5.8.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 212/111


Donnerstag, 7. Mai 2009
Madagaskar

P6_TA(2009)0392

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Mai 2009 zur Lage in Madagaskar

2010/C 212 E/17

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf die Erklärungen des Vorsitzes im Namen der Europäischen Union vom 17. und 20. März 2009,

unter Hinweis auf die Machtübernahme durch das Militär in Mauretanien und der Republik Guinea in den letzten Monaten und die als Reaktion hierauf von der internationalen Gemeinschaft verhängten Sanktionen,

unter Hinweis auf die erste Beratungssitzung der internationalen Kontaktgruppe für Madagaskar, die am 30. April 2009 in Addis Abeba stattfand,

gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass nach zwei Monaten heftiger Kämpfe in Madagaskar am 17. März 2009 von Andry Rajoelina, ehemaliger Bürgermeister der madagassischen Hauptstadt Antananarivo, mit Unterstützung der Armee ein Staatsstreich verübt wurde,

B.

in der Erwägung, dass eine selbsternannte „Oberste Behörde für den Übergang“ unter Vorsitz von Andry Rajoelina die Nationalversammlung und den Senat aufgelöst hat und der demokratisch gewählte Präsident Marc Ravalomanana unter dem Druck der Aufständischen gezwungen war, Madagaskar zu verlassen,

C.

in der Erwägung, dass Andry Rajoelina, der im Dezember 2007 zum Bürgermeister von Antananarivo, der Hauptstadt Madagaskars, gewählt worden war, im Februar 2009 von der vorherigen Regierung gewaltsam abgesetzt wurde,

D.

in der Erwägung, dass der Zorn der Öffentlichkeit sich durch einen Plan der früheren Regierung, eine Million Hektar Land im Süden des Landes an ein koreanisches Unternehmen zur intensiven Bewirtschaftung zu verpachten, noch verstärkt hat,

E.

in der Erwägung, dass dieser verfassungswidrige Regierungswechsel ein weiterer schwerer Rückschlag für die auf dem afrikanischen Kontinent in Gang gekommenen Demokratisierungsprozesse ist, was verstärkte Besorgnis über das Wiederaufleben des Übels der Staatsstreiche in Afrika auslöst, wie dies auf der 12. ordentlichen Tagung der Versammlung der Afrikanischen Union vom 1. bis 4. Februar 2009 in Addis Abeba zum Ausdruck gebracht wurde,

F.

in der Erwägung der willkürlichen Verhaftung des Premierministers Manadofi-Rakotonirina, der vom gewählten Präsidenten ernannt worden war, sowie eines weiteren Mitglieds seiner Regierung,

G.

in der Erwägung, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und die internationalen Organisationen, denen Madagaskar angehört, dieses De-facto-Regime nicht anerkennen und fordern, dass wieder eine verfassungsgemäße Regierung eingesetzt wird,

H.

in der Erwägung, dass Madagaskars Mitgliedschaft in den regionalen Zusammenschlüssen, Afrikanische Union (AU) und Entwicklungsgemeinschaft Südliches Afrika (SADC), sowie in der internationalen Organisation Französischsprachiger Länder und der Interparlamentarischen Union ausgesetzt wurde und dass die Europäische Union, die Vereinigten Staaten von Amerika, Norwegen und Frankreich den durch den Staatsstreich begangenen Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit und die Verfassungsordnung verurteilt und ihre Hilfsleistungen ausgesetzt haben,

I.

in der Erwägung, dass im Rahmen des EU-Afrika-Dialogs auf dem 12. Ministertreffen der EU-Afrika-Troika, das am 28. April 2009 in Luxemburg stattfand, die baldige Abhaltung nationaler Wahlen und die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung gefordert wurde,

J.

in der Erwägung, dass seit dem Tag, an dem Andry Rajoelina als De-facto-Staatsoberhaupt eingesetzt wurde, in der Hauptstadt weiterhin friedliche Demonstrationen unter Beteiligung von Zehntausenden von Personen stattfinden, die von den Streitkräften gewaltsam unterdrückt werden,

K.

in der Erwägung, dass die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung auf den folgenden Zielen und Prinzipien beruhen sollte: klarer Zeitplan für die Abhaltung freier, fairer und transparenter Wahlen, Einbeziehung aller politischen und gesellschaftlichen Kräfte des Landes einschließlich des Präsidenten Marc Ravalomanana sowie anderer Persönlichkeiten des Landes, Förderung eines Konsenses zwischen den madagassischen Parteien, Einhaltung der Verfassung von Madagaskar sowie Einhaltung einschlägiger AU-Instrumente und der internationalen Verpflichtungen Madagaskars,

L.

in der Erwägung, dass sich in der oben genannten ersten Beratungssitzung der Internationalen Kontaktgruppe für Madagaskar neben Vertretern der VN, der AU und der Europäischen Union viele andere regionale Organisationen und Länder trafen, um die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft zur Förderung der raschen Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung in Madagaskar zu koordinieren,

M.

in der Erwägung, dass die Vereinten Nationen einen Aufruf zur Bereitstellung von 35,7 Millionen US-Dollar an humanitärer Hilfe für das Land zur Vorbeugung von Nahrungsmittelmangel später in diesem Jahr als Folge der durch die verfahrene politische Situation verursachten Unterbrechung von Hilfeleistungen lanciert haben,

N.

in der Erwägung, dass die Mehrheit der Bevölkerung von weniger als einem US-Dollar pro Tag leben muss und dass niedrige Einkommen die Möglichkeit der meisten Haushalte, Zugang zu Nahrungsmitteln, Wasser und sanitären Einrichtungen, Gesundheitsdiensten und Bildung geschmälert haben,

O.

in der Erwägung, dass das Land in drei aufeinanderfolgenden Jahren unter Dürre und Missernten, steigenden Nahrungsmittelpreisen und chronisch unsicherer Nahrungsmittelversorgung sowie Wirbelstürmen gelitten hat,

1.

verurteilt mit Entschiedenheit den Staatsstreich und alle Versuche, die Macht durch undemokratische Maßnahmen zu erringen;

2.

fordert die unverzügliche Wiederherstellung der recht- und verfassungsmäßigen Ordnung im Land und fordert die madagassischen Parteien auf, die Bestimmungen der Verfassung von Madagaskar bei der Lösung der Krise uneingeschränkt zu befolgen;

3.

bedauert die Auflösung der Nationalversammlung und des Senats, fordert ihre sofortige Wiedereinsetzung und verlangt, dass die Mandate und die Immunität der Parlamentsmitglieder so lange anerkannt werden, bis neue Parlamentswahlen stattgefunden haben;

4.

fordert die internationale Gemeinschaft auf, ihre Bemühungen zur Beendigung der politischen Gewalt in Madagaskar zu intensivieren;

5.

ist der Auffassung, dass Stabilität, Wohlstand und demokratische Freiheiten nur durch einen einvernehmlichen und alle einbeziehenden Dialogprozess gewährleistet werden können, der sich mit den grundlegenden Ursachen der zahlreichen wirtschaftlichen, sozialen, politischen und ökologischen Probleme des Landes befasst, von allen Parteien akzeptiert wird und zu einer direkten Konsultation des madagassischen Volks führt;

6.

fordert alle politischen Akteure auf, verantwortungsvolle Staatsführung und den Kampf gegen die Armut ganz oben auf den Aufgabenkatalog zu setzen, um durch Einführung einer soliden nachhaltigen Entwicklungspolitik im Sinne von Sicherstellung eines Grundgesundheitsdienstes, Erziehung und Bildung, Schaffung von Arbeitsplätzen usw. die Verteilung des Wohlstands und des Lebensstandards der Bevölkerung zu verbessern;

7.

unterstützt die von regionalen Organisationen ergriffenen Initiativen und den Beschluss der AU, in Antananarivo ein ausführendes Organ der internationalen Kontaktgruppe für Madagaskar unter dem Vorsitz des Sonderbeauftragten des Präsidenten der AU-Kommission, Ablassé Ouedraogo, anzusiedeln;

8.

fordert den AU-Sonderbeauftragten für Madagaskar auf, in Zusammenarbeit mit Vertretern der internationalen Gemeinschaft in Antananarivo auf der Grundlage der Diskussionen, die bereits unter der Schirmherrschaft der AU und der VN begonnen haben, Kontakt mit allen madagassischen Parteien aufzunehmen und mit ihnen eine Einigung darüber herbeizuführen, auf welche Weise eine rasche Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung erreicht werden kann;

9.

weist mit Nachdruck auf die Verschlechterung der humanitären Lage im Land hin, die durch die derzeitigen politischen Ereignisse noch beschleunigt wurde, und drängt die internationale Gemeinschaft und insbesondere die Europäische Union, vermehrt humanitäre Hilfe bereitzustellen, um die Leiden der Bevölkerung von Madagaskar zu lindern;

10.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Mitgliedstaaten, den rechtmäßigen Staatsorganen der Republik Madagaskar, der Obersten Behörde für den Übergang, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union, der SADC, dem Dienst für Humanitäre Hilfe der Europäischen Kommission, dem Zentralen Fonds für die Reaktion auf Notsituationen und dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der VN zu übermitteln.