18.5.2010 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 128/48 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Universitäten für Europa“
(Initiativstellungnahme)
(2010/C 128/09)
Hauptberichterstatter: Joost VAN IERSEL
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 5. März 2009, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:
„Universitäten für Europa“
Die Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt (Beobachtungsstelle für die Lissabon-Strategie) wurde mit der Vorbereitung der diesbezüglichen Arbeiten des Ausschusses beauftragt worden.
Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 457. Plenartagung am 4./5. November 2009 (Sitzung vom 4. November) Joost Van Iersel zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 158 Stimmen gegen 8 Stimmen bei 12 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist der Auffassung, dass Universitäten im Wissensdreieck „Bildung, Forschung Innovation“ eine wichtige Rolle spielen. Sie müssen als maßgebliche Faktoren für nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklungen in Europa betrachtet werden. Im derzeitigen nicht optimalen Hochschulwesen wird das große Potenzial der Hochschulen nicht genügend ausgeschöpft. Die Verbesserung der diesbezüglichen Situation sollte in der Lissabon-Strategie nach 2010 einen festen Platz einnehmen.
1.2. Seit der Konferenz von Bologna im Jahr 1999 und der späteren Lissabon-Strategie wurde den Hochschulen auf EU-Ebene zunehmend mehr Gewicht eingeräumt. Auch wenn die Mitgliedstaaten und die Universitäten neue Ziele festgelegt haben, wächst in Hochschulkreisen und in der Gesellschaft die Besorgnis über die Zersplitterung des europäischen Hochschulwesens und das langsame Tempo dringend erforderlicher Reformen.
1.3. Der EWSA ist der Auffassung, dass die europäischen Universitäten reformiert werden müssen, da die weltweiten Entwicklungen in Wirtschaft, Technik und Bildung und die derzeitige Krise ein günstigeres Preis-Leistungs-Verhältnis sowie bessere Bedingungen und mehr Chancen für Studierende, Dozenten und Forscher erforderlich machen.
1.4. Zu den notwendigen Anpassungen gehören mehr Autonomie und Verantwortung der Universitäten bei der Erfüllung ihres Auftrags gegenüber der Gesellschaft, mehr (d.h. zureichende) Finanzierungsmöglichkeiten, mehr Transparenz und Offenheit, Partnerschaften mit Unternehmen, die Förderung der Exzellenz in Lehre und Forschung (auf Weltniveau) und angemessenes Personalmanagement.
1.5. Der EWSA unterstreicht, dass es einer europaweiten Methodik bedarf, um Leistungen zu beurteilen und vergleichbare Daten zu erheben. Eine europäische Beurteilung sollte auf einer eingehenden Untersuchung durch unabhängige Fachleute beruhen und weit über bloße Literaturrecherchen und die eindimensionale „Shanghai-Liste“ hinausgehen und eine breite Palette multidimensionaler Indikatoren umfassen (1).
1.6. Neben einer breiten Grundlage, die multidisziplinäre Entwicklungen und neue Kombinationen erleichtert, sollten aktuelle und vergleichbare Standards für Bildung und Forschung zu Vielfalt und Spezialisierung unter den Hochschulen beitragen und eine Abkehr von Einheitlichkeit und Gleichförmigkeit bewirken.
1.7. Der EWSA plädiert für eine kohärente Einbeziehung der Universitäten in die überarbeitete Lissabon-Strategie im Rahmen des europäischen Hochschulraums (EHR) und des europäischen Forschungsraums (EFR) (2).
1.8. Studierende und Dozenten sollten mehr Möglichkeiten erhalten, in Europa eine multidisziplinäre Karriere zu verfolgen. Das impliziert u.a. ein offenes Einstellungsverfahren und eine Charta der Forscher, was im Zusammenhang mit der Einführung einer „fünften Freiheit“, d.h. der Freiheit der Verbreitung des Wissens, steht; gleichzeitig sollten die Vielfalt der Ansätze und der Wettbewerb aufrechterhalten werden, um beste Ergebnisse zu erzielen.
1.9. Es sollte ein europaweites offenes Konzept für Hochschuldozenten, Forscher und Studierende aus Drittstaaten und für Spitzenuniversitäten erarbeitet werden.
1.10. Der EWSA plädiert für beratende Bildungsplattformen auf EU- und nationaler Ebene, an denen auch Vertreter der Zivilgesellschaft teilnehmen. Sowohl globale als auch regionale Exzellenzzentren sollten sich um ihr jeweiliges gesellschaftliches und geografisches Umfeld bemühen. Das kann zudem sowohl der Förderung des Unternehmergeistes an Universitäten als auch den Wirtschafts- und Wissensclustern dienen.
1.11. Durch eine unabhängige Rolle und Position, wie sie die Universitäten lange Zeit innehatten, könnten sie wieder als geistige Triebkräfte für Europa Ansporn und Bestärkung erfahren. Europäische Konzepte für Bildung und Dozentur, Wissenschaft und Spitzenforschung sowie Spezialisierung sollten sich nicht nur auf die Ausweitung und Vertiefung von FuE und Innovation in Europa beschränken. Vielmehr müssen sie auch auf andere Kompetenz- und Fachbereiche ausgeweitet werden, z.B. die medizinische Forschung und Praxis, die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und die Geisteswissenschaften.
1.12. Die Kommission sollte hier weiterhin Unterstützung bieten und eine sichtbare und aktive Rolle in diesem Prozess spielen.
1.13. Der EWSA hält eine Intensivierung der Beziehungen zwischen Hochschulwesen und EU für keine rein technische Angelegenheit. Sie dürfen sich auch nicht allein auf die Wirtschaft beschränken, wenngleich sie besonders wichtig ist. Es geht darum, den Blick zu öffnen, um die allgemeine Bedeutung von Hochschulen für das lebenslange Lernen, die Bildung, das intellektuelle Leben, die Gesellschaft und die Zivilisation zu erkennen.
1.14. Die Gründerväter und ihre Nachfahren wussten, warum sie den Bildungsbereich aus den Römischen Verträgen herausgehalten haben; aber die Zeiten haben sich geändert. Nationale Souveränität und Vielfalt sollten Hand in Hand gehen mit der Erkenntnis, dass die EU ein gleichberechtigter Partner und Konkurrent auf globaler Ebene sein muss. Hochschulen sind dafür entscheidende Partner.
1.15. Anders gesagt: Die Hochschulen sollten nicht länger Statisten, sondern Protagonisten der europäischen Integration sein. Der Rat sollte diesbezüglich einen deutlichen und zukunftorientierten Standpunkt vertreten.
2. Einleitung
2.1. Seit jeher haben Universitäten bei der Entwicklung der europäischen Gesellschaft eine herausragende Rolle gespielt. Sie waren der Mittelpunkt des intellektuellen Lebens und sind bis heute in vielerlei Hinsicht die Triebkräfte des Fortschritts.
2.2. Dozenten und Wissenschaftler gingen von einer selbst verwalteten Universität in Europa zur anderen und hatten großen Einfluss auf die Sichtweisen in Bezug auf alle gesellschaftlichen Phänomene und die Wissenschaften. Sie konnten Generationen von Kreisen und Persönlichkeiten formen, die Europa politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich in entscheidender Wiese prägten.
2.3. Als ab dem 18. Jahrhundert nach und nach die Nationalstaaten entstanden, wurden die Universitäten überwiegend zu Institutionen, die als nationale Bildungseinrichtungen im Dienst der staatlichen Interessen in den Bereichen Wissenschaft und Forschung standen. Diese Entwicklung hat tiefe Spuren hinterlassen. Ungeachtet zunehmender Internationalisierung auch im Wissenschaftsbereich sind die Hochschulbildung und sogar die Wissenschaft und Technologie in den Universitäten weiterhin zu einem gewissen Maße einzelstaatlich motiviert.
2.4. Eingriffe der Politik wurden zunehmend zur Normalität. Die Organisation der Bildungssysteme aller Ebenen richtet sich jetzt nach politischen Entscheidungen auf nationaler Ebene. Die Hochschulbildung ist überall stark einzelstaatlich geprägt. Sie weist zahlreiche und komplizierte institutionelle Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten auf, die aber oft mit gleichförmigen Bildungsinhalten einhergehen.
2.5. Wichtige Elemente dieser europäischen Situation sind unterschiedliche institutionelle Rahmen, finanzielle Modalitäten, Lenkungsformen, Grade an Selbstverwaltung sowie Einstellungsverfahren und Laufbahnen von Professoren und Wissenschaftlern.
2.6. Da Wissenschaft keine Grenzen kennt, wurden die Wissenschaftler und Forscher zunehmend selbst Bestandteil europäischer und weltweiter Netzwerke. Dementsprechend werden auch Forschungsprogramme zunehmend internationalisiert, wenngleich in geringerem Umfang. Als bemerkenswerte Ausnahme ist hingegen die private Hochschulbildung, insbesondere die der Wirtschaftshochschulen, von Vornherein internationaler ausgerichtet, und zwar sowohl hinsichtlich des Studienangebots als auch ihrer Konzepte.
2.7. In den Römischen Verträgen und den Folgeverträgen gibt es kein Kapitel zum Bildungswesen. Damals wurde kein Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Integration und Bildung gesehen. Bildung blieb eine Angelegenheit der Einzelstaaten und fiel vollständig unter das Subsidiaritätsprinzip. Jede Entscheidung bezüglich Bildung auf europäischer Ebene wird in einem zwischenstaatlichen Rahmen getroffen.
2.8. Gleichwohl können Teile des Bildungssektors nicht mehr länger vom Integrationsprozess losgelöst betrachtet werden. Mit ausdrücklicher Unterstützung der Sozialpartner begann dies mit den Bildungsaspekten, die am unmittelbarsten mit der Wirtschaft und dem Arbeitsmarkt verknüpft sind, nämlich der Verbesserung der beruflichen Qualifikationen und der beruflichen Bildung.
2.9. Seit 1986 trägt das Austauschprogramm für Hochschulstudenten „Erasmus“ zur Internationalisierung der Lebensläufe von Studierenden bei. 2009 wurde dieses Programm um „Erasmus Mundus“ ergänzt. Zu erwähnen wären außerdem spezielle Programme wie Comett, ein Austauschprogramm zwischen Universitäten und Unternehmen im Technologiebereich, Marie Curie, ein Austauschprogramm für Forscher, sowie Sokrates, ein Programm für lebenslanges Lernen.
2.10. Für die Universitäten ging es 1999 einen großen Schritt vorwärts, als die Bildungsminister aus 29 Ländern die Bologna-Erklärung verabschiedeten.
2.11. Am Bologna-Prozess beteiligen sich jetzt 46 europäische Länder. Übergeordnetes Ziel ist die Schaffung eines europäischen Hochschulraums. Während des letzten Jahrzehnts wurde das Spektrum der Diskussionsthemen erheblich erweitert (3). Die Prioritäten des Bologna-Prozesses lauten: Einführung eines dreigliedrigen Studiensystems (Bachelor-, Master-, Promotionsstudiengang) mit stärkerer Gewichtung der Bestandteile Promotionsstudiengänge und Forschung, Qualitätssicherung, Anerkennung von Qualifikationen und Abschlüssen, Studienzeiten, „European Credit Transfer System“ (ECTS), lebenslanges Lernen, soziale Dimension der Hochschulbildung, Mobilität von Hochschulstudenten und -dozenten sowie Erkundung der externen Dimensionen des EHR.
2.12. In der Lissabon-Strategie wird die Verbindung zwischen Wissen und Wettbewerbsfähigkeit besonders hervorgehoben. Damit wurden Impulse gegeben, um die Universitäten im Denkansatz der Gemeinschaft aus dem Rand in den Mittelpunkt zu rücken. Eine steigende Zahl von Forschungs- und Innovationsprojekten, die von der Kommission geplant wurden, führten zu einer breiteren internationalen Zusammenarbeit innerhalb Europas.
2.13. Zum selben Zweck setzte die Kommission in mehreren Mitteilungen Diskussionen über die Reform und die Modernisierung der Universitäten auf die Tagesordnung (4).
2.14. Die Reformen des Hochschulwesens verlaufen in den einzelnen europäischen Ländern mit unterschiedlicher Geschwindigkeit.
2.15. 2005 stieß die erneuerte Lissabon-Strategie ebenfalls neue Initiativen zur Mobilisierung der Universitäten an. Am wichtigsten sind die Beschlüsse des Rates über die Einrichtung des Europäischen Forschungsrates (ERC, 2007) und des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts (EIT, 2008). In die gleiche Richtung zielt das Grünbuch „Der Europäische Forschungsraum - Neue Perspektiven“ (5).
2.16. Ein Sonderfall ist die Europäische Charta für Forscher und der Verhaltenskodex für die Einstellung von Forschern (2005) (6). Die Charta und der Kodex wurden von über 800 Hochschuleinrichtungen unterzeichnet. In der Praxis werden sie aber von vielen Einrichtungen nicht angewandt. Zuweilen setzen sich spezifische und erfolgreiche Traditionen durch.
2.17. Die Kommission arbeitet gegenwärtig an einer europäischen Kennzeichnung, um die Umsetzung der Charta und des Kodex anzuspornen, mit denen eine gewisse Vielfalt von Ansätzen gewahrt bleiben soll.
2.18. Eine wirksame Beteiligung europäischer Universitäten an der europäischen Integration ist ein langwieriger Prozess. Dozenten, Wissenschaftler, Forscher und Studierende beteiligen sich zunehmend mehr an den internationalen Programmen; aber die Universitäten als Institutionen werden noch oft von Traditionen und einzelstaatlichen Regelungen gehemmt. Die Weiterentwicklung wird auch dadurch verlangsamt, dass die Bildung in den europäischen Verträgen weiterhin nicht thematisiert wird.
2.19. Die weltweite Vernetzung von Wissenschaftlern und Forschern nimmt aufgrund der Interaktionen zwischen Universitäten, Forschungsinstituten und multinationalen Unternehmen zu. Diese Tendenz spiegelt sich auch in den Gemeinschaftsprogrammen wider.
2.20. Diese Stellungnahme konzentriert sich auf neue Tendenzen und Rahmenbedingungen, um die Universitäten effizienter und augenfälliger in die europäische Integration einzubeziehen. Die Universitäten sollten im Einklang mit ihrer historisch gewachsenen Bestimmung nicht nur von der Lissabon-Agenda angestoßen werden, sondern selbst als wesentliche Impulsgeber des Prozesses fungieren.
3. Allgemeine Anmerkungen
3.1. In den letzten Jahrzehnten wurden immer mehr Initiativen und Programme zur Förderung der Internationalisierung der Hochschulbildung in Europa aufgelegt.
3.2. Der EWSA ist der Ansicht, dass die Universitäten am neuen Programmzyklus der Lissabon-Strategie konkret beteiligt werden sollten, um ihnen neue Impulse zu verleihen.
3.3. Internationale Analysen belegen allerdings einstimmig, dass die europäische Wissenschaft angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich die Technologie und Innovation entwickelt und der Wettbewerb zunimmt, im Großen und Ganzen unzureichend auf die Zukunft vorbereitet ist und relativ gesehen sogar an Boden verliert (7).
3.4. Ziele müssen die optimale Talententfaltung und der gleichberechtigte Zugang in ganz Europa - einschließlich des Übergangs zwischen verschiedenen Ebenen der Hochschulbildung und des lebenslangen Lernens - unter Vermeidung jeder Form der Diskriminierung sein. Ein besonderes Problem ist die hohe Zahl der Studienabbrecher. Es sind effizientere Methoden der Betreuung zu entwickeln. Der öffentliche Auftrag der Hochschulen in Europa muss erhalten bleiben; er stellt kein Hindernis für die Gewährleistung von Qualität und Spitzenleistungen dar (8).
Trotz aller Unterschiede, zu denen auch noch erhebliche Qualitätsunterschiede bei Forschung und Lehre hinzukommen können, sollten die europäischen Gemeinsamkeiten untersucht werden. Im Rahmen dieser Stellungnahme lohnt es sich, folgende Punkte hervorzuheben:
3.5.1. Grad an Autonomie. Die Situation ist äußerst komplex. Denn wenngleich die Tendenz besteht, den Universitäten mehr Autonomie zu gewähren, bleibt die Einmischung durch staatliche Behörden gemeinhin vorherrschend (9). Mit dem Mangel an Eigenständigkeit und Eigenverantwortung gehen in der Regel tradierte Sichtweisen und eine Überregulierung einher. Staatliche Strukturen, die durch Mitwirkung staatlicher Behörden getragen werden, dürfen die Autonomie nicht hemmen (10). Ziele sollten eine bessere Vorbereitung der Studierenden auf den Arbeitsmarkt und eine stärker praxisbezogene Einstellung gegenüber Forschung und Innovation sein.
3.5.2. Art der Finanzierung. Auch hier ist die Situation sehr uneinheitlich; im Großen und Ganzen spielen jedoch öffentliche Mittel eine entscheidende Rolle (11). Dadurch werden die Hochschulen und Forschungseinrichtungen grundsätzlich in sehr hohem Maße abhängig von u.a. politischen Prioritäten, was oft zu Unterfinanzierung führt. Darüber hinaus gibt es zu wenige Anreize für die Diversifizierung der Finanzierungsquellen, wie z.B. die Finanzierung durch Stiftungen und Firmen, und für die Einführung von Studiengebühren (neben Stipendien und Darlehen) (12).
3.5.3. Mangel an Transparenz. Mangels verlässlicher Vergleichsdaten können weder Studierende noch Forscher relevante Fachschwerpunkte und Fachstudiengänge in Europa ausfindig machen. Als Transparenzinstrument wäre eine europäische Klassifizierungsmethodik von entscheidender Bedeutung. Sie würde den Austausch und die Zusammenarbeit im Rahmen der verfügbaren Hochschul- und Forschungsprogramme in Europa sowie ein angemessenes Informations- und Qualitätsniveau fördern. Dies könnte auch der allgemeinen Mobilität der Studierenden und Forscher dienen.
3.6. Da für die Bildung und Hochschulbildung ausschließlich die Mitgliedstaaten zuständig sind, wird in Universitäten nicht zwangsläufig dazu angeregt, über den eigenen Horizont und die nationalen Grenzen hinauszublicken. Das Ergebnis ist ein zersplittertes System von Hochschuleinrichtungen, das häufig von der Außenwelt und ihrer Dynamik mehr oder weniger abgeschottet ist.
3.7. Aufrechterhalten wird diese Fragmentierung darüber hinaus von unterschiedlichen Qualitätsanforderungen (auch bei der Umsetzung des Bachelor/Master-Modells), wenig attraktiven Arbeitsbedingungen, oftmals schlechter finanzieller Ausstattung, wodurch Offenheit, gemeinsame wissenschaftliche Werte und grenzüberschreitende Mobilität nur für eine privilegierte Minderheit zugänglich sind.
3.8. Ein geringes Maß an Selbstbestimmung führt tendenziell zu Gleichförmigkeit und Homogenität der Universitäten. In einigen Ländern fördert dies „allgemeine“ Studiengänge und Forschungseinrichtungen anstelle von Heterogenität und qualifizierter Spezialisierung.
3.9. Forschungs- und Innovationsprogramme, die vielfach auf einzelstaatlichen Innovationsplattformen definiert werden, sind überwiegend einzelstaatlich orientiert und generell nicht Bestandteil eines umfassenderen Konzepts. Überlappungen und unterschiedliche Zeitpläne und Inhalte verstärken die Zersplitterung und verhindern somit eine Spezialisierung.
3.10. Dies ist kein fruchtbarer Boden, um ausländische Forscher und Koryphäen anzuziehen, weder aus anderen Mitgliedstaaten noch aus der übrigen Welt. Des Weiteren gibt die Abwanderung von Fachkräften in die USA fortwährend Anlass zu Besorgnis. Währenddessen werben die Chinesen mit ihren eigenen hoch spezialisierten Spitzenuniversitäten. Indien wird diesbezüglich nachziehen.
3.11. Mehrere europäische Hochschulzusammenschlüsse koordinieren zunehmend ihre Bemühungen um bessere Bedingungen für FuE und um das Qualifizierungspotential in den Bereichen Wissen und Innovationen (13). Gemeinsame Forschungsprogramme sind ein viel versprechendes Instrument der Zusammenarbeit und zur Überwindung der Fragmentierung (14).
3.12. Der Bologna-Erklärung von 1999, die auf die Schaffung eines europäischen Hochschulraums bis 2010 und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit dieses Raums durch Reformen abzielte, folgte 2006 ein erneuter Appell der Kommission (15), die darin zu Recht zu dem Schluss gelangte: „Dieser entscheidende wirtschaftliche und gesellschaftliche Bereich bedarf jedoch dringend einer grundlegenden Neuorientierung und Modernisierung, um zu vermeiden, dass Europa im weltweiten Wettbewerb in den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation unterliegt“ (16).
3.13. Anpassungen finden zwar statt, aber nicht schnell genug. Darüber hinaus bestehen zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede in der nationalen Politik zur Regelung des Hochschulwesens.
3.14. Die derzeit in akademischen Kreisen geführten Diskussionen zeigen leider, dass auch die Schritte auf dem Weg zum Europäischen Hochschulraum zu zögerlich sind.
3.15. Das Fehlen europäischer Maßnahmen könnte immense Kosten zur Folge haben. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der EWSA, dass der neue Zyklus der Lissabon-Strategie 2010 auch eine zielgerichtete Modernisierung und Zusammenarbeit der Hochschulen, eine bessere europäische Koordinierung und eine wirkliche Transparenz mittels Klassifizierungen umfassen sollte.
4. Notwendigkeit neuer Perspektiven
4.1. Die Lissabon-Strategie ist der Versuch, ein Gleichgewicht zwischen Konvergenz und Koordinierung auf EU-Ebene und der Wahrung einzelstaatlicher Zuständigkeiten zu erreichen, indem gemeinsame Ziele festgelegt und vergleichbare Programme und Maßnahmen in ganz Europa gefördert werden. Nach Auffassung des EWSA können und sollten die Hochschulen als Schlüsselakteure für Bildung, Forschung und Innovation eine genau definierte Rolle in der Lissabon-Agenda erhalten.
4.2. Gerade jetzt - in der derzeitigen Krise - erscheint es wünschenswert, das Gewicht zunehmend auf Bildung und Innovation (im weitesten Sinne) zu legen, was neue Wege und Chancen eröffnen dürfte. Die laufenden Programme für FuE und für angewandte Technologien sollten fortgesetzt und die Mobilität (17) von Hochschulstudenten und -dozenten muss in ganz Europa sichergestellt werden.
4.3. Vor diesem Hintergrund unterstreicht der EWSA, dass im Interesse größerer Transparenz vergleichbare Daten (18) und eine europaweit zuverlässige Methodik für die Bewertung und den Vergleich der Leistungen von Hochschulen in verschiedenen Bereichen, z.B. Bildung, Forschung und Innovation, dringend erforderlich sind. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass es im Hinblick auf die erwünschte Heterogenität, Spezialisierung und Diversität kein einfaches Verfahren für die Sammlung solcher Daten geben kann. Aber durch die Anwendung unterschiedlicher Verfahren kann die Methodik und die Festlegung von Kriterien verbessert werden. Wünschenswert ist auch die Zusammenarbeit mit der OECD.
4.4. Mit den in Kapitel 2 erwähnten Programmen wird der grenzüberschreitende Austausch substanziell unterstützt. Die Einrichtung eines Europäischen Forschungsrates (ERC) ist ein großer Schritt nach vorn. Als Impulsgeber für Forschungsprojekte muss der Europäische Forschungsrat die Internationalisierung der Universitäten fördern. Forschungsfinanzierung und Forschungstätigkeit müssen zwei streng voneinander getrennte Bereiche bleiben.
4.5. Der ERC bringt durch die Einführung der sog. „fünften Freiheit“, die eng mit der Charta für Forscher und dem Verhaltenskodex für die Einstellung von Forschern zusammenhängt, eine größere grenzüberschreitende Mobilität von Forschern mit sich (19). Im Hinblick auf das gewünschte Ergebnis werden an Hochschulen entsprechend angepasste Strukturen und bessere administrative und steuerliche Rahmenbedingungen dringend benötigt.
4.6. Die Einrichtung eines Europäischen Technologieinstituts (ETI) ist ein weiterer großer Fortschritt. Das ETI hat die Aufgabe, Kontakte und Partnerschaften zu fördern. Gleichzeitig sollte die europäische Koordinierung von Hochschulprogrammen verbessert werden. Der neue Vorschlag der Kommission zur Schaffung eines EU-Forums für den Dialog zwischen Hochschule und Wirtschaft ist der nächste wichtige Schritt.
4.7. Bisher sind die Hochschul- und Forschungseinrichtungen nicht Teil der vom Rat festgelegten fünf Partnerschaftsinitiativen zur Entwicklung des europäischen Forschungsraums. Tatsächlich werden im Rahmen der im Grünbuch zur Entwicklung dieses Raums (20) genannten sechs Schwerpunkte ausgerechnet die Universitäten (und im Allgemeinen die Forschungseinrichtungen) nicht zur Vertiefung der Zusammenarbeit herangezogen. Das entspricht nicht der Auffassung des EWSA, dass auch Universitäten in die Lissabon-Strategie einbezogen werden müssen (21).
4.8. Analog dazu sollten in Europa die Bedingungen für große Forschungsanlagen (CERN) und andere gemeinsame Forschungszentren im Rahmen von Hochschulzusammenschlüssen verbessert werden. Eine umfangreiche Infrastruktur erfordert eine kritische Masse und zieht viele engagierte Forscher an, die wiederum zusätzliche Finanzmittel mobilisieren können.
4.9. Der EWSA ist der Auffassung, dass die gegenwärtige Krise ein neuer Ausgangspunkt sein und kohärente und nachhaltige Perspektiven eröffnen sollte, damit Europa auch weiterhin ein ernstzunehmender Wettbewerber und Partner in Wissenschaft und Technik bleibt.
5. Reaktionen auf aktuelle Entwicklungen
5.1. Engagement der Mitgliedstaaten und Universitäten
5.1.1. Die drei Säulen Bildung, Wissenschaft und Innovation erfordern ein deutliches Engagement der Mitgliedstaaten. Notwendig ist zudem eine umfassende eigenständige Beteiligung der Hochschulen. Schließlich sollte damit auch die Mitwirkung der Privatwirtschaft einhergehen. Die besten Ergebnisse werden durch einen flexiblen Top-down- und Bottom-up-Prozess mit vielen Interessenträgern erreicht.
5.1.2. Zu berücksichtigen ist, dass die globale Netzwerkbildung, die Entwicklung in Forschung und Technologie, die gezielte Spezialisierung und die Ungebundenheit von Nachwuchstalenten ein neues Betätigungsfeld für (nationale) Universitäten schaffen und ihnen neue Horizonte eröffnen (22).
5.1.3. Das sollte nicht zulasten der kulturellen Vielfalt gehen - im Gegenteil. Die nationale und regionale Vielfalt machen Europas Reichtum aus. Es liegt aber auf der Hand, dass angesichts der Vielfältigkeit der Hochschullandschaft und ihrer Ausläufer eine die gemeinsame Analyse und vereinbarte Ziele umfassende Gesamtstrategie zur Aufhebung noch bestehender Hindernisse und zur Förderung von Qualität und nicht zuletzt von Spezialisierung besser geeignet ist.
5.1.4. In erster Linie bedarf es einer gemeinsamen Ausrichtung und einer gemeinsamen Haltung aller Hochschuleinrichtungen, z.B. gemeinsame akademische Werte, kulturelle und akademische Offenheit, weniger Bürokratie, grenzüberschreitende Kanäle, Transparenz bei Berufsqualifikationen und -abschlüssen, grenzübergreifende Technologieprojekte, grenzüberschreitende Mobilität. All dies kann unter Beibehaltung der kulturellen Vielfalt verwirklicht werden.
5.1.5. Mehr Autonomie und Selbstbestimmung, Flexibilität in Finanzierungsfragen und Transparenz fördern die von den Hochschulen selbst ergriffenen Modernisierungsinitiativen. Sie führen zu einem Bottom-up-Prozess für höhere Standards, bessere Qualität und Spezialisierung.
5.1.6. Auch die demographische Entwicklung in Europa dürfte ein starker Anreiz sein, das Hochschulwesen sowohl für die Studenten aus Europa als auch für begabte Drittstaatsangehörige anzupassen. Ohne Anpassung wird es künftig substanzielle Defizite geben. Europa braucht eine größere Zahl hochqualifizierter Personen, um die Produktivität durch Forschung, Wissensverbreitung und Innovationsfähigkeit zu stärken.
5.1.7. Es sollte nicht vergessen werden, dass sogar die USA nur deshalb ihre Führungsposition in einer Reihe von Bereichen halten können, weil ihre Universitäten für Ausländer so attraktiv sind.
5.2. Transparenter Wettbewerb und Qualitätsbewertung
5.2.1. Die in der Lissabon-Strategie skizzierte wissensbasierte Gesellschaft erfordert ein höheres Maß an fach- und sektorübergreifender Bildung und Forschung und die Abkehr von einer monodisziplinären Ausrichtung.
5.2.2. Die Förderung eines transparenten Wettbewerbs zwischen den Hochschulen wird nicht zu Uniformität, sondern zu Differenzierung und Spezialisierung führen. Letzteres hat auch, sofern erwünscht, Kofinanzierungen durch den Privatsektor zur Folge (23).
5.2.3. Vor diesem Hintergrund begrüßt der EWSA nachdrücklich die jüngste Initiative der Kommission, ein europäisches Hochschul-Ranking zu erstellen.
5.2.4. Ein europäisches Ranking sollte das Ergebnis eines gründlichen Bewertungsverfahrens durch ausgewählte Sachverständige sein und neben den wissenschaftlichen Veröffentlichungen auch die Qualität der Bildung und Lehre, Forschung, Innovation, Kontakte, Bestandsaufnahme der Fachgebiete, interdisziplinäre Kompetenzen, institutionelle Beziehungen zwischen Hochschulen und unabhängigen Forschungseinrichtungen (24) sowie Logistikdienstleistungen für Studierende berücksichtigen. Zur Bewertung der Leistung von Universitäten bedarf es mehrdimensionaler europäischer Bewertungsmethoden.
5.2.5. Das „Mapping“ dürfte wahrscheinlich einer gezielten grenzüberschreitenden Mobilität von Studenten, Dozenten, Professoren und Forschern Vorschub leisten. Es trägt der zunehmenden Tendenz Rechnung, dass die junge Generation der Studierenden dorthin geht, wo sie die für ihr Fachgebiet besten Studienangebote findet, und fördert folglich das Potenzial an Talenten.
5.2.6. Darüber hinaus wird das „Mapping“ durch die Schaffung von Netzwerken und Kooperations- und Wettbewerbsstrukturen in ganz Europa zur Anhebung des mittelmäßigen Forschungsniveaus beitragen. Diese Netzwerke und neuen Partnerschaften zwischen einer zunehmenden Zahl von Exzellenzzentren werden zu einem Beziehungsgeflecht auf hoher Ebene und grenzüberschreitenden interdisziplinären Forschung führen und den Weg für neue Lösungen bereiten.
5.3. Externe Einflüsse und Querverbindungen
5.3.1. In der gegenwärtigen Situation lastet auf den öffentlichen Ausgaben überall großer Druck. Der EWSA drängt darauf, dass die Haushaltsmittel für Bildung und Hochschulen nicht gekürzt, die Wissensinfrastruktur aufrechterhalten und die laufenden Reformprogramme weitergeführt werden.
5.3.2. Aktuelle Entwicklungen in Forschung und Technologie unterstreichen die Notwendigkeit von Modernisierungsmaßnahmen und neuen Lösungen. Neben den erforderlichen Anpassungen der Universitäten selbst muss auch auf öffentlich-öffentliche bzw. öffentlich-private Partnerschaften hingewirkt werden. Private Finanzierungen können den Trend zu problemorientierter Forschung beschleunigen - eine Methode, die in den USA zunehmend Erfolg hat.
5.3.3. Eine europäische Koordinierung der einzelstaatlichen Innovationsprogramme, an denen die Hochschulen teilnehmen, kann vorteilhaft und produktiv sein. Noch beruhen diese Programme, die vielfach von nationalen Innovationsplattformen festgelegt werden, auf einzelstaatlichen Fachgebieten und Schwerpunktsetzungen. Sie tragen folglich normalerweise zu wenig der allgemeinen europäischen Agenda bzw. Terminplanung Rechnung und lassen Überschneidungen oder wünschenswerte Spill-over-Effekte im europäischen Kontext außer Acht.
Darüber hinaus sind in bestimmten Fällen grenzüberschreitende und europaweite Ansätze und Projekte ausgesprochen wünschenswert.
5.3.4. Sicherlich können auch die Gemeinsamen Technologieinitiativen - auf europäischer Ebene festgelegte und kofinanzierte öffentlich-private Projekte - in dieser Hinsicht förderlich sein.
5.3.5. Ein erfolgreiches einzelstaatliches Programm, das als anschauliches Beispiel für europäische Anwendungen und die Verbesserung der europaweiten wissenschaftlichen Errungenschaften dienen kann, ist die Deutsche Exzellenzinitiative 2005 (25).
5.3.6. Eine Lissabon-Agenda für Hochschulen wird - neben bereits bestehenden europäischen Programmen mit eigenen Anreizen - die Wettbewerbsfähigkeit im Hochschulbereich in größerem Umfang stärken und Spitzenleistungen zur Folge haben.
5.3.7. Nach Auffassung des EWSA kann die Einführung von beratenden Bildungsplattformen auf europäischer Ebene (26) - in Analogie zu den Technologieplattformen - nützlich sein, um Bildungsprogramme und die Bildungsagenda für Europa zu erörtern, z.B. die Erfordernisse des europäischen Arbeitsmarktes, wünschenswerte Kompetenzen, Akkreditierungssysteme, praktische Aspekte des lebenslangen Lernens, Qualifikationen und Berufsbilder, moderne Unterrichtsmethoden usw.
5.3.8. Diese beratenden Bildungsplattformen sollten über akademische Kreise hinaus auf nichtstaatliche Akteure - Sozialpartner und Zivilgesellschaft - ausgeweitet werden.
5.4. Erleichterung der Mobilität
5.4.1. Junge Menschen betrachten Europa tatsächlich als Einheit. Europaweite, zuverlässige und transparente Informationen über die besten Studiengänge in den einzelnen Fachgebieten sowie über die Spezialisierung der Universitäten und Fakultäten kommen den Erwartungen vieler Jugendlicher entgegen und fördern den grenzüberschreitenden Austausch. Studierende und Dozenten sollten mehr Möglichkeiten für eine grenzüberschreitende Laufbahn in Europa erhalten. Ein verstärkter Austausch von Forschern - auch zwischen öffentlichen Institutionen und dem Privatsektor - wäre zweifellos vorteilhaft.
5.4.2. Die Hindernisse für Spezialisierungen - einem fruchtbaren Boden für den Austausch junger begabter Forscher - müssen auf europäischer Ebene eingehend untersucht werden. Durch Informationsarbeit und die Schaffung europäischer Zentren für Spitzenleistungen in Forschung und Bildung wird ein konstruktiver Wettbewerb zwischen europäischen Hochschulen angeregt.
5.4.3. Ein zukunftsorientiertes europaweites Konzept für Forscher und Studierende aus Drittstaaten wäre sehr wünschenswert. Einige Länder haben bereits Schritte in diese Richtung unternommen (27).
5.4.4. An sich sind unterschiedliche Arbeitsverträge nicht besonders problematisch. Divergierende sekundäre Arbeitsbedingungen können jedoch ein Hindernis darstellen, z.B. spezifische einzelstaatliche Sozialversicherungsregelungen. Sehr zu begrüßen ist die derzeitige Prüfung der Möglichkeiten für einen gesamteuropäischen Pensionsfonds für Forscher. Die in der Mitteilung der Kommission „Bessere Karrieremöglichkeiten und mehr Mobilität: eine europäische Partnerschaft für die Forscher“ festgelegten Grundsätze sollten gefördert werden (28).
5.4.5. Ein Sonderfall sind Finanzierungsprogramme und –projekte. Da die Zuständigkeiten und Verwaltungsverfahren von Land zu Land unterschiedlich sind, sollten diese sorgfältig geprüft werden, um die Internationalisierung zu erleichtern.
5.4.6. Eine erleichterte Mobilität wird ihrerseits die Attraktivität der bestehenden sowie der neuen Wissenszentren und -cluster in Europa erhöhen. Diese werden interdisziplinäre Tätigkeiten begünstigen und die dringend erforderlichen Querverbindungen zwischen Wissenschaft und Privatsektor stärken, wie die Kommission betont.
5.5. Die regionale Dimension
5.5.1. Wirtschaftscluster, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und den privaten Sektor miteinander zu verbinden, sind gemeinhin schlagkräftige regionale Waffen. Cluster können auch die regionale Weiterentwicklung fördern. Regionen und Hochschulen sollten dazu angehalten werden, effizienter zusammenzuarbeiten.
5.5.2. Die Erfahrung zeigt, dass durch eine Ausweitung von Exzellenzzentren mit herausragender Forschung und Lehre die Zusammenarbeit mit Unternehmen in Regionen und Ballungsräumen vertieft wird (29). Eine deutlichere Einbettung der Hochschulen und ihrer Fachinstitute in ihr natürliches Umfeld fördert das Wachstum und die Beschäftigung in Ballungszentren.
5.5.3. Spezialisierungen und Vielfalt eröffnen unterschiedliche Wege zu Spitzenleistungen. Einige Universitäten konkurrieren und kooperieren auf globaler Ebene miteinander, andere sind regionale Exzellenzzentren.
5.5.4. Alle Hochschulen müssen darin bestärkt werden, sich in der sie umgebenden Gesellschaft zu engagieren. Neben ihren Kernaufgaben Bildung und Erziehung müssen sie auch Tertiäraktivitäten entwickeln, z.B. Wissens- und Innovationsvermittlung, Einsatz auf kommunaler Ebene, lebenslanges Lernen und Förderung der regionalen und lokalen Entwicklung.
Brüssel, den 4. November 2009
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
(1) Siehe unter Ziffer 5.2.4 eine ausführliche Liste der wünschenswerten Indikatoren.
(2) Siehe auch die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Auf dem Weg zur europäischen Wissensgesellschaft - Der Beitrag der organisierten Zivilgesellschaft zur Lissabon-Strategie“ (ABl. C 65 vom 17. März 2006, S. 94), in der die „Errichtung eines gemeinsamen europäischen Wissensraums (…), der auf einer intensiveren Zusammenarbeit in den Bereichen Lernen, Innovation und Forschung basiert“ nachdrücklich gefordert wird.
(3) Unterschiedliche akademische Strukturen und Traditionen geben Anlass zu einer umfassenden Debatte über den Bologna-Prozess und seine Durchführung. Siehe etwa für Deutschland die Veröffentlichungen des „Deutschen Hochschulverbands“.
(4) Das intellektuelle Potenzial Europas wecken: So können die Universitäten ihren vollen Beitrag zur Lissabonner Strategie leisten (KOM(2005) 152 endg.); Das Modernisierungsprogramm für Universitäten umsetzen: Bildung, Forschung und Innovation (KOM(2006) 208 endg.); Eine neue Partnerschaft zur Modernisierung der Hochschulen: EU-Forum für den Dialog zwischen Hochschule und Wirtschaft (KOM(2009) 158 endg.).
(5) Im Mittelpunkt des Grünbuchs vom April 2007 stehen sechs Bereiche, in denen der europäische Forschungsraum entwickelt werden soll: Forscher, internationale Zusammenarbeit, gemeinsame Forschungsprogramme, Forschungsinfrastruktur, Wissenstransfer und geistiges Eigentum. Siehe auch Stellungnahme des EWSA, ABl. C 44 vom 16.2.2008, S. 1.
(6) Empfehlung der Kommission vom 11. März 2005, vom Rat angenommen …
(7) Siehe u.a. The future of European Universities, Renaissance or Decay von Richard Lambert und Nick Butler, Centre for European Reform, Juni 2006, sowie High Aspirations, Agenda for reforming Universities, Breugel, August 2008. Hier begründen die Autoren ihre Standpunkte zur Hochschulbildung und die Formulierung einer ehrgeizigen Agenda auf Seite VII mit der Überzeugung, dass die Modernisierung der Universitäten ein wichtiger Hebel für die Wachstumsleistung Europas ist. Vor diesem Hintergrund begrüßt der EWSA die vor Kurzem vom europäischen Hochschulverband verabschiedete Erklärung von Prag, in der nicht nur eine klare Botschaft an die politischen Entscheidungsträger gerichtet wird, sondern auch zehn maßgebliche Faktoren für den Erfolg der europäischen Universitäten im nächsten Jahrzehnt aufgezeigt werden.
(8) In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass die Universität Berkeley, die den dritten Platz im US-Ranking einnimmt, eine öffentliche Einrichtung ist.
(9) Manchmal kommt es sogar zu Rückschritten. Ein anschauliches Beispiel ist das Hochschulgesetz von 2003 in Dänemark, mit dem der politische Einfluss vergrößert und die Freiheit der Forscher und der Universitäten erheblich eingeschränkt wurde.
(10) Nicht nur die „Autonomie“ der Universitäten, sondern auch ihre „Selbstverwaltung“ muss berücksichtigt werden.
(11) Ein unerwünschter Nebeneffekt besteht darin, dass nur wenige Hochschulen über genaue Gesamtkostenberechnungen verfügen.
(12) Der EWSA bezieht sich hier auf die Kommission: Studiengebühren können herangezogen werden unter der Voraussetzung, dass sie von Stipendien und Darlehen flankiert werden, um einen gleichberechtigten Zugang zu gewährleisten.
(13) Liga Europäischer Forschungsuniversitäten, Coimbra-Gruppe, IDEA League, RISE.
(14) Eine solche grenzüberschreitende Zusammenarbeit wird auch für die Grundlagenforschung, die im Rahmen umfassender EU-Vorhaben betrieben wird, fruchtbar sein.
(15) Mitteilung „Das Modernisierungsprogramm für Universitäten umsetzen: Bildung, Forschung und Innovation“, Mai 2006, (KOM(2006) 208 endg.). Siehe auch die Mitteilung „So können die Universitäten ihren vollen Beitrag zur Lissabonner Strategie leisten“, April 2005, KOM(2005) 152 endg.
(16) KOM(2006) 208 endg., S. 11.
(17) Bezüglich der großen Bedeutung der Mobilität von Studierenden siehe Erklärung des Rates vom April 2009 zum Bologna-Prozess: Bis 2020 sollten mindestens 20 % der Graduierten ein Studium oder eine Ausbildung im Ausland absolviert haben.
(18) Hinsichtlich dieser Daten müssen die verschiedenen Finanzierungs-/Förderungsverfahren und –stellen für FuE sowie die Bedeutung der Mitarbeit und Beteiligung von hochschulexternen Forschungsorganisationen und Industrieunternehmen berücksichtigt werden.
(19) Siehe Fußnote 4.
(20) Siehe Fußnote 2.
(21) Zu den Standpunkten der Mitgliedstaaten und dem Ansatz des EWSA siehe die Ergebnisse der öffentlichen Anhörung zum Grünbuch vom April 2008, S. 20 ff.
(22) Siehe u.a. „The Third Generation Universities“ von Prof. Wissema, eine Beschreibung der gegenwärtigen Herausforderungen und Chancen für die Hochschulen, die an konkreten Beispielen veranschaulicht werden (Universität Cambridge, Universität Löwen usw.).
(23) Das Beispiel der USA zeigt, dass aufgrund von Transparenz, Differenzierung und Spezialisierung jeder Forscher und Wissenschaftler die für das jeweilige Fachgebiet am besten ausgestattete US-amerikanische Universität kennt. Diese Grundbedingungen begünstigen auch Kofinanzierungen durch den Privatsektor und durch Stiftungen.
(24) In manchen europäischen Staaten wie Frankreich und Deutschland wird ein Großteil der Forschung in Forschungseinrichtungen durchgeführt, die enge Kontakte zu Hochschulen haben; dies sollte weiter gefördert werden.
(25) Ziel der Exzellenzinitiative 2005 war es, die Attraktivität des Forschungsstandorts Deutschland zu erhöhen, ihn wettbewerbsfähiger zu machen und die Aufmerksamkeit auf die herausragenden Leistungen der deutschen Hochschulen und der deutschen Wissenschaftsgemeinde zu lenken. Das mit 1,9 Mrd. EUR für 2006-2011 ausgestattete Programm unterstützt die Spitzenforschung.
(26) Die „Bildungsplattformen“ wurden von Herrn van Vught, ehemaliger Vorsitzender des Rektorats der Universität Twente, auf dem EU-Forum für den Dialog zwischen Hochschule und Wirtschaft am 6. Februar 2009 vorgeschlagen. Interessant ist, dass es in Finnland nur wenige Rechtsvorschriften zu Hochschulen gibt, während die drittelparitätische Überwachung von maßgeblicher Bedeutung ist.
(27) Zu diesen Ländern gehören die Niederlande, wo es rund 10 000 Doktoranden gibt, von denen 30 % aus dem Ausland stammen.
(28) Bessere Karrieremöglichkeiten und mehr Mobilität: Eine europäische Partnerschaft für die Forscher, KOM(2008) 317 endg.
(29) Unter den zahlreichen Beispielen seien Cambridge, Eindhoven, Stuttgart und die Öresund-Region hervorgehoben. Siehe auch die laufenden OECD-Projekte und Veröffentlichungen zur Hochschulbildung in der Regional- und Stadtentwicklung (http://www.oecd.org/document/16/0,3343,en_35961291_34406608_1_1_1_1,00.html).