15.2.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 48/72


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Verbesserung der Modelle ‚partizipativer öffentlich-privater Partnerschaft‘ beim Aufbau elektronischer Dienste für alle in der EU-27“ (Initiativstellungnahme)

2011/C 48/13

Berichterstatter: Claudio CAPPELLINI

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 16. Juli 2009 gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Verbesserung der Modelle ‚partizipativer öffentlich-privater Partnerschaft‘ beim Aufbau elektronischer Dienste für alle in der EU-27“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 6. September 2010 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 465. Plenartagung am 15./16. September 2010 (Sitzung vom 16. September) mit 102 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Mitteilung der Europäischen Kommission zur Digitalen Agenda und befürwortet die im Binnenmarktbericht der Kommission unterbreiteten Vorschläge, die zum Ziel haben, aus einem digitalen Binnenmarkt und ultraschnellen Internetverbindungen, die Bürgern und KMU in ländlichen und abgelegenen Gebieten Zugang zu einschlägigen Anwendungen ermöglichen, einen nachhaltigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen zu ziehen. Außerdem stimmt der Ausschuss der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Ausschuss der Regionen darin zu, dass durch eine intensivere Beobachtung sichergestellt werden muss, dass die Festnetz- und Drahtlos-Breitbandversorgung in der Fläche bis 2013 verwirklicht wird. Auf allen Ebenen muss mehr investiert werden, und für die Versorgung der ländlichen und abgelegenen Gebiete sowie für die Aktualisierung der Netze sollten auch öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) in Betracht gezogen werden.

1.2

Der EWSA befürwortet den gemeinsamen politischen Rahmen für die EU und die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Verwirklichung der Europa-2020-Ziele und fordert daher die Europäische Kommission zur Einrichtung einer beratenden Ad-hoc-Gruppe auf, die die Mitgliedstaaten, Kandidatenländer und interessierte private Betreiber dabei unterstützen kann, den Zugang ländlicher und abgelegener Gebiete zur Breitbandversorgung besser zu beobachten.

1.3

Es gibt ein erhebliches Marktversagen bei der Versorgung abgelegener Gebiete mit erschwinglicher Hochgeschwindigkeits-Breitbandtechnik. Die Europäische Kommission muss daher eine umfassende Palette von Maßnahmen fördern, die die Entwicklung offener Netze durch staatliche bzw. öffentliche Initiativen erleichtern. Die EU muss die Entwicklung der elektronischen Dienste im öffentlichen und im privaten Sektor umfassend unterstützen, um die Gesundheitsversorgung, das Bildungsangebot, die Notdienste von allgemeinem Interesse, die Sicherheit und soziale Dienste auf regionaler und lokaler Ebene zu verbessern. Die Teilnahme aller Behörden an ÖPP kann KMU, die sich auf IKT-Dienste im öffentlichen Bereich spezialisieren, strategisch unterstützen und die IKT-Kompetenzen von Jungunternehmern fördern.

1.4

Durch die Strukturfonds und über die EIB (Europäische Investitionsbank) sowie durch Instrumente des Europäischen Investitionsfonds (EIF) sollten in abgelegenen, ländlichen und einkommensschwachen Gebieten Privatinvestitionen und ÖPP gefördert werden, um benachteiligten Bürgern und KMU einen erschwinglichen Internetzugang zu ermöglichen. Die Europäische Kommission sollte spezifische Programme und Maßnahmen für die Förderung und Verbreitung lokaler ÖPP im Rahmen regionen- und grenzübergreifender Pilotprojekte vorsehen, die Veranstaltung eines „Europäischen Tages elektronischer Dienste für alle“ sollte gefördert werden.

1.5

Der EWSA misst dem Aufbau stärkerer Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Anbietern öffentlicher elektronischer Dienste große Bedeutung für eine bessere und effizientere Erbringung von Diensten bei. Mehr Transparenz und eine aktive Bürgerbeteiligung sind erforderlich, indes muss die Verantwortung für die öffentlichen Infrastrukturinvestitionen und die Überwachung der Leistungserbringung unverändert bleiben. Öffentliche Dienstleistungen werden häufig auf regionaler und lokaler Ebene erbracht, wo KMU und ihre Verbände Partnerschaften mit dem öffentlichen Sektor eingehen könnten, entweder unmittelbar als Anbieter oder, wenn größere finanzielle Ressourcen oder ein umfangreicheres Know-how erforderlich sind, als Teil eines Konsortiums. In einigen Regionen Frankreichs (Auvergne), Italiens (Trentino-Südtirol, Lombardei) und weiteren EU-Mitgliedstaaten ist dies bereits der Fall.

1.6

Die Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger und erschwinglicher Breitbandtechnik kann die Zugänglichkeit und Qualität der Behördendienste verbessern und es KMU ermöglichen, auf dem Markt konkurrenzfähiger zu sein. Abgelegene Regionen und Gemeinden werden vom Zugang zu schnelleren Breitbanddiensten am meisten profitieren.

1.7

Der Ausschuss hält es für notwendig, die Entwicklung allgemeiner und schneller Festnetz- und Drahtlos-Breitbandanschlüsse für alle Bürger und Verbraucher durch gesonderte Investitionsaufwendungen voranzutreiben. Hier wäre ein besser geeigneter Beihilferahmen, der auf EU-Ebene angesiedelt ist und den EU-Wettbewerbsregeln entspricht, hilfreich, ebenso wie eine bessere Abstimmung der verschiedenen Politiken und Programme der EU, so dass eine freie Wahl der Verbraucher dazu beiträgt, dass die anvisierten Ziele für den Zugang zu elektronischen Diensten für alle Bürger und an allen Orten erreicht werden können.

1.8

Nach Meinung des Ausschusses sollte bis 2013 jeder Haushalt Zugang zu erschwinglichem Breitband-Internet haben. Zur Erweiterung der drahtlosen Breitbandnetze und zur Verbesserung der Qualität der Dienste sollte die digitale Dividende gefördert und genutzt werden. Die Mitgliedstaaten müssen ihre nationalen Ziele für die Breitband- und Hochgeschwindigkeits-Internetabdeckung aktualisieren, um die regionalen Gebietskörperschaften und private Akteure dazu anzuhalten, konsequent das Ihre zur Umsetzung einer europäischen Hochgeschwindigkeits-Breitband-Strategie zu tun. Insbesondere regionale Gebietskörperschaften, beratende Einrichtungen auf EU- und/oder nationaler Ebene, KMU, Organisationen und sonstige private Akteure sollten von Anfang an in die Initiative „Internet der Zukunft“ der Europäischen Kommission eingebunden werden.

1.9

Der EWSA spricht sich für ÖPP-Lösungen aus, deren Finanzierungsmodelle eine kostenwirksame und fristgerechte Breitbandversorgung der Bürger in ländlichen und grenzüberschreitenden Regionen ermöglichen kann. Diesbezüglich betont der Ausschuss, dass Kompetenzen im IKT-Bereich insbesondere für KMU und Jungunternehmer in ländlichen und abgelegenen Gebieten für eine integrative digitale Gesellschaft von grundlegender Bedeutung sind, zumal wenn sich hinsichtlich des Zugangs zu elektronischen Diensten für ältere, benachteiligte und einkommensschwache Bürger eine digitale Kluft auftut. Auch die bestehenden Zugangsprobleme müssen angegangen werden.

1.10

Die EU-Institutionen sollten die Entwicklung der elektronischen Dienste im öffentlichen und im privaten Sektor umfassend unterstützen, um die Gesundheitsversorgung, das Bildungsangebot, die Notdienste, die Sicherheit und Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sowie soziale Dienste auf regionaler und lokaler Ebene zu verbessern.

2.   Hintergrund / Allgemeiner Kontext

2.1

Das Internet ist zu einer der strategisch wichtigsten Infrastrukturen des 21. Jahrhunderts geworden und stellt eine wesentliche Verpflichtung im Zusammenhang mit der im Vertrag von Lissabon vorgesehenen Sicherstellung des Universaldienstes durch die EU dar. In ländlichen und abgelegenen Gebieten jedoch hat sich die Lage kaum verbessert, und von einem europäischen Markt für elektronische Dienste kann keine Rede sein (1). Da der Privatsektor offensichtlich nicht bereit ist, die Nachfrage nach Diensten zu decken, und der öffentliche Sektor dazu allein nicht in der Lage ist, würde es sich anbieten, dass sich öffentliche und private Träger im Wege von öffentlich-privaten Partnerschaften in diesem Bereich den Nutzen und die Risiken teilen. Die aktive Einbeziehung und Rolle der organisierten Zivilgesellschaft in ÖPP beim Aufbau elektronischer Dienste könnten hierbei ausschlaggebend sein.

2.2

Ziel dieser Initiativstellungnahme ist es, diese Problematik zu erörtern und die Debatte über nachhaltige Lösungen für die Einführung elektronischer Dienste überall und für alle in Europa - vor allem in den entlegensten Gebieten und für die schutzbedürftigsten Gruppen – in den Vordergrund zu rücken.

2.3

In dieser Stellungnahme geht es ganz allgemein darum:

mit Hilfe des EWSA sowie öffentlicher und privater Interessenvertretungen zu analysieren, wie über ÖPP elektronische Dienste für alle, d.h. für Bürger, Unternehmen und insbesondere lokale und regionale Verwaltungen, gefördert werden können;

Möglichkeiten für die stärkere gesellschaftliche Integration schutzbedürftiger Gruppen und für die wirtschaftliche Integration entlegener Gebiete durch nachhaltige und wirksame Formen öffentlich-privater Partnerschaften für den Aufbau von elektronischen Diensten in Europa aufzuzeigen (2);

die EU-Institutionen, politische Entscheidungsträger sowie öffentliche und private Interessenträger, die im Rahmen von ÖPP beim Aufbau elektronischer Dienste zusammenarbeiten wollen, zu unterstützen und dazu Probleme und mögliche Lösungen auszuloten, Folgenabschätzungen bezüglich Angebot und Nachfrage von elektronischen Diensten im Verhältnis zu den Bedürfnissen der Zivilgesellschaft durchzuführen, die erforderlichen Beschäftigungs- und Qualifikationserfordernisse zu identifizieren und auf EU-Ebene bewährte Maßnahmen und Programme herauszugreifen, die auf die nationale/regionale Ebene übertragen werden könnten.

2.4

Die IKT durchdringen die meisten Bereiche unserer Gesellschaft. In dem Maße, wie sich die Übergänge zwischen Festnetztelefonie, Internet, Fernsehen, Mobiltelefonie und anderen Kommunikationsdiensten auflösen, verschwimmen auch die Grenzen zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor sowie zwischen der EU-Politik und einzelstaatlichen Politiken. Tatsächlich ist es durch nationale und regionale politische Maßnahmen nicht gelungen, wirklich allen Zugang zu diesen Diensten zu ermöglichen.

2.5

In diesem Zusammenhang hat Neelie KROES, das neue für die Digitale Agenda zuständige Kommissionsmitglied, eine Debatte betreffend eine öffentliche Konsultation eingeleitet, um zu sondieren, „ob wir die Vorschriften anpassen müssen, damit allen EU-Bürgern der Zugang zu unverzichtbaren Kommunikationsdiensten und einem schnellen Internet garantiert werden kann. Wir müssen dafür sorgen, dass niemand aus der digitalen Gesellschaft ausgegrenzt wird.“ Auch in der jüngst vorgelegten Mitteilung „Europa 2020“ wird das Ziel bekräftigt, einen nachhaltigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen aus einem digitalen Binnenmarkt auf der Grundlage des schnellen und ultraschnellen Internets und interoperabler Anwendungen zu ziehen, mit Breitbandinternetzugang für alle im Jahr 2013.

2.6

Schon in der Lissabon-Strategie wurde festgestellt, dass wir Zugang zu modernen digitalen Ausrüstungen (z.B. Internet, GPS) sowie zu elektronischen Dienstleistungen benötigen. Eine Modernisierung der öffentlichen Dienste muss daher folgenden Ansprüchen genügen:

Bereitstellung hochwertigerer und sicherer Dienste für die Öffentlichkeit;

Erfüllung der Forderungen von Unternehmen, insbesondere KMU, die weniger Verwaltungsaufwand und mehr Effizienz benötigen;

Gewährleistung der grenzübergreifenden Kontinuität der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (einschl. des Katastrophenschutzes) als wesentliche Voraussetzung für die Förderung der Mobilität in Europa und den sozialen Zusammenhalt in den Mitgliedstaaten.

2.7

Den geltenden EU-Rechtsvorschriften (Universaldienstrichtlinie 2002) (3) zufolge müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass alle Bürger Anschluss an das öffentliche Telefonnetz an einem festen Standort haben sowie Zugang zu öffentlichen Telefondiensten für die Sprach- und Datenkommunikation mit funktionaler Internetzugangsmöglichkeit haben. Den Verbrauchern müssen Telefonauskunftsdienste und Teilnehmerverzeichnisse, öffentliche Münz- und Kartentelefone sowie besondere Einrichtungen für Behinderte zur Verfügung stehen.

2.8

Die Europäische Kommission hat jüngst in einer Mitteilung öffentlich-private Partnerschaften als eine der Möglichkeiten aufgezeigt, die Einführung von Internet-Diensten in Europa zu beschleunigen und den EU-Bürgern elektronische Dienste anzubieten. Durch einen ganzheitlicheren Ansatz im Wege öffentlich-privater Partnerschaften sollen die europäischen Bürger in die Lage versetzt werden, bekannte und künftige Technologien besser zu nutzen. Ferner könnten über die ÖPP Hemmnisse nicht-technischer Art identifiziert und strategisch angegangen werden (4). Der Begriff ÖPP deckt eine Vielzahl an Konstellationen ab, daher finden sich in der Literatur verschiedene Definitionen, wie etwa in den ÖPP-Leitlinien der Vereinten Nationen (5) oder den Vorgehensweisen der EIB.

2.9

Die Europäische Kommission hat unter Einbeziehung des EWSA u.a. zu folgenden Themen öffentliche Anhörungen durchgeführt:

Zugangsnetze der nächsten Generation (NGA-Netze);

Ummünzung der digitalen Dividende in sozialen Nutzen und wirtschaftliches Wachstum;

Universaldienst im Digitalzeitalter.

2.10

Mit der Mitteilung der Europäischen Kommission KOM(2009) 479 endg. über „Eine öffentlich-private Partnerschaft für das Internet der Zukunft“ soll der Rahmen für die Herausbildung einer „intelligenten“ Gesellschaft und gleichzeitig für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen IKT-Branche geschaffen werden. Die Vorbereitung auf den Start einer Initiative für eine öffentlich-private Partnerschaft für das Internet der Zukunft, die auch von einigen Mitgliedstaaten und der Branche unterstützt wird, erfordert eine intensivere Einbeziehung der Zivilgesellschaft und regionaler Gebietskörperschaften.

3.   Allgemeine Bemerkungen: ÖPP und Aufbau elektronischer Dienste

3.1

So wie in unserer Gesellschaft die Bereitstellung von bzw. der Zugang zu Nahrungsmitteln, Wasser, Bildung, Gesundheitsfürsorge, Mobilität und Behörden gewährleistet wird, muss auf möglichst nachhaltige und wirksame Weise dafür gesorgt werden, dass in der Informationsgesellschaft alle Bürger und Unternehmen in der EU, insbesondere in ländlichen und abgelegenen Gebieten, die gleichen Möglichkeiten haben.

3.2

Bislang ist dies noch nicht überall in der EU gegeben, und es gibt noch immer Gebiete und Gruppen, die von eExclusion - digitaler Ausgrenzung - bedroht sind. Bei eExclusion könnten demografische (Alter, Geschlecht, Familienstand usw.), wirtschaftliche und soziale (Bildungsniveau, Beschäftigung, Status, Einkommen usw.) und auch geografische Faktoren (wie etwa Wohnlage, geografische Lage, besondere regionale oder lokale Gegebenheiten, geopolitische Aspekte usw.) eine Rolle spielen. Marktversagen bei elektronischen Diensten ist einzelfallbedingt und u.a. womöglich auf ungünstige geografische Voraussetzungen, dünne Besiedlung, hohe Steuern oder eine Kombination dieser Faktoren zurückzuführen. Ungenügende Nachfrage und Nutzung in diesen Gebieten schrecken private Betreiber häufig von Investitionen ab.

3.3

Im Mittelpunkt der Überlegungen darf jedoch nicht nur die geografische Ausgrenzung stehen, sondern muss auch das Phänomen der sozialen Ausgrenzung, die eng mit den beschränkten finanziellen Möglichkeiten und begrenzten Kompetenzen bestimmter Nutzergruppen zusammenhängt, bedacht werden (6). Daher sollte der Umfang des Universaldienstes dahingehend ausgeweitet werden, dass der Zugang aller Nutzer ungeachtet ihrer geografischen, finanziellen oder sozialen Lage gewährleistet ist.

3.4

Besondere Anstrengungen und Maßnahmen sind erforderlich, um Ergebnisse für schutzbedürftige Gruppen und vor allem nichtstädtische Gebiete herbeizuführen.

3.5

Der Ausschuss hat in mehreren Stellungnahmen einschlägige Empfehlungen zu verschiedenen Aspekten der elektronischen Dienste, ihrer Interoperabilität und der IKT-Infrastrukturen unterbreitet (7).

3.6

Seiner Ansicht nach könnten ÖPP zum Aufbau elektronischer Dienste in der EU – vielversprechendes Neuland mit kritischen Tätigkeitsaspekten - beitragen.

3.7

Untersuchungen ist zu entnehmen, dass vor allem folgende Argumente für einen ÖPP-Ansatz sprechen:

qualitative Verbesserung der elektronischen Dienste für schutzbedürftige Gruppen;

Verbesserung der Kostenwirksamkeit, da Innovationen, Erfahrung und Flexibilität des privaten Sektors zum Tragen gebracht werden;

verstärkte Investitionen in öffentliche Infrastrukturen zur Ausweitung der Bereitstellung von elektronischen Diensten;

Dauerhaftigkeit der höheren Flexibilität der privaten Partner und des Mittelzugangs;

qualitative Verbesserung der öffentlichen Ausgaben;

Effizienzgewinne und Konvergenz der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse.

3.8

Zudem sind Investitionen in dringende Infrastrukturvorhaben ein wichtiges Instrument der Wirtschaftsförderung, insbesondere in der aktuellen Krise, und könnten einer baldigen dauerhaften wirtschaftlichen Erholung förderlich sein. In diesem Zusammenhang könnten ÖPP wirksam dazu beitragen, dass Infrastrukturvorhaben durchgeführt und Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und zur Unterstützung von Unternehmen bereitgestellt werden, durch die die lokale Entwicklung und wirtschaftliche Erholung in einigen Regionen der EU sichergestellt würde (8).

3.9

Es gibt auch Risiken, die mit ÖPP für elektronische Dienste verbunden sind. Hierzu gehört die Gefahr, abgelegene Gebiete nicht versorgen zu können, da diese für einen privaten Dienstleister häufig Verluste implizieren. Deshalb sollten alle ÖPP eine Verpflichtung beinhalten, die Dienste auch für abgelegene Gebiete anzubieten.

4.   Kritische Aspekte beim Aufbau elektronischer Dienste

4.1

In dieser Stellungnahme geht es auch um den Aufbau elektronischer Dienste, d.h. die Verbreitung der entsprechenden Einrichtungen und den gleichberechtigten Zugang zu ihnen in der gesamten EU. Dies erfordert entweder die bedarfsgerechte Schaffung einer neuen „intelligenten“ Infrastruktur oder die Verbesserung der vorhandenen Infrastruktur. In Verbindung damit wäre auf einige kritische Aspekte einzugehen:

Effizienz: Nur weil es eine Infrastruktur gibt, heißt das noch lange nicht, dass sie auch effizient funktioniert oder für alle interessierten sozialen Gruppen gleichermaßen zugänglich ist. Ein Beispiel aus jüngster Zeit liefert die Eurobarometer-Umfrage zur Notrufnummer 112. Obwohl dieser Dienst in 20 EU-Mitgliedsstaaten bereits eingeführt und aktiviert ist, ist der Anteil der Befragten, die darüber Bescheid wissen, mit 32 % sehr gering (9). Verbesserungen können dadurch erzielt werden, dass die Verbraucher besser informiert und die Bürger stärker einbezogen und Anwendungen für das elektronische Lernen gezielter eingesetzt werden.

Ländliche Gebiete: Bezüglich des Zugangs zu elektronischen Diensten gibt es in der ganzen EU immer noch erhebliche Unterschiede (10). Ländliche Gebiete sind nach wie vor mit IKT unterversorgt. 23 % der Menschen in ländlichen Gebieten haben keinen Zugang zu Breitbandfestnetzen (11).

4.2

In einem echten Ansatz des „offenen Marktes“ sollten ÖPP von Anfang an so angegangen werden, dass auf allen Ebenen die EU-, nationalen und regionalen Behörden, die Sozialpartner, Akteure der Zivilgesellschaft, KMU-Verbände, Verbrauchervereinigungen und sonstigen Interessenträger (Betreiber, Verkäufer, Anbieter von IT-Diensten, vertikale und Anwendungsmärkte usw.) wirksam eingebunden sind.

4.3

Ein geeigneter Anfang könnten die bestehenden EU-Strukturfonds, EIB/EIF und einige spezifische Programme wie etwa die Mechanismen des Forschungsrahmenprogramms in künftigen IKT-Förderprogrammen (Zeitraum 2011-2013) sein, für die jährlich knapp 300 Mio. EUR zur Verfügung stehen.

4.4

Diesbezüglich könnten ÖPP auf die Arbeiten der fünf europäischen Technologieplattformen (ETP) zurückgreifen und dabei zu einer wechselseitigen Bereicherung in Bezug auf die internetbezogenen Fragen und ihre jeweiligen strategischen Forschungspläne beitragen. Ein wesentliches Merkmal einer solchen öffentlich-privaten Partnerschaft wäre die Entwicklung von offenen, genormten und sektorübergreifenden Dienste-Plattformen.

4.5

Aus europäischer Sicht wären Sektoren wie Gesundheitswesen, Mobilität, Umwelt und Energieversorgung erste Anwärter, um von den neuen „intelligenten“ internetgestützten Infrastrukturen zu profitieren, die die rasche Einführung von Diensten und deren Akzeptanz durch Millionen von Nutzern und Verbrauchern vereinfachen werden.

Brüssel, den 16. September 2010

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  KOM(2009) 479 endg., „Eine öffentlich-private Partnerschaft für das Internet der Zukunft“.

(2)  Das Hauptproblem in Verbindung mit den elektronischen Diensten in der EU ist, dass es keine gemeinsame Definition gibt. Zumeist werden elektronische Dienste gleichgesetzt mit IKT, also u.a. elektronische Behördendienste, e-business, elektronische Gesundheitsdienste, Informationen des öffentlichen Sektors, e-learning, e-inclusion und elektronisches Beschaffungswesen.

(3)  ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 51-77.

(4)  White paper on the Future Internet PPP definition, Januar 2010, liegt nur in englischer Sprache vor.

(5)  Guide Book on Promoting Good Governance in Public-Private Partnership – United Nations, New York und Genf, 2008.

(6)  ABl. C 139 vom 11.5.2001, S. 15; ABl. C 123 vom 25.4.2001, S. 53; ABl. C 108 vom 30.4.2004, S. 86.

(7)  ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 60; ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 92; ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 8; ABl. C 317, 23.12.2009, S. 84; ABl. C 218 vom 11.9.2009, S. 36; ABl. C 224 vom 30.8.2008, S. 50; Stellungnahme des EWSA zum Thema „Ummünzung der digitalen Dividende in sozialen Nutzen und wirtschaftliches Wachstum“, Berichterstatterin: Anna Maria Darmanin (TEN/417).

(8)  KOM(2009) 615 endg., Mitteilung der Kommission „Mobilisierung privater und öffentlicher Investitionen zur Förderung der Konjunktur und eines langfristigen Strukturwandels: Ausbau öffentlich-privater Partnerschaften“.

(9)  Flash Eurobarometer 285 – The European Emergency Number 112, Analytical Report, Wave 3, Februar 2010.

(10)  Telekommunikation: Konsultation zum künftigen Universaldienst Digitalzeitalter, IP/10/2010 vom 2.3.2010 (siehe http://ec.europa.eu/information_society/policy/ecomm/doc/library/public_consult/universal_service2010/index_en.htm).

(11)  KOM (2009) 103 endg. „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Besserer Zugang zur modernen Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in ländlichen Gebieten“.