GRÜNBUCH Weniger Verwaltungsaufwand für EU-Bürger: Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern /* KOM/2010/0747 endg. */
Brüssel, den 14.12.2010 KOM(2010) 747 endgültig GRÜNBUCH Weniger Verwaltungsaufwand für EU-Bürger:Den freien Verkehr öffentlicher Urkunden unddie Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden erleichtern 1. EINLEITUNG 12 Millionen EU-Bürger studieren, arbeiten und wohnen in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen. Die Mobilität in Europa ist Realität[1]. Erleichtert wird die Mobilität durch die mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Rechte wie dem Recht auf Freizügigkeit und allgemein dem Recht, im Wohnsitzmitgliedstaat wie ein Inländer behandelt zu werden. Diese Rechte sind im Primärrecht der Europäischen Union verankert und im Sekundärrecht weiter ausgestaltet. Dennoch sind die EU-Bürger, wie aus dem Bericht der Kommission über die Unionsbürgerschaft[2] vom 27. Oktober 2010 deutlich wird, Tag für Tag noch immer mit zahlreichen Hindernissen konfrontiert, wenn sie ihre Rechte wahrnehmen wollen. Diese Hindernisse sind unter anderem darin begründet, dass ein bestehender Rechtsanspruch oder eine bestehende Rechtspflicht in einem anderen Mitgliedstaat mit öffentlichen Urkunden nachgewiesen werden muss. Diese Urkunden können recht unterschiedlicher Natur sein. Es kann sich um Urkunden der Verwaltungsbehörden handeln, um notarielle Urkunden wie Eigentumstitel, um Personenstandsurkunden z. B. Geburts- und Heiratsurkunden, um Verträge oder um Gerichtsentscheidungen. Die Anerkennung dieser Urkunden setzt in vielen Fällen für den Bürger aufwändige Verwaltungsformalitäten voraus. Dabei stellen sich dem Bürger ganz konkrete Fragen, die sich oft nicht eindeutig beantworten lassen. Welche Behörden sind für die Erfüllung der Verwaltungsformalitäten zuständig? Wie teuer kann das werden? Muss man persönlich vorstellig werden? Werden die Formalitäten innerhalb einer vertretbaren Frist erledigt? Müssen die Urkunden übersetzt werden? Dass sich diese Fragen nicht eindeutig beantworten lassen, ist eine ständige Quelle von Irritation und Frustration und verträgt sich nicht mit dem Ziel, ein Europa im Dienst der Bürger schaffen zu wollen. Bei Personenstandsurkunden stellen sich zudem ganz andere Fragen, die nichts mit der Urkunde an sich zu tun haben, sondern mit ihrer Rechtswirkung. Personenstandsurkunden, mit denen der Staat die wichtigsten den Personenstand betreffenden Ereignisse feststellt (Geburt, Heirat, Tod), sind nicht zwangsläufig auch in einem anderen Mitgliedstaat wirksam. Jeder Mitgliedstaat wendet in diesem Bereich sein eigenes Recht an, das sich von Staat zu Staat ganz beträchtlich unterscheidet. Die in einem Mitgliedstaat festgestellte Vaterschaft zu einem dort geborenen Kind beispielsweise wird nicht unbedingt in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt, weil für die Anerkennung der Vaterschaft dort unter Umständen andere Vorschriften gelten. Um diese Probleme anzugehen, leitet die Kommission auf der Grundlage dieses Grünbuchs eine umfassende Konsultation zu Fragen im Zusammenhang mit dem freien Verkehr öffentlicher Urkunden (Abschnitt 3) und der Anerkennung der Rechtswirkung von Personenstandsurkunden (Abschnitt 4) ein. Die Beiträge aus Fachkreisen und der breiten Öffentlichkeit dienen der Ausarbeitung eines politischen Konzepts auf EU-Ebene und der Formulierung entsprechender Legislativvorschläge. 2. HINTERGRUND Seit 2004 macht die Kommission darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, die Anerkennung von Urkunden und die Anerkennung des Personenstands zu erleichtern[3] 2007 und 2008 hat die Kommission zwei Studien[4] veröffentlicht, in denen erläutert wird, welche Schwierigkeiten für den Bürger aus der Pflicht zur Legalisation von Dokumenten im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten entstehen und welche Probleme sich in Bezug auf den Personenstand stellen. Der Europäische Rat hat die Kommission im Rahmen des Stockholmer Programms[5] aufgefordert, die Arbeiten an den Folgemaßnahmen zu diesen Studien fortzuführen, um dem Recht auf Freizügigkeit volle Geltung zu verschaffen. Hierzu sind im Aktionsplan zum Stockholmer Programm zwei Legislativvorschläge vorgesehen. Gegenstand dieser für 2013 geplanten Initiativen sind - der freie Verkehr von Urkunden durch Aufhebung der Legalisation im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten und - die Anerkennung der Rechtswirkungen bestimmter Personenstandsurkunden (z. B. in Bezug auf Abstammung, Adoption oder den Namen), damit ein in einem Mitgliedstaat erteilter Rechtsstatus in einem anderen Mitgliedstaat mit denselben Rechtsfolgen anerkannt werden kann. Das Europäische Parlament hat sich bereits mehrfach[6] für die Anerkennung öffentlicher Urkunden und der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden ausgesprochen, zuletzt im November 2010[7]. 3. FREIER VERKEHR ÖFFENTLICHER URKUNDEN 3.1 Problemstellung Den Ergebnissen der Eurobarometer-Umfrage zur Ziviljustiz vom Oktober 2010 zufolge sind drei Viertel der Unionsbürger (73 %) der Auffassung, dass der Verkehr öffentlicher Urkunden zwischen den Mitgliedstaaten erleichtert werden sollte. EU-Bürger, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Herkunftsstaat niederlassen wollen, müssen eine Vielzahl von Verwaltungsgängen auf sich nehmen, bei denen jedes Mal die Vorlage öffentlicher Urkunden – z. B. Geburtsurkunde, Staatsangehörigkeitsnachweis oder Nachweis eines Verwandtschafts- oder Familienverhältnisses – verlangt wird. Gleiches gilt für EU-Bürger, die nach einem längeren Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat wieder in ihren Herkunftsmitgliedstaat zurückkehren. Sie stehen vor ähnlichen Schwierigkeiten, wenn sie Änderungen in ihren Lebensverhältnissen nachweisen müssen, die im Aufnahmemitgliedstaat eingetreten sind. Die Kommission möchte eine Konsultation über alle öffentlichen Urkunden einleiten, bei denen Verwaltungsformalitäten zu erfüllen sind, bevor sie außerhalb des Staats, in dem sie aufgenommen worden sind, verwendet werden können. Diese Formalitäten erstrecken sich auf den Echtheitsnachweis und die Vorlage einer beglaubigten Übersetzung. Es gibt eine Vielzahl verschiedener öffentlicher Urkunden. Sie umfassen alle amtlichen Schriftstücke, die in einem Mitgliedstaat von einem Amtsträger ausgefertigt werden. Als Beispiel seien genannt amtliche Schriftstücke wie ein Diplom oder ein Patent, notarielle Urkunden, z. B. ein vom Notar beurkundeter Grundstückskaufvertrag oder ein Ehevertrag, Personenstandsurkunden wie Geburtsurkunden, Heiratsurkunden, Sterbeurkunden oder gerichtliche Urkunden wie Urteile oder Beschlüsse. Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie als Beweis für den von einem Amtsträger aufgenommenen Sachverhalt gelten. Ihre Vorlage ist in den meisten Fällen notwendig, um Leistungen in Anspruch nehmen zu können, einen Rechtsanspruch zu erlangen oder steuerlichen Erfordernissen zu genügen. Um öffentliche Urkunden außerhalb des Staates, in dem sie ausgestellt wurden, verwenden zu können, sind gewisse Verwaltungsformalitäten erforderlich, die der Bestätigung der Echtheit dieser Urkunden dienen. Diese Formerfordernisse sollen vor Urkundenbetrug schützen. Sie sind unter anderem auf die Echtheit der Unterschrift gerichtet und die Eigenschaft, in der der Unterzeichner der Urkunde gehandelt hat. Das herkömmliche Verfahren, mit dem die Echtheit einer öffentlichen Urkunde im Ausland bestätigt wird, ist die Legalisation. Die Legalisation besteht in einem mehrstufigen Beglaubigungsverfahren. So muss eine Urkunde nach dem ordentlichen Legalisationsverfahren zunächst von den Behörden des Staates, aus dem die Urkunde stammt, beglaubigt werden und anschließend von der Botschaft oder dem Konsulat des Staates, in dem die Urkunde verwendet werden soll. Da an diesem Verfahren mehrere Behörden beteiligt sind, ist die Legalisation häufig langwierig und teuer[8]. Ein anderes Verfahren, das einfacher ist als das klassische Beglaubigungsverfahren der Legalisation, ist das Apostilleverfahren, bei dem der Staat, aus dem die Urkunde stammt, die Urkunde mit einem Echtheitsvermerk versieht, der als Apostille bezeichnet wird . Die Apostille erfüllt denselben Zweck wie die Legalisation, das Verfahren ist jedoch einfacher. Die Apostille wird allein von den zuständigen Behörden des Staats erteilt, der die Urkunde ausgestellt hat. Die Behörden des Staats, in dem die Urkunde vorgelegt werden soll, brauchen in diesem Fall nicht mehr tätig zu werden. Aber auch wenn die Apostille im Vergleich zur Legalisation den Verkehr öffentlicher Urkunden erleichtert, so sind doch ebenfalls Verwaltungsgänge erforderlich, die mit einem gewissen Zeitaufwand und Kosten einhergehen, die nicht unbeträchtlich sind und sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat deutlich unterscheiden[9]. Bei der vorgenannten Eurobarometer-Umfrage zur Ziviljustiz wurden die Bürger gefragt, welche Formalitäten sie bei der Vorlage von Urkunden in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ausstellungsstaat zu beachten hatten. Sechs von zehn Befragten gaben an, dass sie bei der Vorlage einer Urkunde im Wohnsitzmitgliedstaat mehrere Formalitäten zu erfüllen hatten: Übersetzung (26 %), Legalisation (24 %), Apostille (16 %) und beglaubigte Abschrift (19 %). Ein weiteres Problem stellt sich, wenn im Wohnsitzmitgliedstaat die Vorlage von Urkunden verlangt wird, die im Herkunftsmitgliedstaat nicht bekannt sind. Das Ehefähigkeitszeugnis, d. h. die Bescheinigung, dass es keine Ehehindernisse gibt, ist ein gutes Beispiel hierfür. Ein zyprischer Staatsangehöriger, der in Finnland lebt und eine finnische Staatsangehörige heiraten möchte, muss ein Ehefähigkeitszeugnis vorlegen, das es nach dem Recht seines Landes nicht gibt. Ihm ist es somit nicht möglich, diese Urkunde in seinem Wohnsitzstaat vorzulegen. Als einzige Lösung bliebe ihm die Einschaltung eines Gerichts im Wohnsitzmitgliedstaat. Aber ist eine solche Lösung für den Bürger befriedigend? Ein Gericht einzuschalten, ist nicht einfach und kostet Zeit und Geld. Eine Eheschließung in einem anderen Mitgliedstaat als dem Herkunftsstaat sollte aber unkompliziert sein und den künftigen Ehegatten keine unnötigen Sorgen bereiten. All diese verschiedenen Formerfordernisse lassen die Ausübung des Freizügigkeitsrechts weniger attraktiv erscheinen und können die Unionsbürger sogar an der Wahrnehmung ihrer Rechte hindern. 3.2 Rechtsgrundlage Verwaltungsformalitäten wie die Legalisation oder Apostille bei öffentlichen Urkunden in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union stützen sich auf unterschiedliche Rechtsquellen: nationales Recht, das stark abweichen kann, zahlreiche internationale Abkommen oder Übereinkommen, die jeweils von einer begrenzten Zahl unterschiedlicher Staaten ratifiziert worden sind und keine Lösungen bieten können, die den EU-Bürgern die Freizügigkeit in der Union erleichtern, ein unvollständiges Unionsrecht, das nur wenige Aspekte dieser Problematik regelt. Das Ergebnis ist eine unklare Rechtslage mit Regelungen, die nicht die Rechtssicherheit bieten, die die EU-Bürger angesichts der Probleme, mit denen sie im Alltag konfrontiert sind, erwarten können. Der Grundsatz, wonach eine öffentliche Urkunde von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem die Urkunde vorgelegt werden soll, im Wege der Legalisation beglaubigt oder von der zuständigen Stelle im Herkunftsmitgliedstaat mit der Apostille versehen werden muss, wird durch Ausnahmen in den internationalen Übereinkommen oder im Unionsrecht relativiert. Für den Einzelnen ist es nicht leicht herauszufinden, welche Ausnahmeregelungen eventuell auf seine persönliche Situation anwendbar sind. Zur Illustration der vielfältigen internationalen Regelungen seien nachstehend einige Beispiele genannt. Manche Übereinkommen gelten für öffentliche Urkunden allgemein, während sich andere nur auf bestimmte Urkunden wie Personenstandsurkunden oder Urkunden beziehen, die von diplomatischen oder konsularischen Vertretungen ausgestellt werden. Mit dem Haager Übereinkommen von 1961 wurden die in Artikel 1 genannten ausländischen öffentlichen Urkunden vom Erfordernis der Legalisation, die durch die Apostille ersetzt wurde, befreit[10]. Diesem Übereinkommen gehören alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie zahlreiche Drittstaaten an. Es gilt für öffentliche Urkunden wie Urkunden von Verwaltungsbehörden, notarielle Urkunden, amtliche Bescheinigungen und Urkunden der Justizbehörden; Urkunden der diplomatischen und konsularischen Vertretungen sind hiervon ausgenommen. Hat es der Bürger mit einer Urkunde zu tun, die von einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung ausgestellt worden ist, findet unter Umständen das Übereinkommen des Europarats von 1968 Anwendung . Nach diesem Übereinkommen sind auch die von diplomatischen oder konsularischen Vertretungen ausgestellten Urkunden vom Erfordernis der Legalisation befreit. Allerdings können sich nicht alle EU-Bürger auf dieses Übereinkommen berufen, da nur 15 EU-Mitgliedstaaten dem Übereinkommen beigetreten sind. Zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit in Zivilstandssachen und zur Verbesserung der Arbeitsweise der Zivilstands- bzw. Standesämter wurde 1949 von fünf Staaten die Internationale Kommission für das Zivilstandswesen (CIEC) gegründet[11]. Heute gehören dieser Kommission 12 EU-Mitgliedstaaten an[12]. Die Kommission spielt eine wichtige Rolle insbesondere bei der Ausarbeitung internationaler Übereinkommen. Die Legalisation von Personenstandsurkunden ist Gegenstand mehrerer Übereinkommen: Übereinkommen von 1957 über die kostenlose Erteilung von Personenstandsurkunden und den Verzicht auf ihre Legalisation, Übereinkommen von 1976 über die Ausstellung mehrsprachiger Auszüge aus Personenstandsbüchern/Zivilstandsregistern und das Übereinkommen von 1977 Übereinkommen über die Befreiung bestimmter Urkunden von der Beglaubigung/Legalisation[13]. Auch im Unionsrecht gibt es diverse Regelungen, die den völligen Verzicht auf die Legalisation im Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten vorsehen. So sind nach dem Übereinkommen von 1987[14] bestimmte Arten von Urkunden vollständig von der Legalisation befreit. Es handelt sich um Urkunden eines Gerichts oder einer Amtsperson als Organ der Rechtspflege, einschließlich der Urkunden, die von der Staatsanwaltschaft, von einem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder von einem Gerichtsvollzieher ausgestellt werden, Urkunden der Verwaltungsbehörden, notarielle Urkunden, amtliche Bescheinigungen, die auf Privaturkunden angebracht sind, und Urkunden, die von diplomatischen oder konsularischen Vertretungen errichtet werden. Dieses Übereinkommen wurde allerdings nur von sechs Mitgliedstaaten ratifiziert[15], die daraufhin beschlossen haben, das Übereinkommen vorläufig nur im Verhältnis untereinander anzuwenden. Eine Befreiung von der Legalisation ist auch in EU-Rechtsakten aus dem Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen vorgesehen, namentlich in den Verordnungen (EG) Nr. 44/2001 und Nr. 2201/2003, und zwar für Urkunden, die in ihren Anwendungsbereich fallen[16]. 3.3 Optionen zur Erleichterung des freien Verkehrs öffentlicher Urkunden zwischen den Mitgliedstaaten a) Verzicht auf die Verwaltungsförmlichkeiten zur Bestätigung der Echtheit einer öffentlichen Urkunde Die aus konsularischen und zwischenstaatlichen Gepflogenheiten resultierenden Verwaltungsförmlichkeiten, die bei der Vorlage öffentlicher Urkunden zu beachten sind, bereiten den Unionsbürgern nach wie vor Probleme und entsprechen nicht mehr den Erfordernissen und den Entwicklungsperspektiven unserer heutigen Gesellschaft in einem gemeinsamen Rechtsraum. Die Frage ist durchaus berechtigt, ob diese Formalitäten, die weder dem auf Vertrauen gründenden Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander noch der zunehmenden Mobilität der Bürger in Europa gerecht werden, noch erforderlich sind. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seiner Rechtsprechung seit 1997 die allgemeine Richtung vorgegeben. So hat der Gerichtshof in der Rechtssache Dafeki [17], bei der es um eine Streitigkeit zwischen einer in Deutschland erwerbstätigen griechischen Staatsangehörigen und der Landesversicherungsanstalt Württemberg ging, die Pflicht zur Anerkennung der von einem Mitgliedstaat ausgestellten Urkunden in dem Mitgliedstaat, in dem sie im Zusammenhang mit einer Erwerbstätigkeit vorgelegt werden, bestätigt. In diesem Urteil erkannte der Gerichtshof für Recht, dass die Behörden eines Mitgliedstaats verpflichtet sind, von den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten ausgestellte Urkunden und ähnliche Schriftstücke über den Personenstand zu beachten, sofern deren Richtigkeit nicht durch konkrete, auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Anhaltspunkte ernstlich in Frage gestellt ist. Es ist an der Zeit, die Befreiung sämtlicher öffentlichen Urkunden von der Legalisation und der Apostille im Hinblick auf ihren freien Verkehr in der Europäischen Union zu prüfen. Eine solche Befreiung sollte sich auf alle öffentlichen Urkunden erstrecken, da sich das gewünschte Ergebnis mit einem partiellen Vorgehen nicht erreichen ließe. Nicht nur das Legalisationsverfahren, sondern auch das Apostilleverfahren könnte entfallen. In der Praxis bedeutet dies, dass eine von der Behörde eines anderen Mitgliedstaats ausgestellte öffentliche Urkunde ohne weitere Förmlichkeiten im Original vorgelegt werden könnte, so als befände sich der betreffende Bürger im Ausstellungsmitgliedstaat. Die Kommission schlägt deshalb vor, über den Verzicht auf sämtliche dieser überkommenen Förmlichkeiten nachzudenken und eine einheitliche, moderne europäische Regelung zu erarbeiten, die der Realität grenzübergreifender Lebenssachverhalte Rechnung trägt. Frage 1: Ist der Verzicht auf Verwaltungsformalitäten wie die Legalisation oder Apostille Ihrer Ansicht nach als Lösung zur Überwindung der Schwierigkeiten geeignet, mit denen EU-Bürger konfrontiert sind? b) Zusammenarbeit zwischen den zuständigen einzelstaatlichen Behörden Der Verzicht auf bestimmte Verwaltungsformalitäten könnte mit einer Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten einhergehen. Beispielsweise könnte die Zusammenarbeit, die derzeit zwischen den Standesämtern einiger Mitgliedstaaten auf informeller Basis sowie auf Basis der CIEC-Übereinkommen[18] besteht, weiter ausgebaut werden. Bestehen erhebliche Zweifel an der Echtheit einer Urkunde oder gibt es eine bestimmte Urkunde in einem Mitgliedstaat nicht, können die zuständigen nationalen Behörden die notwendigen Informationen austauschen und sich auf eine geeignete Lösung verständigen. Im Wege dieses Informationsaustauschs könnte auch das Personenstandsregister im Herkunftsmitgliedstaat darüber informiert werden, wenn für einen Bürger dieses Staats in einem anderen Mitgliedstaat eine Urkunde ausgestellt wird. Auf diese Weise könnte zudem dafür gesorgt werden, dass die Personenstandsregister auf dem neuesten Stand gehalten werden. In Frage käme auch die Einrichtung einer Registrierstelle, die den Personenstand betreffende Ereignisse, die in anderen Mitgliedstaaten als im Herkunftsmitgliedstaat der betreffenden Person eingetreten sind, zentral erfasst. Eine solche zentrale Stelle würde die Ausstellung und Aktualisierung von Personenstandsurkunden erleichtern. Hierzu könnten geeignete elektronische Hilfsmittel vorgesehen werden[19]. Die Projekte und Ergebnisse im Rahmen der E-Justiz könnten ebenfalls zu diesem Informationsaustausch beitragen. Über das E-Justizportal könnten sich Unionsbürger über Personenstandsurkunden und ihre Rechtswirkungen informieren (z. B. muss vor Beantragung eines Erbscheins bei Gericht bei der zuständigen Verwaltungsbehörde die Ausfertigung einer Sterbeurkunde beantragt werden). Zu erwägen wäre auch die Möglichkeit für EU-Bürger, eine Personenstandsurkunde online über ein gesichertes System zu beantragen und abzurufen. Angesichts der unterschiedlichen Verwaltungsstrukturen der Mitgliedstaaten wäre es nützlich, den Bürger systematischer darüber zu informieren, welche Behörden in den Mitgliedstaaten für die Eintragung in die Personenstandsregister und die Ausstellung von Personenstandsurkunden zuständig sind. In diesem Zusammenhang hat die Kommission angekündigt[20], das Web-Portal „Ihr Europa“ zu einer benutzerfreundlichen zentralen Anlaufstelle für Informationen über die Rechte von Bürgern und Unternehmen in der EU auszubauen[21]. Frage 2: Sollten die Behörden der Mitgliedstaaten insbesondere in Personenstandsangelegenheiten enger zusammenarbeiten und wenn ja, in welcher – elektronischen – Form? Frage 3: Was halten Sie von dem Vorschlag, Ereignisse, die den Personenstand betreffen, nur an einem Ort bzw. nur in einem Staat zu registrieren? Welcher Ort würde sich dafür anbieten: Geburtsort, Staat der Staatsangehörigkeit, Wohnsitzstaat? Frage 4: Halten Sie die Veröffentlichung einer Liste der für Personenstandsangelegenheiten zuständigen nationalen Behörden oder der Kontaktdaten einer Informationsstelle pro Mitgliedstaat für sinnvoll? c) Lockerung des Übersetzungserfordernisses bei öffentlichen Urkunden Parallel zu den Verwaltungsformalitäten wie Legalisation und Apostille kann vom Unionsbürger verlangt werden, dass er die öffentliche Urkunde in einer Übersetzung vorlegt. Das Übersetzungserfordernis stellt genau wie die Verwaltungsformalitäten einen Zeit- und Kostenfaktor dar[22]. Um dem Übersetzungserfordernis zu entsprechen und gleichzeitig die Übersetzungskosten zu minimieren, könnte in vielen Bereichen der öffentlichen Verwaltung zumindest für die gängigsten öffentlichen Urkunden (z. B. Bescheinigungen über den Verlust oder Diebstahl von Ausweispapieren, Brieftaschen usw.) unverbindlich ein Vordruck zur Verfügung gestellt werden. Diese Vordrucke könnten sich an den mehrsprachigen Vordrucken der CIEC orientieren, die sich großer Beliebtheit erfreuen, da sie eine Übersetzung der Urkunde im Bestimmungsstaat entbehrlich machen[23]. Frage 5: Welche Lösungen bevorzugen Sie, um Übersetzungen zu vermeiden oder zumindest zu begrenzen? d) Die europäische Personenstandsurkunde Europäische Muster für Führerscheine und Reisepässe gibt es bereits. Unlängst hat die Kommission auch ein europäisches Nachlasszeugnis vorgeschlagen. Warum nicht auch eine europäische Personenstandsurkunde? Diese europäische Urkunde würde zusätzlich zu den nationalen Personenstandsurkunden der Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen. Sie wäre nicht verbindlich, käme aber als Option für den Bürger in Frage, der auch weiterhin die Ausstellung nationaler Personenstandsurkunden beantragen könnte. Die in den Mitgliedstaaten bestehenden Personenstandsurkunden würden also nicht durch die europäische Urkunde ersetzt. Ein Paar mit deutscher und spanischer Staatsangehörigkeit lässt sich mit seinem Kind in Spanien nieder. Für den Bezug von Familienbeihilfen oder die Anmeldung des Kindes an einer spanischen Schule benötigen die Eltern die Geburtsurkunde des Kindes. Die Eltern könnten beim Standesamt in Deutschland, wo das Kind geboren ist, eine europäische Geburtsurkunde zur Vorlage bei den zuständigen spanischen Behörden beantragen. Diese Urkunde könnte in spanischer Sprache ausgestellt werden. Die Urkunde bräuchte demnach zur Vorlage bei den spanischen Behörden nicht mehr übersetzt zu werden, wodurch sich beträchtliche Übersetzungskosten vermeiden ließen. Die Eltern könnten auch eine nationale, d. h. eine deutsche Geburtsurkunde beantragen. In diesem Fall würden die spanischen Behörden sicherlich eine Übersetzung verlangen. Die Urkunde sollte auch im Ausstellungsmitgliedstaat verwendet werden können. Die Eltern könnten dann bei Verwaltungsgängen in Deutschland auch die europäische Urkunde verwenden und bräuchten keine neue Urkunde beim Standesamt zu beantragen. Die Personenstandsurkunden in den Mitgliedstaaten weisen gegenwärtig höchst unterschiedliche Vermerke auf. Für eine Geburtsurkunde gibt es in allen Mitgliedstaaten zusammen mehr als 40 Vermerke, die nicht überall bekannt sind. Diese Unterschiede stellen die Standesbeamten vor erhebliche Schwierigkeiten, wenn sie es mit einem Vermerk zu tun haben, den es in ihrer Rechtsordnung nicht gibt. Häufig müssen deshalb zusätzliche Auskünfte eingeholt werden, was Unannehmlichkeiten für den Bürger und weitere Wartezeiten zur Folge haben kann. Die nationalen Urkunden unterscheiden sich nicht nur inhaltlich, sondern auch formal. Die Unterschiede in der Form erschweren es sowohl den Behörden als auch den Bürgern, die Urkunden zu erkennen und zu verstehen, vor allem wenn sie die Sprache nicht beherrschen. Mit einem Einheitsformular in Gestalt der europäischen Urkunde wären Format und Urkundsvermerke vereinheitlicht. Personenstandsangaben in der Urkunde wären so leichter zu verstehen und es wären keine Nachfragen mehr wegen unbekannter Vermerke auf ausländischen Urkunden nötig. Frage 6: Welche Personenstandsurkunden kämen für eine europäische Personenstandsurkunde in Frage? Welche Vermerke sollten auf einer solchen Urkunde angebracht werden? 4. GEGENSEITIGE ANERKENNUNG DER RECHTSWIRKUNGEN VON PERSONENSTANDSURKUNDEN 4.1 Problemstellung Bei Personenstandsurkunden stellt sich ein besonderes Problem, das mit den Rechtswirkungen dieser Urkunden zusammenhängt. Der Personenstand, zum dem jeder Mitgliedstaat aufgrund seiner Geschichte, seiner Kultur und seiner Rechtsordnung eine eigene Begrifflichkeit entwickelt hat, gibt Aufschluss über den Stand und die Stellung einer Person innerhalb der Rechtsordnung eines Gemeinwesens. Personenstandsurkunden sind von einer Behörde ausgestellte Urkunden, die Ereignisse im Leben eines jeden Bürgers dokumentieren wie Geburt, Abstammung, Adoption, Eheschließung, Vaterschaftsanerkennung, Tod, aber auch Zuweisung oder Änderung eines Namens beispielsweise nach einer Eheschließung, einer Scheidung, nach der Eintragung einer Lebenspartnerschaft, einer Vaterschaftsanerkennung, einer Geschlechtsumwandlung oder einer Adoption. Bei einem Sachverhalt mit Auslandsbezug stellt sich zuallererst die Frage, ob eine durch eine Personenstandsurkunde in einem Mitgliedstaat verbriefte Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt wird. Ein seit drei Jahren verheiratetes französisches Ehepaar lässt sich aus beruflichen Gründen in Dänemark nieder. Sie sind dort vier Jahre lang wohnhaft. In dieser Zeit wird ihr erstes Kind geboren. Die dänischen Behörden wenden bei der Erteilung des Namens des Kindes dänisches Recht an, d. h. das Recht des Staates, in dem Eltern und Kind ihren Wohnsitz haben. Als die Familie nach Frankreich zurückkehrt, erkennen die französischen Behörden den nach dänischem Recht erteilten Namen des Kindes nicht an. Für das Kind entsteht dadurch Rechtsunsicherheit, da seine Identität in Frankreich und in Dänemark unterschiedlich bestimmt wird, was sich auf die Ausübung seines Freizügigkeitsrechts auswirken wird. Der Name spielt bei der Bestimmung der Identität einer Person eine wesentliche Rolle. Die Vorschriften für die Namenserteilung sind aufgrund historischer, religiöser, sprachlicher und kultureller Gegebenheiten von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat höchst unterschiedlich. Dass sich hieraus für den Bürger konkrete Probleme ergeben, wird aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union deutlich[24], der zufolge das unterschiedliche Namensrecht für den Einzelnen sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich zu ernsten Unannehmlichkeiten führen kann[25]. Jeder europäische Bürger sollte darauf vertrauen können, dass sein Personenstand gewahrt bleibt, wenn er von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch macht. Beschließt ein EU-Bürger, in einen anderen Mitgliedstaat umzuziehen, um dort eine Arbeit oder ein Studium aufzunehmen oder dort eine Weile zu leben, darf seine Rechtsstellung, die er in seinem Herkunftsmitgliedstaat erlangt hat (z. B. Änderung seines Namens nach Eheschließung) von den Behörden des neuen Mitgliedstaats nicht in Frage gestellt werden, wenn der EU-Bürger hierdurch in der Ausübung seiner Rechte objektiv behindert würde. Eine zweite Frage, die sich bei einem Sachverhalt mit Auslandsbezug stellt, ist, ob die durch eine Personenstandsurkunde verbriefte Rechtsstellung die damit verbundenen zivilrechtlichen Wirkungen erzeugen kann. Ein Paar mit schwedischer und deutscher Staatsangehörigkeit lebt in Finnland zusammen, ohne verheiratet zu sein. Nach einigen Jahren wird ihr erstes Kind geboren. Wie werden die Behörden im Wohnsitzmitgliedstaat – Finnland – die Abstammung dieses Kindes bestimmen, d. h. feststellen, in welchem Verhältnis das Kind zu den Personen steht, die es gezeugt haben? Welches Recht werden die finnischen Behörden auf die Abstammung anwenden? Schwedisches Recht nach der Staatsangehörigkeit des Vaters, deutsches Recht nach der Staatsangehörigkeit der Mutter oder finnisches Recht nach dem Wohnsitzstaat der Eltern und nach dem Staat, in dem das Ereignis eingetreten ist? Wenn Finnland sein eigenes Recht anwendet, wird die Abstammung dann in den Herkunftsmitgliedstaaten der Eltern – Schweden und Deutschland – sowie in den übrigen EU-Mitgliedstaaten anerkannt? Da jeder Staat sein eigenes Recht anwendet, ist nicht ausgeschlossen, dass die nach finnischem Recht bestimmte Abstammung in Deutschland nicht anerkannt wird. Jeder Staat bestimmt das auf einen Sachverhalt mit Auslandsbezug anzuwendende Recht nach Maßgabe des in seinem Internationalen Privatrecht vorgesehenen Anknüpfungskriteriums. Hauptanknüpfungskriterium ist in der Regel die Staatsangehörigkeit oder der Wohnsitz (gewöhnliche Aufenthalt). Das so ermittelte anzuwendende Recht unterscheidet sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat erheblich. Dies führt unweigerlich dazu, dass ein in einem Mitgliedstaat begründeter Personenstand nicht automatisch in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt wird, da je nach Mitgliedstaat ein anderes Recht mit anderen Folgen zur Anwendung berufen wird. Hier stellt sich die Frage, ob die EU nicht tätig werden muss, um den Unionsbürgern in Personenstandsangelegenheiten größere Rechtssicherheit zu bieten und die Hindernisse auszuräumen, vor denen sie stehen, wenn sie in einem Mitgliedstaat die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat geschaffenen Rechtslage beantragen. Grund für einen solchen Antrag ist in der Regel, dass die Anerkennung Voraussetzung für die Geltendmachung der mit dem betreffenden Personenstand verbundenen zivilrechtlichen Ansprüche im Wohnsitzmitgliedstaat ist. 4.2 Rechtsrahmen Die Personenstandsproblematik ist für den europäischen Gesetzgeber nicht neu. Im Primär- und Sekundärrecht sind bereits eine ganze Reihe von Rechten zugunsten der Unionsbürger verankert. Insbesondere in Ehesachen ist die EU bereits auf Fragen des Personenstands eingegangen. So heißt es in Artikel 21 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003, dass es „keines besonderen Verfahrens für die Beischreibung in den Personenstandsbüchern eines Mitgliedstaats auf der Grundlage einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung über Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe [bedarf]“. Die Bestimmungen im abgeleiteten Recht beschränken sich allerdings auf wenige präzise Sachverhalte. Bislang gibt es keine allgemeinen Vorschriften für die Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen Ereignisses, das sich auf den Personenstand auswirkt. Auf internationaler Ebene gibt es Übereinkommen, mit denen sich Personenstandsangelegenheiten in Fällen mit Auslandsberührung regeln lassen. In erster Linie sind dies CIEC-Übereinkommen, mit denen einheitliche Kollisionsnormen für das Personenstandsrecht eingeführt werden sollen[26]. Diese Übereinkommen werden jedoch in der Regel nur von wenigen Staaten – selten mehr als zehn – ratifiziert. Dies trägt nicht zur Vereinheitlichung des auf grenzübergreifende Sachverhalte anwendbaren Rechts bei. Außerdem sind nicht alle EU-Mitgliedstaaten, die auch Mitglied der CIEC sind, den Übereinkommen dieser Organisation beigetreten. Nicht ein einziges CIEC-Übereinkommen ist von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert worden, die gleichzeitig auch Mitglied der CIEC sind. 4.3 Optionen für die Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie die Anerkennung der Rechtswirkungen einer Personenstandsurkunde oder eines in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen Ereignisses, das sich auf den Personenstand auswirkt, gewährleistet werden kann. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass das materielle Familienrecht nicht in die Zuständigkeit der Europäischen Union fällt. Die Kommission hat daher weder die Befugnis noch die Absicht, eine materiellrechtliche EU-Regelung beispielsweise zum Namensrecht, zur Adoption oder zur Eheschließung vorzuschlagen oder den Ehebegriff auf nationaler Ebene zu ändern. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union bietet hierfür keine Rechtsgrundlage. Manche Probleme praktischer Art, mit denen die Bürger im Alltag bei grenzübergreifenden Sachverhalten konfrontiert sind, ließen sich allerdings auch im Wege einer vereinfachten Anerkennung der Rechtswirkungen von in anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Personenstandsurkunden lösen. Der Europäischen Union bieten sich hier drei Handlungsmöglichkeiten: Unterstützung der nationalen Behörden bei der Lösungsfindung, Anerkennung von Rechts wegen und Anerkennung im Wege einer Harmonisierung der Kollisionsnormen. a) Unterstützung der nationalen Behörden bei der Lösungsfindung Hier ließe sich argumentieren, dass die Probleme, denen sich die Bürger im Alltag bei Personenstandsurkunden aus anderen Mitgliedstaaten gegenübersehen, am besten auf Ebene der Mitgliedstaaten gelöst werden können, da die mitgliedstaatlichen Behörden auf der Grundlage ihres einzelstaatlichen Rechts sachgerechte Lösungen entwickeln könnten. Solange die personenstandsrechtlichen Kollisionsnormen noch nicht stärker harmonisiert sind bzw. das Familienrecht der Mitgliedstaaten nicht weiter angeglichen ist, bestünde die Hauptaufgabe der Europäischen Union darin, für eine effizientere Zusammenarbeit der nationalen Behörden zu sorgen. Frage 7: Wären die mitgliedstaatlichen Behörden Ihrer Ansicht nach in der Lage, den Personenstand betreffende Probleme bei grenzübergreifenden Sachverhalten allein in effizienter Weise zu lösen? Sollten die EU-Institutionen den Behörden nicht in diesem Fall zumindest einige Leitlinien an die Hand geben (eventuell in Form von EU-Empfehlungen), damit die Vorgehensweisen der Mitgliedstaaten nicht allzusehr voneinander abweichen? b) Anerkennung von Rechts wegen Eine andere Möglichkeit wäre, den in anderen Mitgliedstaaten begründeten Personenstand von Rechts wegen anzuerkennen. In diesem Fall blieben die bestehenden Regelungen und die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten unangetastet. Diese Option impliziert, dass jeder Mitgliedstaat auf der Basis gegenseitigen Vertrauens die Wirkungen einer in einem anderen Mitgliedstaat begründeten Rechtsstellung akzeptiert und anerkennt. In den vorstehenden Beispielen müssten die Behörden des Herkunftsmitgliedstaats den Namen und die Abstammung des Kindes anerkennen, auch wenn die Anwendung des Rechts ihres Staats zu einem anderen Ergebnis führen würde. Wenn eine in einem Mitgliedstaat begründete Rechtsstellung EU-weit von Rechts wegen anerkannt würde, hätte dies für die Unionsbürger zahlreiche Vorteile. Für Unionsbürger, die innerhalb der Europäischen Union von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, würde dies als erstes Einfachheit und Transparenz im Umgang mit den Behörden bedeuten. Jeder Bürger, dessen Personenstand sich ändert oder der durch eine Personenstandsangelegenheit in einem Mitgliedstaat betroffen ist, wüsste im Voraus, dass sein Personenstand nicht durch das Überqueren einer Landesgrenze in Frage gestellt wird, wenn er beispielsweise beschließt, eine Zeitlang in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Herkunftsstaat zu leben. Der Bestand seiner familienrechtlichen Stellung wäre garantiert und personenstandsrelevante Vorgänge im Herkunftsmitgliedstaat würden in den anderen EU-Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Europäischen Verträge von Rechts wegen anerkannt. Bei der Anerkennung von Rechts wegen bräuchte der Aufnahmemitgliedstaat, d. h. der Staat, in dem der EU-Bürger leben oder arbeiten will, weder sein materielles Recht noch sein Rechtssystem zu ändern. Eine Anerkennung von Rechts wegen hätte auch den Vorteil, dass sie dem Bürger die Rechtssicherheit bietet, die er erwarten darf, wenn er sein Recht auf Freizügigkeit wahrnimmt. Die Probleme, die andernfalls bei der Anerkennung einer Rechtsstellung in dem Mitgliedstaat, aus dem er wegzieht, möglicherweise auftreten würden, und die daraus resultierende Rechtsunsicherheit könnten keine abschreckende Wirkung mehr entfalten und ihn nicht mehr an der Wahrnehmung seiner Rechte als EU-Bürger hindern. Die Anerkennung von Rechts wegen müsste allerdings mit gewissen Schutzvorkehrungen verknüpft werden, um Missbrauch und Betrug zu verhindern und dem Ordre-Public-Vorbehalt der Mitgliedstaaten umfassend Rechnung zu tragen. Sie könnte für bestimmte Personenstandsangelegenheiten wie Erteilung oder Änderung des Namens besser geeignet sein als für andere. Bei Ehesachen beispielsweise könnten Komplikationen auftreten. Frage 8: Was halten Sie von einer Anerkennung von Rechts wegen? Auf welche Personenstandsangelegenheiten könnte diese Form der Anerkennung angewandt werden? Bei welchen Personenstandsangelegenheiten könnte sich die Anerkennung von Rechts wegen als ungeeignet erweisen? c) Anerkennung im Wege harmonisierter Kollisionsnormen Eine andere Möglichkeit, wie EU-Bürger in den vollen Genuss ihres Freizügigkeitsrechts kommen können und ihnen gleichzeitig für personenstandsbezogene Vorgänge in anderen Mitgliedstaaten größere Rechtssicherheit zugesichert werden kann, ist die Harmonisierung der Kollisionsnormen. Das auf solche Vorgänge mit Auslandsberührung anzuwendende Recht würde in diesem Fall auf der Grundlage einer einheitlichen EU-Regelung ermittelt. Welches Recht konkret anzuwenden wäre, würde sich dann anhand eines oder mehrerer Anknüpfungskriterien bestimmen, die der Mobilität der Bürger Rechnung tragen. Diese Regeln wären somit im Voraus bekannt und berechenbar. Im Falle von Bürgern beispielsweise, die in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Herkunftsmitgliedstaat wohnen, könnte anstelle des Rechts ihres Herkunftsstaats, den sie vielleicht schon seit vielen Jahren verlassen haben, das Recht dieses anderen Mitgliedstaats, zu dem sie eine Verbindung aufgebaut haben, zur Anwendung berufen werden. Zu überlegen wäre, ob dieselbe Anknüpfung für unterschiedliche personenstandsbezogene Sachverhalte gelten sollte oder ob es zweckmäßig wäre, für jeden Sachverhalt eine eigene Anknüpfung vorzusehen. Frage 9: Was halten Sie von einer Anerkennung auf der Grundlage harmonisierter Kollisionsnormen? Auf welche Personenstandsangelegenheiten könnte diese Form der Anerkennung angewandt werden? Es könnte vorgesehen werden, dass das anzuwendende Recht erst mangels Rechtswahl des Bürgers unter Bezugnahme auf die in der europäischen Kollisionsnorm vorgegebenen Anknüpfungskriterien bestimmt wird. Dem Bürger könnte im Prinzip die Möglichkeit geboten werden, das Recht zu wählen, das auf eine Personenstandsangelegenheit mit Auslandsberührung Anwendung finden soll. Auf diese Weise könnten berechtigte Interessen des Bürgers berücksichtigt werden, der durch seine Rechtswahl seine Verbindung zu seiner Kultur und zu seinem Herkunftsstaat oder zu einem anderen Mitgliedstaat zum Ausdruck bringen könnte. Die Rechtswahl würde auch der Freiheit des Einzelnen in Personenstandsangelegenheiten Rechnung tragen, ohne dass dies den Interessen Dritter oder der öffentlichen Ordnung entgegenstünde. Es müssten allerdings Vorkehrungen getroffen werden, um sicherzustellen, dass nur ein Recht zur Anwendung berufen wird, zu dem der Bürger eine enge Verbindung hat. Frage 10: Was halten Sie von der Möglichkeit, den Bürgern eine gewisse Rechtswahl einzuräumen? Für welche Personenstandsangelegenheiten könnte eine Rechtswahl vorgesehen werden? Frage 11: Welche anderen Optionen – außer der Anerkennung von Rechts wegen und der Anerkennung auf der Grundlage harmonisierter Kollisionsnormen – kämen Ihrer Ansicht nach zur Regelung der grenzübergreifenden Wirkungen personenstandsbezogener Vorgänge in Betracht? 5. FAZIT Auf der Grundlage dieses Grünbuchs soll eine öffentliche Konsultation zu den hier skizzierten Optionen eingeleitet werden, um Beiträge und Meinungen einzuholen, wie der Alltag der Bürger durch einen ungehinderteren Verkehr öffentlicher Urkunden und die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung im Personenstandswesen erleichtert werden kann. Das Grünbuch wird auf der Website der Kommission veröffentlicht. Die Konsultation läuft vom 14. Dezember 2010 bis 30. April 2011. Beiträge zum Grünbuch können an folgende Anschrift gerichtet werden: Europäische KommissionGeneraldirektion „Justiz“Referat A1 - Justizielle Zusammenarbeit in ZivilsachenB–1049 BrüsselFax: + 32 2 2996457 E-Mail: JUST-COOP-JUDICIAIRE-CIVILE@ec.europa.eu Alle Beiträge sowohl des öffentlichen als auch des privaten Sektors werden auf der Website der Europäischen Kommission veröffentlicht, sofern sich nicht die Verfasser ausdrücklich unter Hinweis auf eine mögliche Beeinträchtigung ihrer berechtigten Interessen gegen eine Veröffentlichung ihrer personenbezogenen Daten aussprechen. Die Kommission wird zu den im Grünbuch behandelten Themen gegebenenfalls eine öffentliche Anhörung veranstalten. [1] Sichtbar wird dies auch an der Zahl der Eheschließungen und Scheidungen in der EU: Von den rund 122 Millionen Ehen innerhalb der EU weisen etwa 16 Millionen (13 %) einen Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat auf. [2] KOM(2010) 603, Bericht über die Unionsbürgerschaft 2010 – Weniger Hindernisse für die Ausübung von Unionsbürgerrechten. [3] Mitteilung der Kommission „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts: Bilanz des Tampere-Programms und Perspektiven“, KOM(2004) 401, S. 11. [4] Die Studien sind abrufbar unter: http://ec.europa.eu/civiljustice/publications/publications_en.htm#5. [5] Das Stockholmer Programm - Ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger (ABl. C 115 vom 4.5.2010, S. 1). [6] Entschließung mit Empfehlungen an die Europäische Kommission zur europäischen öffentlichen Urkunde, Dezember 2008. [7] Bericht über zivil-, handels- und familienrechtliche Aspekte sowie Aspekte des internationalen Privatrechts des Aktionsplans zur Umsetzung des Stockholmer Programms vom 22. November 2010. [8] Die Höhe der Legalisationsgebühr unterscheidet sich im Hinblick auf den Betrag und den Gebührensatz erheblich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat (in manchen Mitgliedstaaten wird eine Festgebühr von 20 EUR oder weniger erhoben, in anderen Mitgliedstaaten ist es ein variabler Betrag, der je nach Urkunde bis zu 50 EUR betragen kann). [9] Die Apostille kann kostenlos sein, ist in vielen Mitgliedstaaten aber gebührenpflichtig. In manchen Mitgliedstaaten kostet sie weniger als 5 EUR, während sie in anderen Staaten bis zu 50 EUR betragen kann. [10] Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation: http://www.hcch.net/index_fr.php?act=conventions.text&cid=41. Das Übereinkommen gilt weder für Urkunden, die von diplomatischen oder konsularischen Vertretern errichtet sind, noch für Urkunden der Verwaltungsbehörden, die sich unmittelbar auf den Handelsverkehr oder auf das Zollverfahren beziehen. Auf die Apostille wird in den Artikeln 4 und 5 des Übereinkommens Bezug genommen. [11] Die Gründerstaaten sind Belgien, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande und die Schweiz. [12] Homepage der CIEC http://www.ciec1.org/. Mitglieder sind außer den vier vorgenannten Gründerstaaten Deutschland, Griechenland, Italien, Polen, Portugal, Spanien, Ungarn und das Vereinigte Königreich. [13] Es handelt sich um die Übereinkommen Nr. 2, Nr. 16 und Nr. 17. [14] Übereinkommen vom 25. Mai 1987 zur Befreiung von Urkunden von der Legalisation in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften. [15] Es handelt sich um Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, Italien und Lettland. [16] Vgl. Artikel 56 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2003 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen und Artikel 52 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000. [17] Rechtssache C-336/94, Eftalia Dafeki/Landesversicherungsanstalt Württemberg , Slg. 1997, I-6761, Rdnr. 19. [18] Vgl. insbesondere die Übereinkommen Nr. 3, Nr. 8 und Nr. 26. Beurkundet ein Standesbeamter eine Eheschließung, so teilt er dies nach dem Übereinkommen Nr. 3 dem Standesamt am Geburtsort jedes Ehegatten auf einem Vordruck mit. Dieses Übereinkommen ist in elf Vertragsstaaten in Kraft, darunter zehn EU-Mitgliedstaaten. Bei den EU-Mitgliedstaaten handelt es sich um Belgien, Deutschland Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal und Spanien. [19] Das Binnenmarktinformationssystem IMI, das derzeit von den mitgliedstaatlichen Behörden für den Austausch von Informationen über Berufsqualifikationen und Dienstleistungen genutzt wird, könnte ein geeignetes elektronisches Mittel darstellen, um die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu verbessern und Übersetzungen der Urkunden entbehrlich zu machen: siehe: http://ec.europa.eu/imi-net . Darüber hinaus könnte die von der Kommission kofinanzierte CIEC-Plattform eine nützliche Arbeitsgrundlage für die Zukunft abgeben. Gegenstand dieses Projekts sind die Entwicklung und der Einsatz elektronischer Mittel im Justizbereich, insbesondere die Vernetzung der Standesämter, von der die Unionsbürger erheblich profitieren würden. Die CIEC-Plattform unterstützt zudem die Verfahrensweisen, die sich im Rahmen der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit bewährt haben. [20] KOM(2010) 603 und KOM(2010) 608, Mitteilung der Kommission „Auf dem Weg zu einem Pakt für den Binnenmarkt. Für eine soziale Marktwirtschaft“. [21] http://ec.europa.eu/youreurope. [22] Die Übersetzungskosten einer einfachen Urkunde können im Durchschnitt zwischen 30 EUR und 150 EUR betragen. [23] Das Übereinkommen Nr. 16 ist in 20 Vertragsstaaten in Kraft, darunter 12 EU-Mitgliedstaaten. [24] Rechtssache C-168/91, Christos Konstantinidis , Slg. 1993, I-1191; Rechtssache C-148/02, Carlos Garcia Avello , Slg. 2003, I-16613; Rechtssache C-353/06, Grunkin-Paul , Slg. 2008, I-7639, Rechtssache C-208/09, Ilonka Sayn-Wittgenstein , noch nicht abgeschlossen. [25] Vgl. Rechtssache C-353/06, Rdnrn. 22, 23, 25 und 27, und Rechtssache C-148/02, Rdnr. 36. [26] Vgl. Übereinkommen Nr. 12 über die Legitimation durch nachfolgende Ehe, Übereinkommen Nr. 18 über die freiwillige Anerkennung nichtehelicher Kinder und Übereinkommen Nr. 19 über das auf Familiennamen und Vornamen anzuwendende Recht. Das Übereinkommen Nr. 7 zur Erleichterung der Eheschließung im Ausland enthält eine Kollisionsnorm für das Aufgebot.