf folgenden Gebieten unterstützen und ergänzen soll: „Vertretung und kollektive Wahrnehmung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen, einschließlich der Mitbestimmung“. Mit Hilfe der öffentlichen Konsultation sollte daher untersucht werden, wie die Transparenz der von Unternehmen bereitgestellten Informationen über soziale und ökologische Aspekte sowie über die Achtung der Menschenrechte erhöht werden kann. Wenn dem EWSA ein konkretes Stellungnahmeersuchen zugeht, wird er die Initiative für soziales Unternehmertum eingehend prüfen, einschließlich der Möglichkeit, auch weiterhin am freiwilligen Charakter der sozialen Verantwortung der Unternehmen festzuhalten.

4.9   Steuern

4.9.1   Im Zusammenhang mit der Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie betont der EWSA, dass das Konzept der Einführung einer CO2-Steuer das Emissionshandelssystem (EHS) und den Energieeffizienzplan ergänzen sollte (14). Mit Hilfe der CO2-Steuer sollte die finanzielle Unterstützung bereitgestellt werden, die zur Beschleunigung der FuE-Anstrengungen zur Entwicklung emissionsarmer Verfahren und innovativer Technologien notwendig ist, und die Einnahmen sollen ausschließlich diesen Zielen zugute kommen. Der entsprechende Steuersatz muss so gestaltet sein, dass er das Wachstum nicht gefährdet, keinen Widerstand der Politik oder der Öffentlichkeit auslöst, und die Einführung der Steuer darf nicht zu einem Anstieg der Energiearmut führen.

4.9.2   Die CO2-Steuer sollte auf dem Verbrauch statt auf der Erzeugung beruhen. Die Europäische Kommission sollte allgemeine Leitlinien für eine CO2-Besteuerung ausarbeiten, deren sonstige Details jedoch im Ermessen der Mitgliedstaaten belassen. Es sollte ihnen freigestellt sein, diese Steuer gemäß der Struktur ihrer verarbeitenden Industrie und ihrer Energieindustrie zu erheben.

4.9.3   Der Ausschuss begrüßt Maßnahmen zur Behebung von Unstimmigkeiten bei der Besteuerung in Gebieten wie der Mehrwertsteuer, den Energiesteuern und der Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage. Zwar ist darauf zu achten, dass die einzelnen Mitgliedstaaten weiterhin in der Lage sind, ihre öffentlichen Dienstleistungen gemäß dem Subsidiaritätsgrundsatz zu finanzieren, doch muss der Schwerpunkt auch auf die Schwierigkeiten gelegt werden, die die Bürger und die KMU in ihren täglichen Erfahrungen mit dem Binnenmarkt haben und die durch unterschiedliche Steuerregelungen und deren Umsetzung verursacht werden. Dies ist wichtig, um zu gewährleisten, dass der Binnenmarkt effizienter funktioniert. Auch die vorgeschlagene Finanztransaktionssteuer sollte dazu beitragen, dass beim Eingehen von Risiken mehr auf Nachhaltigkeit geachtet wird.

4.10   Sozialer Zusammenhalt

4.10.1   Der EWSA unterstützt die Vorstellungen, die die Kommission im Rahmen des Hebels „Sozialer Zusammenhalt“ formuliert. Dabei geht es um mehr als nur die bessere Umsetzung der Entsenderichtlinie, wie ursprünglich in der Mitteilung der Kommission „Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte“ vorgeschlagen. Die Kommission plant die Annahme eines Legislativvorschlags, der auf eine bessere Umsetzung der Entsenderichtlinie abzielt. Eine Klarstellung zur Ausübung der sozialen Grundrechte im Kontext der wirtschaftlichen Freiheiten des Binnenmarktes könnte aufgenommen werden bzw. den Vorschlag ergänzen. Damit wird keine Änderung vorgeschlagen, sondern ein weiterer Rechtsakt zur verbesserten Umsetzung der Richtlinie. Die bei der Anwendung dieser Richtlinie auftretenden Widersprüche sollten geklärt werden, und die Befugnisse der Mitgliedstaaten zum Ausbau ihrer Arbeitsnormen und ihrer Systeme der Arbeitsbeziehungen einschließlich der wichtigen Funktion von Tarifverhandlungen in unterschiedlicher Form sollten ganz klar definiert werden. Das Ergebnis dieser Klärung sollte Aufschluss darüber geben, ob eine Überarbeitung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern erforderlich ist. Dies sollte nicht zu Lasten der Wettbewerbsregeln und des Grundsatzes des Verbots jeglicher Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit erfolgen. Änderungen des bestehenden Rechts und neue Rechtsakte sollten erst nach Konsultation mit den Sozialpartnern und unter Wahrung eines Gleichgewichts zwischen hohen Standards bei den Arbeitsnormen und wirtschaftlichen Freiheiten durchgeführt werden und den Problemen Rechnung tragen, die durch Schwarzarbeit verursacht werden.

4.11   Regulierungsumfeld der Unternehmen

4.11.1   Regulierung kann nicht als Hindernis oder Belastung bezeichnet werden, wenn sie dazu dient, gesellschaftliche Interessen, einschließlich der Rechte von Verbrauchern und Arbeitnehmern, zu gewährleisten. Die vorgeschlagene Vereinfachung der Rechnungslegungsrichtlinie, die den Verwaltungsaufwand für Unternehmen, insbesondere KMU, verringern soll, ist ein sinnvoller Beitrag zu einem unternehmensfreundlichen Umfeld, darf jedoch nur ein Teil einer umfassenden Überprüfung unnötiger rechtlicher Auflagen sein, mit denen die europäischen Unternehmen konfrontiert sind und die ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt schmälern.

4.11.2   Der EWSA begrüßt und unterstützt die vorgeschlagenen Maßnahmen wie die Verknüpfung von Unternehmensregistern, ein Statut der Europäischen Privatgesellschaft, das gesellschaftlichen Erfordernissen Rechnung trägt, sowie die kohärentere Umsetzung des Small Business Act durch die EU und die Mitgliedstaaten, betont jedoch, dass unnötiger Verwaltungsaufwand weiter abgebaut werden muss, und erwartet, dass die Kommission die Ziele nach 2012 vorschlagen wird, wenn der Verwaltungsaufwand um 25 % gesunken sein soll. Der Ausschuss stellt fest, dass ein Abbau unnötigen Aufwands stets wünschenswert ist, unabhängig davon, ob es sich um Unternehmen, Verbraucher oder öffentliche Stellen handelt, dass jedoch eine gründliche Prüfung erfolgen muss, um sicherzustellen, dass der ursprüngliche Zweck der Rechtsvorschrift auch tatsächlich in vollem Umfang erreicht wird. Der Ausschuss verweist darauf, dass ein gemeinsames Vorgehen der EU auch zum Abbau von Verwaltungsaufwand führen kann, wenn es an die Stelle von 27 unterschiedlichen nationalen Regelungen tritt.

4.12   Öffentliches Auftragswesen

4.12.1   Der EWSA begrüßt die Initiative, eine ausgewogene Politik im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zu entwickeln, die die Nachfrage nach einer ökologisch nachhaltigen, innovativen und sozial verantwortungsvollen Entwicklung stützt. Dabei ist auch zu gewährleisten, dass Korruption und Missbrauch öffentlicher Gelder bei Ausschreibungsverfahren in der gesamten EU bekämpft werden. Das öffentliche Auftragswesen läuft jedoch Gefahr, derart komplex zu werden, dass es nicht mehr kohärent anwendbar ist (15). Zumindest sollte mehr getan werden, um Kapazitäten in der öffentlichen Verwaltung zu schaffen, damit die Regeln des öffentlichen Auftragswesens durchgehend angewandt werden können, und gleichzeitig sollten die öffentlichen Stellen in die Lage versetzt werden, die zu erfüllenden neuen Anforderungen an öffentliche Aufträge in die Leistungsbeschreibungen aufzunehmen. Die Kommission sollte sich auch dafür einsetzen, dass die öffentlichen Stellen den Verhaltenskodex umfassender anwenden, damit die Ausschreibungsverfahren KMU-freundlicher werden (16).

4.12.2   Seit das Projekt Binnenmarkt Mitte der 80er Jahre eingeleitet wurde, wird über die Integration einer grundsätzlichen Sozialklausel in das Regelwerk diskutiert. Diese Forderungen wurden durch die Änderung der Vorschriften über das öffentliche Auftragswesen im Jahr 2005 teilweise erfüllt. Die Änderung der EU-Richtlinien über das öffentliche Auftragswesen sollte zu einer Ausschöpfung des geltenden Rechtsrahmens durch die Aufnahme sozialer und ökologischer Kriterien in öffentliche Aufträge führen, die auch durch Erbringer von Dienstleistungen aus Drittstaaten zu erfüllen sind, wobei derartige Kriterien im Einklang mit den grundlegenden Prinzipien des EU-Rechts, die im Vertrag von Lissabon niedergelegt sind, stehen müssen.

4.12.3   Die Kommission sollte im Rahmen ihrer Initiative zum öffentlichen Auftragswesen den nach wie vor zwischen der EU und ihren wichtigsten Handelspartnern bestehenden Ungleichgewichten bei der Öffnung der Märkte für das öffentliche Auftragswesen größere Aufmerksamkeit schenken. Es stellt sich die Frage, inwieweit die europäischen Märkte für das öffentliche Beschaffungswesen grundsätzlich offen sein sollten, während in Drittländern weiterhin ungleiche Bedingungen vorzufinden sind. Hier geht es darum, dass die ILO-Übereinkommen und die Menschenrechte von allen Beteiligten sowohl in den Mitgliedstaaten als auch in Drittländern respektiert werden. Die EU sollte sich für die weltweite Anwendung dieses Konzepts einsetzen.

5.   Voraussetzungen für den Erfolg

5.1   Der Ausschuss begrüßt, dass in der Mitteilung der Kommission die Bedeutung der Zivilgesellschaft sowie deren Bereitschaft anerkannt werden, sich an der Weiterentwicklung des Binnenmarktes zu beteiligen. Er verweist darauf, dass es Aufgabe des Ausschusses ist, eine Brücke zwischen Europa und der organisierten Zivilgesellschaft zu schlagen, und dass er deshalb dazu prädestiniert ist, die Kommission bei der Weiterentwicklung des Binnenmarktes zu unterstützen. In diesem Zusammenhang erinnert der Ausschuss die Kommission daran, dass es nicht mit einer Konsultation getan ist, sondern dass sie auch deutlich machen muss, welche Auswirkungen die Konsultationen und die aus diesem Prozess hervorgehenden Stellungnahmen auf die jeweiligen Vorschläge hatten.

5.2   Das Binnenmarktforum sollte eine wirksame Plattform für die Interaktion zwischen der EU und den nationalen/regionalen Verwaltungen werden, die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes mit den wichtigsten Akteuren verantwortlich sind. Der Ausschuss unterstützt nachdrücklich das Konzept der Binnenmarktwoche, das Kommissionsmitglied BARNIER vorgeschlagen hat und bei dem die öffentlichen Stellen und die Organisationen der Zivilgesellschaft der einzelnen Mitgliedstaaten zusammengebracht werden.

5.3   Das Binnenmarkt-Informationssystem (IMI) (17) ist das wichtigste technische Instrument für die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Verwaltungen und verfügt über zusätzliches Potenzial als Schnittstelle für die Nutzer des Binnenmarktes.

5.4   Die zurückgehende Unterstützung der Unionsbürger für die europäische Integration erfordert eine intensive und gezielte Strategie für die Öffentlichkeitsarbeit, einschließlich der Inanspruchnahme aller Instrumente, die den Unternehmen, Arbeitnehmern und Bürgern die erforderliche Unterstützung bieten, z.B. Solvit, EURES, das European Enterprise Network, die Europäischen Verbraucherzentren, RAPEX usw. Der Aufbau einer einheitlichen Anlaufstelle („Your Europe“) für Unternehmen und Bürger kann sinnvoll sein, jedoch nur wenn vollständige, zutreffende, zuverlässige und zugängliche Informationen bereitgestellt werden. Es muss anerkannt werden, dass Bürger und Unternehmen auch die Möglichkeit haben müssen, ihre Fragen direkt an eine Person zu richten, und nicht nur auf elektronisches Material angewiesen sein dürfen.

Brüssel, den 27. Oktober 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  ABl. C 132 vom 3.5.2011, S. 47.

(2)  KOM(2010) 608 endg.; Stellungnahme des EWSA: ABl. C 132 vom 3.5.2011, S. 47.

(3)  KOM(2010) 135 endg. vom 31.3.2010 und KOM(2010) 623 endg. vom 27.10.2010.

(4)  http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2010:0245:FIN:DE:PDF

(5)  http://ec.europa.eu/justice/citizen/files/com_2010_603_de.pdf

(6)  ABl. C 248 vom 25.8.2011, S. 87.

(7)  Europäischer Qualifikationsrahmen.

(8)  ABl. C 18 vom 19.1.2011, S. 105.

(9)  ABl. C 318, 29.10.2011, S. 109.

(10)  ABl. C 306 vom 16.12.2009, S. 51.

(11)  ABl. C 318 vom 23.12.2009, S. 101.

(12)  ABl. C 318, 29.10.2011, S. 105.

(13)  Siehe Seite 1 dieses Amtsblatts.

(14)  Siehe Seite 7 dieses Amtsblatts.

(15)  Siehe Stellungnahmen des EWSA ABl. C 224 vom 30.8.2008, S. 32, ABl. C 318, 29.10.2011, S. 99 und ABl. C 318, 29.10.2011, S. 113.

(16)  „European code of best practices facilitating access by SMEs to public procurement contracts“ (Europäischer Verhaltenskodex für einen leichteren Zugang von KMU zu öffentlichen Aufträgen) (SEK(2008)2193).

(17)  Weitere Informationen: http://ec.europa.eu/internal_market/imi-net/index.html