21.1.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 21/56


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Aktionsplan urbane Mobilität“

KOM(2009) 490 endg.

2011/C 21/10

Berichterstatter: Raymond HENCKS

Die Europäische Kommission beschloss am 30. September 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Aktionsplan urbane Mobilität

KOM(2009) 490 endg.

Das Präsidium beauftragte die Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft am 3. November 2009 mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.

Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten (Artikel 59 der Geschäftsordnung) bestellte der Ausschuss auf seiner 463. Plenartagung am 26./27. Mai 2010 (Sitzung vom 27. Mai) Raymond HENCKS zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 175 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Die städtischen Gebiete bilden den Lebensraum von über 60 % der europäischen Bevölkerung. Quasi alle diese Gebiete haben die gleichen Probleme, die auf den Straßenverkehr, Verkehrsstaus, Umweltverschmutzung, Luftverunreinigung und Lärmbelastung, Verkehrsunfälle, Gesundheitsprobleme, Engpässe in der Logistikkette usw. zurückzuführen sind.

1.2   Deswegen befürwortet der EWSA voll und ganz, dass die Europäische Kommission im Wege eines Aktionsplans „Urbane Mobilität“ den lokalen, regionalen und nationalen Behörden Marschrouten vorschlägt, um in den städtischen Gebieten für eine möglichst hohe und nachhaltige Lebensqualität sorgen zu können.

1.3   Der EWSA ist der Überzeugung, dass in bestimmten Bereichen der urbanen Mobilität ein auf Gemeinschaftsebene abgestimmtes Vorgehen einen deutlichen Mehrwert bringen kann, und plädiert denn auch für eine klarere Definition der Bereiche, die entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in die Zuständigkeit und Verantwortung der Europäischen Union fallen.

1.4   Es ist indes festzustellen, dass die Vorschläge der Kommission in ihrem Aktionsplan deutlich hinter den Empfehlungen zurückbleiben, die der EWSA in seinen früheren Stellungnahmen zur urbanen Mobilität vorgetragen hat.

1.5   So sind die meisten der von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen lediglich gut gemeinte (und im Übrigen sehr begrüßenswerte) Ratschläge, die jedoch weder verbindlich noch revolutionär sind.

1.6   Des Weiteren lässt die Tatsache, dass sich in der Kommissionsmitteilung ein Großteil der Themen und Vorschläge wiederfindet, die bereits in der Mitteilung „Die Entwicklung des Bürgernetzes“ aus dem Jahres 1998 enthalten waren, den Eindruck entstehen, dass sich seitdem kaum etwas getan hat. Von daher bedauert der Ausschuss, dass in der Vorlage jedwede Bilanz der in der besagten Mitteilung vorgesehenen Initiativen fehlt.

1.7   Begleitend zum Aktionsplan hätten dieses Mal zumindest anhand eines Indikatorenkatalogs messbare quantitative Ziele vorgegeben werden sollen, die die Städte und Stadtrandgebiete mithilfe von Plänen für die nachhaltige Mobilität ihrer Wahl erreichen müssen.

1.8   Nach Ansicht des EWSA müsste der Aktionsplan durch einen anderen Plan ergänzt werden, in dem u.a. näher auf Übergriffe in öffentlichen Verkehrsmitteln, nichtmotorisierte Mobilität und Krafträder eingegangen wird.

1.9   Der EWSA begrüßt die Absicht des spanischen Vorsitzes, ein gesamteuropäisches System/ Programm zur Förderung der Zugänglichkeit der europäischen Städte einzurichten, vor allem für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, und bekundet sein Interesse an einer engen Einbindung in eine solche Initiative wegen ihrer Bedeutung für die Zivilgesellschaft.

1.10   Der EWSA empfiehlt schließlich, die Struktur- und Kohäsionsfondsmittel gezielter einzusetzen, u.a. durch die Schaffung eines spezifischen Finanzinstruments für die Förderung der urbanen Mobilität. Er schlägt vor, die Zuweisung von Mitteln an die Bedingung zu knüpfen, dass Pläne für urbane Mobilität zur Anwendung kommen und die Kriterien der Zugänglichkeit für Personen mit eingeschränkter Mobilität (Barrierefreiheit) strikt eingehalten werden.

2.   Hintergrund des Aktionsplans

2.1   Am 30. September 2009 verabschiedete die Europäische Kommission einen Aktionsplan zur Förderung der urbanen Mobilität, die - ohne dass dies im Titel eigens zum Ausdruck kommt - nachhaltig sein soll.

2.2   Mit der Veröffentlichung dieses Aktionsplans wird die Kommission der Forderung mehrerer Akteure gerecht: allen voran des Europäischen Parlaments, aber auch des EWSA, der sich in seiner Sondierungsstellungnahme zum Thema „Verkehr in städtischen und großstädtischen Ballungsgebieten (1) sowie in anderen Stellungnahmen (2) für eine solche Initiative ausgesprochen hat. Nach Auffassung des EWSA muss ein solcher Aktionsplan von quantitativen Zielen in Bezug auf die Verbesserung der Lebensqualität, des Umweltschutzes und der Energieeffizienz in den Städten flankiert werden.

2.3   Am 25. September 2007 hatte die Kommission im Rahmen des Grünbuchs „Hin zu einer neuen Kultur der Mobilität in der Stadt“ eine öffentliche Anhörung lanciert, bei der im Wesentlichen bestätigt wurde, dass der Europäischen Union bei der Förderung einer nachhaltigen urbanen Mobilität eine wichtige Rolle zukommt.

2.4   Die (im Arbeitsprogramm 2008 der Europäischen Kommission vorgesehene) Veröffentlichung eines Aktionsplans wurde zunächst angekündigt und anschließend wegen gewisser Widerstände, die damit begründet wurden, dass jedwede Initiative der Kommission in diesem Bereich gegen das Subsidiaritätsprinzip und den Grundsatz der Selbstverwaltung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften verstoßen würde, mehrmals verschoben.

2.5   Da die Kommission ihren Aktionsplan aus den vorgenannten Gründen nicht - wie vorgesehen - vor Ende 2008 veröffentlichen konnte, befürchtete das Europäische Parlament, dass der Plan vollständig aufgegeben würde, ergriff selbst die Initiative und nahm eine Entschließung zu einem Aktionsplan für Mobilität in der Stadt  (3) an, um die Kommission zu unterstützen. Diese wurde aufgefordert, einige Aspekte aus dem Grünbuch in einem Leitfaden für die Gebietskörperschaften zusammenzutragen.

3.   Die Rolle der Union im Rahmen der urbanen Mobilität

3.1   An politischen Absichtserklärungen für einen nachhaltigen städtischen Verkehr mangelt es nicht, was fehlt, sind konkrete Lösungen und eine Abstimmung mit den für die Umsetzung dieser Lösungen am besten geeigneten Gremien.

3.2   Die städtischen Verkehrssysteme sind Teil des europäischen Verkehrssystems und somit auch der gemeinsamen Verkehrspolitik. Auf dem informellen Rat der Verkehrsminister der Europäischen Union am 16. Februar 2010 wurde festgehalten, dass die Pläne für urbane Mobilität in eine zwischen den lokalen, regionalen, nationalen und europäischen Behörden abgestimmte Gesetzgebung eingebettet werden müssten, um eine stärkere Integration der Verkehrsinfrastrukturen und -dienstleistungen in die territorialen Strategien bzw. die Strategien für den städtischen und den ländlichen Raum zu begünstigen.

3.3   Zahlreiche Richtlinien, Verordnungen, Mitteilungen und gemeinschaftliche Aktionsprogramme haben bereits beträchtliche Auswirkungen auf den Stadtverkehr, sei es im Bereich des Klimawandels, des Gesundheits- und Umweltschutzes, der nachhaltigen Energie, der Sicherheit der Straßenverkehrsinfrastruktur oder der Investitionen in den öffentlichen Verkehr und seine Bewirtschaftung.

3.4   Um das Subsidiaritätsprinzip in vollem Umfang zu wahren, regt die Kommission die Städte lediglich dazu an, im Rahmen völlig freiwilliger Verpflichtungen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Schaffung effizienter und nachhaltiger Verkehrssysteme zu ergreifen.

3.5   Der EWSA erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass Städte und Stadtrandgebiete zwar sehr unterschiedlich sind, dass sie aber dennoch bezüglich der nachhaltigen Entwicklung vor gemeinsamen Problemen stehen, die nicht an der Stadtgrenze aufhören und die nur im Wege eines kohärenten Bündels von Aktionen auf europäischer Ebene im Sinne der gemeinschaftlichen Vorschriften über Luftqualität und die Bekämpfung von Umgebungslärm gelöst werden können (4).

3.6   Darüber hinaus stellt die Kommission in ihrer Mitteilung „Eine nachhaltige Zukunft für den Verkehr: Wege zu einem integrierten, technologieorientierten und nutzerfreundlichen System (5) fest, dass im Bereich der Verkehrspolitik „die Fortschritte in Bezug auf die mit der Strategie für nachhaltige Entwicklung verfolgten Ziele […] hingegen eher begrenzt [waren]: Wie im Fortschrittsbericht von 2007 ausgeführt, befindet sich das europäische Verkehrssystem in mehrfacher Hinsicht noch nicht auf dem Pfad der Nachhaltigkeit“.

3.7   In einer vor kurzem verabschiedeten Sondierungsstellungnahme zu den Ansatzpunkten für eine europäische Verkehrspolitik nach 2010 (6) stellte der EWSA fest, dass der Verkehr zwar der Schlüssel zu vielen Freiheiten ist (in verschiedenen Teilen der Welt zu arbeiten und zu leben; verschiedene Produkte und Dienstleistungen zu nutzen; Handel zu treiben und persönliche Kontakte aufzubauen), eine zentrale Aufgabe der Politik jedoch darin besteht, diesen Freiheiten dort einen klaren Rahmen, ja gar Grenzen, zu setzen, wo andere Freiheiten bzw. Bedürfnisse tangiert oder gar bedroht werden. Beispielsweise, wenn es um die Gesundheit der Menschen, unsere Umwelt und/oder unser Klima oder aber die Bedürfnisse zukünftiger Generationen geht.

3.8   Auch wenn einige Vorreiterstädte in Bezug auf einen nachhaltigen Verkehr im Rahmen ihrer städtischen Verkehrspolitik gezeigt haben, dass sich negative Trends umkehren lassen, wenn engagierte Entscheidungsträger den Weg dafür frei machen, ist ein gemeinsames europäisches Handeln angesichts der absoluten Notwendigkeit einer weltweiten Verringerung der CO2-Emissionen unerlässlich.

3.9   Rund 40 % der CO2-Emissionen und 70 % der Emissionen sonstiger Schadstoffe des Straßenverkehrs entfallen auf den Nahverkehr (insbesondere den motorisierten Verkehr). Die Union wird ihre eigenen Klimaziele nur dann erreichen können, wenn sie ihre Stadtverkehrspolitik ändert. Mit einzelnen, ausschließlich auf der lokalen oder regionalen Ebene durchgeführten Maßnahmen (so begrüßenswert und unerlässlich diese auch sein mögen) werden die Herausforderungen nicht auf Dauer bewältigt werden können.

3.10   Deshalb ist es wichtig, alle zur Unterstützung der Maßnahmen auf lokaler und regionaler Ebene erforderlichen europäischen Ressourcen zu mobilisieren, damit die Ziele der umfassenden Strategie der Europäischen Union zur Bekämpfung des Klimawandels, zur Steigerung der Energieeffizienz, zur Entwicklung der erneuerbaren Energien und zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts erreicht werden können.

4.   Inhalt des Aktionsplans

4.1   Der von der Kommission vorgeschlagene Aktionsplan betrifft sowohl den Personen- als auch den Güterverkehr in den städtischen und stadtnahen Gebieten und stützt sich weitgehend auf die Ergebnisse der am 25. September 2007 eingeleiteten öffentlichen Anhörung.

4.2   Ziel des Aktionsplans ist es, die lokale, regionale und nationale Ebene bei der Förderung einer Kultur der nachhaltigen urbanen Mobilität zu unterstützen und insbesondere zur Reduzierung des Verkehrs und der Verkehrsstaus in Städten und dadurch auch zur Verringerung der Verkehrsunfälle, der Umweltverschmutzung und des Energieverbrauchs beizutragen, ohne jedoch fertige Lösungen aufzuerlegen.

4.3   Der Aktionsplan der Kommission nimmt den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften somit keinesfalls die Entscheidung über die zu ergreifenden Maßnahmen zur Bewältigung der Probleme im Zusammenhang mit der urbanen Mobilität ab. Er soll als Anreiz dienen, und es wird darin vorgeschlagen, die Erfahrungen zusammenzutragen, zu dokumentieren und zu verbreiten, um bewährte Verfahrensweisen zu fördern, eine Unterstützung bei der Nutzung der Finanzierungs- bzw. Kofinanzierungsmöglichkeiten durch die EU zu bieten, Forschungsprojekte zu unterstützen und Leitfäden auszuarbeiten, insbesondere zum Frachtbereich oder betreffend intelligente Verkehrssysteme.

4.4   Der umfassende Aktionsplan sieht zwanzig konkrete Maßnahmen im Rahmen der sechs folgenden Themenschwerpunkte vor, die nach einem festgelegten Zeitplan bis 2012 umgesetzt werden sollen.

4.4.1   Förderung integrierter Strategien

Unter Berücksichtigung der gegenseitigen Abhängigkeit der Verkehrsträger, des Raummangels in den Städten und der Rolle der urbanen Systeme soll ein integriertes Konzept entwickelt werden, um die Vernetzung aller Verkehrsträger insbesondere im Rahmen der Pläne für die urbane Mobilität zu fördern.

4.4.2   Die Bürger im Mittelpunkt

Der Schwerpunkt muss auf folgende Aspekte gelegt werden:

Schaffung von Anreizen für die Bürger (Gebühren, Qualität, Zugänglichkeit für Personen mit eingeschränkter Mobilität, Fahrgastrechte, Umweltzonen), damit sie regelmäßig öffentliche Verkehrsmittel bzw. nicht motorisierte Beförderungsmöglichkeiten nutzen;

Bildungs-, Informations- und Sensibilisierungskampagnen zur Förderung eines nachhaltigen Verhaltens;

energieeffiziente Fahrweise privater und professioneller Autofahrer.

4.4.3   Umweltfreundlicher Stadtverkehr

Der Aktionsplan zielt darauf ab, Forschungs- und Entwicklungsprojekte für emissionsarme und emissionslose Fahrzeuge und „sanfte“ Verkehrsträger zu fördern. Die Kommission wird über das Internet einen Leitfaden mit Informationen zu sauberen Fahrzeugen zur Verfügung stellen und den Informationsaustausch über städtische Gebührensysteme erleichtern. Darüber hinaus wird sie sich der Effizienz der Gebührensysteme und der Internalisierung externer Kosten widmen.

4.4.4   Stärkung der Finanzierungsmöglichkeiten

Die Kommission beabsichtigt, die vorhandenen europäischen Finanzierungsquellen zu rationalisieren und den künftigen Bedarf zu prüfen. Sie wird Informationsmaterial zur nachhaltigen urbanen Mobilität und zu politischen Maßnahmen im Bereich des sozialen Zusammenhalts veröffentlichen und sich mit unterschiedlichen Lösungen für die Kostenanlastung im städtischen Verkehr befassen. Ziel ist es, die derzeitigen EU-Finanzierungsmöglichkeiten stärker bekannt zu machen und die vorhandenen Möglichkeiten durch eine Verbesserung der Funktionsweise aller Instrumente (z.B. Strukturfonds, Forschungsinstrumente) zu optimieren, innovative öffentlich-private Partnerschaften zu entwickeln und den eigentlichen Finanzierungsbedarf in Bezug auf die nachhaltige urbane Mobilität zu sondieren.

4.4.5   Erfahrungs- und Wissensaustausch

Die beteiligten Akteure sollen von den Erfahrungen der anderen profitieren können. Zu diesem Zweck wird die Kommission eine Datenbank mit Informationen zu einem breiten Spektrum geprüfter und bereits vorhandener Lösungen erstellen. Die Datenbank wird darüber hinaus einen Überblick über das EU-Recht und nützliche Finanzinstrumente geben und von einem Beobachtungszentrum für urbane Mobilität in Form einer virtuellen Plattform verwaltet werden.

4.4.6   Optimierung der urbanen Mobilität

Um die Verlagerung hin zu umweltfreundlicheren Verkehrsträgern und einer effizienteren Logistik zu erleichtern, beabsichtigt die Kommission, die Einführung von Plänen für die nachhaltige urbane Mobilität in den Städten und Regionen zu beschleunigen. Zu diesem Zweck wird sie Informationsmaterial zu wichtigen Aspekten dieser Pläne erstellen (z.B. Güterverkehrslogistik in Städten und intelligente Verkehrssysteme).

4.5   2012 wird die Kommission eine Bilanz der Umsetzung des gesamten Aktionsplans ziehen und die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen prüfen.

5.   Allgemeine Bemerkungen

5.1   Der öffentliche Verkehr gehört zu den Leistungen der Daseinsvorsorge und muss deswegen den Kriterien der Allgemeingültigkeit, Zugänglichkeit, Kontinuität, Qualität und Erschwinglichkeit genügen. Von daher befürwortet der EWSA sämtliche in der Mitteilung vorgesehenen Maßnahmen, die allesamt in die richtige Richtung gehen.

5.2   Indes begrüßt der EWSA zwar die Tatsache, dass die Kommission in ihrer Mitteilung die Stellungnahme des Ausschusses zum Grünbuch zur Mobilität in der Stadt als eines der Referenzdokumente nennt, auf die sich die Mitteilung stützt, andererseits stellt er jedoch fest, dass die Vorschläge der Kommission deutlich hinter den Empfehlungen des EWSA in der besagten Stellungnahme sowie anderen einschlägigen Stellungnahmen (7) zurückbleiben.

5.3   Ohne das Subsidiaritätsprinzip und die begrenzten Zuständigkeiten der Union in diesem Bereich in Zweifel zu ziehen, bedauert der EWSA, dass den in seiner Sondierungsstellungnahme (8) (Integration von Verkehrspolitik und Raumplanung für einen nachhaltigeren Stadtverkehr) formulierten Empfehlungen zugunsten einer Stärkung der Rolle der Union bislang nicht Rechnung getragen wurde.

5.4   Um nicht gegen das Subsidiaritätsprinzip zu verstoßen, nimmt die Kommission die Rolle eines Mittlers bzw. eines Assistenten ein, anstatt die einer Regulierungsinstanz bzw. eines Dienstleisters. Die meisten der von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen sind lediglich gut gemeinte (und im Übrigen sehr begrüßenswerte) Ratschläge, die jedoch weder verbindlich noch revolutionär sind.

5.5   Die Lektüre der Kommissionsmitteilung zeigt des Weiteren, dass die Kommissionsvorlage, wenn auch nicht vom Wortlaut her, so doch inhaltlich eine Kopie der Mitteilung „Die Entwicklung des Bürgernetzes“ (KOM(1998) 431 endg.) darstellt.

5.6   Elf Jahre nach der Mitteilung von 1998, die unter der Bezeichnung „Push-and-Pull“-Strategie (die darauf abzielt, das Auto bewusst aus den Ballungszentren zu verdrängen und den ÖPNV stark zu fördern) bekannt ist, geht es heute um dieselben Themen: Förderung von Informationsaustausch, Förderung von Benchmarking, Schaffung eines angemessenen politischen Rahmens und Einsatz gemeinschaftlicher Finanzierungsinstrumente.

5.7   Der Ausschuss bedauert, dass in der jetzigen Mitteilung jedwede Bilanz der in der Mitteilung von 1998 vorgesehenen Initiativen fehlt, wie etwa der europäische Informationsdienst über den lokalen Verkehr (ELTIS), der mit dem Netz POLIS der Städte und Gemeinden geschlossene Vertrag, die Verknüpfung der Radwegnetze der Mitgliedstaaten, die Entwicklung eines Eigenbewertungssystems für die Qualität der Dienste, das Pilotprojekt für Benchmarking im Personennahverkehr, das Handbuch für Mobilitätsmanagement und die Analyse von diesbezüglichen Hindernissen, elektronische Fahrscheinsysteme, die für 2000 vorgesehene Mitteilung über Mobilitätsmanagement sowie die zahlreichen angekündigten Forschungsvorhaben.

5.8   Nach Auffassung des EWSA wäre es zweckmäßiger gewesen, begleitend zum Aktionsplan anhand eines Indikatorenkatalogs dieses Mal zumindest messbare quantitative Ziele vorzugeben (siehe Stellungnahme CESE 1196/2009), die die Städte und Stadtrandgebiete mithilfe von Plänen für die nachhaltige Mobilität ihrer Wahl erreichen müssen.

5.9   Dieser Umstand ist umso bedauerlicher, als die Kommission in ihrer Mitteilung „Eine nachhaltige Zukunft für den Verkehr: Wege zu einem integrierten, technologieorientierten und nutzerfreundlichen System“ (KOM(2009) 279 endg.) beklagt, dass man noch sehr weit von den selbst gesteckten Nachhaltigkeitszielen im Verkehrsbereich entfernt ist und dass grundlegende Richtungsänderungen notwendig sind.

5.10   Soziale Fragen, die durch die Konsumgesellschaft verursachte Umweltbelastung, die nicht motorisierte Mobilität, Krafträder und Maßnahmen zur Vermeidung des motorisierten Verkehrs finden kaum Beachtung. Dies gilt auch für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Probleme im Zusammenhang mit der Raumordnung, Stadtplanung oder der Zersiedelung und dem dadurch bedingten höheren Infrastrukturbedarf.

5.11   Nach Ansicht des EWSA müsste der Aktionsplan durch einen anderen Plan ergänzt werden, in dem u.a. auf nichtmotorisierte Mobilität und Krafträder näher eingegangen wird.

5.12   In der Hauptsache zielt der Aktionsplan darauf ab, den motorisierten Individualverkehr nicht zu hindern, sondern ihn zu „optimieren“ und zu steuern. Die restriktive Steuerung der Nachfrage in Verbindung mit der PKW-Nutzung, sei es mithilfe positiver Ansätze wie der Förderung von Fahrgemeinschaften oder über abschreckende Maßnahmen (restriktive Parkraumpolitik, Gebühren, Bußgelder), beschränkt sich auf die Ankündigung einer Studie über die verschiedenen Zugangsvorschriften für unterschiedliche Arten von Umweltzonen.

5.13   Die im Aktionsplan vorgesehenen Studien, insbesondere über die öffentliche Akzeptanz einer Stadtmaut, die Vermittlung einer energieeffizienten Fahrweise, die Internalisierung der externen Kosten, die Verfügbarkeit von Technologien und die Kostenanlastung, werden mit Sicherheit einen gewissen Mehrwert bringen. Nichtsdestotrotz muss gewährleistet werden, dass die sich dabei als erforderlich erweisenden konkreten Maßnahmen nicht einer Debatte über das Subsidiaritätsprinzip zum Opfer fallen.

5.14   Schließlich wird im Aktionsplan nicht darauf eingegangen, wie die Zivilgesellschaft enger in die Maßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Mobilität eingebunden werden könnte, wo sie doch in der Lage ist, die verschiedenen Akteure und politischen Entscheidungsträger an einen Tisch zu bringen und alle Teile der Bevölkerung dafür zu sensibilisieren, ihre Fortbewegungsgewohnheiten zu überdenken und zu ändern.

6.   Besondere Bemerkungen

In Ergänzung zu den vorstehenden allgemeinen Bemerkungen möchte der EWSA auf einige der zwanzig spezifischen Aktionen eingehen.

Aktion 1 -   Beschleunigung der Einführung von Plänen für die nachhaltige urbane Mobilität

Aktion 6 -   Verbesserte Reiseinformationen

6.1   Der EWSA begrüßt die Tatsache, dass die Kommission die lokalen Gebietskörperschaften bei der Aufstellung von Plänen für eine nachhaltige urbane Mobilität für den Personen- und Güterverkehr logistisch unterstützen wird.

6.2   Im Aktionsplan heißt es, dass die Kommission längerfristig weitere Schritte ergreifen könnte, etwa durch Anreize und Empfehlungen.

6.3   Der EWSA bekräftigt erneut seinen Vorschlag, die Gewährung jeglicher finanziellen Unterstützung aus Gemeinschaftsmitteln an die Verpflichtung zur Erarbeitung von Mobilitätsplänen zu koppeln, wobei es den Städten selbstverständlich freigestellt sein sollte, diese Pläne an ihre spezifischen Besonderheiten vor Ort anzupassen.

6.4   Allerdings sollten diese Pläne das verbindliche Ziel einer Verlagerung auf umweltfreundliche Verkehrsmittel enthalten, die gewissen gemeinschaftlichen Mindestanforderungen genügen, damit

alle Bevölkerungsgruppen (Anwohner, Besucher und Erwerbstätige) in den Genuss nachhaltiger Beförderungsmittel kommen und soziale Ungleichheiten im Hinblick auf die Mobilität beseitigt werden;

die CO2-Emissionen, die Umweltverschmutzung, die Lärmbelästigung und der Energieverbrauch reduziert werden;

die Effizienz und Leistungsfähigkeit des Güter- und Personenverkehrs unter Berücksichtigung der externen Kosten verbessert wird.

6.5   Die Einhaltung dieser Kriterien sollte eine Voraussetzung für die Verleihung der besonderen Auszeichnung „urbane Mobilität“ sein, die die Kommission vorgeschlagen hat und deren rasche Umsetzung der EWSA nur begrüßen kann.

Aktion 4 -   Plattform zu Fahrgastrechten

6.6   Der EWSA bedauert, dass sein Vorschlag, sämtliche Rechte der Nutzer des kollektiven Verkehrs in einer „Charta der Rechte“ zusammenzufügen, nicht berücksichtigt wurde.

6.7   Er begrüßt hingegen, dass die Kommission angekündigt hat, den regulatorischen Ansatz um gemeinsame Qualitätsstandards zum Schutz der Fahrgastrechte und der Personen mit eingeschränkter Mobilität sowie gemeinsam vereinbarte Beschwerdeverfahren und Berichterstattungsmechanismen zu ergänzen.

6.8   Der EWSA bedauert, dass eines der Haupthindernisse für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, und zwar die mangelnde Sicherheit, vor allem auf den weniger häufig benutzten Strecken sowie bei Fahrten während der Abend- oder Nachtstunden in der Kommissionsmitteilung nicht behandelt wird, obwohl doch gut ausgebildetes Begleitpersonal in hinreichender Anzahl und Videoüberwachung wirksame Mittel zur Bekämpfung von Übergriffen in öffentlichen Verkehrsmitteln sind.

6.9   Wegen der Vielfalt der Akteure, die eine große formale und inhaltliche Heterogenität der Aktionen bewirkt, müssen die Tätigkeiten regelmäßig einer Bewertung unterzogen werden, um beurteilen zu können, ob eine Aktion oder politische Maßnahme den Bedürfnissen der Nutzer entspricht, und sie gegebenenfalls anzupassen, zu ändern oder abzubrechen. Auf diesen Aspekt wird im Aktionsplan der Kommission überhaupt nicht eingegangen.

Aktion 5 -   Verbesserung der Zugänglichkeit für Personen mit eingeschränkter Mobilität

6.10   Der EWSA ist der Ansicht, dass die Zahl der europäischen Bürger mit eingeschränkter Mobilität (alte Menschen, Menschen mit Leistungsbeeinträchtigungen, Menschen mit Behinderungen, aber auch Schwangere und Personen mit Kinderwagen) weit über 100 Millionen liegt.

6.11   Einige Städte haben zwar beispielhafte Maßnahmen zugunsten von Personen mit eingeschränkter Mobilität ergriffen, es handelt sich bei diesen Initiativen jedoch nach wie vor um Einzelmaßnahmen. Zu oft stehen diese Menschen vor unüberwindbaren Barrieren, wenn sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Zugänglichkeit, Ausstattung) oder zu Fuß unterwegs sind (komplexe Kreuzungen, schmale Bürgersteige, Außengastronomieflächen auf Bürgersteigen). Hinzu kommt ein schwach ausgeprägter Bürgersinn der anderen Verkehrsteilnehmer (wildes Parken, unberechtigte Benutzung von Behindertenparkplätzen). Der EWSA begrüßt die Absicht des spanischen Vorsitzes, ein gesamteuropäisches System/ Programm zur Förderung der Zugänglichkeit der europäischen Städte einzurichten, und bekundet sein Interesse an einer engen Einbindung in eine solche Initiative wegen ihrer Bedeutung für die Zivilgesellschaft.

6.12   Angesichts des geringen Umfangs dieses Marktes, der die Investitionen und Innovationen hemmt, ist die technische Hilfe nicht ausreichend entwickelt, um den tatsächlichen Bedürfnissen gerecht zu werden.

6.13   Folglich begrüßt der EWSA nachdrücklich, dass die Frage der Zugänglichkeit für Personen mit eingeschränkter Mobilität (Barrierefreiheit) in die EU-Strategie für Menschen mit Behinderungen 2010-2020 aufgenommen und angemessene Qualitätsindikatoren und Berichterstattungsmechanismen festgelegt werden.

6.14   Begleitend zu diesen Maßnahmen sollten auf nationaler, regionaler und lokaler, vor allem aber auf EU-Ebene über die Gemeinschaftsfonds entsprechende Finanzmittel bereitgestellt werden.

Aktion 8 -   Kampagnen zur Förderung eines nachhaltigen Mobilitätsverhaltens

6.15   Die Kommission beabsichtigt, die Schaffung eines besonderen Preises zur Förderung der Verabschiedung nachhaltiger städtischer Mobilitätspläne zu prüfen.

6.16   Der EWSA kann die Einführung eines solchen Preises nur befürworten und verweist in diesem Zusammenhang auf seine Stellungnahme CES 324/99, in der er unter Bezugnahme auf seine Stellungnahme zum „Grünbuch Bürgernetz“ bereits ausgeführt hat, dass die Verleihung von Qualitätszeichen und/oder Preisen als echter Anreiz für einen Qualitätswettbewerber gesehen wird.

Aktion 12 -   Studie zu urbanen Aspekten der Internalisierung externer Kosten

Aktion 13 -   Informationsaustausch über städtische Gebührensysteme

6.17   Es steht zwar außer Frage, dass ein „erschwinglicher“ öffentlicher Nahverkehr aus gesellschaftlicher Sicht rentabel ist. Auf der anderen Seite ist es auch offensichtlich, dass er finanziell zwangsläufig mit Verlusten einhergeht. Die Einnahmen aus der Nutzung reichen nicht aus, um alle Betriebskosten zu decken - von Investitionen ganz zu schweigen. Deshalb sind öffentliche Zuschüsse nach wie vor unerlässlich.

6.18   In diesem Zusammenhang begrüßt der EWSA, dass eine von der Kommission angekündigte methodische Studie zu den urbanen Aspekten der Internalisierung der externen Kosten mehr Transparenz in die Kostenrechnung des Sektors bringen wird. Er weist darauf hin, dass das Thema externe Kosten bereits in der Mitteilung von 1998 angesprochen wurde, genau wie die Möglichkeit der Reinvestition der Einnahmen aus Straßenbenutzungsgebühren insbesondere in öffentliche Verkehrsmittel sowie Fuß- und Radwege. Seither hat sich bei diesen beiden Fragekomplexen noch immer nicht viel getan.

Aktion 15 -   Ermittlung des künftigen Finanzierungsbedarfs

6.19   Nur 9 % der für den Verkehr vorgesehenen Mittel aus den Strukturfonds fließen in den städtischen Nahverkehr, während praktisch allen Städten und Regionen (sei es auch in unterschiedlichem Ausmaß) die erforderlichen Mittel fehlen, um genügend in urbane Mobilität investieren zu können.

6.20   Auch wenn die Kommission in ihrem „Fahrplan“ eine Ermittlung des künftigen Finanzierungsbedarfs ab 2010 und die Fortführung der finanziellen Unterstützung für das CIVITAS-Programm (9) vorsieht, hätte der EWSA in Bezug auf die Zuweisung zusätzlicher Mittel lieber eine verbindlichere Zusage gesehen, ohne freilich die Möglichkeiten außer acht zu lassen, die urbane Mobilität zumindest teilweise durch Einnahmen aus Stadtmautsystemen oder Parkgebühren zu finanzieren. Er schlägt die Einrichtung eines spezifischen Finanzinstruments zur Förderung der urbanen Mobilität vor.

6.21   In ihrer Mitteilung von 1998 „Die Entwicklung des Bürgernetzes“ hatte die Kommission bekundet, dass sie der Förderung umweltfreundlicher Nah- und Regionalverkehrskonzepte hohe Priorität einräumen werde und ferner prüfen wolle, wie gewährleistet werden kann, dass die Träger derartiger Verkehrskonzepte auch dem Thema Zugänglichkeit Rechnung tragen. Der EWSA wäre sehr am Ergebnis dieser Prüfung interessiert.

6.22   Der EWSA ist der Ansicht, dass das künftige (Revision für 2013 geplant) Regelwerk über die Gemeinschaftsmittel anstatt eine Priorisierung vorzusehen, die Zuweisung von EU-Mitteln für den öffentlichen Stadtverkehr an die Bedingung knüpfen sollte, dass Pläne für urbane Mobilität zur Anwendung kommen und die Kriterien der Zugänglichkeit für Personen mit eingeschränkter Mobilität (Barrierefreiheit) strikt eingehalten werden.

Aktion 17 -   Einrichtung eines Beobachtungszentrums für urbane Mobilität

6.23   Der EWSA befürwortet die Einrichtung eines Beobachtungszentrums für Mobilität in Form einer virtuellen Plattform, wobei allerdings der Austausch bewährter Vorgehensweisen sich auf sämtliche Aspekte der urbanen Mobilität bis hin zur Zugänglichkeit für Personen mit eingeschränkter Mobilität (Barrierefreiheit) erstrecken muss.

Brüssel, den 27. Mai 2010

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  ABl. C 168 vom 20.7.2007, S. 77.

(2)  ABl. C 224 vom 30.8.2008, S. 39.; ABl. C 317 vom 23.12.2009, S. 1.

(3)  (2008/2217 (INI)), Berichterstatter: Gilles Savary.

(4)  Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa; Richtlinie 2002/49/EG über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm.

(5)  KOM(2009) 279 endg.

(6)  ABl. C 255 vom 27.9.2010, S. 110.

(7)  ABl. C 255 vom 27.9.2010, S. 110; ABl. C 224 vom 30.8.2008, S. 39; ABl. C 168 vom 20.7.2007, S. 77.

(8)  ABl. C 317 vom 23.12.2007, S. 1.

(9)  CIVITAS: (City VITAlity Sustainability) gemeinschaftliches Forschungs- und Innovationsprogramm im Bereich des Stadtverkehrs.