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17.3.2011 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 84/13 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Grünbuch — Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik“
KOM(2010) 284 endg.
2011/C 84/03
Berichterstatter: Michael SMYTH
Die Europäische Kommission beschloss am 2. Juni 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
Grünbuch „Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik“
KOM(2010) 284 endg.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 6. Januar 2011 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 468. Plenartagung am 19./20. Januar 2011 (Sitzung vom 20. Januar) mit 173 Ja-Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 In dieser Stellungnahme legt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) seine sorgfältig abgewogenen Antworten auf die zahlreichen Fragen dar, die in dem Grünbuch der Kommission gestellt werden. Die Fragen beziehen sich auf die acht wesentlichen Aspekte der Governance in Finanzinstituten von der Leistungsfähigkeit der Verwaltungsräte und Aufsichtsbehörden, über das Risikomanagement, Interessenkonflikte und die Problematik der Aktionäre bis hin zu der heiklen Frage der Vergütung von Managern.
1.2 Der EWSA begrüßt die mit dem Grünbuch der Kommission verfolgte Absicht, verweist aber auf einige Schwachstellen bei angeführten Definitionen, insbesondere auf die konkrete Bestimmung des Begriffs der Corporate Governance, die nach Ansicht des Ausschusses solider sein muss; ebenso verweist er auf die strukturellen Unterschiede zwischen Verwaltungsräten im britischen und in den kontinentaleuropäischen Wirtschaftssystemen. Außerdem sollte seiner Ansicht nach der Begriff „Finanzinstitut“ dahingehend präzisiert werden, dass die Empfehlungen insbesondere auf Kreditinstitute abzielen.
1.3 Der EWSA hat bei der Betrachtung des Grünbuchs der Kommission festgestellt, dass die strukturellen Unterschiede zwischen dem britischen und den kontinentaleuropäischen Modellen der Corporate Governance nicht miteinander in Einklang gebracht werden können, weil die Organisationskonzepte so unterschiedlich sind. Deshalb legt der EWSA der Kommission nahe, zu prüfen, welche Grundsätze der Corporate Governance in Europa zugrunde liegen sollten. So beruht z.B. das britische Modell auf dem Grundsatz unabhängiger Kompetenzbereiche, was bedeutet, dass die Unabhängigkeit der maßgeblichen Führungsgremien gefördert wird. Sollte Unabhängigkeit ein zentraler Grundsatz der Corporate Governance in der gesamten EU sein? Wenn ja, wie könnte sie im kontinentaleuropäischen Modell verwirklicht werden?
1.4 Außerdem werden die Bedürfnisse der Verbraucher in dem Grünbuch nur relativ wenig berücksichtigt. Die Nutzer von Finanzdienstleistungen sind auch sehr stark von den Auswirkungen unzulänglicher Governance im Finanzsystem betroffen.
1.5 Bezüglich der Vergütungspolitik hat der EWSA seine allgemeinen Standpunkte bereits in verschiedenen aktuellen Stellungnahmen zum Ausdruck gebracht. Kurzum: Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Vergütungspolitik nicht nur auf die hochrangigen Positionen in den Finanzinstituten angewendet werden, sondern für die Vergütung auf allen Ebenen gelten sollte.
1.6 Der allgemeine Tenor der Stellungnahme ist, dass es durchaus Spielraum für die strengere Regelung einiger Aspekte der Governance in Finanzinstituten gibt. Solange die Governance-Kodizes aber auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhen, liegt es an den Aufsichtsbehörden möglichst umfassend sicherzustellen, dass diese Kodizes in der gesamten Europäischen Union auch eingehalten werden.
2. Einleitung und Hintergrund der Stellungnahme
2.1 Ziel des Grünbuches ist es, Mängel im System der Corporate Governance - sowohl bezüglich des Inhalts als auch in Bezug auf ihre Umsetzung - zur Sprache zu bringen. Die Stärkung der Corporate Governance ist das Herzstück des von der Kommission angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise konzipierten Reformprogramms. Die in dem Grünbuch umrissenen Vorschläge sollten im Zusammenhang mit umfassenderen Reformen der europäischen Aufsichtsstruktur, der Eigenkapitalrichtlinie, der Solvency-II-Richtlinie für Versicherungsgesellschaften, der OGAW-Neuordnung und der Vorschriften für Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM) gesehen werden. Außerdem sollten sie in dem übergreifenden Kontext einer Überprüfung durch die Kommission der Corporate Governance börsennotierter Gesellschaften bezüglich der Rolle der Aktionäre, der Beaufsichtigung der Geschäftsführung, der Zusammensetzung der Verwaltungsräte sowie der sozialen Verantwortung von Unternehmen betrachtet werden.
2.2 Die Kommission definiert Corporate Governance als die Beziehungen zwischen der Geschäftsführung eines Unternehmens, seinem Verwaltungsrat, den Aktionären und anderen Beteiligten wie Beschäftigten und ihren Vertretern. Sie betrifft auch die Festlegung der Unternehmensziele, der Mittel zu deren Verwirklichung und der Überwachung der Ergebnisse des gemeinsamen Einsatzes. Die Insolvenz eines (großen) Finanzinstituts birgt, wie die jüngste Finanzkrise gezeigt hat, als die Regierungen das Bankensystem mit Mitteln der öffentlichen Hand stützen mussten, ein systemisches Risiko für den gesamten Finanzsektor.
2.3 Der EWSA stellt mit Verwunderung fest, dass im Grünbuch keinerlei Unterscheidung zwischen der Struktur von Verwaltungsräten im britischen und in kontinentaleuropäischen Wirtschaftsystemen vorgenommen wird. Erstere kennt nur einen Verwaltungsrat, der geschäftsführende und nicht geschäftsführende Mitglieder umfasst, wenngleich es gewöhnlich eine Geschäftsführung unter der Leitung eines Generaldirektors gibt. Das kontinentaleuropäische Modell kennt indes zwei Führungsgremien: einen Vorstand und einen Aufsichtsrat. Um Missverständnissen vorzubeugen, wird in dieser Stellungnahme im Folgenden „Verwaltungsrat“ („board“) - soweit nicht anders angegeben - im Sinne des britischen Systems verwendet.
2.4 Im Grünbuch wird nicht förmlich festgestellt, dass jeder Mitgliedstaat sein eigenes Corporate-Governance-System hat, und es werden keine Unterschiede bezüglich der Corporate Governance in Finanzinstituten aufgeführt. Die Definition der Kommission für „Corporate Governance“ ist etwas zu eng und sollte deshalb solider werden. Der EWSA empfiehlt eine stärkere und umfassendere Definition von „Corporate Governance“. Deren Hauptziel ist es, sicherzustellen, dass das Untenehmen Bestand hat und gedeiht. Zu diesem Zweck muss der Verwaltungsrat den legitimen Erwartungen der Aktionäre gerecht werden und dabei die entsprechende Zufriedenheit aller Beteiligten – Verbraucher, Teilhaber, Auftragnehmer, Lieferanten und Beschäftigten – sicherstellen. Kann der Verwaltungsrat das Überleben der Gesellschaft nicht gewährleisten, sollte er optimalen Nutzen aus den Vermögenswerten ziehen.
2.5 Das Grünbuch bietet einen Überblick über die Mängel und Schwächen der Corporate Governance in Finanzinstituten, und es werden Antworten gesucht auf die acht allgemeinen Fragen zu folgenden Bereichen:
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1. |
Fragen im Zusammenhang mit dem Verwaltungsrat |
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2. |
Mängel des Risikomanagements im Zusammenhang mit Interessenkonflikten |
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3. |
Die Rolle der Revisoren |
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4. |
Mängel im Zusammenhang mit den Aufsichtsbehörden |
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5. |
Problematik der Aktionäre |
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6. |
Problem der wirksamen Anwendung der Corporate-Governance-Grundsätze |
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7. |
Vergütung von Managern von Finanzinstituten |
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8. |
Interessenkonflikte. |
3. Antworten auf die im Grünbuch gestellten Fragen
3.1 Der EWSA möchte folgende Antworten auf die im Grünbuch gestellten spezifischen Fragen geben:
3.2 Fragen im Zusammenhang mit dem Verwaltungsrat
3.2.1 Spezifische Frage 1: Soll die Zahl der von Verwaltungsratsmitgliedern angehäuften Mandate (z.B. auf maximal drei) begrenzt werden?
Es wäre willkürlich, eine bestimmte Zahl von Mandaten festzulegen. Vielmehr sollte sichergestellt werden, dass ein Verwaltungsratmitglied nach seiner Ernennung auch in der Lage ist, sich im Unternehmen zu engagieren und folglich dort die für seine Aufgabe erforderliche Zeit anwesend zu sein. Diese erforderliche Zeit sollte genau angegeben und unterteilt werden in die für offizielle Verwaltungsrats- und Ausschusssitzungen erforderliche Zeit - und in die Zeit, die für informelle Besuche und Inspektionen von Abteilungen, Geschäftsbereichen und Regionen erforderlich ist. In einigen Fällen könnte eine Ernennung praktisch auf Vollzeitbasis erfolgen. Mindestens zwei Ernennungen sind aufgrund der Quervergleiche zwischen Unternehmen immer nutzbringend.
3.2.2 Spezifische Frage 2: Soll die Kumulierung von Mandaten als Verwaltungsratsvorsitzender und Generaldirektor in Finanzinstituten verboten werden?
Dies ist in einigen Rechtsordnungen bereits ein bewährtes Verfahren. Die Trennung der Aufgabenbereiche sollte aufgrund des Zielkonflikts zwischen der operativen Funktion der Geschäftsführung und der Weisungsfunktion des Verwaltungsrats in Finanzinstituten obligatorisch sein.
3.2.3 Spezifische Frage 3: Sollen im Rahmen der Personalpolitik die Aufgaben und das Profil der Verwaltungsratsmitglieder und des Verwaltungsratsvorsitzenden genau definiert und ausreichende Befähigungen der Verwaltungsratsmitglieder sowie Vielfalt bei der Zusammensetzung des Verwaltungsrats gewährleistet werden? Falls ja, auf welche Weise?
In einigen Rechtssystemen ist es bereits gängige Praxis, die im Verwaltungsrat erforderlichen Fähigkeiten und Erfahrungen zu eruieren und dementsprechend Ernennungen vorzunehmen. Z.B. könnten für ein größeres Finanzinstitut ein ehemaliges Vorstandsmitglied einer Bank (eventuell als Verwaltungsratsvorsitzender); ein Hauptteilhaber einer Anwaltskanzlei oder Buchhaltungsfirma mit Erfahrungen in der Finanzbranche; ein Geschäftsführer eines größeren Handelsunternehmens als Gegenpart zum Geschäftsführer und zur Berücksichtigung der Perspektive der Geschäftskunden sowie eine Person mit Erfahrungen im Verbraucherbereich als Kerntruppe eines größeren Teams ins Auge gefasst werden. In letzterem könnten Personen mit Erfahrungen auf höchstem Niveau in den Bereichen Kredit, Versicherung, Wirtschaft, Industrie und Handel vertreten sein. Ein ideales Verhältnis würde bei mindestens 60 % nicht geschäftsführenden Mitgliedern und 40 % geschäftsführenden Mitgliedern liegen. Sowohl geschäftsführende als auch nicht geschäftsführende Mitglieder sollten außerdem Kenntnisse der geographischen Gegebenheiten der Gebiete haben, in denen das Unternehmen tätig ist. In einigen Rechtsordnungen werden inzwischen vor einer Ernennung die Fähigkeiten, Erfahrungen und Vorgeschichte der Kandidaten von der Aufsichtsbehörde eingehend geprüft, was zu begrüßen ist.
3.2.4 Spezifische Frage 4: Teilen Sie die Auffassung, dass eine höhere Anzahl von Verwaltungsratsmitgliedern weiblichen Geschlechts und unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft das wirksame Funktionieren der Verwaltungsräte verbessern könnte?
Im Zusammenhang mit Frage 3 ist Ausgewogenheit in puncto Geschlecht und ethnischer Herkunft anzustreben, sofern dies nicht auf Kosten von Erfahrung und Kompetenz erfolgt. Dadurch können unterschiedliche und nutzbringende Gesichtspunkte eingebracht werden. Die Größe von Verwaltungsräten muss praktisch begrenzt werden.
3.2.5 Spezifische Frage 5: Soll die Bewertung des Funktionierens des Verwaltungsrats durch einen externen Prüfer verbindlich vorgeschrieben werden? Soll das Ergebnis dieser Bewertung den Aufsichtsbehörden und/oder den Aktionären mitgeteilt werden?
Die Aufsichtsbehörden sollten alle Verwaltungsratsvorsitzenden damit beauftragen, ihre Governance-Vereinbarungen im Lichte der oben genannten vier Faktoren zu prüfen. Gleichzeitig sollten die Aufsichtsbehörden alle Verwaltungsratmitglieder, die sie bei der Ernennung nicht geprüft hatten, einer Prüfung unterziehen. Die Verantwortung für die ständige Überwachung der Leistung des Verwaltungsrats muss beim Vorsitzenden bleiben. Es wäre sinnvoll, dass die Vorsitzenden eine periodische externe Prüfung der Leistungsfähigkeit des Verwaltungsrats zur eigenen Verwendung in Auftrag geben. In dem kontinentaleuropäischen Modell gehört es zu den Aufgaben des Aufsichtsrats, Maßnahmen zu ergreifen, wenn die Geschäfte nicht gut laufen oder wenn dieser durch den Bericht des Wirtschaftsprüfers auf wichtige Probleme aufmerksam gemacht wird.
3.2.6 Spezifische Frage 6: Soll die Einrichtung eines Risikoausschusses innerhalb des Verwaltungsrats vorgeschrieben werden und sollen Regeln zur Zusammensetzung und zum Funktionieren dieses Ausschusses festgelegt werden?
Hier geht es um drei Fragen: Prüfung, Compliance und Risiko. Die Zusammensetzung des Ausschusses sollte dem spezifischen Produktsortiment entsprechen. Im Gesamtzusammenhang betrachtet liegt das Risiko in den strategischen Vorgaben des Verwaltungsrats. Hier sollte die Risikobereitschaft und das Risikoprofil festgelegt und gemessen werden. In einer Bank werden hier die Maßnahmen für das hinnehmbare Risiko in jedem Geschäftsbereich festgelegt: Hypothekardarlehen, Kreditkarten, gewerbliches Eigentum, Industriekredite, Fondsverwaltung, Außenhandel und Rohstoffe, sowie in Bezug auf die Zusammensetzung der Rücklagen, der Vertragsobergrenzen usw. In dem nur wenige Personen umfassenden kontinentaleuropäischen Vorstand (der normalerweise nicht mehr als 5-7 Personen umfasst, die üblicherweise für verschiedene Ressorts zuständig sind) kann kein Risikoausschuss eingerichtet werden.
3.2.7 Spezifische Frage 7: Soll die Beteiligung eines oder mehrerer Mitglieder des Prüfungsausschusses an diesem Risikoausschuss – und umgekehrt – verbindlich vorgeschrieben werden?
Die Risiken auf Mikroebene – im Gegensatz zu den oben in Ziffer 3.2.6 erörterten Risiken auf Makroebene – könnten durchaus Gegenstand der Auftragsbeschreibung des Prüfungsausschusses sein.
3.2.8 Spezifische Frage 8: Soll der Vorsitzende des Risikoausschusses der Hauptversammlung rechenschaftspflichtig sein?
Das Risiko ist ein zentraler Aspekt der Unternehmensstrategie. Risikobereitschaft und Risikoprofil bestimmen die voraussichtliche Unternehmensleistung und Dauerhaftigkeit des Ergebnisses. Diese Fragen müssen vom Vorsitzenden und vom Geschäftsführer angesprochen werden, und ihre Erklärungen bieten Anhaltspunkte für die Aktionäre, je nach eigener Risikobereitschaft ihre Investitionen in das Unternehmen auszubauen oder einzuschränken.
3.2.9 Spezifische Frage 9: Welche Rolle sollte dem Verwaltungsrat in der Risikostrategie und dem Risikoprofil eines Instituts zukommen?
Die Festlegung der Strategie ist die zentrale Aufgabe des Verwaltungsrats. Da Finanzgeschäfte von Natur aus riskant sind, muss eine Strategie innerhalb eines Risikorahmens entwickelt werden, der den Spielraum für die möglichen Ergebnisse vorgibt. Die gewählte Strategie wird diejenige sein, die den vernünftigen Erwartungen der Aktionäre entspricht und sie zufriedenstellt. Wenngleich die Verantwortung der ständigen Geschäftsführer beim Risikomanagement nicht unterschätzt werden darf, spielt der Verwaltungsrat schlichtweg eine zentrale Rolle. In dem kontinentaleuropäischen Modell genehmigt der Aufsichtsrat die Strategie des Vorstands.
3.2.10 Spezifische Frage 10: Soll eine Erklärung über die Beherrschung der Risiken eingeführt und veröffentlicht werden?
Die Antwort lautet ja, aber nur im Zusammenhang mit der Mitteilung über die Strategie an die Aktionäre und Beteiligten. Die Veröffentlichung kaufmännischer oder vertraulicher Informationen sollte vermieden werden.
3.2.11 Spezifische Frage 11: Soll ein Verfahren zur Billigung neuer Finanzprodukte durch den Verwaltungsrat eingeführt werden?
Ja, wenn diese substanziellen Charakter haben. Produktplacement gehört normalerweise zur Umsetzung der Strategie und ist deshalb für den Verwaltungsrat von erheblichem Interesse.
3.2.12 Spezifische Frage 12: Soll der Verwaltungsrat verpflichtet werden, die Aufsichtsbehörden über die ihm gegebenenfalls bekannten materiellen Risiken zu unterrichten?
Es ist davon auszugehen, dass dies regelmäßiger Bestandteil des ständigen Dialogs zwischen dem Verwaltungsrat und den Aufsichtsbehörden ist.
3.2.13 Spezifische Frage 13: Soll der Verwaltungsrat ausdrücklich verpflichtet werden, den Interessen der Einleger und anderen Beteiligten bei Entscheidungen Rechnung zu tragen („Sorgfaltspflicht“)?
In einigen Rechtsordnungen müssen bereits die Interessen der Beteiligten berücksichtigt werden. Dies sollte gängige Praxis sein. Ein Unternehmen kann nicht gedeihen, wenn die Beteiligten nicht zufrieden sind. Keine wie auch immer beschaffene Kombination von Interessen der Beteiligten sollte tonangebend sein. In den Beratungen des Verwaltungsrats sollte festgehalten werden, dass bei der Festlegung der Strategie alle Interessen berücksichtigt worden sind.
3.3 Mängel des Risikomanagements im Zusammenhang mit Interessenkonflikten
3.3.1 Spezifische Frage 14: Wie kann die Stellung des Risikomanagers gestärkt werden? Soll der Risikomanager einen dem Finanzvorstand mindestens ebenbürtigen Status haben?
Diese Frage setzt voraus, dass die Aufgaben des Risikomanagers bekannt sind. Wenn das Risiko integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie ist, ist der Finanzvorstand oberster Risikomanager. In Bezug auf das Risiko auf Mikroebene steht der Risikomanager auf gleicher Stufe wie der Leiter der internen Prüfung. Beide erstatten einem Ausschuss des Verwaltungsrats Bericht und haben ungehinderten Zugang zum Vorsitzenden dieses Ausschusses. Beide sollten dem gesamten Verwaltungsrat regelmäßig Bericht erstatten.
3.3.2 Spezifische Frage 15: Wie kann die Kommunikation von der Risikomanagementfunktion zum Verwaltungsrat verbessert werden? Sollte ein Verfahren eingeführt wird, um Konflikte/Probleme zur Lösung an die Hierarchie zu verweisen?
Dies wird in der Antwort in Ziffer 3.3.1 angesprochen. Dieses Verfahren sollte bereits Teil der Arbeitsweise des Ausschusses und des Verwaltungsrats sein.
3.3.3 Spezifische Frage 16: Soll der Risikomanager die Befugnis haben, den Verwaltungsrat einschließlich Risikoausschuss unmittelbar zu unterrichten?
Siehe Antwort in Ziffer 3.3.1.
3.3.4 Spezifische Frage 17: Soll die Informatik perfektioniert werden, um die Qualität und Geschwindigkeit der Übermittlung von Informationen über erhebliche Risiken an den Verwaltungsrat zu verbessern?
Dies hängt von den jeweiligen technologischen Voraussetzungen in den einzelnen Finanzinstituten ab. Nicht alle Risiken können routinegemäß mithilfe von IT überwacht werden. In vielen Fällen kann eine Warnung per E-Mail ausreichend sein. Je größer und komplexer die Organisation in puncto Dienstleistungen, geographischer Ausdehnung und Produkte ist, desto sinnvoller mag es sein, einen Risikobeauftragten einzusetzen, der sich auf IT-Anwendungen stützt.
3.3.5 Spezifische Frage 18: Sollen die Geschäftsführer verpflichtet werden, einen Bericht über die Angemessenheit der internen Kontrollsysteme anzunehmen?
Ja. In einigen Rechtsordnungen ist dies bereits Vorschrift. Normalerweise wird dies über den Prüfungsausschuss erledigt.
3.4 Die Rolle externer Revisoren
3.4.1 Spezifische Frage 19: Soll die Zusammenarbeit zwischen externen Revisoren und Aufsichtsbehörden vertieft werden? Falls ja, auf welche Weise?
Externe Prüfer müssen ihre Tätigkeiten für die Mitglieder des Unternehmens ausführen. Gleichwohl sollten sie die Aufsichtsbehörden unterrichten, wenn sie ernsthafte Risiken oder Regelverstöße mit systemischen Auswirkungen entdecken. Bei Problemen, die in dem Unternehmen gelöst werden können und die keine externen Folgen haben, sollten es Sache des Unternehmens sein, diese Missstände abzustellen. In dem kontinentaleuropäischen Governance-System benennt der Aufsichtsrat die Prüfer und trifft jährlich mit ihnen zusammen, ohne dass der Vorstand und der Geschäftsführer anwesend sind.
3.4.2 Spezifische Frage 20: Sollen die Revisoren in stärkerem Maße verpflichtet werden, den Verwaltungsrat und/oder die Aufsichtsgremien über gegebenenfalls in Ausübung ihrer Tätigkeit festgestellte schwerwiegende Umstände zu unterrichten?
Das hängt von der jeweiligen Situation ab. In einigen Rechtsordnungen sind die Vorschriften bereits angemessen. Im kontinentaleuropäischen System sollte dies auf der Grundlage des Vertrags zwischen Aufsichtsrat und Prüfer entschieden werden.
3.4.3 Spezifische Frage 21: Soll die von den externen Revisoren ausgeübte Kontrolle auf risikorelevante Finanzinformationen ausgedehnt werden?
Prüfer müssen bestätigen, dass die Buchführung des Unternehmens ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild des laufenden Geschäftsbetriebs vermittelt. In diesem Zusammenhang sollte jedes erhebliche Risiko bereits als Rückstellung oder Vermerk buchmäßig erfasst worden sein. Eine Ausdehnung der Kontrolle scheint nicht erforderlich zu sein.
3.5 Mängel im Zusammenhang mit den Aufsichtsbehörden
3.5.1 Spezifische Frage 22: Soll die Rolle der Aufsichtsgremien in der internen Governance von Finanzinstituten neu definiert und gestärkt werden?
Ja, und zwar in den Rechtssystemen, in denen dies noch nicht geschehen ist.
3.5.2 Spezifische Frage 23: Sollen die Aufsichtsgremien ermächtigt und verpflichtet werden, das ordnungsgemäße Funktionieren des Verwaltungsrats und der Risikomanagementfunktion zu überprüfen? Wie kann dies in die Praxis umgesetzt werden?
Siehe Ziffer 3.5.1.
3.5.3 Spezifische Frage 24: Sollen die Kriterien für die Auswahl von Verwaltungsratsmitgliedern („Fit & Proper-Test“) auf fachliche und berufliche Kompetenzen sowie auf typische Verhaltensmuster der Kandidaten ausgedehnt werden? Wie könnte dies in der Praxis geschehen?
Dies zu gewährleisten ist im kontinentaleuropäischen System Gepflogenheit und Praxis. Die Regelungsbehörde des Vereinigten Königreichs (Financial Services Authority) führte neue Verfahren ein, um dies umzusetzen.
3.6 Problematik der Aktionäre
3.6.1 Spezifische Frage 25: Soll die Offenlegung der Abstimmungsstrategie und des Abstimmungsverhaltens der institutionellen Anleger verbindlich vorgeschrieben werden? In welchem Rhythmus soll ggf. die Bekanntgabe erfolgen?
Ja, gemäß der Tagesordnung der Hauptversammlungen.
3.6.2 Spezifische Frage 26: Sollen die institutionellen Anleger auf einen (nationalen oder internationalen) Verhaltenskodex wie z.B. das International Corporate Governance Network (ICGN) verpflichtet werden? Nach diesem Kodex sind die Unterzeichner verpflichtet, ihre Investitions- und Abstimmungspolitik darzulegen und zu veröffentlichen, Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten zu treffen und ihr Stimmrecht verantwortungsvoll zu nutzen.
Ja, auf anfangs freiwilliger Basis.
3.6.3 Spezifische Frage 27: Soll die Identifizierung der Aktionäre erleichtert werden, um den Dialog zwischen den Gesellschaften und ihren Anteilseignern zu erleichtern und die mit „empty voting“ einhergehende Missbrauchsgefahr zu verringern? „Empty voting“ bezieht sich auf die Stimmabgabe eines Aktionärs ohne entsprechendes finanzielles Interesse an der betreffenden Gesellschaft, mit potenziell negativen Auswirkungen auf die Integrität der Corporate Governance börsennotierter Gesellschaften sowie der Märkte, auf denen ihre Aktien gehandelt werden.
Die Problematik der Aktionäre sollte von der Kommission untersucht werden, da sich deren Rolle inzwischen geändert hat. Heutzutage können Aktionäre weltweit tätige Unternehmen und Aktionäre, Hedge-Fonds u.a. sein und somit nur als Aktienhändler fungieren. Diese nehmen nicht die Rolle wahr, die traditionell mit dem Begriff „Aktionär“ verbunden wird.
3.6.4 Spezifische Frage 28: Mit welchen weiteren Maßnahmen könnten Aktionäre dazu motiviert werden, sich in die Corporate Governance von Finanzinstituten einzubringen?
Eine mögliche Maßnahme wäre die Einrichtung einer Stimmrechtsvertretung, um in jedem Unternehmen die privaten Aktionäre zu vertreten. Alternativ dazu könnte seitens der Aufsichtsbehörden, Politiker und Medien erhöhter Druck auf die institutionellen Anleger ausgeübt werden, damit diese eine aktivere Rolle spielen.
3.7 Wirksamere Anwendung der Corporate-Governance-Grundsätze
3.7.1 Spezifische Frage 29: Ist es notwendig, die Verantwortlichkeiten der Verwaltungsratsmitglieder zu erweitern?
Nein, wenn wir gute Bewerber haben wollen. Es wäre für viele Unternehmen hilfreich, wenn die an ihre Verwaltungsratsmitglieder gestellten Erwartungen besser definiert würden.
3.7.2 Spezifische Frage 30: Sollte unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die strafrechtlichen Vorschriften auf europäischer Ebene nicht harmonisiert sind, die zivilrechtliche und strafrechtliche Haftung der Verwaltungsratsmitglieder verschärft werden?
In einigen Ländern sind die Bestimmungen bereits angemessen. Das größte Risiko für ein Verwaltungsratsmitglied ist gewöhnlich das Risiko der Rufschädigung, mit einem gescheiterten Geschäft in Verbindung gebracht zu werden. Jüngst gab es Forderungen nach einem automatischen Verbot für Verwaltungsratsmitglieder zur Weiterausübung eines ähnlichen Amts, wenn sie die Warnung vor einem übermäßigen Risiko unterlassen haben. Dies dürfte wohl ein präziseres und vielversprechenderes ordnungspolitisches Instrument sein.
3.8 Vergütung von Managern von Finanzinstituten
3.8.1 Spezifische Frage 31: Was könnten mögliche zusätzliche Maßnahmen auf EU-Ebene in Bezug auf die Vergütung der Manager börsennotierter Gesellschaften beinhalten und welche verbindliche oder unverbindliche Form könnten sie annehmen?
Die Vorschriften der dritten Überarbeitung der Eigenkapitalrichtlinie (CRD III) scheinen angemessen zu sein und werden die Mitwirkung der Aufsichtsbehörden ermöglichen. Die Veröffentlichung der Abstimmungspolitik institutioneller Anleger in puncto Vergütung ist auch ein richtiger Schritt (siehe Ziffer 3.8.4 unten).
3.8.2 Spezifische Frage 32: Sollte die Problematik der Vergabe von Aktienoptionen an Manager behandelt werden? Falls ja, wie? Sollten Abfindungen auf Gemeinschaftsebene geregelt bzw. sogar verboten werden?
CRD III scheint sich damit zu befassen. Fragen bezüglich Zeit, Höchstwerte und Umfang werden in dieser Richtlinie behandelt.
3.8.3 Spezifische Frage 33: Sind Sie vor dem Hintergrund, dass die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten zu wahren sind, der Ansicht, dass die günstige steuerliche Behandlung von Aktienoptionen und ähnlichen Vergütungen durch einige Mitgliedstaaten dem Eingehen übermäßiger Risiken Vorschub leistet? Falls ja, sollte diese Frage auf Gemeinschaftsebene erörtert werden?
Die Kommission sollte die Prüfung dieser Frage anregen, derzeit liegen Steuern aber im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten.
3.8.4 Spezifische Frage 34: Sollten die Aktionäre, aber auch die Beschäftigten und ihre Stellvertreter, bei der Gestaltung der Vergütungspolitik eine wichtigere Rolle spielen?
In einigen Ländern muss der Vergütungsbericht von den Aktionären gebilligt werden. Die Veröffentlichung der Abstimmung institutioneller Anleger würde das System noch transparenter machen. Das Problem der Hebelwirkung und des Ratchet-Effekts bezüglich der Vergütungsberater muss von der Kommission angegangen werden. Das System von Vertretungsorganisationen für Aktionäre in den Niederlanden könnte der Kommission nützliche Anhaltspunkte bieten.
3.8.5 Spezifische Frage 35: Wie denken Sie über Abfindungen („goldener Handschlag“)? Sollten Abfindungen auf Gemeinschaftsebene geregelt bzw. sogar verboten werden? Falls ja, wie? Sollten durch die Zahlung von Abfindungen nur tatsächliche Leistungen der Verwaltungsratsmitglieder vergütet werden?
Abfindungen sind keine Dienstvergütungen, die im Dienst erworben werden. Abfindungen sind Vertragsverpflichtungen, an die ein Unternehmen bei Entlassung eines Geschäftsführers gebunden ist. Sie werden im Allgemeinen als Rettungsanker für neu ernannte Mitglieder gewährt, falls sich deren Ernennung nicht bewähren sollte. Kündigung ist nicht notwendigerweise mit Versagen gleichzusetzen. Ein Wechsel der Strategie kann ein in hohem Maße leistungsfähiges Mitglied freisetzen, wofür Abfindungen notwendig sind. Unter manchen Umständen, insbesondere mit Blick auf die Pensionen, mögen diese zu hoch sein. Es könnte vertraglich vereinbart werden, dass sie im Zeitablauf abnehmen, auch ein Abschlag könnte in Rechnung gestellt werden, wenn eindeutiges Versagen vorliegt. Es sollte ebenfalls davon abgesehen werden, die Abfindungen für Geschäftsführer im Dienst zu erhöhen. Vergütungen sollten leistungsabhängig sein. Im kontinentaleuropäischen System sind die Beschäftigten im Aufsichtsrat vertreten und können auf solche Vergütungspraktiken Einfluss nehmen.
3.8.6 Spezifische Frage 36: Sind Sie der Meinung, dass in Finanzinstituten, die öffentliche Mittel erhalten haben, der variable Vergütungsanteil verringert oder ausgesetzt werden sollte?
Diese Frage bezieht sich vor allem auf die Vergütung hochrangiger Positionen in Finanzinstituten. Sie ist für gewöhnliche Beschäftigte weniger relevant. Es gab einige außerordentliche Vergütungspakete für Einzelpersonen, solche außergewöhnlichen Situationen sollten vermieden werden. Staatliche Eigentümer von Instituten, die Mittel der öffentlichen Hand erhalten haben, können nach eigenem Ermessen handeln.
3.9 Interessenkonflikte
3.9.1 Spezifische Frage 37: Was könnten mögliche zusätzliche Maßnahmen auf EU-Ebene zur besseren Vermeidung und Bekämpfung von Interessenkonflikten im Finanzdienstleistungssektor beinhalten?
Mit dem Konzept der „chinesischen Mauern“ werden Verfahren bezeichnet, die in Wertpapierhäusern oder Investmentgesellschaften eingeführt wurden, um den Austausch vertraulicher Informationen zwischen den verschiedenen Abteilungen dieser Unternehmen zu verhindern. Damit soll die illegale Verwendung von Insiderwissen unterbunden werden. Im Finanzsektor und in anderen Branchen wird auf dieses System zurückgegriffen, um schädlichen Interessenkonflikten vorzubeugen. In der Praxis sind chinesische Mauern allerdings alles andere als undurchlässig, weil sie nur auf einem Ehrenkodex basieren. Informationen werden nur mittels Ermessen und Sorgfalt der Beteiligten eingeschränkt. Vorschriften, mit denen die rechtlichen Erfordernisse in puncto Informationssicherheit spezifiziert werden, würden diesbezüglich zu besseren Ergebnissen führen.
3.9.2 Spezifische Frage 38: Teilen Sie die Auffassung, dass es nötig wäre, den Inhalt und die Einzelheiten der gemeinschaftlichen Vorschriften zu Interessenkonflikten unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Rechts- und Wirtschaftsmodelle zu harmonisieren, damit die verschiedenen Finanzinstitute je nachdem, ob sie die Bestimmungen der MiFiD-Richtlinie, der Eigenkapitalrichtlinie, der OGAW-Richtlinie oder der Solvency-II-Richtlinie anwenden müssen, ähnlichen Regeln unterliegen?
Ja.
Brüssel, den 20. Januar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON