23.7.2011 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 218/122 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen“
KOM(2010) 759 endg. — 2010/0364 (COD)
2011/C 218/24
Berichterstatter: Richard ADAMS
Der Rat und das Europäische Parlament beschlossen am 27. Januar 2011 bzw. am 18. Januar 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 43 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen“
KOM(2010) 759 endg. — 2010/0364 (COD).
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 6. April 2011 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 471. Plenartagung am 4./5. Mai 2011 (Sitzung vom 4. Mai) mit 156 gegen 6 Stimmen bei 10 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt, dass die Kommission die infolge des Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon erforderliche Überarbeitung von Verordnungen für Vereinfachungsmaßnahmen nutzt. Diese Vereinfachungen betreffen aber hauptsächlich die Verwaltung; dabei wäre es nach wie vor notwendig, die Verordnungen für Bio-Landwirte und Produzenten von Bio-Erzeugnissen generell einfacher zu gestalten. |
1.2 |
Der EWSA weist auf die ausführlichen Bemerkungen zu den Auswirkungen der Anpassung der delegierten Befugnisse und der Durchführungsbefugnisse der Europäischen Kommission hin, die er in seiner jüngst verabschiedeten Stellungnahme zum Thema „Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den ELER“ (CESE 357/2011) angebracht hat, in der er den von der Kommission skizzierten Ansatz in Bezug auf diese Befugnisse unterstützt. |
1.3 |
Er vertritt die Auffassung, dass die Rolle der Gruppen, die die Europäische Kommission hinsichtlich Durchführungsrechtsakten beraten, und insbesondere die Beiträge der nichtstaatlichen Organisationen und Interessenträger beibehalten werden sollten. |
1.4 |
Zudem schlägt er vor, für das neue EU-Öko/Bio-Siegel eine andere Farbe zu verwenden, wenn damit Bio-Produkte gekennzeichnet werden, die nicht aus der EU stammen. |
2. Hintergrund der Stellungnahme
2.1 |
Gegenstand dieser Stellungnahme ist der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen (KOM(2010) 759 endg.). Er dient der Anpassung der Durchführungsbefugnisse der Kommission in der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates an die Unterscheidung zwischen delegierten Befugnissen und Durchführungsbefugnissen der Kommission, die mit den Artikeln 290 und 291 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eingeführt wurde. |
2.2 |
Artikel 290 und 291 AEUV sehen Änderungen der Verfahren für Beschlüsse der Europäischen Kommission, des Rats und des Europäischen Parlaments hinsichtlich der Anforderungen für die Umsetzung von EU-Rechtsakten vor. |
2.3 |
Die gegenständliche Verordnung führt in erster Linie geringfügige Änderungen der bisherigen Verordnung über die Kennzeichnung von Bio-Produkten sowie insbesondere sieben neue Artikel (Artikel 38a-38g) ein, in denen für die delegierten Befugnisse „spezifische Begriffsbestimmungen innerhalb ihres Geltungsbereichs“ festgelegt werden. |
2.4 |
Abgedeckt werden etwa Produktionsvorschriften, wie z.B. die von den Unternehmern zu erfüllenden Anforderungen, die Zulassung von Erzeugnissen und Stoffen, das EU-Öko/Bio-Siegel sowie Fragen im Zusammenhang mit Kontrollsystemen, etwa die Überwachung und Überprüfung von Kontrollbehörden und Kontrollstellen. |
3. Besondere Bemerkungen
3.1 |
Obwohl die vorliegende Verordnung keine umfangreichen Änderungen enthält und hauptsächlich technischer Natur ist, bedarf es zum besseren Verständnis einer kurzen Erläuterung der derzeitigen Stellung der biologischen Produktion im Rahmen der GAP. Der Begriff „Bio-Landbau“ wurde erst definiert, als moderne landwirtschaftliche Methoden immer stärker an die Stelle der traditionellen Bewirtschaftung traten. Heutzutage versteht man unter Bio-Landbau eine Form der Landwirtschaft, die zur Erhaltung der Ertragsfähigkeit der Böden und zur Schädlingsbekämpfung Fruchtfolge, Gründüngung, Kompost und biologische Schädlingsbekämpfung einsetzt. Der Einsatz von chemischen Düngemitteln, Pestiziden (einschließlich Herbiziden, Insektiziden und Fungiziden), Pflanzenwachstumsregulatoren wie z.B. Hormonen, Antibiotika für das Vieh, Lebensmittelzusatzstoffen sowie gentechnisch veränderten Organismen ist entweder verboten oder stark beschränkt. |
3.2 |
Biologische Produktionsverfahren basierten auf ökologischen Grundsätzen, lokalen, regionalen und nationalen Traditionen sowie bis zu einem gewissen Grad auf philosophischen Überlegungen. Aus diesem Grund haben sich in Europa viele verschiedene Ansätze entwickelt. In den frühen 1970er Jahren begannen die zahlreichen gemeinnützigen nationalen Kontrollorganisationen in Reaktion auf die europäische Integration und das wachsende Interesse und die steigende Nachfrage nach einer gemeinsamen Grundlage zu suchen. In den 1980er Jahren begann die Europäische Kommission auf Wunsch der Verbraucher, der Landwirte, der Verarbeitungsunternehmen und des Handels die Bestimmungen für die biologische Produktion im Rahmen der GAP zu vereinheitlichen. So wurde eine Verordnung zum ökologischen Landbau (1991) (1) und eine zur tierischen Erzeugung (1999) (2) verabschiedet. |
3.3 |
Aufgrund des fortwährenden Wandels der Denkansätze und Konzepte in der Bio-Landwirtschaft und im Hinblick auf den Markteintritt globaler Produzenten waren laufende Anpassungen und Änderungen sowie die Weiterentwicklung der EU-Verordnungen notwendig (3). Das jüngste Beispiel für eine solche Weiterentwicklung ist die Verabschiedung eines neuen EU-Öko/Bio-Siegels und der entsprechenden Verordnung (4) im Jahr 2010. |
3.4 |
Derzeit ist mit den Verordnungen über den ökologischen Landbau eine einheitliche Basis für alle Marktteilnehmer gegeben. Die biologische Produktion macht mit 5 % der gesamten landwirtschaftlichen Fläche in der EU und Umsätzen in Höhe von 18 Mrd. EUR für zertifizierte Bio-Produkte (5) einen erheblichen Marktanteil aus. Die etablierten privaten Siegel staatlich anerkannter Kontrollstellen können neben dem EU-Öko/Bio-Siegel weiter verwendet werden, um die Verbraucher darauf hinzuweisen, dass bei der Produktion zusätzliche Kriterien berücksichtigt wurden. Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass die auf eine Rechtsvereinfachung abzielenden Änderungen in dem vorliegenden Verordnungsvorschlag einen beschränkten Anwendungsbereich haben und technischer Natur sind. |
3.5 |
Zu den weitreichenden Auswirkungen der Artikel 290 und 291 hat er sich bereits in seiner jüngst verabschiedeten Stellungnahme zum Thema „Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den ELER“ (CESE 357/2011) geäußert. |
3.6 |
Im Hinblick darauf und im Bemühen um eine weitere Konsolidierung der Verordnungen über die biologische Produktion befürwortet der EWSA den Ansatz, den die Kommission in ihrem Verordnungsvorschlag für die delegierten Befugnisse und die Durchführungsbefugnisse skizziert. Nichtsdestoweniger möchte er dazu die nachstehenden Anmerkungen anbringen. |
3.7 |
Die Rolle der Gruppen, die die Kommission hinsichtlich Durchführungsrechtsakten beraten, und insbesondere der Beitrag der nichtstaatlichen Organisationen und Interessenträger sollten unverändert bleiben. Die biologische Produktion und die Vermarktung biologischer Erzeugnisse werden auch in Zukunft ein komplexer Bereich sein, der von einer breiten Interessenvertretung profitiert. |
3.8 |
Die Kennzeichnung mit dem neuen EU-Öko/Bio-Siegel ist ab nächstem Jahr verpflichtend. Der Vorschlag, damit unter kontrollierten Bedingungen auch Produkte aus Drittstaaten zu kennzeichnen, sollte überarbeitet werden, wobei eine Differenzierung des Logos, unter Umständen durch die Verwendung einer anderen Farbe für Produkte aus Nicht-EU-Staaten, in Erwägung gezogen werden sollte. |
Brüssel, den 4. Mai 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
(1) Verordnung 2092/91/EWG.
(2) Verordnung 1804/99/EWG.
(3) Die „International Federation of Organic Agricultural Movements“ (IFOAM) hat über 750 Mitglieder aus 115 Ländern.
(4) Verordnung der Kommission 271/2010/EU.
(5) Zahlen aus dem Jahr 2009.