18.12.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 347/79


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind“

KOM (2009) 491 endg. – 2009/0132 (COD)

(2010/C 347/12)

Hauptberichterstatter: Angelo GRASSO

Der Rat beschloss am 14. Oktober 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind“

KOM (2009) 491 endg. - 2009/0132 (COD).

Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt am 3. November 2009 mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 460. Plenartagung am 17./18. Februar 2010 (Sitzung vom 18. Februar) mit 156 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Zweck des Vorschlags ist es, die gegenwärtigen Vorschriften der Union zu diesem Bereich um zwei Grundsätze zu ergänzen, die der EWSA im Wesentlichen unterstützt: a) die Qualität der Informationen ist entscheidend für die Fähigkeit, Wirtschaftsakteure, insbesondere Kleinanleger, effektiv in ihren Investitionsentscheidungen zu unterstützen; b) größere Wirtschaftlichkeit beim Informationsmanagement kann durch die Abschaffung doppelter Informationspflichten und folglich die Vermeidung doppelter Kosten für die Informationserstellung erreicht werden.

1.2   Die konkrete Anwendung dieser beiden Grundsätze stößt auf objektive Schwierigkeiten, da die Messung von Qualität per se schwierig ist - zumal in Bezug auf die Qualität von Informationen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die spezifischen Mechanismen der Informationsverbreitung auf den Finanzmärkten (die als „osmotisch“ bezeichnet werden kann) - und die von ihnen erzeugten übergreifenden Wirkungen (sog. „Signalwirkung“) auf die verschiedenen, an einer Investition interessierten Wirtschaftsakteure - zur Entstehung mitunter erheblicher Diskrepanzen zwischen den Kosten für die Bereitstellung von Information und ihrem eventuellen (auch wirtschaftlichen) Nutzen führen.

1.3   Folglich sollte eine gemeinsame Lösung für die Probleme der Qualität und die der Wirtschaftlichkeit der Informationen angestrebt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der beste Anreiz für die Erstellung von qualitativ hochwertigen Informationen durch Wertpapieremittenten darin besteht, dass diese mit einem wirtschaftlichen Nutzen rechnen können, der mindestens den Kosten für die Erstellung der Information entspricht. Bei der wirtschaftlichen Bewertung der Informationen sollte berücksichtigt werden, dass transparente Informationen geringere Kapitalbeschaffungskosten zur Folge haben. Sind die Informationen hingegen nicht transparent, steigen die Beschaffungskosten (aufgrund der sog. Prämie für das Informationsrisiko). Der EWSA hofft folglich, dass Informationsasymmetrien beseitigt werden, um die Kosten für die Kapitalbeschaffung und die Prämie für das Informationsrisiko zu senken und somit die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen bei der Kapitalbeschaffung zu erhöhen.

1.4   Der Unterschied zwischen Kosten und Nutzen der Informationen ist zu einem erheblichen Teil (zu ca. drei Vierteln) auf Strukturmerkmale der Informationsverbreitung unter den Marktteilnehmern zurückzuführen. Nur zu einem kleinen Teil (zu ca. einem Viertel) hingegen ist die Ursache darin zu suchen, dass Informationen vom Emittenten nicht mitgeteilt wurden. Der Richtlinienvorschlag bietet begrüßenswerte Lösungen in Bezug auf den ersten Aspekt des Informationsrisikos. Der EWSA möchte lediglich darauf hinweisen, dass die dadurch erzielten erheblichen Einsparungen nicht zu Lasten der Qualität der übermittelten Informationen gehen dürfen, da die Initiative sonst kontraproduktiv wäre.

1.5   Der Inhalt des Vorschlags wirft außerdem einen Aspekt des Problems auf, der nicht gelöst wird. Es besteht ein Zielkonflikt zwischen der Notwendigkeit, Informationen für Anleger, die keine Fachleute sind, bereitzustellen, und der Notwendigkeit, alle für die Investitionsentscheidungen erforderlichen Details zur Verfügung zu stellen, was die Verwendung von Fachtermini unumgänglich macht. Eine nach Auffassung des Ausschusses wünschenswerte Lösung wäre die Schaffung eines vom traditionellen Markt der Finanzintermediäre (Banken, Verwaltungsgesellschaften, Derivatehändler usw.) getrennten Marktes von „Informationsintermediären“. Der EWSA empfiehlt, auf der Grundlage der in anderen Ländern und in anderen Zusammenhängen gemachten Erfahrungen spezifische rechtliche Vertretungsstrukturen (in Anlehnung an die Stimmrechtsvertretung) zu schaffen und die Fachberufe im Bereich der Finanzinformationen (nach dem Modell des „Family Office“) im Rahmen einer gesonderten Regelung anzuerkennen.

2.   Entwicklung der Rechtsvorschriften und Relevanz des Themas

2.1   Die Europäische Kommission misst transparenten Informationen auf den Finanzmärkten erhebliche Bedeutung zu, was die fortwährende Erarbeitung neuer Rechtsvorschriften belegt. Mit dem Richtlinienvorschlag KOM(2000) 126 endg. begannen die nun zehn Jahre währenden Bestrebungen, in der EU klare und transparente Vorschriften bezüglich der Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung und der zu veröffentlichenden Informationen zu gewährleisten. Mit dem Richtlinienvorschlag, der Gegenstand vorliegender Stellungnahme ist, tritt dieser Prozess nun in eine neue Phase ein: Die Anwendung der Vorschriften über transparente Informationen soll mittels Verringerung bzw. Vereinfachung der Pflichten bezüglich einiger Aspekte der I Wertpapierprospekte verbessert werden

Zwischen 2000 und 2010 ist eine sukzessive Verlagerung des Schwerpunkts der Rechtsvorschriften zu beobachten.

2.2.1   Bei der Richtlinie 2001/34/EG lag das Hauptinteresse auf der Quantität der Informationen, die Wertpapieremittenten den Anlegern übermitteln müssen, in der Annahme, sie stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Allokationseffizienz der Finanzmärkte. Diese Ausrichtung wurde vom EWSA in seiner am 29. November 2000 (mit 112 Stimmen ohne Gegenstimmen oder Stimmenhaltungen) verabschiedeten Stellungnahme (Berichterstatter: Jochen Lehnhoff) grundsätzlich unterstützt. Es wurde lediglich darauf hingewiesen, dass die Informationen den Anlegern auf einfache und klare Art und Weise dargelegt werden müssen.

2.2.2   Im Laufe des Jahres 2003 verlagerte sich das Augenmerk - im Rahmen von Rechtsetzungsinitiativen zur Ergänzung des ursprünglichen Wortlauts von Richtlinie 2001/34/EG - auf die Verwendung der Informationen durch die Wirtschaftsakteure. Die Richtlinie 2003/6/EG befasst sich mit Insider-Geschäften, insbesondere mit solchen, die das Gleichgewicht auf den Finanzmärkten beeinträchtigen und folglich das Vertrauen der Verbraucher untergraben können. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich diese Regelung in erster Linie auf Emittenten und Aufsichtsbehörden bezieht und den möglichen Auswirkungen der Informationsverwendung auf das Anlegerverhalten weniger Bedeutung beimisst. Im Einklang mit diesem Ansatz befasst sich auch die Richtlinie 2003/71/EG mit den Kriterien für die Redaktion der Prospekte, die beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen sind.

2.2.3   Die Richtlinie 2004/109/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG konzentriert sich auf die technischen Details der Information der Anleger durch Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, mit dem Ziel, die europäischen Finanzmärkte und die dort angebotenen Finanzdienstleistungen zu harmonisieren und zu integrieren. In der dieser Richtlinie vorausgehenden Stellungnahme des EWSA vom 10. Dezember 2003 (verabschiedet mit 110 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung, Berichterstatter: Pierre Simon) wurden die technischen Vorschläge des Textes zwar begrüßt, gleichwohl aber betont, dass allzu strikte Vorgaben die Kosten für die Erstellung der Informationen übermäßig in die Höhe treiben können und - insbesondere für kleinere Emittenten - einen erheblichen wirtschaftlichen Negativanreiz in puncto vollständiger Transparenz bezüglich der Informationen darstellen können.

2.2.4   Im Laufe des Jahres 2005 stand bei der Ergänzung der Rechtsvorschriften das Thema der für die Informationen auf den Märkten zuständigen Regulierungsbehörden im Vordergrund, wobei Maßnahmen bezüglich der Organisation der Ausschüsse im Finanzdienstleistungsbereich vorgesehen wurden. Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden in Europa sollten in die Lage versetzt werden, wirksamer und rascher auf die Entwicklungen der Finanzmärkte reagieren zu können, vor allem wenn diese auf technologische Veränderungen zurückgehen. Der EWSA begrüßte diese Initiative der Kommission in einer am 31. März 2004 mit 95 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen verabschiedeten Stellungnahme (Berichterstatterin: Lucia Fusco).

2.3   Hauptziel des hier behandelten Richtlinienvorschlags ist eine bessere Anwendung der Richtlinien 2003/71/EG und 2004/109/EG. Es sollen einige Verfahren vereinfacht werden, um die Finanzinformationen besser auf die Bedürfnisse der Kleinanleger abzustimmen und um die Effizienz und die Wettbewerbsfähigkeit von Emittenten mit Sitz in der EU zu steigern. Im Unterschied zu den bislang verabschiedeten Vorschriften gilt dieser Richtlinienvorschlag daher der Frage der Qualität von Finanzinformationen.

2.4   Der EWSA ist der Auffassung, dass eine große Quantität von Informationen nicht immer mit einer hohen Qualität einhergeht. Das führt auch zu wirtschaftlichen Problemen im Informationsbereich, weil im Allgemeinen davon ausgegangen wird, dass die Kosten der Finanzinformationen eher mit der Quantität der zu erstellenden Informationsprospekte als mit der Qualität ihres Inhalts in Zusammenhang gebracht werden kann. Dieser Vorschlag könnte durch die Beseitigung von Doppelungen in den verschiedenen Phasen der Informationsverbreitung zu jährlichen Einsparungen von über 300 Mio. EUR führen.

2.5   Das Erfordernis, über Märkte zu verfügen, auf denen das richtige Maß an Quantität und Qualität der Informationen zu für die Anleger erschwinglichen Kosten zur Verfügung steht, ist ein viel beachtetes Thema. Unlängst von der Universität Venedig („Ca' Foscari“) durchgeführte empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Gefahr mangelhafter Informationen (das sog. Informationsrisiko) zu 37 % für die Volatilität der europäischen Wertpapiermärkte aller Branchen in den letzten 15 Jahren verantwortlich ist. Aus den selben Untersuchungen geht auch hervor, dass das Informationsrisiko erstaunlicherweise zu mehr als 75 % auf die Verfahren der Informationsverbreitung unter den Marktakteuren zurückzuführen ist und nur zu einem Viertel auf Verzerrungen bei den Offenlegungsverfahren der Marktakteure. Dies hängt mit der Kostenstruktur der Finanzinformationen zusammen, die durch hohe Erstellungskosten bei niedrigen Kosten der Weitergabe an Dritte gekennzeichnet sind - eine unmittelbare Folge der Tatsache, dass es bezüglich der Nutzung dieser Informationen keinerlei Ausschlussmöglichkeit gibt. Das ist ein Phänomen, das per se zu geringerer Qualität der Informationen und der Verbreitungsmechanismen führt und mit erhöhter Quantität und oft mit einer Dopplung von Informationen kompensiert wird.

2.6   Der EWSA hält daher Maßnahmen zur Regelung der wirtschaftlichen Aspekte bei der Erstellung und Verbreitung von Informationen für sinnvoll, sofern sie effektiv zur Steigerung der Qualität der auf den Finanzmärkten verfügbaren Informationen beitragen können. Dadurch wird den Anlegern die Auswahl der Investitionen erleichtert, und folglich werden die Kosten für die Beschaffung von Finanzmitteln seitens der Emittenten von Wertpapieren, die in den Handel gebracht werden, gesenkt.

3.   Die wichtigsten Bestimmungen des Richtlinienvorschlags

3.1   Der Richtlinienvorschlag besteht aus fünf Artikeln, wobei sich die ersten beiden mit der Änderung der Richtlinie 2003/71/EG (der umfangreichere Artikel 1 des Vorschlags) bzw. der Richtlinie 2004/109/EG (der weniger umfangreiche Artikel 2 des Vorschlags) befassen. Die restlichen drei Artikel sind unterstützender Natur und beziehen sich auf die Umsetzung (Artikel 3), das Inkrafttreten (Artikel 4) und die Adressaten (Artikel 5).

3.2   Untersuchung und Bemerkungen zum Inhalt von Artikel 1 des Richtlinienvorschlags in Bezug auf Richtlinie 2003/71/EG

3.2.1   Vorschlag zur Änderung von Artikel 1 Absatz 2 Buchstaben h und j sowie von Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe e und zum Einfügen eines neuen Absatzes 4 in Artikel 1

3.2.1.1   Zunächst wird mit dem neuen Wortlaut spezifiziert, dass sich die Obergrenzen für die Anwendung der Regelung auf den Gesamtwert der Platzierungen im gesamten Gebiet der Europäischen Union beziehen. Diese Präzisierung ist sinnvoll, um vor allem die Umgehung der Vorschriften mittels Unterteilung eines wirtschaftlich einheitlichen Vorgangs in mehrere, rechtlich voneinander unabhängige und auf unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen basierende Transaktionen zu verhindern. Der EWSA betont, dass diese Präzisierung auch erforderlich ist, um Verzerrungen bei der Informationsverbreitung in unterschiedlichen territorialen Kontexten und die daraus ev. resultierende Vervielfachung der Kosten zu vermeiden. Dies würde sich bei Vorgängen mit kleinerem Volumen besonders nachteilig auswirken.

3.2.1.2   Außerdem werden neue Schwellenwerte festgelegt, ab denen die Richtlinie anzuwenden ist und die der gegenwärtigen Lage der Finanzmärkte Rechnung tragen. Um zu vermeiden, dass die vorgeschlagen Schwellenwerte von der Entwicklung überholt werden, soll die Kommission diese verändern können. Damit soll eine Anpassung an die im Zeitablauf für die Informationsverbreitung auf den Finanzmärkten erforderlichen Bedingungen ermöglicht werden. Der EWSA teilt die Auffassung, dass sich die Schwellenwerte leichter an die Marktbedingungen anpassen lassen müssen, empfiehlt jedoch, dass die von der Kommission vorgenommenen Änderungen auf Vorschlägen der Aufsichtsbehörden für die Überwachung der Märkte und der Finanzintermediäre basieren sollten, da diese Behörden aufgrund ihres Tätigkeitsfeldes die effektiven Markterfordernisse besser kontinuierlich beobachten können.

3.2.2   Vorschlag zur Änderung von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe e und Buchstabe m Ziffer ii)

3.2.2.1   Der Vorschlag zielt auf die Anpassung der Definition des „qualifizierten Anlegers“ an die bereits in der MiFID-Richtlinie enthaltene Definition ab. Die EWSA befürwortet diesen Vorschlag, da er zur Vereinheitlichung des Rechtsrahmens der Europäischen Union beiträgt.

3.2.2.2   Dabei werden die Kriterien zur Festlegung des geografischen Geltungsbereichs der Regelungen für Nichtdividendenwerte mit einer Stückelung von unter 1 000 EUR aufgestellt, wobei dieser auf die Mitgliedstaaten beschränkt wird, in denen entweder der Emittent seinen Sitz hat oder der Schuldtitel zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen oder öffentlich angeboten werden soll. Der EWSA unterstützt die Bestrebungen zur Vereinfachung der Verfahren und damit zur Vermeidung von Mehrfachkosten für die gleichzeitige Erstellung mehrerer Prospekte. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass der Marktwert der Wertpapiere sich grundsätzlich vom Nennwert - der Stückelung - unterscheidet, wobei letztere häufig nur dazu dient, die Höhe der Beteiligung rechtlich festzulegen. Demzufolge haben nicht alle Wertpapiere einen Nennwert und ist es in einigen Rechtsordnungen möglich, solche Titel o. N. (ohne Nennwert) auszugeben, insbesondere bei Schuldtiteln, die nicht für einen Kapitalanteil stehen. Der EWSA empfiehlt daher, den Vorschlag dahingehend zu ergänzen, dass der Begriff der Stückelung bei Dividendenwerten überall durch Marktwert (oder Ausgabewert) und bei Nichtdividendenwerten überall durch Basiswert (Underlying) ersetzt wird.

3.2.3   Vorschlag zur Änderung von Artikel 3 Absatz 2

3.2.3.1   Der Vorschlag sieht vor, dass die mit der Platzierung beauftragten Finanzintermediäre den Prospekt des Emittenten, sofern er den europäischen Rechtsvorschriften entspricht, verwenden und somit Kosten für die Erstellung weiterer Unterlagen sparen können. Der EWSA stimmt mit diesem Vorschlag und den dafür angeführten Gründen grundsätzlich überein, empfiehlt jedoch genauere Erläuterungen bezüglich der Anwendung der neuen Rechtsvorschrift für den Fall, dass der Finanzintermediär seinen Sitz in einem Drittstaat hat und Wertpapiere in einem anderen als dem Sitzland des Emittenten platziert.

3.2.3.2   Der EWSA weist zudem daraufhin, dass die oben unter 3.2.3.1 erörterten Möglichkeiten für Weiterveräußerer („retail cascade“) nicht der Tatsache zuwiderlaufen dürfen, dass die Informationen rasch veralten können. Er schlägt daher vor, dass die vom Emittenten (bzw. vom Finanzintermediär) genannten Marktkontroll- und -Aufsichtsbehörden bei der Veröffentlichung eines Prospekts eine Gültigkeitsdauer festlegen, nach deren Ablauf der Prospekt aktualisiert werden muss, soweit die jeweilige Transaktion, die der Ausgabe des Prospekts zu Grunde lag, noch im Gange ist.

3.2.4   Vorschlag zur Änderung von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe e

3.2.4.1   Dieser Vorschlag stellt darauf ab, die in den derzeit geltenden Rechtsvorschriften vorgesehene Freistellung auch auf Belegschaftsaktienprogramme von Unternehmen auszudehnen, die nicht an einem geregelten Markt notiert sind (d.h. auch auf in Drittstaaten börsennotierte Unternehmen). Hinter diesem Vorschlag steht das Bestreben, Unterschiede in der Behandlung der verschiedenen Kategorien von Unternehmen (in der EU börsennotierte und nicht börsennotierte Unternehmen und in Drittländern börsennotierte Gesellschaften) abzuschaffen und die Kosten für Wertpapierangebote an Anleger, die in ihrer Eigenschaft als Beschäftigte bereits über die Risiken der Anlage informiert sind, zu begrenzen.

3.2.4.2   Der EWSA unterstützt die angestrebte Kostenreduzierung, betont jedoch, dass die Ausgabe von Wertpapieren an Beschäftigte an und für sich für Anleger am sog. Sekundärmarkt eine wichtige Informationen für sein könnte, insbesondere wenn es um internationale Konzerne geht. Der EWSA würde es daher begrüßen, wenn die Ausweitung der Freistellung mit einer Überprüfung der Rechtsvorschriften über die Markttransparenz einherginge. Der EWSA könnte im Rahmen einer spezifischen Initiativstellungnahme die Änderung der Richtlinie über die Markttransparenz vorschlagen.

3.2.5   Vorschlag zur Änderung von Artikel 5 Absatz 2, Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 7

3.2.5.1   Im Richtlinienvorschlag wird angeregt, der Prospektzusammenfassung einen größeren Stellenwert einzuräumen, da sie vor allem bei den Kleinanlegern große Beachtung findet. Fehler in der Prospektzusammenfassung könnten eine Haftpflicht des Verfassers nach sich ziehen. Im Vorschlag wird jedoch auch festgestellt, dass die Anzahl der Wörter kein geeigneter Indikator für den Informationsgehalt des Dokuments ist, der vielmehr in den „wesentlichen Angaben“ zu suchen ist.

3.2.5.2   Der EWSA schließt sich der Ansicht an, dass die Wortzahl kein geeigneter Indikator für den Informationsgehalt der Prospektzusammenfassung sein kann, hält es jedoch für erforderlich, dass in der vorgeschlagenen Richtlinie genauere Kriterien dafür festgelegt werden, welche Informationen am wichtigsten sind. Da die Anleger eine Investition anhand des Verhältnisses zwischen erwartetem Risiko und Ertrag beurteilen müssen, sollten die wesentlichen Informationen jene sein, die sich am stärksten auf das Risikoprofil der Anlage auswirken, wobei dieses allerdings an und für sich nur schwer zu ermitteln ist. Daher wird vorgeschlagen, dass die wesentlichen Informationen auf der Grundlage ihrer potenziellen Auswirkungen festgelegt werden, welche durch in anderen EU-Rechtsvorschriften bereits vorgesehene einheitliche Indikatoren gemessen werden können, z.B. anhand des „Value-at-risk“- Indikators. Eine alternative technische Lösung, die der Vereinfachung dient und die Unterstützung des EWSA findet, besteht darin, den „Value-at-risk“ zur Pflichtangabe in der Prospektzusammenfassung zu machen.

3.2.6   Vorschlag zur Änderung von Artikel 7 Absatz 2

Mit dieser Änderung sollen die Kosten für die Erstellung des Prospekts an die Größe der Emission angepasst bzw. bei Bezugsrechtsemissionen in einen angemessenen Rahmen gebracht werden. Bekanntlich stehen die Kosten für die Erstellung eines Prospekts nicht immer im richtigen Verhältnis zur Dimension des entsprechenden Finanzprojekts, weshalb sie bei kleineren Projekten unverhältnismäßig stark zu Buche schlagen. Bei Bezugsrechtsemissionen dagegen wird die Verringerung der Pflichten mit der Annahme begründet, dass „die vorhandenen Aktionäre ihre Entscheidung, in das Unternehmen zu investieren, bereits getroffen haben und somit über die notwendigen Informationen verfügen dürften“.

Der EWSA schließt sich der Ansicht an, dass das Gewicht der Fixkosten für den Prospekt in Abhängigkeit vom Umfang des Emissionsprojekts verringert werden muss, da dies ein objektiv festzustellendes Problem ist. Dagegen hält er die Begründung, die für die Verringerung der Pflichten bei Bezugsrechten vorgebracht wird, für unzureichend, da es nach der Emission häufig einen Handel mit den ausgegebenen Bezugsrechten gibt, an dem auch Personen teilnehmen, die zum Zeitpunkt der Emission nicht zur Aktiengesellschaft gehörten und damit hinsichtlich der Informationen benachteiligt sein könnten. Wie schon weiter oben dargelegt wurde, wäre es auch in diesen beiden Fällen sinnvoll, den „Value-at-risk“ zur Pflichtangabe in der Prospektzusammenfassung zu machen, um die Kosten für die Erstellung des Prospekts zu beschränken, ohne den Informationsgehalt der Prospektzusammenfassung wesentlich zu beeinträchtigen.

3.2.7   Vorschlag zur Änderung von Artikel 8

Mit der zu Artikel 8 vorgeschlagenen Änderung soll die Pflicht zur Veröffentlichung von Angaben zum Garantiegeber einer Emission entfallen, wenn dies ein Staat ist, damit so die Gesamtkosten der Emission gesenkt werden können. Der EWSA begrüßt grundsätzlich diesen Vorschlag, empfiehlt jedoch, zumindest das letzte Rating des Garantiegebers in den Prospekt aufzunehmen, da dieses bei gleicher Ausgabewährung von Staat und Staat verschieden ist und die Garantie auch von staatlichen Körperschaften mit eigener Finanzautonomie oder gegebenenfalls von eigens gegründeten öffentlich-rechtlichen Zweckgesellschaften stammen könnte.

3.2.8   Vorschlag zur Änderung von Artikel 9 und Artikel 14 Absatz 4

Mit diesem Vorschlag soll die Geltungsdauer des Prospekts von derzeit 12 auf 24 Monate verlängert werden. Der EWSA bekräftigt seine bereits dargelegte Ansicht, dass sich aufgrund der Art von Finanzinformationen die Gültigkeitsdauer der Information nicht strikt festlegen lässt. Er schlägt daher vor, die derzeitige Geltungsdauer von 12 Monaten beizubehalten und den Aufsichtsbehörden für die Finanzmärkte die Befugnis einzuräumen, diese Dauer auf begründeten Antrag des Emittenten um weitere 12 Monate zu verlängern.

3.2.9   Vorschlag zur Änderung von Artikel 10, Artikel 11 Absatz 1, Artikel 12 Absatz 2 und Artikel 14 Absatz 4

3.2.9.1   Der EWSA begrüßt den Vorschlag zur Aufhebung von Artikel 10 der Richtlinie, da die Pflicht zur Veröffentlichung aller Informationen der letzten 12 Monate, die ja bereits zur Verfügung gestellt wurden, dem Emittenten unnötige Mehrkosten verursachen, ohne dem Anleger irgendeinen Nutzen zu bringen. Die Anleger können mittels moderner Informationstechnologien problemlos die Prospekte der Vergangenheit aufrufen, insbesondere angesichts der vorgesehenen Änderung von Artikel 14, wonach die Pflicht zur Veröffentlichung im Internet auf die übliche Frist verlängert wird.

3.2.9.2   Die Vorschläge zur Änderung von Artikel 11 und 12 sind die logische Folge der Aufhebung von Artikel 10, weshalb es vorbehaltlich der Anmerkung in der vorhergehenden Ziffer seitens des Ausschusses keine Einwände dazu gibt.

3.2.10   Vorschlag zur Änderung von Artikel 16

3.2.10.1   Mit diesem Vorschlag soll insbesondere der Zeitpunkt präzisiert werden, zu dem die Informationspflicht endet, insbesondere weil der Schluss des Angebots und die Eröffnung des Handels zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattfinden können. Dem Vorschlag zufolge sollte von diesen beiden Zeitpunkten derjenige gewählt werden, der zuerst eintritt. Der EWSA hält es für sinnvoll, in den Vorschlag eine Bestimmung aufzunehmen, wonach die mit der Platzierung beauftragten Finanzintermediäre die Menge der im Zeitraum zwischen Angebotschluss und Beginn des Handels gehandelten Wertpapiere veröffentlichen müssen. Die Daten der in diesem als Graumarkt bezeichneten Zeitraum gehandelten Wertpapiere müssen von einer Aufsichtsbehörde bestätigt werden und auch die Angaben zum Handel zwischen den an der Platzierung beteiligten Intermediären beinhalten.

3.2.10.2   In dem Vorschlag wird sodann ein einheitlicher Zeitraum festgelegt, innerhalb dessen Anleger frühere Zusagen zurücknehmen können, nämlich binnen zweier Tage nach Veröffentlichung des Prospektnachtrags. Der EWSA begrüßt den Vorschlag, die Fristen für die Inanspruchnahme der Rücktrittsrechts zu vereinheitlichen, empfiehlt jedoch die Einführung einer Pflicht zur Übersendung des Nachtrags an die Anleger, die bereits eine Zusage abgegeben haben (an eine eigens dafür angegebene E-Mail-Adresse).

3.2.11   Vorschlag zur Änderung von Artikel 18

Die vorgeschlagene Änderung von Artikel 18 der geltenden Richtlinie ist ausgesprochen technischer Art und soll für eine schnellere Übermittlung der Bescheinigung über die Billigung des Prospekts Sorge tragen. Dadurch können die Kosten und Risiken im Zusammenhang mit technischen Fehlern bei der Veröffentlichung der Prospekte verringert werden, was insbesondere für die Staaten gilt, in denen der Europäische Pass nicht voll wirksam ist. Der EWSA begrüßt die vorgeschlagene Änderung.

3.3   Untersuchung und Bemerkungen zum Inhalt von Artikel 2 des Richtlinienvorschlags (Änderung der Richtlinie 2004/109/EG)

Die in Artikel 2 vorgeschlagenen Änderungen dienen dazu, den Inhalt der vorhergehenden Punkte mit dem Wortlaut dieser Richtlinie abzustimmen. Der EWSA begrüßt diese Änderungen unbeschadet der in den vorstehenden Punkten bereits vorgebrachten Anmerkungen.

Brüssel, den 18. Februar 2010

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI