19.1.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 18/100


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zum Stand der Durchsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz“

KOM(2009) 330 endg.

2011/C 18/18

Berichterstatter: Jorge PEGADO LIZ

Die Europäische Kommission beschloss am 2. Juli 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zum Stand der Durchsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz“

KOM(2009) 330 endg.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 2. März 2010 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 462. Plenartagung am 28./29. April 2010 (Sitzung vom 29. April) mit 119 gegen 10 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Ausschuss begrüßt die Initiative der Kommission, zum ersten Mal ihre Besorgnis über die Durchsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz zum Ausdruck zu bringen.

1.2

Er stellt jedoch fest, dass sich die Anwendung des Gemeinschaftsrechts im Verbraucherschutz aus rein rechtlicher Hinsicht nicht sonderlich von der Anwendung des Gemeinschaftsrechts im Allgemeinen unterscheidet. In diesem Zusammenhang erinnert er an verschiedene Stellungnahmen zu diesem Thema.

1.3

Der Ausschuss erkennt jedoch an, dass es aufgrund der benachteiligten Lage, in der sich die Verbraucher im Allgemeinen gegenüber den Anbietern befinden und die sie anerkanntermaßen zur „schwächeren Partei“ bei einer naturgemäß unausgewogenen vertragsrechtlichen Beziehung macht, aus sozialer Sicht gerechtfertigt ist, dass der Art und Weise, wie das Gemeinschaftsrecht in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen durchgesetzt wird, besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird.

1.4

Darüber hinaus stellt der Ausschuss fest, dass es aus wirtschaftlicher Sicht aufgrund des deutlichen Unterschieds bei seiner Durchsetzung in den verschiedenen Mitgliedstaaten leicht zu Verzerrungen des Binnenmarktes und einer Beeinträchtigung des gesunden und fairen Wettbewerbs kommen kann.

1.5

Trotz einiger in den Ziffern 2.1, 3.14, 4.2, 4.3, 4.4, 4.5 und 4.6 angeführter Fortschritte bedauert der Ausschuss, dass die Kommission diese Gelegenheit nicht wahrgenommen hat, um ein informatives und strukturiertes Dokument über den aktuellen Stand der Durchsetzung des Gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz vorzulegen, um präzise und genau die Art der Fragestellung und die grundlegenden Parameter hinsichtlich der Anwendung des Rechts zu umreißen und um mit klar definierten und durchsetzbaren Handlungsvorschlägen zur Verbesserung der Situation in der näheren Zukunft Fortschritte zu erzielen.

1.6

Der Ausschuss ist enttäuscht darüber, dass die Kommission noch nicht einmal den Schluss gezogen hat, dass ein beträchtliches Defizit bei der Durchsetzung des Gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz vorhanden ist, und weder auf dessen Ausmaß und Beschaffenheit eingeht, noch dessen Ursachen anführt oder analysiert.

1.7

Ebenso ist der Ausschuss enttäuscht darüber, dass sich die Kommission statt dessen auf von Gemeinplätzen durchzogene Ausführungen ohne ersichtlichen politischen Nutzen sowie auf eine Reihe von nicht fundierten Aussagen ohne praktischen Nutzen beschränkt und unerklärlicherweise keinerlei neue Initiativen ankündigt, wobei sie noch nicht einmal die Frage nach den dafür nötigen verfügbaren Finanzmitteln aufwirft.

1.8

Selbst bei den positiven Entwicklungen in Bezug auf Leitlinien, die bereits in früheren Strategiedokumenten definiert wurden, fehlt ein roter Faden, der ihnen Kohärenz verleiht. Es wäre insbesondere wichtig gewesen, die positiven Ergebnisse der Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 (1) und des gut ausgearbeiteten Berichts über ihre Anwendung zu berücksichtigen, der unbedingt in engem Zusammenhang mit der Mitteilung zu sehen ist, um diese richtig verstehen zu können.

1.9

Der Ausschuss bedauert, dass die Kommission die dringliche Forderung des EWSA nicht berücksichtigt hat, die Empfehlungen im Hinblick auf Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind, in allgemein gültige Richtlinien oder Verordnungen umzusetzen.

1.10

Der Ausschuss empfiehlt der Kommission nachdrücklich, sich in naher Zukunft erneut mit dem Thema der Durchsetzung des Gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz zu befassen. Dies sollte allerdings in einem weiter gesteckten Rahmen mit Hilfe eines Instruments geschehen, das sich auf umfassende Untersuchungen und Konsultationen aller Interessenvertreter (Stakeholder) stützt, wie z.B. ein Weißbuch, auf dessen Grundlage eine wirkliche politische Strategie in diesem Bereich auf Gemeinschaftsebene festgelegt werden kann.

2.   Einleitung

2.1

Indem die Kommission auf die Durchsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz aufmerksam macht, scheint sie zum ersten Mal die Frage nach der wirksamen Anwendung der verabschiedeten Rechtsvorschriften in den Mittelpunkt zu stellen, was sehr zu begrüßen ist. Auf diese Weise zeigt sie, dass sie sich nicht nur für Rechtsvorschriften in der Theorie - „law in the books“ -, sondern auch für Rechtsvorschriften in der Praxis - „law in action“ - interessiert, d.h. dafür, wie diese von den Betroffenen - der öffentlichen Verwaltung, insbesondere den Gerichten, den Unternehmen und den Bürgern im Allgemeinen - angenommen, ausgelegt und umgesetzt werden.

2.2

Seit langem hat dieses Anliegen in verschiedenen Stellungnahmen des EWSA im Mittelpunkt gestanden, in denen auf die Bedeutung dieses Themas hingewiesen und Empfehlungen und Vorschläge für geeignete Maßnahmen (2) abgegeben wurden. Dies gilt vor allem für seine Initiativstellungnahmen „Die Verbraucherpolitik nach der EU-Erweiterung“ (3), „Möglichkeiten einer besseren Durchführung und Durchsetzung des EU-Rechts“ (4) und „Proaktives Recht: ein weiterer Schritt zu einer besseren Rechtsetzung auf EU-Ebene“ (5).

2.3

In diesem Zusammenhang ist es von grundlegender Bedeutung, zu unterscheiden zwischen der freiwilligen Einhaltung der Rechtsvorschriften durch diejenigen, an die diese sich richten - deren Motivation und Anreize aus soziologischer Sicht sehr unterschiedlich sein können - und der Durchsetzung der Rechtsvorschriften, insbesondere durch die Gerichte als Recht sprechende Gewalt, aber auch durch andere Verwaltungsbehörden, die zur Einhaltung von Rechtsvorschriften verpflichten oder deren Nichteinhaltung bestrafen können.

2.4

Aus sozialer wie auch wirtschaftlicher und rechtlicher Sicht verdienen die beschriebenen Situationen eine differenzierte ethische Bewertung und beinhalten unterschiedliche Verhaltenskomponenten, die bei einer allgemeinen Bewertung der Einhaltung und Anwendung der Vorschriften auf jedem Rechtsgebiet - in diesem Fall dem EU-Verbraucherrecht - nicht außer Acht gelassen werden dürfen.

2.5

Der Ausschuss stimmt der Kommission zu, dass es in der EU-Verbraucherpolitik - unter anderem - darum geht, „ein Umfeld zu schaffen, in dem Verbraucher Waren und Dienstleistungen ohne Rücksicht auf Landesgrenzen kaufen können“. Der Ausschuss sieht die Verbraucherpolitik jedoch nicht als ein Hilfsmittel für die Vollendung des Binnenmarktes und betrachtet die Verbraucher auch nicht als reine Instrumente, die dem „Funktionieren des Binnenmarktes“ dienen. Aus diesem Grund ist der Ausschuss im Gegensatz zur Kommission der Ansicht, dass die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, wenn sie ein gutes Beispiel darstellt, eher ein Beispiel für „schlechtere Rechtsetzung“ (6) ist, da sie zu einer chaotischen Umsetzung in den meisten Mitgliedstaaten geführt hat. Es sogar eher zu bedauern, dass in den jüngsten Richtlinien zu den Themen „Verbraucherkredit“ und „Teilzeitnutzungsrechte“ einem solchen „Beispiel“ gefolgt wurde und dies auch in der Richtlinie über „Verbraucherrechte“ noch immer der Fall ist.

2.6

Aus dieser Sicht, die die Verbraucherrechte in den weitergefassten Rahmen der Bürgerrechte stellt, hält der Ausschuss genau wie die Kommission die wirksame Rechtsdurchsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz für eine Priorität der Verbraucherpolitik, da nur durch die wirksame Umsetzung der Rechtsvorschriften diejenigen Werte verwirklicht werden können, auf die sie sich stützen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Im Gegensatz zu dem, was der Titel auf den ersten Blick vermuten lässt, liegt der Schwerpunkt der Mitteilung auf dem letzten Element der Anwendung des Gemeinschaftsrechts, nämlich auf der Art und Weise, wie die Behörden die sich aus seiner Umsetzung oder Aufnahme in nationales Recht ergebenden Vorschriften anwenden und durchsetzen, sowie der Rolle, die die Kommission auf dieser Ebene spielen kann.

3.2

Des Weiteren weist der Ausschuss darauf hin, dass die Mitteilung nur in engem Zusammenhang mit dem am gleichen Tag veröffentlichten gut ausgearbeiteten Bericht über die „Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 (…) über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden“ (7) zu sehen ist, der - obwohl er dem Ausschuss nicht zur Stellungnahme übermittelt wurde -, als Ausgangsbasis zu betrachten ist. Dabei ist es wichtig, auf die positiven Auswirkungen der Anwendung dieser Verordnung und deren Folgen für die Mitgliedstaaten einzugehen.

3.3

Der EWSA vertritt die Auffassung, dass die Kommission selbst unter Berücksichtigung des eng gesteckten Umfangs der hier erörterten Mitteilung, um ein korrektes Bild zu vermitteln, in jedem Fall konkrete Daten über die Umsetzung und Durchsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstands in den Mitgliedstaaten hätte vorlegen müssen, wie sie in den jährlichen Berichten über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (8) oder auch in den gesonderten Mitteilungen zu verschiedenen Richtlinien (9) enthalten sind, denen sich Informationen zu deren Umsetzung und Anwendung entnehmen lassen.

3.4

Andererseits hätte die Kommission anhand der Informationen, die ihr insbesondere dank des Verbraucherbarometers (10) sowie des Abschlussberichts der GD Gesundheit und Verbraucher „Ex-post evaluation of the impact of the Consumer Policy Strategy 2002-2006 on national consumer policy“ vom 22.12.2006 (11) zur Verfügung stehen, gemäß den in ihrer „Mitteilung zur besseren Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts“ (12) enthaltenen Leitlinien die Funktionsweise und Ergebnisse der vorhandenen Mechanismen kritisch und sorgfältig analysieren müssen, anstatt sie einfach nur aufzulisten. Im Übrigen wird in der Mitteilung nicht einmal klar, ob die Kommission der Ansicht ist, dass die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts unzureichend ist und nach neuen Maßnahmen verlangt und wenn ja, nach welchen.

3.5

Der Ausschuss ist hingegen der Ansicht, dass die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten allgemein unzulänglich ist, worauf er bereits zur Genüge eingegangen ist. Dafür gibt es vor allem folgende Gründe:

a)

die Form der Ausarbeitung vieler Richtlinien der Gemeinschaft (13), die sich nicht an den Grundsätzen der „besseren Rechtsetzung“ (14) orientiert, insbesondere was die Ex-ante-Bewertungen betrifft;

b)

die chaotische Art und Weise, in der Rechtsvorschriften, die von Anfang an schlecht strukturiert und noch schlechter ausformuliert wurden, in nationales Recht umgesetzt werden;

c)

die falsche oder unvollständige Aufnahme der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften in das nationale Recht, wo sie oftmals als unerwünscht und als unvereinbar mit den nationalen Sitten, Gebräuchen und Interessen betrachtet werden;

d)

der Mangel an politischem Willen der nationalen Behörden, Vorschriften einzuhalten oder durchzusetzen, die als „Fremdkörper“ in ihrem Regelwerk und ihrer nationalen Tradition betrachtet werden, und die anhaltende Tendenz, die Vorschriften der Gemeinschaft durch neue, unnötige Rechtsmechanismen zu ergänzen oder sich nur bestimmte Teile der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zur Umsetzung auszuwählen (die bekannten Phänomene des „gold-plating“ und „cherry-picking“);

e)

die Tatsache, dass die nationalen Behörden zu schlecht vorbereitet und nicht spezifisch genug ausgebildet sind, um das Gemeinschaftsrecht, insbesondere im Bereich des Verbraucherschutzes, zu verstehen oder durchzusetzen;

f)

das schlechte Funktionieren einiger Gerichte und die unzulängliche Vorbereitung einiger Richter und anderer Akteure des Justizwesens (Rechtsanwälte, Justizbeamte usw.), die in vielen Fällen zu einer falschen Anwendung oder Nichtanwendung der in das nationale Recht umgesetzten Vorschriften oder zur Anwendung „paralleler“ nationaler Rechtsvorschriften führen (15);

g)

der Mangel an erweiterten Maßnahmen der Verwaltungszusammenarbeit, die dazu dienen, die Organisationen der Zivilgesellschaft, insbesondere die Verbraucherschutzverbände, einzubeziehen.

3.6

Der Ausschuss hat in diesem Bereich wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass der Schwerpunkt auf der freiwilligen Einhaltung und der - aus eigenem Antrieb erfolgenden oder von außen veranlassten - Befolgung der Rechtsvorschriften liegen muss, wenn es um die (Nicht-)Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstandes geht.

3.7

Dies bedeutet, dass die Kommission ihre Anstrengungen und Initiativen innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs vor allem auf eine bessere Information und Schulung der Verbraucher und der betroffenen Berufsgruppen sowie auf deren Motivation und Anreize zur Einhaltung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften richten sollte.

3.8

Die Kommission müsste auch im Hinblick auf die Information und Schulung der nationalen Behörden, insbesondere derer mit unmittelbaren Zuständigkeiten im Bereich der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten, Maßnahmen ergreifen. In diesem Bereich muss der Information und Schulung der Richter und anderer höherer Beamter, die letztendlich für die Auslegung und Anwendung des Rechts in konkreten Streitfällen zuständig sind, Vorrang eingeräumt werden.

3.9

Im Unterschied zur Kommission ist der Ausschuss nicht der Ansicht, dass die Information der Verbraucher allein für deren tatsächliches „Empowerment“ ausreichend ist. Im Gegenteil hat der Ausschuss auf die Notwendigkeit hingewiesen, den Verbrauchern wirksame Mittel und Instrumente an die Hand zu geben, um eine effektive Anwendung des Rechts und die effiziente Wahrung ihrer Rechte zu gewährleisten.

3.10

In diesem Zusammenhang gewinnt die Rolle der Selbstregulierung und insbesondere die der Koregulierung an Bedeutung, sofern die Parameter für die Glaubwürdigkeit der freiwillig angenommenen oder zwischen den interessierten Parteien ausgehandelten Systeme gewahrt und gewährleistet sind, um das Vertrauen aller Beteiligten sicherzustellen.

3.11

Auch die Mediations-, Schlichtungs- und Schiedsverfahren, die das Justizsystem ergänzen, verdienen die besondere Aufmerksamkeit der Kommission und müssen in ihrer Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit verbessert werden. Daher ist es verwunderlich, dass die Kommission auch in diesem Fall die dringliche Forderung des EWSA nicht berücksichtigt hat, die Empfehlungen im Hinblick auf Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten (16) zuständig sind, in die Form allgemein gültiger Richtlinien oder Verordnungen zu gießen. Gerade hier besteht dringender Handlungsbedarf, da die unterschiedlichen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten aufgrund fehlender Harmonisierung zu sehr unterschiedlichen Entwicklungen bei der Bereitstellung alternativer Streitbeilegungsmethoden führen.

3.12

Es ist jedoch im Bereich des Zivilprozessrechts, wo sich trotz der Fortschritte, die die GD Justiz Freiheit und Sicherheit durch ihre Vorlagen (17) erzielt hat (insbesondere bei Verfahren, in denen die Besonderheiten der kollektiven Rechte und Interessen der Verbraucher berücksichtigt werden), die größte Lücke in der Initiative der Kommission feststellen lässt, die nach über zwanzig Jahren „Studien“ und „Konsultationen“ nicht durch das Grün- und Weißbuch über Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts (18) geschlossen werden konnte. Auch haben sich mit dem Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher (19) keine wirklichen Aussichten auf einen politischen Willen, Fortschritte zu erzielen, abgezeichnet, wie in der kürzlich verabschiedeten EWSA-Stellungnahme (20) deutlich gemacht wurde.

3.13

Daher wäre es von grundlegender Bedeutung, dass die Kommission als Hüterin der gemeinschaftlichen Rechtsordnung besonders hervorhebt, auf welche Weise sie ihren - allerdings nicht willkürlichen - Ermessensspielraum (21), den ihr Artikel 211 EG-Vertrag einräumt, bei Verstößen nutzt und wie sie insbesondere „die zur vertragsgetreuen, wirksamen und unparteiischen Erfüllung dieser Aufgabe notwendigen intern-organisatorischen Maßnahmen“ (22) gestaltet, wie z.B. Prioritätskriterien, Mechanismen zur Bewertung und Prüfung von Beschwerden, spezielle Instrumente zur amtlichen Aufdeckung von Verstößen, Maßnahmen zur Verbesserung der Funktionsweise der nationalen Gerichte sowie weitere Instrumente (SOLVIT, FIN-NET, ECC-NET sowie alternative und außergerichtliche Mittel).

3.14

In diesem Sinne sind die von den Verbrauchern erhobenen Klagen, auch wenn sie kein direkter Indikator für die Durchsetzung des Rechts sind, ein wichtiges Indiz für die Wahrnehmung derjenigen, die von den Rechtsvorschriften betroffen sind, wie aus der zweiten Ausgabe des Verbraucherbarometers hervorging (23). Daher begrüßt der Ausschuss die Initiative der Kommission, im Einklang mit seinen früheren Empfehlungen mit der Entwicklung einer harmonisierten Methode zur Abwicklung von Verbraucherreklamationen und -beschwerden zu beginnen (24).

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Der EWSA stellt fest, dass die Kommission in ihrer Mitteilung frühere Prioritäten wieder aufgreift. Es gibt keinerlei Neuerungen gegenüber den prioritären Aktionsprogrammen 2005-2010 (25) und die Kommission beschränkt sich darauf, die Inhalte der verbraucherpolitischen Strategie der EU (2007-2013) (26) zu bekräftigen, ohne innovative Maßnahmen vorzuschlagen. Der Ausschuss beschränkt sich daher ebenfalls darauf, die Aussagen früherer Stellungnahmen zu bekräftigen (27).

4.2

Der Ausschuss stellt erfreut fest, dass sich die Kommission anscheinend endlich anschickt, Artikel 153 des Vertrags für neue Initiativen zur Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten heranzuziehen. Sie gibt jedoch nicht an, welche neuen Initiativen über diejenigen Maßnahmen hinaus vorgesehen sind, die bereits von ihr eingeleitet und vom EWSA zu gegebener Zeit kommentiert wurden; dies gilt insbesondere für die Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit und den Neuen Rechtsrahmen (28) sowie das Schnellinformationssystem RAPEX, insbesondere was Spielzeug angeht (29); besondere Erwähnung verdient die wöchentlich veröffentlichte Liste gefährlicher Verbraucherprodukte im Rahmen von RAPEX.

4.3

Was das Netz der für die Durchsetzung des Verbraucherrechts zuständigen Behörden angeht, stimmt der EWSA mit dem obengenannten, gut ausgearbeiteten Bericht der Kommission überein, was die festgestellten Schwierigkeiten und die Schlussfolgerungen angeht, und ebenso mit den Ergebnissen der zweiten Ausgabe des Verbraucherbarometers insbesondere in Bezug auf das „Enforcement“ (30).

4.4

Ein Aspekt, der gestärkt werden sollte, ist die Bekanntmachung der Maßnahmen, die von der Kommission und den nationalen Behörden zur Überwachung der Einhaltung des umgesetzten Rechts durch die öffentlichen und privaten Adressaten dieser Vorschriften ergriffen wurden, um den Verbraucherschutz stärker ins Blickfeld zu rücken, schädlichen Praktiken einen Riegel vorzuschieben und das Sicherheitsgefühl der Verbraucher zu stärken.

4.5

Die Initiative, neue Formen der Verbreitung von Marktinformationen zu prüfen, die den Verbrauchern informierte Entscheidungen ermöglichen, ist lobenswert; es wäre jedoch interessant zu wissen, wie genau die Kommission diese Initiative durchzuführen gedenkt; mit großem Interesse wird auch die angekündigte Datenbank für unlautere Geschäftspraktiken erwartet, wobei allerdings zu hoffen steht, dass nicht das Gleiche geschieht wie im Fall der europäischen Datenbank missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen (CLAB).

4.6

Bezüglich des Vorschlags, „Muster“ für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts festzulegen, die von den „nationalen Durchsetzungsbehörden“ verwendet werden sollen, begrüßt der Ausschuss die von den Vertretern der Kommission in den Studiengruppensitzungen abgegebene Erklärung, dass sich eine solche Initiative ausschließlich an die Verwaltungsbehörden, nicht jedoch an die Justizbehörden richtet und die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofs für Vorabentscheidungsersuchen nicht in Frage stellt, wenn es um die Auslegung des Gemeinschaftsrechts geht.

4.7

Im Bereich der internationalen Zusammenarbeit mit Drittstaaten werden in der Mitteilung nicht nur keine konkreten Daten über die bisher ergriffenen Maßnahmen vorgelegt, sondern es wird auch keine Strategie für die Zukunft vorgeschlagen. Dies gilt insbesondere für ihre Ausweitung auf andere im Bereich der regionalen wirtschaftlichen Integration tätige internationale Gremien und Organisationen. Der Ausschuss hegt daher Bedenken hinsichtlich der wirksamen Überwachung der Einhaltung des gemeinsamen Besitzstands in Bezug auf Erzeugnisse aus Drittstaaten, der mangelnden Sichtbarkeit dieser Überwachung sowie der Transparenz ihrer Ergebnisse.

4.8

Außerdem hegt der EWSA Bedenken hinsichtlich der Angemessenheit der Finanzmittel, die der Kommission für die Durchführung dieser Maßnahmen zur Verfügung stehen, da der Finanzrahmen für die Verbraucherpolitik nur begrenzt ist. Diese Situation könnte sich aufgrund der neuen Organisationsstruktur der Kommission, nach der die Zuständigkeiten für diese Angelegenheiten auf zwei Generaldirektionen aufgeteilt wurden, eventuell noch weiter verschlechtert haben.

Brüssel, den 29. April 2010

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  ABl. L 364 vom 9.12.2004, S. 1.

(2)  Besondere Aufmerksamkeit sollte der zurzeit erarbeiteten Stellungnahme „25. Jahresbericht der Kommission über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts“ (KOM(2008) 777 endg.) (INT/492) geschenkt werden.

(3)  ABl. C 221 vom 8.9.2005, S. 153.

(4)  ABl. C 24 vom 31.1.2006, S. 52.

(5)  ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 26.

(6)  Wie dies der EWSA in seiner Stellungnahme (ABl. C 108 vom 30.4.2004, S. 81) vorhergesagt hat.

(7)  KOM(2009) 336 endg. vom 2.7.2009.

(8)  Vgl. 25. Jahresbericht der Kommission über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (KOM(2008) 777 endg. und SEK(2008) 2854 und 2855) (Stellungnahme des EWSA – INT/492 – in Vorbereitung).

(9)  Zum Beispiel in KOM(2006) 514 endg. über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Stellungnahme des EWSA: ABl. C 175 vom 27.7.2007, S. 28); KOM(2007) 210 endg. zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (Stellungnahme des EWSA: ABl. C 162 vom 25.6.2008, S. 31); KOM(2007) 303 endg. über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsrechten, langfristigen Urlaubsprodukten sowie des Wiederverkaufs und Tausches derselben (Stellungnahme des EWSA: ABl. C 44 vom 16.2.2008, S. 27); KOM(2008) 9 endg. über die Sicherheit von Spielzeug (Stellungnahme des EWSA: ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 8).

(10)  KOM(2009) 25 endg.

(11)  Erarbeitet von Van Dijk Management Consultants.

(12)  KOM(2002) 725 endg.

(13)  In seiner Initiativstellungnahme (ABl. C 24 vom 31.1.2006, S. 52) argumentiert der EWSA, „dass eine bessere Rechtsetzung eng mit der Durchführung und Durchsetzung des Rechts zusammenhängt: Ein Gesetz ist gut, wenn es durchsetzbar ist und auch durchgesetzt wird.“

(14)  Es ist in der Tat erstaunlich, dass die zwischen EP, Rat und Kommission geschlossene Interinstitutionelle Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“ (ABl. C 321 vom 31.12.2003) in der Mitteilung der Kommission nicht einmal erwähnt wird.

(15)  Ein bekanntes Beispiel ist die allgemeine Nichtanwendung der Richtlinie 85/374/EWG (ABl. L 210 vom 7.8.1985), geändert durch die Richtlinie 1999/34/EG (ABl. L 141 vom 4.6.1999) zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte, von der zugunsten der nationalen Vorschriften abgewichen wurde, was auf der vom „Centre de Droit de la Consommation“ am 23./24.3.1995 in Louvain-la-Neuve veranstalteten Konferenz „La Directive 85/374/CEE relative à la responsabililité du fait des produits: dix ans après“ klar festgestellt wurde.

(16)  Empfehlungen vom 30.3.1998 (ABl. L 115 vom 17.4.1998) und 4.4.2001 (ABl. L 109 vom 19.4.2001).

(17)  In diesem Zusammenhang hervorgehoben werden müssen die Verordnung (EG) Nr. 861/2007 (ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 1) zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen und die Vorschläge zur effizienteren Vollstreckung von Urteilen in der Europäischen Union: vorläufige Kontenpfändung (KOM(2006) 618 endg.) und Transparenz des Schuldnervermögens (KOM(2008) 128 endg.); diese sind jedoch hauptsächlich darauf ausgerichtet, die Eintreibung von Schulden für Unternehmen zu erleichtern, und kommen nicht den Verbrauchern zugute (siehe Stellungnahmen ABl. C 10 vom 15.1.2008, S. 2 und ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 73).

(18)  KOM(2005) 672 endg. und KOM(2008) 165 endg.; siehe die Stellungnahmen ABl. C 324 vom 30.12.2006, S. 1 und ABl. C 228 vom 22.9.2009, S. 40.

(19)  KOM(2008) 794 endg.

(20)  Stellungnahme CESE 586/2009 (INT/473) vom 5.11.2009; zu diesem Thema siehe auch die Initiativstellungnahme (ABl. C 162 vom 25.6.2008, S. 1) zur „Definition der Rolle von Sammelklagen und der entsprechenden Vorschriften im Rahmen des EU-Verbraucherrechts“.

(21)  Siehe das Urteil vom 1.6.1994, Kommission/Deutschland (C-317/92) sowie das Urteil vom 10.5.1995, Kommission/Deutschland (C-422/92).

(22)  KOM(2002) 725 endg.

(23)  KOM(2009) 25 endg. und insbesondere SEK (2009) 76, Teil 1.

(24)  KOM(2009) 346 endg. (CESE 97/2010).

(25)  Insbesondere die Notwendigkeit, eine eingehendere Analyse jedes Marktes vorzunehmen und gemeinsame Methodiken für die Datenverarbeitung zu schaffen, um die Vergleichbarkeit der Daten zu gewährleisten, sowie Durchsetzungsindikatoren zu entwickeln.

(26)  KOM(2007) 99 endg.

(27)  ABl. C 95 vom 23.4.2003 und ABl. C 162 vom 25.6.2008, S. 20.

(28)  Verordnung (EG) Nr. 765/2008 und Beschluss 2008/762/EG, EWSA-Stellungnahme siehe ABl. C 120 vom 16.5.2008, S. 1.

(29)  KOM(2008) 9 endg., EWSA-Stellungnahme sie ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 8.

(30)  SEK(2009) 76, Teil 3.