23.12.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 318/43


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Auswirkungen der globalen Krise auf die wichtigsten europäischen Produktions- und Dienstleistungssektoren“ (Initiativstellungnahme)

2009/C 318/09

Berichterstatter: Antonello PEZZINI

Ko-Berichterstatter:I Enrico GIBELLIER

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 26. Februar 2009, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Die Auswirkungen der globalen Krise auf die wichtigsten europäischen Produktions- und Dienstleistungssektoren“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Beratende Kommission für den industriellen Wandel (CCMI) nahm ihre Stellungnahme am 10. September 2009 an. Berichterstatter war Antonello PEZZINI, Ko-Berichterstatter Enrico GIBELLIERI.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 456. Plenartagung am 30. September/1. Oktober 2009 (Sitzung vom 1. Oktober) mit 156 Ja-Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung - Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Der EWSA ist fest davon überzeugt, dass die Gemeinschaftsinstitutionen und die Mitgliedstaaten aufgrund der Auswirkungen der gegenwärtigen Finanzkrise auf die wichtigen Branchen des produzierenden Gewerbes und der Dienstleistungen in der EU gezwungen sind, die Gemeinschaftspolitiken und -instrumente umfassend zu überdenken, besser zu koordinieren und eine Werteskala aufzustellen, bei der die Realwirtschaft und die Erfordernisse der Unternehmen, der Arbeitnehmer und der Bürger an erster Stelle stehen.

1.2   Der EWSA fordert mit Nachdruck die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon, um zu gewährleisten, dass das institutionelle Gefüge der EU der Notwendigkeit gerecht werden kann, die Entwicklung unseres Kontinents wieder auf Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Offenheit auszurichten. Dies sollte einhergehen mit:

Maßnahmen zum Ausbau der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern;

stärker koordinierten und gemeinschaftlichen Maßnahmen;

rascheren Beschlussfassungssystemen;

einfacheren und transparenteren Rechtssetzungsverfahren.

1.3   Der EWSA ist davon überzeugt, dass es bei einer Erneuerung des europäischen Aufbauwerks im Geiste von Jean MONNET wie zu Zeiten der Unterzeichnung und Umsetzung des Pariser Vertrags - mit dem die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) ins Leben gerufen wurde - möglich ist, die Grundlagen für eine Neubelebung der europäischen Wirtschaft zu legen. Denn die derzeitigen Verträge haben bei der Bewältigung der Krise und ihrer wirtschaftlichen und sozialen Folgen besorgniserregende Grenzen offenbart.

1.4   Das Subsidiaritätsprinzip muss gemäß seiner ursprünglichen Bedeutung neu definiert werden. Entscheidungen und Befugnisse müssen auf der für den Unionsbürger effizientesten Ebene angesiedelt werden. In Anbetracht der globalen Probleme können Maßnahmen und Mittel nur auf europäischer und weltweiter Ebene gewählt werden.

1.5   Der EWSA ist davon überzeugt, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten und der Rat der Europäischen Union alle erdenklichen Anstrengungen unternehmen müssen, um das Vertrauen der Bürger in das Projekt eines stärkeren Europas wiederherzustellen, das mithilfe gemeinsamer und anerkannter Instrumente die gegenwärtige weltweite Krise und künftige Krisen globalen Ausmaßes überwinden kann.

1.5.1

Der EWSA ist sich der Tatsache bewusst, dass in verschiedenen Ländern, die zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen Gemeinschaft gehören, vor allem in der gegenwärtigen Krise große Unduldsamkeit gegenüber den Regeln des Binnenmarkts wie z.B. für Wettbewerb und staatliche Beihilfen vorherrscht. Dies ist aber ein Fehler (1).

1.5.2

In einer Situation wie der gegenwärtigen sollte der Rat unter Mithilfe von EP und Kommission einen „strategischen Pakt“ mit folgenden Punkten ins Leben rufen:

starkes Engagement für den Binnenmarkt, mit verstärkten Mechanismen insbesondere für einige Sektoren, in denen nach wie vor Defizite festzustellen sind (2);

die Verpflichtung, eine Koordinierung im Steuerwesen herbeizuführen, bei der zwar die nationale Steuerhoheit anerkannt, aber die Zusammenarbeit in einigen Bereichen verstärkt wird;

die konzertierte Möglichkeit eines raschen Beitritts - unter bestimmten Bedingungen - zur Eurozone für „notleidende“ Länder;

Durchführung koordinierter, angemessener, transparenter und zeitlich degressiver öffentlicher Maßnahmen zur Verringerung systemischer Risiken und für die beschleunigte Rückkehr zu selbsttragenden Wirtschaftsaktivitäten auf dem freien Markt.

1.6   Der EWSA möchte Folgendes zum Ausdruck bringen: Die Bürger, die sozialen Kräfte und die Zivilgesellschaft in ihrer Gesamtheit sind davon überzeugt, dass es die gegenwärtige Krise erforderlich macht, sich für ein stärkeres Europa einzusetzen, das über die begrenzten Möglichkeiten der einzelnen Mitgliedstaaten hinausgehen kann.

1.7   Die Mitgliedstaaten müssen im Bereich der Einzelvertretung konkrete Opfer bringen und manchmal auch weniger Profil zeigen, damit die weltweite Rolle der EU und ihre demokratischen Ausdrucksformen - Parlament, Rat und Kommission - gestärkt werden.

1.8   Der EWSA ist davon überzeugt, dass zuallererst eine echte, inhaltlich solide Industriepolitik entwickelt werden muss, die nicht von Entscheidungen der Finanzspekulanten beeinflusst wird, sondern auf eine nachhaltige Entwicklung abzielt. Die konkreten Erfahrungen der Industriepolitik, die auf der Grundlage des EGKS-Vertrags über 50 Jahre lang in zwei wichtigen europäischen Produktionsbereichen betrieben wurde, müssen zusammengetragen, erforderlichenfalls aktualisiert und zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung modifiziert werden und als Bezugspunkt für künftige Maßnahmen dienen (3).

1.9   Mithilfe der Entwicklung der Unternehmen und der sozialen Marktwirtschaft und ihrer Fähigkeit, innovative Antworten zu finden, kann in Europa die Krise überwunden und die Konjunktur belebt werden.

1.10   Im Hinblick auf eine Entwicklungsstrategie sollten sich die Sozialpartner und die organisierte Zivilgesellschaft um die Konzipierung eines „sozial verantwortlichen Territoriums“ (TSR) bemühen, in dem die folgenden, aufeinander abgestimmten Strategien verwirklicht werden können:

eine Durchhalte- und Überlebensstrategie, die die Möglichkeit bietet, auf hochentwickelten Märkten mittels höherer Spezialisierung auf ein und demselben Markt, Kostensenkungen, ausgeprägter Diversifizierung in angrenzende Sektoren hinein oder mittels neuer Lösungen zu operieren;

eine Strategie der Verfahrens-, Produkt- und Dienstleistungsinnovation, die die Erschließung neuer Märkte und den Einsatz neuer Technologien und Materialien ermöglicht, was zur Schaffung neuartiger Produkte führt;

neue Initiativen mittels Einführung neuer Unternehmensformen, neuer Branchen oder neuer Initiativen. Es ist wichtig, mittels Vorausschau neue, erfolgversprechende Produkte (z.B. auf Leitmärkten) auszumachen, für die neue Investitionen getätigt werden sollten;

territoriales Marketing, wobei mittels Vereinbarungen mit Forschungszentren Exzellenz anzustreben ist, um die Verbreitung neuer Technologien zu fördern;

finanzielle Unterstützung mittels Entwicklungsfinanzierung, auch unter Einsatz von EIB-Bürgschaften (4);

Kapitalisierung der Risikofonds von Bürgschaftsgesellschaften mittels einer Vereinbarung zwischen den Verwaltungen und dem Bankensystem, um Kleinst- und Kleinunternehmen - vor allem im Sinne der Erhaltung von Arbeitsplätzen - einen Zahlungsaufschub zu ermöglichen;

Konsolidierung der Schulden mit kurzer Laufzeit, um es Kleinst- und Kleinunternehmen zu ermöglichen, sich auf die Herstellung und Vermarktung ihrer Erzeugnisse und entsprechender Serviceleistungen zu konzentrieren;

Förderung eines innovativen Dienstleistungssektors (ökologische Ökonomie) unter Ausschöpfung innovativer Schulungsmöglichkeiten im Rahmen des Europäischen Sozialfonds;

Entwicklung anspruchsvoller personenbezogener Dienstleistungen mittels Aufwertung und Ausbau von Sozial- und Gesundheitszentren (5);

Umsetzung von Infrastrukturmaßnahmen zur Erhöhung innovativerer Wahlmöglichkeiten für eine kohlenstoffarme Wirtschaft und Realisierung der entsprechenden Bedingungen, um das Wohnen in dem Gebiet zu begünstigen;

Stärkung der Kriterien für Energieeffizienz und Umweltverträglichkeit in öffentlichen Ausschreibungen;

finanzielle Förderung neuer und effizienterer Produkte, die ältere Produkte ersetzen;

Verbesserung des Informationszugangs;

Erleichterungen beim Einsatz von Rohstoffen.

1.11   Ein Vergleich der nationalen Anreizmaßnahmen in den industrialisierten Ländern zeigt, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten in höherem Maße einer gemeinsam gestalteten vorausschauenden Politik bedürfen, insbesondere mit Blick auf die Förderung der nachhaltigen Entwicklung und der sozialen Verantwortung der Unternehmen und einer besseren Koordinierung mit der Europäischen Kommission. Ferner müssen den Worten Taten folgen: Die Mitgliedstaaten müssen dringend ihre Pläne umsetzen, da die Krise gravierende Auswirkungen auf Unternehmen und Arbeitnehmer hat.

1.12   Der EWSA begrüßt die am 7. Mai 2009 auf dem Beschäftigungsgipfel in Prag unternommenen Anstrengungen, um Aktionslinien festzulegen, die zusammen mit den Sozialpartnern auf der Grundlage eines verstärkten sozialen Dialogs (6) auf nationaler und auf europäischer Ebene umzusetzen sind. Damit soll eine stärkere Berücksichtigung der Schaffung von Arbeitsplätzen und der erforderlichen Maßnahmen zur Belebung der Nachfrage gewährleistet werden.

1.13   Die Lissabon-Strategie muss glaubwürdig bleiben und es gilt zu zeigen, dass sie an die neuen Umstände angepasst werden kann, indem der Reformprozess beschleunigt wird und eindeutige Prioritäten festgelegt werden, und indem sie in dem in den nächsten Monaten zu bestimmenden Verfahren für die Post-Lissabon-Strategie mit den Zielen der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung in Einklang gebracht wird.

1.14   Die europäischen Regierungen müssen sich stärker für eine vollständige Umsetzung der gemeinschaftlich vereinbarten Verpflichtungen innerhalb der vorgesehenen Fristen engagieren.

1.15   Die staatlichen Beihilfen zur Unterstützung der Beschäftigung in den von Problemen im Zusammenhang mit der Globalisierung und der Finanzkrise betroffenen Unternehmen müssen auf Bedingungen basieren, mit denen gewährleistet wird, dass

solche Beihilfen nicht zu verstärktem Protektionismus führen und den freien Wettbewerb nicht behindern;

diejenigen Unternehmen, die Mittel erhalten, sich vor allem verpflichten, das Beschäftigungsniveau zu stützen;

die Tarifverträge eingehalten und die Kaufkraft der Arbeitnehmer gewahrt werden;

in Zeiten eingeschränkter Produktion die Arbeitnehmer Schulungen in Anspruch nehmen können und darin unterstützt werden, um neue Qualifikationen zu erlangen;

die Unterstützung aus öffentlichen Mitteln nicht über Ausschüttungen oder Aktienrückkäufe zu den Einkünften der Aktionäre beiträgt;

sofern möglich durch die Unterstützung die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen unter ökologischen Gesichtspunkten gefördert wird;

die Beihilfen den Wettbewerb nicht verzerren, zeitlich begrenzt und degressiv sind;

angemessene Kontrollmechanismen zum Schutz der Steuerzahler vorgesehen werden.

1.16   In Bezug auf die soziale Antwort auf die Krise sind die bislang angenommenen Vorschläge unzureichend. Die Schaffung von Arbeitsplätzen oder Maßnahmen zur Stimulierung der Nachfrage (wie z.B. auf Gemeinschaftsebene bessere koordinierte Pakete steuerlicher Anreize und lohnpolitische Maßnahmen) werden nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt (7).

1.17   Im Bereich der Bestimmungen für zeitlich befristete arbeitsmarktpolitische Maßnahmen muss sichergestellt werden, dass kurzfristige Beschäftigung mit einer angemessenen Aus- und Weiterbildung insbesondere bezüglich des Arbeitsschutzes und mit der Sicherstellung des Lohnniveaus einhergeht.

1.18   Der Ausschuss hält es für die Zukunft der Industriestruktur in der EU für dringend und unerlässlich, dass auf allen Ebenen des Schul- und Ausbildungssystems Maßnahmen ergriffen werden, um die Jugendlichen wieder für technische und naturwissenschaftliche Fächer zu interessieren und dafür zu sorgen, dass der Ansehensverlust, den die Produktionsaktivitäten im Vergleich zu den Finanztätigkeiten und der Spekulation erlitten haben, wieder wettgemacht wird (8).

1.19   Der EWSA erachtet es im Sinne der konjunkturellen Erholung und der Nachhaltigkeit in Industrie und Dienstleistungen für erforderlich, die Maßnahmen in den Bereichen Forschung, Innovation und Entwicklung zu verstärken. Dabei sollten die bereits vorhandenen Instrumente wie das 7. FTE-Rahmenprogramm und das Europäische Technologieinstitut (ETI) zum Einsatz kommen, allerdings mit einer eindeutigen sektorspezifischen Ausrichtung auf der Grundlage der in den europäischen Technologieplattformen ermittelten Prioritäten.

1.20   Der EWSA fordert mit Nachdruck eine gemeinschaftliche Initiative zur Unterstützung des Sektors der Unternehmensdienstleistungen mit dem Ziel, innovative Dienstleistungen und Inhalte zum Nutzen der Bürger, Verbraucher, Arbeitnehmer und Unternehmen zu entwickeln, vor allem zugunsten der Internationalisierung und der Ausfuhren der KMU.

1.21   Der Ausschuss hält es für notwendig - wie von der Präsidentschaft des EWSA gewünscht (9) -, die Kriterien für den Einsatz der Strukturfonds und insbesondere des ESF zu überdenken, um den unmittelbaren Zugang auf europäischer Ebene - auch auf sektoraler Basis - zu gestatten und damit die Erfahrungen der EGKS wieder aufzugreifen, die sich als wirkungsvoll und rasch umsetzbar erwiesen haben.

1.22   Auf internationaler wirtschaftlicher Ebene erachtet der EWSA den schnellen Abschluss der multilateralen Handelsverhandlungen - der Doha-Runde - für vordringlich. Dies würde ein positives Zeichen für die internationalen Märkte setzen und wichtige Auswirkungen auf die gegenwärtige Krise haben (10). Die EU kann und muss in den Verhandlungen eine stärkere Führungsposition erlangen und mit einer Stimme sprechen, um das Erreichen anspruchsvoller Ziele zu gewährleisten. Dabei gilt es, für die Einhaltung der ILO-Normen für die Grundrechte und –freiheiten der Arbeitnehmer und für menschenwürdige Arbeit zu sorgen, die für die Sicherstellung des künftigen Wachstums des verarbeitenden Gewerbes und des Dienstleistungssektors in Europa von zentraler Bedeutung sind.

1.23   Die Gefahr einer Negativspirale des Protektionismus ist im gegenwärtigen Kontext sehr real. Dies macht es erforderlich, dass die Kommission die Gesetze zum Schutz des Handels der EU entschieden durchsetzt, entschlossene Maßnahmen gegen Dumping und subventionierte Produkte ergreift, ungerechtfertigte protektionistische Maßnahmen anficht und dagegen vorgeht und den Dialog mit den wichtigsten Handelspartnern der EU intensiviert, um Handelskonflikte zu lösen.

2.   Vorbemerkungen

2.1

Die Produktions- und Dienstleistungssektoren stellen das Rückgrat der europäischen Wirtschaft dar. Die Schaffung des Binnenmarkts hat ihnen dank gemeinsamer Normen und Bestimmungen eine starke Entwicklung ermöglicht.

2.2

Die Produktions- und Dienstleistungssektoren stehen vor enormen Herausforderungen:

der Finanzkrach, der mit beispielsloser Wucht und Gleichzeitigkeit die gesamte Weltwirtschaft erfasst und die Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Märkte untergraben hat;

die neue internationale Arbeitsteilung, die entsprechende, vom neuen Weltmarkt auferlegte Rationalisierungen und Umstrukturierungen erforderlich macht. An diesem Weltmarkt sind die neu industrialisierten Länder voll und ganz beteiligt, sie sind aber in geringerem Maße Auflagen unterworfen;

der Klimawandel und die Umwelt, mit dem unabdingbaren Ziel, im Interesse der Gesundheit der Bürger den Schutz des Ökosystems und eine nachhaltige Entwicklung zu sichern, was eine verbesserte Energieeffizienz und die Modernisierung der Produktionszyklen - mit neuen Produkten und Verfahren auf der Grundlage sauberer Technologien - erforderlich macht;

Humanressourcen angesichts von Bevölkerungsalterung und starken Migrationsströmen, wobei größere Flexibilität, berufliche Mobilität, ständige Weiterbildung und höhere Qualifikationsmerkmale zur Gewährleistung einer höheren Lebens- und Arbeitsqualität erforderlich sind;

Mängel der Governance weltweit und auf europäischer Ebene, mit Unzulänglichkeiten in puncto Institutionen, Entscheidungsverfahren und Regeln, wie das gegenwärtige internationale Währungssystem und die Krise des europäischen Aufbauwerks belegen;

die regionalen Ungleichheiten, die sich in der EU verschärfen;

das Schwinden der zur Verfügung stehenden Ressourcen, sowohl der öffentlichen Haushalte als auch in den Unternehmensbilanzen. Es besteht die Gefahr, dass deshalb die erforderlichen Reformen zur Wiederankurbelung der Konjunktur und der Beschäftigung nicht mehr angemessen finanziert werden können.

2.3

Die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise birgt die Gefahr, dass die Anstrengungen der Sektoren in folgenden Bereichen erschwert werden:

Anpassung an die neue internationale Arbeitsteilung;

Schutz des Ökosystems und nachhaltige Entwicklung;

Neuausrichtung hin zu neuen Produkt- und Verfahrenstechnologien;

mehr und bessere Arbeitsplätze und anspruchsvollere Qualifikationsmerkmale und Berufsbilder.

2.4

Die gegenwärtigen Krisen bedeuten für die Unternehmen nicht nur einen Kampf ums Überleben, sondern sie bieten auch große Möglichkeiten für Entwicklung und Innovation. Die Unternehmen dürfen dabei aber nicht alleine gelassen werden: es gilt, durch eine möglichst rasche Umsetzung von Reformen zur Verbesserung des Unternehmensumfelds den Unternehmergeist und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern. Gedacht wird hier an Maßnahmen zur Reduzierung unnötigen Verwaltungsaufwands, zur Bewahrung und Verbesserung des Binnenmarktes, zur Förderung von Risikokapital, zur Begünstigung von Innovation und Flexicurity-Maßnahmen, zur Verbesserung und Verschlankung der Rechtsetzung sowie zur Durchführung von Investitionen in folgende Bereiche: Beziehungen von Hochschulen und Wissenschaft zu den Unternehmen, Bildung und Ausbildung - insbesondere in den technisch-naturwissenschaftlichen Fächern - sowie Entwicklung der Leitmärkte.

2.5

Der EWSA betont, dass es wichtig ist, die derzeitige Situation und die möglichen Zukunftsperspektiven für die wichtigsten Produktions- und Dienstleistungssektoren, insbesondere den Fremdenverkehr, unter Berücksichtigung von verschiedenen, eng miteinander verknüpften Aspekten zu beleuchten:

die internationale Dimension: Die Krise entwickelte sich in integrierten internationalen Kreisläufen, die auf innovative Instrumente zurückgreifen konnten, auf welche die Regulierungs- und Kontrollinstanzen für die einzelnen Märkte und den Weltmarkt in seiner Gesamtheit keinerlei Einfluss hatten, und sie überlagerte den Prozess der Anpassung Europas an ein globales Szenarium, bei dem davon ausgegangen wird, dass die BRIC-Staaten (11) 2020 30 % des globalen BIP erreichen oder vielleicht überschreiten werden;

die institutionelle Dimension: Die institutionellen Governance-Mechanismen auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene haben sich als gänzlich unzureichend erwiesen, um Störungen im Voraus zu ermitteln, rechtzeitig Mittel und Maßnahmen zur Verhütung einer Kettenreaktionin den einzelnen regionalen und nationalen Wirtschaftsräumen zu ergreifen und Abwehrmechanismen zu entwickeln, mit denen die Schäden begrenzt werden können;

die soziale Dimension: Im März 2009 betrug die Arbeitslosigkeit im Euroraum 8,9 % (gegenüber 7,2 % im März 2008) und 8,3 % in der EU-27 (6,7 % im März 2008), wobei die Arbeitslosigkeitsquote bei den Jugendlichen unter 25 Jahren 18,1 % im Euroraum und 18,3 % in der EU-27 betrug (12);

die realwirtschaftliche Dimension: die Industrieproduktion ging im Dezember 2008 im Vergleich zum Vorjahresmonat um 12,8 % in der EU-27 zurück, die Aktivitäten des Baugewerbes schrumpften um 6,7 %, der innergemeinschaftliche Handel ging um 13,7 % zurück und die Ausfuhr des verarbeitenden Gewerbes der EU sank um 5,8 % (13). Vom Produktionsrückgang sind insbesondere die Chemie- und Textilbranche, die Kfz-Industrie und die Metallbranche (mit einem starken Einbruch der Ausfuhren in der Automobilindustrie), die chemischen Erzeugnisse, die Telekommunikation und die Unterhaltungselektronik - und, bei den Dienstleistungen - der Fremdenverkehr betroffen (14);

die ökologische Dimension: Energieeffizienz, Bekämpfung des Klimawandels und nachhaltige Nutzung der Ressourcen sind unaufschiebbare Herausforderungen - für die Erhaltung und Entwicklung des Planeten und insbesondere für Europa, das Wohl seiner Bürger, den Schutz von Umwelt und Wirtschaft insgesamt. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf seine Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere in einem klaren, stabilen und harmonisierten Regelungsrahmen.

3.   Die internationale Dimension

3.1

In den USA ist das BIP im vierten Quartal 2008 um 1 % gesunken, im Quartal davor um 0,1 %. Japan verzeichnete im letzten Quartal 2008 einen Rückgang des BIP um 3,3 %, im dritten um 0,6 %. In der Euro-Zone ging das BIP um 1,5 % zurück, während der Rückgang im dritten Quartal 0,2 % betrug (15).

3.2

Die Arbeitslosenquote steigt rasch an und wird Prognosen der OECD zufolge Ende 2010 in die Nähe von 12 % kommen. Gleichzeitig steigen die Löhne und Gehälter langsamer oder bleiben unverändert.

3.3

Die Kommission betont (16): „Solange Kredite eine knappe Ware bleiben, laufen Bemühungen zur Stärkung der Nachfrage und des Verbrauchervertrauens ins Leere. Da es sich um eine weltweite Krise handelt, wird auch die wirtschaftliche Erholung erst vollendet sein, wenn alle großen Akteure der Weltwirtschaft wieder ein Wachstum verzeichnen und miteinander handeln“.

3.4

Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) ist derselben Auffassung: „Die Wirtschaft wird voraussichtlich weiter nachlassen und sich erst dann erholen, wenn wir radikal umdenken: weg von dem trostreichen, jedoch unrealistischen Konzept einer Rückkehr zum ‚business as usual‘ hin zu einer neuen Wirtschaftsrealität, die in Personen, Innovation und nachhaltige Entwicklung investiert. Erforderlich ist ferner eine Aufwertung der Rolle der Regierung

bei der Regelung der Märkte,

bei den öffentlichen Dienstleistungen,

bei der Bekämpfung von Lohn- und Einkommensunterschieden“ (17).

3.5

Anlässlich des G-20-Treffens am 18. März 2009 in London betonte der Europäische Unternehmerverband BUSINESSEUROPE, dass „die Finanzkrise verheerende Auswirkungen auf die Unternehmen hat, sobald die wichtigsten Triebkräfte des Wachstums von Einschränkungen des Zugangs zu Finanzmitteln getroffen werden (…). Zur Verhinderung eines globalen wirtschaftlichen Zusammenbruchs sind Wirtschaftsanreize erforderlich“ (18).

4.   Die institutionelle Dimension

4.1

Es entsteht ein immer breiterer Konsens und es wird verstärkt zusammengearbeitet, um über die geltenden Vorschriften hinaus außerordentliche Maßnahmen einzuleiten und auf politischer Ebene auf die Notfälle zu reagieren, damit Unternehmen, verarbeitende Sektoren, Produktion und Dienstleistungen, Beschäftigung sowie Einkommen und Verbrauch von Haushalten um jeden Preis geschützt werden.

4.2

Eine Politik, bei der versucht wird, die wirtschaftlichen, beschäftigungspolitischen und sozialen Auswirkungen der Krise zu begrenzen, indem die im Inneren angehäuften Spannungen an Nachbarländern ausgelassen werden, ist nicht nur eine Scheinlösung des Problems, sondern birgt auch das Risiko von wirtschaftlichem Nationalismus und Protektionismus, der den in den vergangenen Jahren mühsam errichteten Rahmen der internationalen Zusammenarbeit und der regionalen Integration in Europa und auf der ganzen Welt zerstören würde.

4.3

Bei etwaigen Maßnahmen zur Bewältigung der Krise sind nach Auffassung des EWSA folgende Elemente wesentlich und unabdingbar:

Errichtung eines auf transparenten Regeln beruhenden neuen Rahmens für die internationale und weltweite Zusammenarbeit, der es ermöglicht, (selbst latente) Mängel des internationalen Wirtschafts-, Währungs- und Finanzsystems frühzeitig zu beseitigen und gleichzeitig den freien internationalen Handel zu schützen;

sofortiges Sondieren der Möglichkeiten eines neuen Sozialvertrags mit dem Finanzsektor und eine starke Neuregulierung und bessere Kontrolle des internationalen Finanzmarkts, sowie eine bessere öffentliche Kontrolle der Anreizmaßnahmen, um sicherzustellen, dass die finanziellen Unterstützungen auch bei den Arbeitnehmern, Verbrauchern und Unternehmen ankommen und der freie internationale Handel gewahrt bleibt;

Schutz der Fundamente der EU in Bezug auf:

die Einheitlichkeit des europäischen Marktes;

den freien Verkehr von Personen, Waren, Kapital und Dienstleistungen;

die Entwicklung und umfassende Umsetzung gemeinsamer Politiken und insbesondere der Wettbewerbspolitik;

die unternehmerische Freiheit und den Schutz des europäischen Sozialmodells;

Durchführung von koordinierten, angemessenen, transparenten und degressiven öffentlichen Maßnahmen, um die systembezogenen Risiken zu mindern;

Schutz und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit der Produktions- und Dienstleistungssektoren in Europa;

Stärkung der wissensbasierten Wirtschaft;

Verbesserung der Kompetenzen der Humanressourcen, darunter auch Führungskräfte;

Qualifizierung von Produkten und Prozessen, die auf den Umweltschutz, die Energieeffizienz und einen effizienten Verbrauch von Materialien ausgerichtet sind, und Gewährleistung der Rahmenbedingungen für ihre Verbreitung auf dem Markt;

Unterstützung für die Entwicklung eines „sozial verantwortlichen Territoriums“;

Keine Erhöhung des Verwaltungsaufwands und der Belastung durch Vorschriften für die europäischen Unternehmen;

Entwicklung eines koordinierten Ansatzes in puncto internationale Produktvorschriften (19);

Verbesserung des Kreditzugangs, insbesondere für KMU.

4.4

Der EWSA ist der festen Überezugung, dass infolge der derzeitigen Krise ein institutioneller Sprung hin zu einer besseren wirtschaftlichen Integration erforderlich ist, die eine qualitätsorientierte Entwicklung der Wirtschaft und mehr und bessere Arbeitsplätze zum Ziel hat.

4.5

Noch dringender ist nach Auffassung des EWSA jedoch ein Qualitätssprung hin zu einer stärkeren politischen Integration in Europa. Denn diese Integration ist die einzige Möglichkeit, um eine Balance zwischen dem Verzicht auf nationale Egoismen und Prioritäten und einer gemeinsamen Zukunft herzustellen.

4.6

Der Ausschuss ist davon überzeugt, dass es nur mit einer Neubesinnung auf das europäische Aufbauwerk im Geiste von Jean MONNET, wie er zum Zeitpunkt der Unterzeichnung und Umsetzung des Pariser Vertrags, mit dem die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) ins Leben gerufen wurde, herrschte, gelingen kann, die Grundlagen für eine Neubelebung der europäischen Wirtschaft zu legen.

4.7

Der Ratifizierungsprozess des Vertrags von Lissabon muss so schnell wie möglich abgeschlossen werden, um ein institutionelles Gefüge der Europäischen Union zu gewährleisten, das mit besser koordinierten Maßnahmen reagieren kann.

5.   Die soziale Dimension der Krise: Die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer, Unternehmen und Familien

5.1

In den vergangenen Monaten haben Unternehmensumstrukturierungen drastisch zugenommen, so dass zahlreiche Unternehmen Pläne zum Stellenabbau realisierten, was spürbare soziale Auswirkungen, auch auf die Zukunft der Jugendlichen, hat (20). Andere Firmen haben Konkurs angemeldet.

5.2

Der EWSA ist davon überzeugt, dass die Humanressourcen der Schlüssel zu einer erfolgreichen Neubelebung der Wettbewerbsfähigkeit der EU sein werden, und zwar sowohl in Bezug auf die Fähigkeiten und Qualifikationen der Arbeitskräfte als auch in Bezug auf das neue Modell der Management-Governance.

5.3

Nach Auffassung des EWSA sind Investitionen in die Arbeitnehmer und die Erhaltung von Beschäftigung von wesentlicher Bedeutung für die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie - sowohl mit Blick auf Qualifikationen und neue Kompetenzen der Arbeitnehmer als auch mit Blick auf ein neues Modell der sozialen Verantwortung der Unternehmen (21).

5.4

Angesichts des Ausmaßes der Krise sollten Weiterbildungs- und Beschäftigungsprogramme, die für Wachstumsbranchen wie z.B. erneuerbare Energien qualifizieren, den von der Rezession betroffenen Arbeitnehmern rasch zur Verfügung stehen.

5.5

Stützungsmaßnahmen für die Haushalte müssten auch deshalb erwogen werden, um neue Nachfrageimpulse zu geben (22).

6.   Die realwirtschaftliche Dimension: Neubelebung der Produktions- und Dienstleistungssektoren

6.1

Deindustrialisierung. Vielleicht haben die Kommission und viele Mitgliedstaaten in den letzten Jahren, insbesondere um die Jahrtausendwende, der Industriepolitik weniger Bedeutung geschenkt, und den aus der Entwicklung komplexer, sich an nordamerikanischen Modellen orientierender Finanzsysteme stammenden Wohlstand bevorzugt.

6.2

2005 hat die EU ein integriertes europäisches Konzept für die Industriepolitik angenommen, das auf einer Kombination von sektorspezifischen Maßnahmen und Querschnittsinitiativen beruht. Darauf folgte im Jahr 2007 als Beitrag zur EU-Strategie für Wachstum und Beschäftigung eine Halbzeitbewertung (23). 2008 hat die EU dann einen Aktionsplan für eine nachhaltige Industriepolitik (24) angenommen, zu dem der EWSA bereits Stellung bezogen hat (25).

6.3

Die zentrale Rolle der wettbewerbsfähigen Unternehmen mit sozialer Verantwortung, der Unternehmen der Sozialwirtschaft und der in immer stärkerem Maße qualifizierten und auf Teilhabe ausgelegten Beschäftigung muss einen Bezugspunkt für die Maßnahmen zur Konjunkturbelebung im verarbeitenden Gewerbe und den Dienstleistungen darstellen.

6.4

Die Glaubwürdigkeit der Lissabon-Strategie muss gewahrt werden. Die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaftsinstitutionen müssen ihre Fähigkeit unter Beweis stellen, die Maßnahmen an den neuen Kontext anzupassen, indem eindeutige Prioritäten und neue Methoden für die in den nächsten Monaten zu bestimmende Post-Lissabon-Strategie festgelegt werden. Die Reformprozesse müssen beschleunigt und eindeutige und genau definierte Prioritäten mit praktikablen und überprüfbaren Zeitplänen ermittelt werden.

6.5

Nach Auffassung des EWSA sollte die Entwicklung der europäischen Produktions- und Dienstleistungssektoren im Wege einer Optimierung der Qualität von Prozessen und Produkten erfolgen. Der EWSA fordert von der EU, entsprechend tätig zu werden.

6.6

Nach Auffassung des EWSA sollte eine solche Industriestrategie auch folgende Punkte beinhalten:

umfangreiche Investitionen in Neubauten und nachhaltige Gebäuderenovierung, insbesondere bei Gebäuden der öffentlichen Hand und im gewerblichen Bereich (26), unter Verwendung von Baumaterialien mit einem niedrigen Wärmedurchgangswert wie z.B. Glasverbundsysteme und Keramik, um den Energieverbrauch zu senken;

umfangreiche Investitionen in die Steigerung der Energieeffizienz, Ausbau der Kapazitäten zur Energieerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern und Entwicklung der Technologien zur Bindung und Lagerung von CO2;

Investitionen in Pläne für einen umweltverträglichen Verkehr, eine stärker standortnahe Produktion, bessere Abfallbewirtschaftung sowie in die von der Kommission vorgeschlagene europäische „Green Car Initiative“ (27);

besserer Zugang des verarbeitenden Gewerbes zu den von den Regierungen gestützten Investitionsfonds zwecks Förderung von Innovation und Entwicklung von sauberen Technologien und Verfahren in der Automobilindustrie und im Metall verarbeitenden Sektor. Dabei sollte die von der Kommission vorgeschlagene Initiative „Factories of the Future“ (28) wieder aufgegriffen und ausgebaut werden;

Ausbau der materiellen und immateriellen Netz-Infrastrukturen auf europäischer Ebene, insbesondere der Breitband-Informationstechnologien einschließlich des Ausbaus der i2020-Initiative der EU, d.h. intelligente Investitionen und Infrastrukturen im Hinblick auf eine vertiefte Integration einer erweiterten EU.

6.7

Die spezifischen Probleme von KMU müssen angegangen werden, vor allem in Bezug auf den mangelnden Zugang zu Krediten und Darlehen. Derzeit erfüllen die für KMU bestimmten Fonds nicht ihren Zweck.

6.8

Die Initiative „Small Business Act“, zu der sich der Ausschuss bereits geäußert hat (29), wird „insbesondere vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzkrise dieser Herausforderung nicht gerecht“, da sie nicht mit angemessenen Finanzmitteln ausgestattet wurde. Es ist auf jeden Fall wichtig, die vollständige, zeitgerechte und systematische Anwendung der „Small Business Act“-Strategie in den Mitgliedstaaten sicherzustellen.

6.9

Vor allem in der derzeitigen Situation ist es - neben dem vom Ausschuss wiederholt betonten Kreditzugang - von enormer Bedeutung, dass

das Statut für eine Europäische Privatgesellschaft, das die KMU dringend benötigen (30), unter Wahrung der Arbeitnehmerrechte angenommen wird;

die EU-Richtlinie zum Zahlungsverzug überarbeitet wird;

die Rolle von Clustern als territoriale Entwicklungsmotoren gefördert wird, mit der Schaffung „funktionaler Produktionscluster“ auf europäischer Ebene, die insbesondere für das verarbeitende Gewerbe und die Dienstleistungen von Nutzen sind;

Gemeinschaftsinitiativen zur Betreuung neuer KMU und von Unternehmensgründungen lanciert werden, um ihre Erfolgsrate zu steigern und ihnen den Zugang zu den Weltmärkten zu erleichtern;

eine kontinuierliche Überprüfung der sektorspezifischen kritischen Bereiche mit dem Ziel in die Wege geleitet wird, „Marktversagen“ zu verhindern und antizipatorische Entwicklungsperspektiven zu konzipieren.

6.10

In Bezug auf spezifische Sektoren hatte die Kommission nach einer umfassenden öffentlichen Anhörung bereits eine Reihe von Produktionssektoren ermittelt, in denen verstärkt Förderungs- und Ankurbelungsmaßnahmen zu ergreifen waren. In Bezug auf die Anfangsphase der Leitmarktinitiative wurden sechs Sektoren ermittelt (31):

elektronische Gesundheitsdienste,

Schutztextilien,

nachhaltiges Bauen,

Recycling,

biobasierte Produkte,

erneuerbare Energie.

6.11

Das von der Kommission angewandte Verfahren sollte auch auf andere Bereiche ausgedehnt werden, d.h., es sollten Sektoren ermittelt werden, in denen mittels konzertierter Maßnahmen und mit zentralen politischen Instrumenten und Rahmenbedingungen und einer verstärkten Zusammenarbeit der einschlägigen Akteure die Marktentwicklung ohne Eingriff in die Dynamik des Wettbewerbs beschleunigt werden kann (32). Das gilt auch für die Entwicklung der europäischen Verteidigungsindustrie, die nach der Gründung einer Europäischen Verteidigungsagentur und nach den zu verzeichnenden Fortschritten im Bereich der gemeinsamen Sicherheitspolitik (33) Gegenstand einer stärker koordinierten europäischen Politik sein sollte.

6.12

Eine wirkungsvolle europäische Industriepolitik muss den spezifischen Bedingungen der einzelnen Branchen gerecht werden: von der Kfz-Branche (Pkw, Lastwagen, Motorräder (34), über den Chemiesektor zum Schiffbau, Kohle und Stahl, Baubranche, Glas-, Keramik- und Zementindustrie, Textil und Bekleidung, Nahrungswirtschaft, Metallverarbeitung, Elektromechanik, Luft- und Raumfahrttechnik, Informatik und Telekommunikation, Energie, Gesundheitsdienstleistungen usw.

6.13

Auch im Sinne der Markteinführung von Innovationen hält der EWSA die Weiterentwicklung der bereits geschaffenen neuen industriepolitischen Instrumente - wie die „Gemeinsamen Technologieinitiativen“, die innovativen Ansätze bei der öffentlichen Auftragsvergabe und der Aktionsplan für Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch - für wichtig.

6.14

Der EWSA ist der Auffassung, dass auch im Dienstleistungssektor die Liberalisierung beschleunigt werden muss, insbesondere im Zusammenhang mit den Leistungen der freien Berufe und den noch bestehenden Einschränkungen im Bereich der Gebühren und Zulassungsbeschränkungen.

6.15

Der EWSA fordert mit Nachdruck eine gemeinschaftliche Initiative zur Unterstützung des Sektors der Unternehmensdienstleistungen mit dem Ziel, innovative Dienstleistungen und Inhalte zum Nutzen der Bürger, Verbraucher, Arbeitnehmer und Unternehmen zu entwickeln, den digitalen Übergang und die Verbreitung von Breitbanddiensten zu beschleunigen und somit Schranken für digitale Behördendienste und die Interoperabilität der Systemezu beseitigen.

6.16

Nach Auffassung des EWSA sollten die Beziehungen der EU zur übrigen Welt von einer intensivierten und konsequenter gestalteten gemeinsamen Außenpolitik bestimmt werden.

7.   Die Dimension der nachhaltigen Entwicklung

7.1

Der EWSA unterstützte (35) und unterstützt Initiativen zur Entwicklung von Maßnahmen für Nachhaltigkeit in Förderung, Produktion und Verbrauch, die voll und ganz mit den anderen Gemeinschaftspolitiken integriert sind, damit mögliche Herausforderungen zu Wettbewerbschancen werden können.

7.2

Nach Überzeugung des EWSA muss die EU auch weiterhin anspruchsvolle Ziele anstreben, die jedoch von Rechts- und Finanzmitteln unterstützt werden, die die Wettbewerbsfähigkeit Europas nicht beeinträchtigen, indem sie mit höheren Belastungen für die Unternehmen und Bürger einhergehen, sondern die vorbildliche Verhaltensweisen, Innovationsprozesse und technologische Verbesserungen unterstützen.

7.3

Der EWSA betont, wie wichtig es ist, geeignete Initiativen zu starten, um weltweit eine Vorreiterrolle zu übernehmen bei der Energieeffizienz, dem Ausbau der Kapazitäten für die Energiegewinnung aus erneuerbaren Energieträgern und bei der Entwicklung der Technologien zur CO2-Bindung.

Brüssel, den1. Oktober 2009

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  Der ehemalige Kommissar für Wettbewerb, Mario Monti, hat in einem Leitartikel im „Corriere della Sera“ vom 10. Mai 2009 seine Besorgnis bezüglich des Überlebens des europäischen Modells, das auf dem Binnenmarkt basiert, zum Ausdruck gebracht.

(2)  Anerkennung von Berufsqualifikationen; Besteuerung der Kapitalerträge; Übertragbarkeit der in verschiedenen Staaten erworbenen Rentenansprüche usw.

(3)  Siehe europäische Plattform Manufuture (www.manufuture.com). Siehe auch Interview mit Étienne Davignon über die Durchführung des Davignon-Plans (Brüssel, 14. Januar 2008; www.ena.lu).

(4)  EIF, finanziert von der EIB, siehe 1. Teil des Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (2007-2013).

(5)  Siehe Leitmarkt: „Elektronische Gesundheitsdienste“ in KOM(2007) 860 endg. Siehe auch weiter unten Ziffer 6.10.

(6)  Siehe Stellungnahme des EWSA, „Ergebnisse des Beschäftigungsgipfels“, CESE 1037/2009, noch nicht im Amtsblatt erschienen.

(7)  Siehe die vom Europäischen Rat von Luxemburg im November 1997 gebilligten Vorschläge zu einer europaweiten Senkung der von den Mitgliedstaaten festgelegten Mehrwertsteuersätze für arbeitsintensive Dienstleistungen.

(8)  ELECTRA-Bericht, Empfehlung Nr. 13: „Darauf abzielen, dass in allen EU-Staaten mindestens 50 % aller Schulabgänger eine Hochschulausbildung absolviert und mindestens 25 % aller Hochschulstudenten einen technischen, ingenieurwissenschaftlichen oder naturwissenschaftlichen Studiengang wählt“.

(9)  Schreiben von EWSA-Präsident SEPI an Kommissionspräsident BARROSO anlässlich des Europäischen Sozialgipfels in Prag.

(10)  Siehe Stellungnahme „Verhandlungen über neue Freihandelsabkommen - der Standpunkt des EWSA“, ABl. C 211 vom 19.8.2008, S. 82–89 und Stellungnahme „Die externe Dimension der erneuerten Lissabon-Strategie“ (noch nicht im Amtsblatt erschienen).

(11)  BRIC: Brasilien, Russland, Indien und China.

(12)  Eurostat STAT, 30.4.2009.

(13)  SEK 2009/353.

(14)  UNWTO, World Tourism Barometer Vol. 7 Nr. 2, Juni 2009.

(15)  Im ersten Quartal 2009 sank das BIP um 2,5 % gegenüber dem Quartal zuvor. Im Mai 2009 hat die Industrieproduktion in der EU gegenüber einem Jahr zuvor um 15,9 % (verarbeitendes Gewerbe: 16,8 %) abgenommen. Siehe SEK(2009) 1088 vom 20.7.2009.

(16)  KOM(2009) 114 endg.

(17)  Siehe vom Exekutivausschuss des EGB angenommene Entschließung zum europäischen Konjunkturprogramm (3./4.12.2008; http://www.etuc.org/ - dort Link: Resolutions).

(18)  Siehe BUSINESSEUROPE, Key message vom 17.3.2009„G20 Business Event“ unter: http://www.businesseurope.eu/Content/Default.asp.

(19)  International Product Regulations (IPR).

(20)  Im ersten Quartal 2009 erreichte die Jugendarbeitslosigkeit mit 5 Mio. arbeitslosen Jugendlichen in der EU-27 einen Anteil von 18,3 % - EUROSTAT vom 23.7.2009.

(21)  Dies wird aufgrund der Wirkung der von Basel II vorgesehenen Anforderungen für das Verhältnis Eigenkapital/Kreditrisiken, insbesondere auf KMU, immer schwieriger werden. Deshalb sollte auf EU-Ebene sondiert werden, wie diese Auswirkungen abgefedert werden können.

(22)  Siehe Indikator „Consumer Confidence“ (Schaubild 6) in „Business & Consumer Survey Results“, GD ECFIN, Juni 2009.

(23)  KOM(2007) 374 endg.

(24)  KOM(2008) 397 endg.

(25)  Siehe Stellungnahme „Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch“, ABl. C 218 vom 11.9.2009, S. 46–49.

(26)  Beschäftigungsbericht 2008/2009, Rat „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ vom 9.3.2009.

(27)  Siehe „Europäisches Konjunkturprogramm“, KOM(2008) 800 endg.

(28)  Ibidem.

(29)  Siehe EWSA-Stellungnahme (ABl. C 182 vom 4.8.2009, S. 30).

(30)  Initiativstellungnahme des EWSA „Ein europäisches Rechtsstatut für KMU“ (ABl. C 125 vom 27.5.2002, S. 100).

(31)  KOM(2007) 860 endg.

(32)  Siehe Sitzung des Rates „Wettbewerb“ vom 4. Dezember 2006: Schlussfolgerungen zur Innovations- und Wettbewerbspolitik.

(33)  Siehe Stellungnahmen „Verbringung von Verteidigungsgütern“ und „Europäische Verteidigung“ (ABl. C 100 vom 30.4.2009, S. 109 bzw. ABl. C 10 vom 14.1.2004, S. 1).

(34)  Insbesondere die Motorradbranche der EU sollte in Analogie zur Kfz-Branche in den Genuss von Unterstützungen und Anreizförderung durch die Mitgliedstaaten kommen, da sie im gleichen Maße unter der gegenwärtigen Krise leidet.

(35)  Siehe EWSA-Initiativstellungnahme „Ökologische Herstellungsverfahren“ (ABl. C 224 vom 30.8.2008, S. 1).