28.1.2012 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 24/85 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Online-Glücksspiele im Binnenmarkt“
KOM(2011) 128 endg.
2012/C 24/20
Berichterstatter: Stefano MALLIA
Die Europäische Kommission beschloss am 24. März 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Online-Glücksspiele im Binnenmarkt“
KOM(2011) 128 endg.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 3. Oktober 2011 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 475. Plenartagung am 26./27. Oktober (Sitzung vom 26. Oktober) mit 126 gegen 4 Stimmen bei 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 Die Kommission möchte mit der Konsultation im Rahmen des Grünbuchs ihre Kenntnisse bezüglich der Online-Glücksspielbranche verbessern, die rasch wächst, grenzüberschreitend tätig und durch verschiedene, von den Mitgliedstaaten derzeit umgesetzte nationale Rechtsvorschriften gekennzeichnet ist.
1.2 Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss stellt fest, dass die Mitgliedstaaten eine Reihe gemeinsamer Ziele verfolgen. Dazu zählen die Bekämpfung des illegalen Glückspiels, der Verbraucherschutz, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und die Finanzierung von im Allgemeininteresse liegenden Tätigkeiten (gemeinnützigen Zwecken).
1.3 Der Verbraucherschutz ist ein Bereich, in dem die EU einen Mehrwert für ihre Bürgerinnen und Bürger erbringen kann. Die EU sollte einen Rechtsrahmen in Form von EU-Verbraucherschutzvorschriften schaffen, die für alle in der EU lizenzierten Anbieter verbindlich sind. Auf diese Weise würde ein Mindestmaß (nicht aber ein niedriges Maß) an Verbraucherschutzstandards geschaffen. Nationale Regierungen müssen jedoch weiterhin das Recht haben, gegebenenfalls höhere Verbraucherschutzstandards für ihre Märkte festzulegen; konkret müssen die von den Mitgliedstaaten kommenden Vorschriften u.a. die Prävention und Behandlung der Spielsucht zum Ziel haben.
1.4 Die Bekämpfung von Betrug, Identitätsdiebstahl, Geldwäsche, und weiteren Vergehen erfordert eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten auf EU-Ebene. Der EWSA fordert eine formalisierte Struktur der Zusammenarbeit auf EU-Ebene zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten. Insbesondere sollte jeder Mitgliedstaat eine Liste der Anbieter zur Verfügung stellen, die in dem betreffenden Land lizenziert sind, und der Geltungsbereich der Geldwäscherichtlinie (1) sollte über Kasinos hinaus auf Online-Glücksspiele ausgeweitet werden, wodurch nationale Behörden mehr Befugnisse bei der Bekämpfung illegaler Aktivitäten erhalten.
1.5 Die Möglichkeiten zum Glücksspiel können zu Glücksspielsucht führen. Der EWSA fordert die Kommission auf, eine unionsweite Studie durchzuführen, um die Charakteristika der Glücksspielsucht gänzlich zu erfassen. Im Anschluss an diese Studie sollten geeignete Maßnahmen (z.B. zur Prävention) ergriffen werden. Zu diesem Zweck empfiehlt der EWSA, dass ein Teil der Steuereinnahmen für die Prävention und Behandlung der Spielsucht verwendet wird.
1.6 Der EWSA fordert auch die Einführung strenger Rechtsvorschriften über das Verbot von Glücksspielwerbung, die sich an Minderjährige richtet bzw. die Minderjährige oder Personen zeigt, deren Alter unter der nationalen Altersgrenze für die Teilnahme an Glücksspielen zu liegen scheint, um einen wirksamen Schutz von Minderjährigen und anderen Risikogruppen sicherzustellen.
1.7 Kennzeichnend für die Branche sind derzeit die nicht genehmigte Erbringung von Glücksspieldienstleistungen durch Anbieter ohne Lizenz (im Grünbuch als „Schwarzmarkt“ definiert) sowie durch Anbieter, die in einem Mitgliedstaat lizensiert sind, die ihre Dienstleistungen aber den Verbrauchern in einem anderen Mitgliedstaat ohne erforderliche Genehmigung anbieten (im Grünbuch als „Graumarkt“ definiert). Für eine kohärente Entwicklung der Branche und die Vereinbarkeit von Zielen von öffentlichem Interesse mit Binnenmarktgrundsätzen bedarf es mehr Rechtssicherheit.
1.8 Es gibt viele unterschiedliche Formen der Finanzierung von Maßnahmen von öffentlichem Interesse in den Mitgliedstaaten. Der EWSA stimmt dem Grundsatz zu, dem zufolge festgelegte prozentuale Anteile der Einnahmen aus bzw. Steuern auf Glücksspiele unmittelbar für den Sport im Allgemeinen oder andere Aktivitäten von öffentlichem Interessen verwendet werden.
1.9 Der EWSA stimmt den vom Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ am 10. Dezember 2010 angenommenen Schlussfolgerungen zum Rechtsrahmen im Bereich Glücksspiele und Wetten zu.
1.10 Der EWSA fordert die Kommission auf, die Folgen grenzüberschreitender Angebote für die Finanzierung des Sports (einschließlich der Frage, ob diese Finanzierung den Basissport erreicht) zu untersuchen und konkrete Maßnahmen zur Gewährleistung der Sportfinanzierung vorzuschlagen.
1.11 Die Mitgliedstaaten setzen auf Präventiv- und Repressivmaßnahmen gegen illegale Online-Glücksspielangebote. Die starke Zunahme illegaler Angebote lässt erkennen, dass solche Maßnahmen nicht wirksam genug sind. Deshalb hält es der EWSA für notwendig, ein System von Verstößen und Strafen einzurichten, um die wirksame Anwendung der Rechtsvorschriften zu gewährleisten – bis hin zur Sperrung von Aktivitäten und zur Schließung der Medien, über die die Dienstleistungen der Informationsgesellschaft, die illegale Glücksspielaktivitäten ermöglichen, erbracht werden, einschließlich der Beschlagnahme und Zerstörung aller Elemente, die mit der Durchführung solcher Aktivitäten im Zusammenhang stehen.
1.12 Die Behörden und die Sozialpartner müssen Garantien vorsehen, damit die Initiativen des Online-Glücksspiels keine Auswirkungen auf die Beschäftigung in der Branche der Präsenzspiele haben.
2. Einleitung
2.1 Der EWSA begrüßt das Grünbuch zum Online-Glücksspiel als eine gute Initiative für eine praxisorientierte und eingehende Diskussion über die Zukunft der Branche in Europa. Angesichts dieser Aufgaben ersucht der EWSA die EU, dringend eine eingehende Studie zu erarbeiten, um die potenziellen Auswirkungen auf die Beschäftigung in der gesamten – öffentlichen wie privaten - Glücksspielbranche bewerten zu können.
2.2 Die von der Kommission mit ihrem Grünbuch eingeleitete Konsultation hat zum Ziel, einen umfassenden Dialog über Online-Glücksspiele zu erreichen, um zu einem besseren Verständnis der konkreten Probleme zu gelangen, die sich aus dem wachsenden legalen Angebot wie auch dem Angebot ohne Zulassung (d.h. Schwarz- und Graumarkt) an Online-Glücksspielen für in der EU ansässige Verbraucher ergeben. Aufgrund der Art dieser Dienstleistungen unterliegt ihre Erbringung oftmals nicht der Kontrolle der nationalen Regierungen, für deren Bürger diese Spiele angeboten werden.
2.3 Dieses Grünbuch ist auch eine Reaktion auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. März 2009 zu der Integrität von Online-Glücksspielen (2) und wurde vom Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 10. Dezember 2010 zum Rechtsrahmen für Glücksspiele und Wetten in den EU-Mitgliedstaaten (3) gefordert.
2.4 In der EU gibt es diverse Rechtsvorschriften für Glücksspiele, wobei diese Vorschriften in vielen Mitgliedstaaten gegenwärtig überarbeitet werden, um der Ausweitung des Online-Marktsegments über die nationalen Grenzen hinaus Rechnung zu tragen.
2.5 Das Hauptziel der Kommission besteht darin, eine Konsultation einzuleiten, um damit ein faktenbasiertes Bild von der aktuellen Situation der Online-Glücksspiele in der EU zu erhalten. Zweck der Konsultation ist also eine klare Darstellung der Herausforderungen für die Gesellschaft und öffentliche Ordnung, die sich aus Online-Glücksspielen in der EU ergeben, sowie der Herausforderungen in den Bereichen Regulierung und Technologie.
2.6 Der EWSA fordert die EU-Institutionen und insbesondere die Kommission auf, dringend die entscheidende Frage der Wettbewerbsverzerrungen durch nicht zugelassene Unternehmen anzugehen, die ihren Sitz nicht in dem Wohnsitzland der Verbraucher haben, denen sie ihre Online-Glücksspieldienstleistungen anbieten, und die in ihrem Ursprungsland von niedrigen Steuern und Sozialbeiträgen profitieren.
Parallel dazu fordert der EWSA auch die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, illegale Anbieter („Schwarzmarkt“) rigoros zu bekämpfen, auf die die meisten Fälle von Betrug und Geldwäsche sowie andere Vergehen zurückzuführen sind.
3. Ziele von öffentlichem Interesse
3.1 Der EWSA hält es für unentbehrlich, den Schutz der im Grünbuch genannten Ziele von öffentlichem Interesse sicherzustellen, insbesondere den Schutz der Verbraucher vor Betrug, problematischem Spielverhalten und Spielsucht sowie deren schädlichen Folgen, d.h. gesundheitlichen Problemen und Überschuldung. Die Entwicklung der Glücksspielbranche muss auf nationalen Genehmigungen der Mitgliedstaaten beruhen, um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zu gewährleisten, Betrug zu bekämpfen, Suchtverhalten zu verhindern, die Rechte von Minderjährigen zu schützen und die Rechte der Teilnehmer an Glücksspielen sicherzustellen.
3.2 In dieser Hinsicht stellt der EWSA fest, dass es eine Reihe von Zielen gibt, die allen Mitgliedstaaten gemeinsam sind, nämlich: die Bekämpfung illegaler Glücksspiele, Schutz der Verbraucher (Spieler, Minderjährige und besonders Schutzbedürftige, Suchtbekämpfung), Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Betrugsprävention, Geldwäsche und andere Verbrechen) und Finanzierung von im Allgemeininteresse liegenden Tätigkeiten (gemeinnützige Zwecke) und die Verteidigung der Arbeitnehmer/-innen der Branche des Online-Glücksspiels und des Glücksspiels in seinen unterschiedlichen heutigen Formen.
3.3 Angesichts der Besonderheit der Online-Glücksspiele infolge der damit verbundenen sozialen Fragen und Aspekte der öffentlichen Ordnung und des Gesundheitswesens weist der EWSA im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs darauf hin, dass die Mitgliedstaaten mangels gemeinschaftlicher Harmonisierung einen „Ermessensspielraum“ (4) haben, um ihre Glückspielmärkte entsprechend ihrer Tradition und Kultur zu regulieren und zu kontrollieren. Die restriktiven Maßnahmen, die sie auferlegen, müssen jedoch die Kriterien erfüllen, die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs bezüglich ihrer Verhältnismäßigkeit festgelegt sind (5).
3.4 Gleichwohl gibt es eine Reihe von Zielen, die die Mitgliedstaaten alleine nicht hinreichend verwirklichen können und bei denen sich durch das Handeln auf EU-Ebene ein eindeutiger Mehrwert erzielen ließe.
3.5 Da diese Ziele allen Mitgliedstaaten gemeinsam sind, empfiehlt der EWSA die Förderung des Austauschs bewährter Methoden zwischen diesen Ländern. In diesem Zusammenhang konstatiert der EWSA auch, dass es eine Reihe von Selbstregulierungsinitiativen der öffentlichen und kommerziellen Glücksspielanbieter gibt. Der EWSA betont gleichwohl, dass die Selbstregulierung der Industrie einschlägige Gesetze nicht ersetzen, sondern nur ergänzen kann. Angesichts dessen ist der EWSA der Auffassung, dass die EU-Institutionen sich abstimmen und ihre Anstrengungen darauf ausrichten sollten, die europäische Dimension in diese gemeinsamen Ziele einfließen zu lassen, wobei das Subsidiaritätsprinzip umfassend zu wahren ist.
3.6 Der Verbraucherschutz ist ein Bereich, in dem die EU tatsächlich einen Mehrwert erbringen kann. Nach Auffassung des EWSA sollten die EU-Institutionen einen anfänglichen EU-Rahmen in Form von EU-Verbraucherschutzvorschriften schaffen, die für alle in der EU lizenzierten Anbieter verbindlich sind. Auf diese Weise würde ein Mindestmaß (nicht aber ein niedriges Maß) an Verbraucherschutzstandards geschaffen. Dieses Mindestschutzniveau sollte Aspekte umfassen wie die Notwendigkeit der Verhinderung problematischen Spielverhaltens, der Festlegung von Altersgrenzen für den Zugang zu jeglichen Glücks- und Hasardspielen, die Untersagung der Inanspruchnahme von Krediten und das Verbot jeglicher Form von Glücksspielwerbung, die sich an Minderjährige richtet bzw. Minderjährige oder Personen zeigt, deren Alter unter der nationalen Altersgrenze für die Teilnahme an Glücksspielen zu liegen scheint. Nationale Regierungen würden jedoch weiterhin das Recht haben, gegebenenfalls höhere Verbraucherschutzstandards für ihre Märkte festzulegen.
3.6.1 Im gesamten EU-Markt sollten Verbraucher in der Lage sein, zwischen illegalen Internetportalen und von einem EU-Mitgliedstaat genehmigten Portalen zu unterscheiden. In dieser Hinsicht empfiehlt der EWSA, dass jeder Mitgliedstaat jeden Anbieter, der für seine Tätigkeit eine Lizenz eben dieses Landes besitzt, dazu verpflichtet, an einer festen und herausragenden Stelle auf der Eingangsseite seiner Internetpräsenz ein interaktives Kennzeichen zu platzieren, das zeigt, dass es sich um einen lizenzierten Anbieter handelt. Das Kennzeichen ist von allen Mitgliedstaaten zu verwenden und sollte gemeinsame Gestaltungsmerkmale aufweisen, damit es überall in der EU leicht wiederzuerkennen ist. Aber auch das Herkunftsland, in dem die Lizenz ausgestellt wurde, muss klar erkennbar sein. Die Europäische Kommission sollte für die Durchführung dieser Maßnahme zuständig sein.
3.7 Der EWSA schlägt die Schaffung einer unabhängigen Instanz in jedem Mitgliedstaat vor, die für die Überwachung und Gewährleistung der wirksamen Umsetzung der unter 3.6 genannten Verbraucherschutzvorschriften zuständig wäre. Die Einführung von EU-Verbraucherschutzvorschriften sollte in jedem Mitgliedstaat durch eine Informationskampagne flankiert werden. Die nationalen Behörden jedes Mitgliedstaats müssen die Anbieter dazu verpflichten, die Nummer der staatlichen Genehmigung gut sichtbar aufzuführen, damit die Identität des Glücksspielanbieters bekannt ist und die Beschwerden der Verbraucher entsprechend dem nationalen Verbraucherschutzrecht und gemäß der Rechtsprechung ihres Wohnsitzlands beigelegt werden.
3.8 Die Maßnahmen für verantwortungsvolles Glücksspiel setzen voraus, dass Glückspielaktivitäten im Rahmen einer umfassenden Politik der sozialen Verantwortung der Unternehmen angegangen werden. Dabei sollte das Glücksspiel als komplexes Phänomen aufgefasst werden, das eine Kombination von Maßnahmen zur Prävention, Sensibilisierung, Intervention und Kontrolle sowie zur Schadensbehebung erfordert. Dazu gehört:
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den Risikogruppen gebührende Aufmerksamkeit zu widmen; |
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den Bürgerinnen und Bürgern die notwendigen Informationen bereitzustellen, damit sie bei ihren Glücksspielaktivitäten eine bewusste Wahl treffen können, wodurch ein gemäßigtes, nicht zwanghaftes und verantwortungsvolles Glücksspielverhalten gefördert wird; |
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je nach Art des einzelnen Glücksspiels und der in ihm verwendeten Mittel über das Verbot der Teilnahme an Glücksspielen für Minderjährige oder Personen, die freiwillig den Ausschluss beantragt haben, zu informieren. |
3.9 Der EWSA stellt fest, dass nur einige Mitgliedstaaten hinreichende Daten über Spielsucht zusammengetragen haben. Es wurden eine Reihe nationaler empirischer Untersuchungen durchgeführt, die unterschiedliche, teils widersprüchliche Schlussfolgerungen enthielten. Fest steht jedoch, dass Spielmöglichkeiten zu Spielsucht führen können, was wiederum gesellschaftliche Probleme aufwirft. Bei der Gestaltung der Verbraucherschutzpolitik für diese Branche muss diesem Aspekt stets Rechnung getragen werden.
3.10 Es gilt auch Aspekte wie die neuen Möglichkeiten für Online-Glücksspiele zu bedenken, da durch die neuen Technologien mehr Glücksspielforen für Menschen geschaffen werden, die vergleichsweise viel Zeit zu Hause verbringen, z.B. Rentner, Hausfrauen und Arbeitslose. Es muss gewährleistet werden, dass Minderjährige und nicht spielberechtigte Personen sowie Personen, die dies selbst so wünschen oder denen dies aufgrund eines Gerichtsbeschlusses untersagt ist, keinen Zugang zu Glücksspielen haben, die über telematische und interaktive Medien angeboten werden.
3.11 Der EWSA fordert eine umfassende unionsweite Studie, um ein genaues Bild des Suchtverhaltens bei Glücksspielen im Internet und außerhalb des Internets zu erstellen, damit der EU-Gesetzgeber wirksame und gezielte Maßnahmen ergreifen und diesem Problem vorgreifen kann.
3.12 Der EWSA ist der Auffassung, dass eine effiziente Möglichkeit zur Eindämmung der Geldwäsche in der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten auf EU-Ebene besteht, um dem Ausufern des illegalen Online-Glücksspiels in der EU entgegenzuwirken. Der EWSA fordert daher, dass die EU-Mitgliedstaaten zur Erreichung dieses Ziels wirksame Mechanismen in Gang setzen, die sicherlich positive Auswirkungen im Sinne einer Erhöhung der Steuereinnahmen haben werden.
3.13 Der EWSA ist zudem der festen Überzeugung, dass die Geldwäscherichtlinie über Kasinos hinaus auf Online-Glücksspiele ausgeweitet werden sollte, wodurch die nationalen Behörden mehr Befugnisse zur Bekämpfung dieser kriminellen Aktivitäten erhalten würden.
3.14 In Bezug auf Spielabsprachen ist der EWSA der Ansicht, dass die Integrität des Sports um jeden Preis gewahrt werden muss. Der EWSA nimmt die Beiträge öffentlicher und einiger privater Wettanbieter zur Integrität der Sportwetten, zu Bildungsprogrammen für Athleten und offizielle Sportvertreter und zu Früherkennungs- und Frühwarnsystemen bezüglich verdächtigem Wettverhalten sowie ihre unterschiedliche Qualität und Dimension zur Kenntnis. Der EWSA hält einen Rahmen für Koordinierungsmaßnahmen aller betroffenen Akteure für notwendig, um einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen und eine Doppelung von Ressourcen zu vermeiden. Insbesondere sollte ein System eingerichtet werden, das nicht auf die bloße Ermittlung beschränkt ist, sondern auch Präventiv-, Bildungs- und Durchsetzungsmaßnahmen umfasst.
3.15 Schließlich wird im Grünbuch auch die Finanzierung gemeinnütziger und im Allgemeininteresse liegender Tätigkeiten sowie von Sportereignissen angesprochen, die Gegenstand von Online-Sportwetten sind. Der EWSA spricht sich für ein System aus, durch das diese Aktivitäten und Veranstaltungen einen Teil der aus Glücksspielen gewonnenen Einnahmen erhalten, wie sie in den vom Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ am 10. Dezember 2010 angenommenen Schlussfolgerungen zum Rechtsrahmen im Bereich Glücksspiele und Wetten anerkannt wurden. Er fordert die Kommission auf, konkrete Schritte vorzuschlagen, um solche nationalen Finanzierungsmechanismen aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus sollte nach Auffassung des Ausschusses vermieden werden, dass solche „Aktivitäten“ dazu eingesetzt werden, den negativen sozialen Konnotationen des Glücksspiels entgegenzuwirken, und dass sie das Glücksspiel in der Annahme, dieses diene einem guten Zweck, weiter fördern. Des Weiteren fordert der EWSA in diesem Zusammenhang, dass ein Teil der Steuereinnahmen für die Finanzierung von Therapien zur Prävention und Behandlung von Spielsucht sowie für die berufliche Aus- und Weiterbildung der Arbeitnehmer/-innen der Branche verwendet werden.
4. Niederlassung und Lizenzvergabe
4.1 Die Online-Glücksspielbranche ist derzeit von einer Zersplitterung gekennzeichnet, die aus unterschiedlichen Rechtsvorschriften der EU-Mitgliedstaaten resultiert.
4.2 Eines der Hauptprobleme, vor denen die Branche steht, ist die Tatsache, dass die in einem Mitgliedstaat lizenzierten Anbieter Dienstleistungen für Verbraucher in einem anderen Mitgliedstaat ohne die Genehmigung erbringen können, die in dem betreffenden Land erforderlich ist. Solche Angebote gelten als „ungenehmigt“ (6).
4.3 Andererseits übermittelte die Kommission zwischen April 2006 und Februar 2008 zwölf Mahnschreiben an zehn Mitgliedstaaten und erstellte im Falle von sieben dieser Länder eine mit Gründen versehene Stellungnahme. Am 5. Mai 2010 stellte die Kommission die Verfahren gegen Italien und am 24. November 2010 das Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich ein. Die Kommission eröffnete aufgrund der zahlreichen bei ihr eingegangenen Beschwerden über mutmaßliche Vertragsverstöße Vertragsverletzungsverfahren wegen Beschränkungen des grenzüberschreitenden Angebots an Glücksspieldienstleistungen, um die Verhältnismäßigkeit dieser Einschränkungen zu verifizieren. Der EWSA fordert die Kommission auf, klar festzulegen, wie sie mit den anhängigen Rechtssachen verfahren wird.
4.4 In Bezug auf die Art und den Rechtsstatus des Online-Glücksspiels sind bis dato mehrere Grundsätze aus der Rechtsprechung hervorgegangen. Vor allem fallen Glücksspieldienste unter Artikel 56 AEUV und unterliegen somit den Bestimmungen für die Erbringung von Dienstleistungen.
4.5 Da Glücksspiele bisher keinen unionsweiten Regelungen unterliegen, behalten die Mitgliedstaaten einen „Ermessensspielraum“ bei der Regulierung dieser Dienstleistungen, darunter die Begrenzung der Zahl der Anbieter, Arten von Spielen und deren Umfang (7).
4.6 Der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zufolge dürfen in einem Mitgliedstaat zugelassene Anbieter ihre Dienste Verbrauchern in anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich anbieten, es sei denn, dort wurden Beschränkungen auferlegt, die aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses wie dem Verbraucherschutz oder der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt sind.
4.7 Solche Beschränkungen müssen verhältnismäßig und diskriminierungsfrei sowie Teil einer Politik sein, die konsequent und systematisch angewandt wird.
4.8 Der EWSA stellt fest, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung nicht für die Glücksspielbranche gilt; somit kann ein Mitgliedstaat davon ausgehen, dass die bloße Tatsache, dass ein Anbieter seine Spiele in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig anbietet, keine hinreichende Garantie dafür ist, dass Verbraucher innerhalb des betreffenden Mitgliedstaats gegen Betrugs- und Verbrechensrisiken geschützt sind, u.a. wegen der Schwierigkeiten, die die Behörden des Mitgliedstaats der Niederlassung in einem solchen Kontext bei der Bewertung der professionellen Qualitäten und der Integrität der Anbieter haben können.
4.9 Unter Bezug auf Ziffer 4.8 steht aber auch weiter außer Frage, dass die Branche mehr Rechtssicherheit benötigt, wenn ihre mit der öffentlichen Ordnung verbundenen Ziele und die Binnenmarktgrundsätze kohärenter entwickelt werden sollen. Die Grünbuchkonsultation sollte einen wichtigen Anstoß in diese Richtung liefern.
4.10 Darüber hinaus ist der EWSA der Ansicht, dass es auch strenger Regelungen für die Glücksspielwerbung bedarf, um den Schutz besonders gefährdeter Gruppen (z.B. Minderjährige) zu gewährleisten. Es ist besonders wichtig, diesbezüglich Grenzen festzulegen, vor allem um zu vermeiden, dass Minderjährige und nicht spielberechtigte Personen Zugang erhalten, und um die Verwendung von Bildern, Botschaften und Gegenständen, die die Menschenwürde und die Grundrechte und -freiheiten direkt oder indirekt verletzten können, sowie jegliche Form der Diskriminierung aufgrund der Rasse oder des Geschlechts, des Aufrufs zu Gewalt oder der Ausübung von Straftaten zu verhindern.
5. Sport
5.1 Die Kommission richtet ihr Augenmerk auf zwei sportbezogene Fragestellungen: 1. Sollte ein angemessener Mittelrückfluss von den betreffenden Glücksspielen zu den Sportereignissen stattfinden, auf deren Ergebnisse gewettet wird? 2. Besteht ein „Freifahrt-Risiko“?
5.2 Der EWSA stellt fest, dass es viele unterschiedliche Formen der Finanzierung von Maßnahmen von öffentlichem Interesse in den Mitgliedstaaten gibt. In einigen Mitgliedstaaten sehen die Rechtsvorschriften z.B. für die nationalen Lotterien die unmittelbare Abgabe eines bestimmten Prozentsatzes ihrer Einnahmen an den Sport oder andere im öffentlichen Interesse liegende Aktivitäten vor. In anderen Mitgliedstaaten leitet das Finanzministerium einen Teil der Steuereinnahmen aus Glücksspielen in ausgewählte Bereiche von öffentlichem Interesse.
5.3 Der EWSA stimmt dem Grundsatz zu, dem zufolge festgelegte prozentuale Anteile der Einnahmen aus bzw. Steuern auf Glücksspiele unmittelbar für den Sport oder andere Aktivitäten von öffentlichem Interesse verwendet werden.
5.4 Der EWSA unterstreicht den wichtigen Beitrag staatlicher/nationaler Lotterien und anderer legaler Glücksspielaktivitäten zur Finanzierung des Sports, insbesondere des Basissports. Der EWSA stellt auch fest, dass sich die Bereitstellung von Online-Glücksspielen und Wettdiensten durch Anbieter, die in einem bestimmten Rechtssystem niedergelassen sind, auf die Finanzierung des Sports und weiterer Ziele von öffentlichem Interessen in einem anderen Hoheitsgebiet, wo er Dienstleistungen erbringt, negativ auswirken könnte.
5.5 Dementsprechend fordert der EWSA die Kommission auf, die Folgen grenzüberschreitender Angebote für diese Finanzierung zu ermitteln, dabei zu untersuchen, ob diese Finanzierung den Basissport erreicht und neue konkrete Maßnahmen zur Gewährleistung der Sportfinanzierung vorzuschlagen.
5.6 Der EWSA äußert Vorbehalte gegen die mögliche Schaffung des „Sportrechts“ bzw. des Rechts auf angemessenen Mittelrückfluss. Der EWSA ist der Auffassung, dass Klärungsbedarf besteht, um zu verstehen, was das Recht auf angemessenen Mittelrückfluss bedeutet und ob es auf europäischer Ebene zur Schaffung eines neuen Rechts des geistigen Eigentums in Bezug auf Sportveranstaltungen führt.
5.7 Er fordert deshalb die Kommission auf, Art, Geltungsbereich und Auswirkungen dieses Rechts sowie die ihm zugrunde liegende Rechtsgrundlage klarzustellen.
5.8 Das „Freifahrt“-Problem ist eine steuerliche Frage und sollte als solche nach Einschätzung des EWSA in die nationale Zuständigkeit fallen. Der EWSA ist aber auch der Ansicht, dass auch über einen gerechten Ansatz zur Bereitstellung eines Mittelrückflusses für alle beteiligten Akteure diskutiert und zwischen den Mitgliedstaaten entschieden werden muss. Es handelt sich um ein schwieriges Diskussionsthema auf EU-Ebene; allerdings muss es zu einem bestimmten Zeitpunkt eingehender erörtert werden, um größere Störungen in dieser Branche zu vermeiden.
5.9 Der EWSA fordert die Kommission auf zu klären, ob tatsächlich eine Verbindung zwischen den im Grünbuch aufgeworfenen Sportfragen und der Integrität des Sports besteht, oder ob es sich dabei um unterschiedliche, getrennt zu behandelnde Themen handelt. Außerdem könnte die Kommission verdeutlichen, ob sie der Auffassung ist, dass die Schaffung eines Rechts auf angemessenen Mittelrückfluss („Sportrecht“) wirklich geeignet ist, um die Integrität des Sports sicherzustellen.
6. Durchsetzung
6.1 Ein weiteres zentrales Thema, das es dringend anzugehen gilt, ist die Erbringung von Glücksspieldienstleistungen überall in der EU (8), zulasten des Verbraucherschutzes, des Allgemeinwohls und der Finanzierung von Zielen von öffentlichem Interesse.
6.2 Die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten ist entscheidend, um die Verbraucher in der EU vor illegalen Anbietern zu schützen. In dieser Hinsicht würde nach Auffassung des EWSA eine formalisierte Struktur der Zusammenarbeit in Regulierungsfragen auf EU-Ebene diese Zusammenarbeit erleichtern (9). Insbesondere sollte jeder Mitgliedstaat eine Liste der Anbieter zur Verfügung stellen, die in dem betreffenden Land lizenziert sind. Jede dieser Listen sollte der Kommission, den Mitgliedstaaten, den nationalen Regulierungsstellen und den Verbrauchern zugänglich gemacht werden. Die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sollte den Austausch bewährter Verfahren umfassen.
6.3 Der EWSA weist auf einen Mangel an branchenspezifischen Daten hin. Deshalb ist es nicht möglich, die Branche und insbesondere ihre Dynamik angemessen zu analysieren. Der EWSA schlägt angesichts dessen vor, gemeinsame Datenerhebungskriterien auf EU-Ebene festzulegen und allen Regulierungsbehörden vorzuschreiben, die ihrerseits wiederum alle Lizenzinhaber dazu verpflichten würden, die erforderlichen Daten zu übermitteln. Die Daten können dann auf EU-Ebene aggregiert werden. Informationen über Maßnahmen gegen illegale Spieleportale wären ebenfalls nützlich, um die Wirksamkeit der nationalen Anstrengungen zur Bekämpfung des Schwarzmarkts zu bewerten.
6.4 Der Kampf gegen illegale Anbieter erfordert wirksame Durchsetzungsmaßnahmen. Für den EWSA ist dies ein Schwachpunkt, bei dem die Mitgliedstaaten mehr tun müssen, um illegale Glücksspielbetreiber daran zu hindern, im Internet ihre Dienste anzubieten, womit ein System von Sanktionen bei Verstößen verbunden sein könnte. Er ersucht deshalb die Kommission zu prüfen, ob ein rechtsverbindliches Instrument vorgeschlagen werden kann, mit dem Banken, Kreditkartenunternehmen und sonstige Teilnehmer an Bezahlsystemen in der EU dazu verpflichtet werden, Transaktionen zwischen den Betreibern illegaler Glücksspiele und ihren Kunden zu blockieren, ohne aber rechtmäßige Transaktionen zu behindern Dies umfasst potenziell auch die Sperrung von Aktivitäten, die die Schließung der Medien, über die die Dienstleistungen der Informationsgesellschaft, die illegale Glücksspielaktivitäten ermöglichen, erbracht werden, einschließlich der Beschlagnahme und Zerstörung aller Elemente, die mit der Durchführung solcher Aktivitäten im Zusammenhang stehen.
Brüssel, den 26. Oktober 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
(1) Richtlinie 2005/60/EG, ABl. L 309 vom 25.11.2005, S. 15.
(2) http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+Report+A6-2009-0064+0+DOC+XML+V0//DE.
(3) http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/intm/118398.pdf.
(4) C-212/08 Zeturf - Vorabentscheidung; Urteil vom 30. Juni 2011, Randnummer 39.
(5) Placanica u.a., Ziffer 48; Liga Portuguesa u.a., Ziffer 59.
(6) Grünbuch SEK(2011) 321 endg., S. 6.
(7) C-212/08 Zeturf - Vorabentscheidung; Urteil vom 30. Juni 2011, Absatz 39.
(8) Siehe letzter Absatz auf S. 3. des Grünbuchs.
(9) Mehrere Mitgliedstaaten beteiligen sich freiwillig am Gaming Regulators European Forum (GREF), dem Europäischen Forum der für Glücksspiele zuständigen Regulierungsbehörden: http://www.gref.net/.
ANHANG
zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Der folgende Absatz wurde aufgrund des im Plenum angenommenen Änderungsantrags gestrichen, erhielt jedoch mindestens ein Viertel der Stimmen (Artikel 54 Absatz 4 der Geschäftsordnung):
Ziffer 4.11
„Der EWSA fordert die Kommission auf, die Anforderungen und Bedingungen zu beurteilen, die gegenwärtig für nationale Lizenzen und Kontrollen in den einzelnen Mitgliedstaaten bestehen, um ein gemeinsames Bündel an Bedingungen zu erarbeiten, das dann jedes Mal zur Anwendung kommt, wenn ein Lizenzinhaber eines EU-Lands eine Lizenz in einem anderen Land beantragt, wobei gleichzeitig die Achtung der mit der öffentlichen Ordnung verbundenen Ziele gewährleistet sein muss (siehe Abschnitt 2).“
Abstimmungsergebnis
Ja-Stimmen |
: |
73 |
Nein-Stimmen |
: |
46 |
Enthaltungen |
: |
18 |