1.10.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 267/22


Stellungnahme des Ausschusses der Regionen „Verknüpfung von Unternehmensregistern“

(2010/C 267/06)

I.   POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

Hintergrund

1.   begrüßt die Initiative der Europäischen Kommission zu dem Grünbuch „Verknüpfung von Unternehmensregistern“;

2.   zeigt sich erfreut darüber, dass die Europäische Kommission alle an dem Grünbuch „Verknüpfung von Unternehmensregistern“ interessierten Parteien auffordert, ihren Standpunkt zu diesem Thema zu äußern;

3.   erinnert an die entscheidende Rolle des Ausschusses der Regionen, der als Interessenvertreter der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in seinen bisherigen Stellungnahmen Optionen und Alternativvorschläge vorgelegt hat, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes zu fördern, die Transparenz zu erhöhen sowie den Informationsaustausch und den Verwaltungsaufwand sowohl auf lokaler als auch auf regionaler Ebene zu erleichtern;

4.   teilt die Ansicht der Europäischen Kommission, dass Unternehmensregister (1) eine entscheidende Rolle spielen: Darin werden Informationen zu den Unternehmen, z.B. über die Rechtsform, den Sitz, das Kapital und die rechtlichen Vertreter des Unternehmens, eingetragen, untersucht und gespeichert sowie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht;

5.   pflichtet der Europäischen Kommission bei, dass die Richtlinie über grenzüberschreitende Verschmelzungen (2) sowie das Statut der Europäischen Gesellschaft (3) (SE) und der Europäischen Genossenschaft (4) (SCE) ausdrücklich eine grenzübergreifende Zusammenarbeit von Unternehmensregistern vorschreiben;

6.   vertritt die Ansicht, dass die Unternehmensregister, obwohl die Mindeststandards der Hauptdienste durch die europäischen Rechtsvorschriften geregelt sind, zusätzliche von Land zu Land unterschiedliche Dienste anbieten können. Gleichzeitig werden Unternehmen verstärkt über die nationalen Grenzen hinweg tätig und haben so die Möglichkeit, sich in einem Mitgliedstaat eintragen zu lassen und ihre Geschäftstätigkeit teilweise oder vollständig in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben. Dies alles hat zu einer erhöhten Nachfrage nach einem grenzübergreifenden, öffentlichen Zugang zu Unternehmensinformationen geführt;

7.   hebt die Tatsache hervor, dass Informationen über ein Unternehmen zwar in dem Land zugänglich sind, in dem es eingetragen ist, dass der Zugriff auf diese Informationen aus einem anderen Mitgliedstaat jedoch häufig durch technische, rechtliche, sprachliche und andere Barrieren behindert werden kann;

8.   vertritt die Ansicht, dass dennoch die bestehende freiwillige Zusammenarbeit zwischen den Unternehmensregistern allein nicht ausreicht und es daher erforderlich ist, wirkungsvoller als bisher eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen diesen Registern zu gewährleisten. Von besonderer Bedeutung ist es, im Rahmen dieser Zusammenarbeit für einen transnationalen Zugang zu den in den Unternehmensregistern gespeicherten Informationen sowie für Transparenz, Rechtssicherheit und Verlässlichkeit dieser Informationen Sorge zu tragen;

9.   betont, dass die derzeitige Finanzkrise erneut deutlich macht, wie wichtig transparente Finanzmärkte sind. Im Zusammenhang mit den Maßnahmen zur finanziellen Sanierung kann die Verbesserung des Zugangs zu aktuellen, offiziellen und verlässlichen Informationen über Unternehmen als ein Mittel verstanden werden, in ganz Europa das Vertrauen in die Märkte wiederherzustellen;

Zentrale Aussagen

10.   würdigt die entscheidende Bedeutung der Unternehmensregister für die Sicherstellung des grenzübergreifenden und effizienten Funktionierens des Binnenmarkts im Wege der Bereitstellung verlässlicher und aktueller Informationen für gewerbliche Zwecke oder für einen besseren Rechtsschutz aller Beteiligten in allen Mitgliedstaaten;

11.   würdigt die grundlegende Bedeutung der Unternehmensmobilität für das Wirtschaftswachstum und empfiehlt daher den Einsatz eines umfassend integrierten Systems, das in der gesamten Europäischen Union gleichen Zugang zu Informationen gewährt;

12.   stellt fest, dass der Zugang zu Informationen über grenzüberschreitende Fusionen, Verlegungen des Firmensitzes oder die Gründung von Zweigniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten eine tägliche Notwendigkeit für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts ist;

13.   würdigt die Anstrengungen der an dem freiwilligen Projekt beteiligten Mitgliedstaaten zur Schaffung einer effizienten Austauschplattform, ersucht jedoch die Europäische Kommission, einen Vorschlag für einen Rechtsrahmen für eine europäische Zusammenarbeit zwischen den Unternehmensregistern zu unterbreiten, um das bestehende freiwillige System durch ein umfassend integriertes Register auf IKT-Basis abzulösen;

14.   erinnert an die wichtige Rolle der KMU in der europäischen Wirtschaft und fordert die Mitgliedstaaten auf, das Statut der Europäischen Privatgesellschaft anzunehmen, das im Verbund mit einem effizienten System zur Verknüpfung der Unternehmensregister die Expansion der kleinen und mittelgroßen Unternehmen auf dem Binnenmarkt fördern würde;

15.   fordert den Aufbau eines digitalen europäischen Unternehmensregisters mit ehrgeizigen IT-Lösungen auf der Grundlage wechselseitiger Assoziationen;

16.   spricht sich für die Überprüfung der einschlägigen Unternehmensrichtlinien aus, um deren Bestimmungen an die derzeitigen technischen Möglichkeiten anzupassen, insbesondere an die Nutzung von IT-Systemen;

17.   teilt die Ansicht, dass es auf jeden Fall sachdienlich wäre, bei der Verknüpfung der Unternehmensregister weitgehend auf die bereits bis heute geleistete Arbeit vor allem im Zusammenhang mit dem Europäischen Unternehmensregister (EBR) und dem BRITE-Projekt zurückzugreifen. Hinsichtlich des Teils, in dem die verfahrenstechnische Zusammenarbeit der Unternehmensregister des Netzes reguliert wird (Fusionen, Verlegungen des Firmensitzes, Zweigniederlassungen etc.), muss man der Europäischen Kommission dahingehend beipflichten, dass das System am leichtesten auf Grundlage des heutigen BRITE-Projekt gebildet werden kann;

Vorschläge

18.   erinnert daran, dass es den Unternehmen durch die Praxis des EuGH in den vergangenen zehn Jahren (und vor allem durch die Rechtssachen Centros (C-212/97), Überseering (C-208/00), Inspire Art (C-167/01)) ermöglicht wurde, grenzüberschreitend tätig zu sein und ihren Firmensitz zu verlegen;

19.   hebt hervor, dass in der Praxis von diesem Recht häufig nicht Gebrauch gemacht werden kann. Der Grund dafür ist jedoch weniger in der fehlenden Verknüpfung der Unternehmensregister, sondern eher in dem Umstand zu suchen, dass die gesellschaftsrechtlichen und registerrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten die Verlegung des Firmensitzes ins Ausland und sonstige grenzüberschreitende Tätigkeiten nicht fördern und dass auch in der europäischen Rechtsetzung solche Bestimmungen nicht ausdrücklich gefordert werden;

20.   ist der Ansicht, dass dieses Problem allein durch die Verknüpfung der Unternehmensregister nicht gelöst wird. Zu seiner Lösung müssten im Grunde materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Bestimmungen zur Verlegung des Firmensitzes von Unternehmen geschaffen werden, durch die unter anderem auch das Zusammenwirken der Unternehmensregister geregelt werden muss;

21.   ist der Überzeugung, dass eines der größten Hindernisse für das Entstehen eines echten Wettbewerbs unter den Staaten und Regionen darin besteht, dass eine Verlegung des Firmensitzes in der EU im Grunde genommen kaum möglich ist. Ein Wettbewerb hätte zur Folge, dass Unternehmer durch das beste Umfeld angelockt würden – doch die Verlegung eines Firmensitzes ist heutzutage überaus kompliziert;

22.   räumt ein, dass eine Verknüpfung der Unternehmensregister es den Unternehmern erleichtern würde, im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Informationen über ihre Partner zu erhalten, und dies ist auf jeden Fall zu begrüßen. Ein System aus verknüpften Unternehmensregistern ergäbe so eine gemeinsame Datenbank mit standardisierten Einträgen, mit deren Hilfe dieses Ziel erreicht werden könnte, wenn die Richtigkeit der Registerinformation gewährleistet ist. Ferner sollte eine Vereinheitlichung der Registerinhalte angestrebt werden;

23.   vertritt die Ansicht, dass die im Grünbuch vorgeschlagene Regulierungsvereinbarung kein adäquates Werkzeug für die Vernetzung zu sein scheint. Sollen aus jedem einzelstaatlichen Unternehmensregister standardisierte Daten in standardisierter Form abrufbar sein, so muss das künftige System beispielsweise durch die Überarbeitung der gesellschaftsrechtlichen Publizitätsrichtlinie oder auf sonstige Weise reguliert werden;

24.   fügt hinzu, dass die Bemühungen vielmehr darauf ausgerichtet sein sollten, über das Internet sowohl die grenzüberschreitenden Informationen, die durch das einzurichtende System zur Verfügung gestellt werden, als auch die Informationen über die innerstaatlichen Unternehmensregister für jedermann möglichst unentgeltlich oder gegen eine geringe Gebühr zur Verfügung zu stellen. Durch die Abgaben an den Staat, die im Zusammenhang mit der Sammlung der einschlägigen Informationen erhoben werden, sind die damit verbundenen Kosten ohnehin bereits beglichen – die öffentliche Hand sollte keinen Handel mit öffentlichen Daten betreiben. Ansonsten würde unter dem Deckmantel der künftigen Richtlinie eine Konkurrenz zu den bestehenden Unternehmen geschaffen, die Konsultationsdienstleistungen anbieten;

25.   teilt die Ansicht, dass die Verknüpfung der durch die Umsetzung der Transparenzrichtlinie ermittelten Daten mit dem einzurichtenden Netz der Unternehmensregister sinnvoll erscheint. Daher sollte darüber nachgedacht werden, das entsprechende Regelwerk eher im Wege einer Richtlinie oder vielleicht sogar einer Verordnung zu schaffen;

26.   macht darauf aufmerksam, dass das Fehlen eines verknüpften Unternehmensregisters bislang eigentlich kein bedeutendes Hindernis für grenzüberschreitende gesellschaftsrechtliche Vorgänge ist. Intelligente elektronische Lösungen (wie sie zum Beispiel zwischen Estland, Portugal und Finnland eingesetzt werden) gestatten bereits heute eine sehr umfassende Zusammenarbeit, so dass auf elektronischem Wege sogar auf die Unternehmensregister im Ausland zugegriffen werden kann, ohne dafür außer Landes reisen zu müssen;

27.   hebt hervor, dass die auftretenden Hindernisse für grenzüberschreitende gesellschaftsrechtliche Vorgänge eher auf das Fehlen eines europaweit geltenden elektronischen Identitätsnachweises, beispielsweise eines europäischen elektronischen Personalausweises, zurückzuführen sind, der es ermöglichen würde, die Verwendung einer digitalen Unterschrift rechtlich zuzulassen und diese gegenseitig anzuerkennen. Im Zuge der Verknüpfung der Unternehmensregister wäre dies einer der wichtigsten Ansatzpunkte, der ebenfalls schnell in Angriff genommen werden sollte;

28.   weist abschließend darauf hin, dass alle Initiativen im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip und den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der besseren Rechtsetzung stehen müssen.

Brüssel, den 9. Juni 2010

Die Präsidentin des Ausschusses der Regionen

Mercedes BRESSO


(1)  Der in diesem Grünbuch verwendete Begriff „Unternehmensregister“ schließt alle zentralen, Handels- und Gesellschaftsregister im Sinne von Artikel 3 der Ersten Gesellschaftsrechtsrichtlinie (68/151/EWG) ein.

(2)  Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten (ABl. L 310 vom 25.11.2005, S. 1).

(3)  Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (ABl. L 294 vom 10.11.2001, S. 1).

(4)  Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) (ABl. L 207 vom 18.8.2003, S. 1).