22.9.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 228/24


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Situation älter werdender Arbeitnehmer angesichts des industriellen Wandels — Unterstützungsangebote und Diversifizierung der Altersstruktur in Branchen und Unternehmen“ (Initiativstellungnahme)

2009/C 228/04

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 17. Januar 2008 gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Die Situation älter werdender Arbeitnehmer angesichts des industriellen Wandels — Unterstützungsangebote und Diversifizierung der Altersstruktur in Branchen und Unternehmen“ (Initiativstellungnahme).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 10. März 2009 an. Berichterstatter war Herr KRZAKLEWSKI.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 452. Plenartagung am 24./25. März 2009 (Sitzung vom 25. März) mit 159 gegen 8 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss ist der Auffassung, dass die Frage der Beschäftigung in der Europäischen Union eine umfassende Herangehensweise erfordert, da sie - vor allem in der derzeitigen Krise - alle Altersklassen berührt.

1.2   Der Ausschuss ruft die Europäische Kommission dazu auf, sich insbesondere mit der Situation älterer Menschen auf dem Arbeitsmarkt zu beschäftigen, und weist sie darauf hin, dass die Umsetzung der altersrelevanten Bestimmungen der Richtlinie 2000/78/EG über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf verbessert und verstärkt werden sollte, indem auf europäischer Ebene ein Programm und ein Rahmen zur Förderung einer Beschäftigungspolitik für ältere Menschen geschaffen werden.

1.2.1   Dieses Papier soll eine Sammlung bewährter Verfahren enthalten, deren Anwendung dazu beiträgt, diejenigen, die 50 Jahre und älter sind, und insbesondere alle, die auf das gesetzliche Renteneintrittsalter zugehen, für den Arbeitsmarkt zu erhalten bzw. zu gewinnen. Unternehmer, Arbeitnehmer ab der Mitte ihrer beruflichen Laufbahn, ältere Menschen sowie praktisch die gesamte Gesellschaft sollten für die Möglichkeiten und Vorteile im Zusammenhang mit der Teilhabe älterer Menschen am Arbeitsmarkt sensibilisiert werden.

1.2.1.1   Bei der Durchführung der Maßnahmen zugunsten älterer Menschen sollten sämtliche Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigung, insbesondere zugunsten des Berufseintritts junger Menschen, fortgesetzt werden.

1.2.2   Der EWSA vertritt die Auffassung, dass zur Schaffung gemeinsamer Grundlagen und eines einheitlichen EU-Rahmens für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer die Methode der offenen Koordinierung angewandt werden sollte. Dies ist insbesondere im heutigen Wirtschaftsklima mit zunehmenden Arbeitsplatzverlusten wichtig, bei denen ältere Arbeitnehmer in einer Krisensituation möglicherweise nicht wegen ihrer Fähigkeiten, sondern wegen ihres Alters diskriminiert werden.

1.3   Im Mittelpunkt der vom EWSA in der vorliegenden Stellungnahme vorgeschlagenen Modelle und Lösungsansätze stehen ältere Arbeitnehmer, denen der Verlust ihres Arbeitsplatzes droht, sowie jene Arbeitnehmer, die das Regel- bzw. Frührentenalter erreicht haben (bzw. in Kürze erreichen werden), die jedoch weiter berufstätig sein wollen.

1.4   Angesichts der großen Unterschiede in der Beschäftigungsquote älterer Menschen in der EU sollten die Mitgliedstaaten jeweils einen „nationalen Rahmen zur Förderung der Beschäftigung älterer Menschen“ erarbeiten und umsetzen, in dem die unten erwähnten Handlungsansätze gegenüber älteren Arbeitnehmern miteinander kombiniert werden. In den Mitgliedstaaten, in denen ein solcher nationaler Rahmen bereits besteht, muss dieser regelmäßig überarbeitet und mithilfe folgender Maßnahmen ausgebaut werden:

Förderung eines aktiven Älterwerdens;

Schaffung von Anreizen sowohl für ältere Arbeitnehmer als auch für die sie beschäftigenden Firmen durch politische Maßnahmen der einzelstaatlichen Regierungen zugunsten des Verbleibs älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt;

Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (insbesondere bei körperlicher Arbeit);

Umstrukturierung der Arbeitsmarktinstitutionen im Hinblick auf eine stärkere Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes an die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer.

1.5   Der EWSA stellt mit Sorge fest, dass die Beschäftigungsquote älterer Menschen in nahezu allen Ländern der EU zwar allmählich ansteigt, aber nur wenige Firmen und Unternehmen die Frage älterer Arbeitnehmer in ihrer Unternehmenspolitik als wichtig ansehen. Demnach muss möglichst schnell eine Antwort auf die Frage gefunden werden, weshalb die Unternehmen sich nicht stärker um die Umsetzung bewährter Verfahren zur Beschäftigung älterer Personen bemühen, obwohl doch aus sämtlichen Untersuchungen hervorgeht, dass diese vorteilhafte Lösung in mehreren Mitgliedstaaten behördlicherseits gefördert wird.

1.5.1   Als wesentliche Voraussetzung für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer muss gewährleistet sein, dass sich eine Verlängerung des Beschäftigungsverhältnisses sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer rechnet. Bei einem solchen Ansatz müsste die „Rechnung“ auf der Grundlage folgender Faktoren erstellt werden:

das Steuer- und das Rentensystem der Mitgliedstaaten,

die für Arbeitnehmer und Arbeitgeber relevanten Voraussetzungen für die Beschäftigung älterer Menschen,

die Systeme des lebenslangen Lernens (einschließlich der beruflichen Fortbildung) für Arbeitnehmer ab 50 oder sogar ab 45.

1.5.2   Nach Auffassung des EWSA entscheidet sich die Frage der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer aus Sicht der Arbeitgeber daran, wie sich die Erfahrungen und Fähigkeiten älterer Arbeitnehmer nutzen lassen.

1.6   Der Ausschuss ruft die europäischen Institutionen, die EU-Mitgliedstaaten und die Sozialpartner dazu auf, bei den Unternehmern und den Mitarbeitern für das Konzept einer nach Altersgruppen differenzierten Belegschaft als wirksamen Produktivitätsfaktor und geeignete Reaktion auf die Schwierigkeiten auf dem europäischen Arbeitsmarkt zu werben.

1.7   Er betont, dass im Bereich des Altersmanagements ein aktives Vorgehen der europäischen Institutionen und der EU-Mitgliedstaaten angezeigt ist.

1.7.1   Zudem vertritt er die Auffassung, dass Informationen zum Thema Altersmanagement bei Schulungen von Führungskräften sowie im Rahmen von Studiengängen im Bereich Management vermittelt und dabei u.a. folgende Fragen angesprochen und untersucht werden sollten:

Erhalt der Motivation und der Kreativität älter werdender Arbeitnehmer,

angepasstes Arbeitstempo, damit es nicht nach einigen Jahren zum „Burn-out“ kommt,

Aufbau beruflicher Beziehungen zwischen Arbeitnehmern unterschiedlicher Altersgruppen.

1.7.2   Der Ausschuss unterstreicht, dass für die Erhöhung der Erwerbsquote älterer Arbeitnehmer das lebenslange Lernen sowie Maßnahmen der allgemeinen und beruflichen Bildung von wesentlicher Bedeutung sind, die eindeutig der Verbesserung des Bildungsniveaus älterer Arbeitnehmer dienen.

1.8   In Zusammenhang mit den großen Unterschieden in der Beschäftigung von Frauen und Männern in der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen ist der EWSA der Ansicht, dass zum einen die Mitgliedstaaten und die Kommission Maßnahmen ergreifen müssen, um die derzeitige Politik zur Beschäftigung von Frauen höherer Altersklassen um neue Elemente zu ergänzen und zum anderen neue, bislang nicht angewandte Modelle zu erproben.

1.8.1   Die Anhebung der Beschäftigungsquote von Frauen über 50 kann sich als entscheidend für die Erreichung der in der Lissabon-Strategie festgelegten Beschäftigungsziele erweisen.

1.8.2   Der Ausschuss ruft die Kommission dazu auf, in Zusammenarbeit mit den Agenturen der Europäischen Union zu untersuchen, ob die geringe Beschäftigung von Frauen der Altersgruppe 50+ auf Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt zurückzuführen ist.

1.9   Der Ausschuss weist darauf hin, dass eines der Haupthindernisse für eine stärkere Beschäftigung älterer Arbeitnehmer in der digitalen Kluft zu sehen ist. Zur wirksamen Bekämpfung dieses Phänomens sollten das lebensbegleitende Lernen der Personengruppe 50+ und die entsprechenden Schulungsmaßnahmen möglichst stark auf die Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) ausgerichtet sein. Um den älteren Menschen die Scheu vor der Anwendung von IKT zu nehmen, ist es angebracht, die ersten Schulungen in diesem Bereich in hinsichtlich Alter und Vorkenntnissen homogenen Teilnehmergruppen durchzuführen.

1.9.1   Der EWSA ist zudem der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten mit der aktiven Beteiligung der nationalen Regierungen und lokalen Verwaltungen, der Sozialpartner und der Bildungseinrichtungen dafür Sorge tragen sollten, die notwendigen Voraussetzungen für die Vermittlung besserer Grundkenntnisse im Bereich neuer Techniken und Technologien an die Altersgruppe 50+ zu schaffen.

1.9.2   Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, den gegenwärtigen Bedarf an Grundfertigkeiten für eine problemlose Integration in die Informationsgesellschaft eingehend zu prüfen, um ggf. gemeinsam mit den Mitgliedstaaten Mittel und Wege für die Ergänzung dieser Kompetenzen zu finden.

1.10   Der Ausschuss macht insbesondere darauf aufmerksam, dass das Ziel, älteren Menschen eine problemlose Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, systematische und umfassende Maßnahmen und zugleich in einzelnen Fällen bzw. bei einzelnen Personen eine individuelle Herangehensweise erfordert.

1.10.1   Für einen solchen Ansatz sind Instrumente erforderlich, die eine Vorausschau und Vorwegnahme des Wandels in den Bereichen Industrie und Technologie und des damit einhergehenden Fortbildungsbedarfs wie auch der gesellschaftlichen Veränderungen ermöglichen. In diesem Zusammenhang sollten Stellen zur Beobachtung des Arbeitsmarktes, des Qualifikationsniveaus und der gesellschaftlichen Veränderungen sowie die statistischen (Informations-)Systeme der EU-Mitgliedstaaten eine besondere Rolle spielen.

1.10.2   Der Ausschuss fordert die Kommission dazu auf, die statistischen Untersuchungen zur Beschäftigung von Über-50-Jährigen im Hinblick auf den besonderen Stellenwert dieses heiklen Themas häufiger als bisher durchzuführen. Vor dem Hintergrund der Krise ist dies umso wichtiger. Älter werdende Arbeitnehmer sind mit am stärksten der Gefahr ausgesetzt, Verfügungsmasse für aktuelle und künftige Stellenabbau- und Umstrukturierungspläne zu sein.

2.   Einleitung

2.1   Zur Bewältigung des Arbeitskräftemangels, der sich in Zukunft durch den demografischen Wandel ergeben wird, hat die EU im März 2001 eine 50-prozentige Beschäftigungsquote für die 55- bis 64-Jährigen als Zielvorgabe bis 2010 festgelegt. Erste Bewertungen deuten auf ernsthafte Schwierigkeiten im Hinblick auf eine Erreichung dieser Marke bis 2010 hin.

2.2   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat sich in seinen Stellungnahmen zu Vorlagen der Kommission und des Rates (1) wie auch in seinen Sondierungsstellungnahmen (2) eingehend mit folgenden Themenkomplexen auseinandergesetzt:

Schlussfolgerungen, die sich für die EU aus den statistischen Daten über ältere Arbeitnehmer ergeben;

Notwendigkeit und Stringenz einer positiven Einstellung älteren Arbeitnehmern gegenüber;

Auswirkungen von Frühverrentungen auf die Beschäftigungsquote älterer Arbeitskräfte;

Ursachen für den Rückgang der Beschäftigungsquote älterer Arbeitskräfte vor dem Jahr 2000;

Maßnahmen, die geplant bzw. durchgeführt wurden, um die Beschäftigungsquote älterer Arbeitskräfte anzuheben und sie länger im Arbeitsmarkt zu halten, darunter auch Möglichkeit der Einführung eines Flexicurity-Systems für diese Gruppe von Arbeitskräften;

Teilnahme älterer Arbeitnehmer an Bildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen;

Gewährleistung der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben für ältere Arbeitnehmer sowie Stärkung der Solidarität zwischen den Generationen;

Qualität des Berufslebens, Niveau der Arbeitsproduktivität und Beschäftigungsbedingungen älterer Arbeitnehmer vor dem Hintergrund der Globalisierung und des demografischen Wandels.

2.3   Für eine wirksame Anhebung der Beschäftigungsquote älterer Arbeitskräfte müssen politische Maßnahmen und Konzepte erarbeitet, bekannt gemacht und umgesetzt werden, die auf eine Lösung der Probleme abzielen, die sich für Arbeitnehmer aus dem Älterwerden sowie aufgrund des industriellen Wandels ergeben. Eines der Konzepte, dem sich der Ausschuss in der vorliegenden Stellungnahme ausführlicher widmet, ist das Veränderungsmanagement mittels einer auf die Unterstützung von Arbeitnehmern aller Altersgruppen ausgerichteten Diversifizierung hinsichtlich der Altersstruktur, der Ausbildungsgrade und der beruflichen Fertigkeiten.

2.4   Der Schwerpunkt der in der vorliegenden Initiativstellungnahme vorgeschlagenen Modelle und Lösungsansätze wurde in Übereinstimmung mit dem Thema der Stellungnahme auf ältere Arbeitnehmer gelegt, denen aufgrund ihres Alters, infolge von Umstrukturierungen oder einer Reihe wirtschaftlicher bzw. sozialer Veränderungen der Verlust ihres Arbeitsplatzes droht, sowie auf jene Arbeitnehmer, die das Regelrentenalter bzw. ein Alter erreicht haben, das sie zum Übertritt in den Vorruhestand berechtigt, die jedoch weiter berufstätig sein wollen. Gegenwärtig muss der Diversifizierung der Altersstruktur besondere Beachtung geschenkt werden, um in einer Zeit des wirtschaftlichen Abschwungs und der Arbeitsplatzverluste zu verhindern, dass ältere Arbeitnehmer benachteiligt werden.

2.4.1   Eingehend erörtert werden darüber hinaus Ansätze für ältere Arbeitslose, die einen Wiedereinstieg ins Arbeitsleben anstreben, sowie für Rentner, die aus unterschiedlichen Gründen erneut eine Berufstätigkeit aufnehmen möchten.

3.   Schlussfolgerungen aus den aktuellen statistischen Daten über ältere Arbeitnehmer in der EU

3.1   Ende 2005 gingen in der EU 22,2 Mio. Personen in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen einer Erwerbstätigkeit nach, 1,6 Mio. Personen dieser Altersgruppe waren arbeitslos, 28,5 Mio. befanden sich im Ruhestand. Eine Zunahme des Anteils älterer Menschen an der erwerbstätigen Bevölkerung entspricht den Zielen der Lissabon-Strategie.

3.2   In der EU-25 stieg die Beschäftigungsquote älterer Menschen von 36,6 % im Jahr 2000 auf 42,5 % im Jahr 2005 an (siehe Grafik in Anhang I). Mit Ausnahme von Polen und Portugal ist diese Quote in jedem Land der EU angestiegen. In Schweden, Dänemark, Großbritannien, Estland, Finnland und Irland wurde 2005 bereits das für 2010 gesteckte Ziel für die Beschäftigungsquote bei den 55- bis 64-Jährigen erreicht bzw. übertroffen.

3.3   2005 betrug die Beschäftigungsquote älterer Menschen in der EU-25 51,8 % bei Männern, aber nur 33,7 % bei Frauen; bei Frauen ist diese Quote in den Jahren 2000-2005 jedoch stärker angestiegen als bei Männern (6,8 % gegenüber 4,9 %).

3.4   Die Gruppe der 55- bis 64-Jährigen ist hinsichtlich ihrer Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht homogen. Es zeigen sich deutliche Unterschiede hinsichtlich der Beschäftigungsquote der 55- bis 59-Jährigen bzw. der 60- bis 64-Jährigen. Die Beschäftigungsquote lag 2005 entsprechend bei 55,3 % bzw. 26,7 %. Sowohl bei Männern als auch bei Frauen fiel die „Kluft“ hinsichtlich der Beschäftigungsquote zwischen der Altersgruppe der 55- bis 59-Jährigen und der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen mit bis zu 28,6 % deutlich größer aus als die „Kluft“ von 17 % zwischen der Altersgruppe der 50- bis 54-Jährigen und der 55- bis 59-Jährigen.

3.5   Spitzenreiter bei der Beschäftigung älterer Menschen ist Schweden; hier beträgt die Beschäftigungsquote für die Kategorien der 55- bis 59-Jährigen und der 60- bis 64-Jährigen 79,4 % bzw. 56,9 %. Am unteren Ende der Skala befinden sich Polen mit 32,1 % für die Altersgruppe der 55- bis 59-Jährigen und Luxemburg mit 12,6 % für die Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen.

3.6   Die Analyse der Daten hinsichtlich der Beschäftigungsquote älterer Menschen in Abhängigkeit von ihrem Bildungsniveau in Anhang II ergibt, dass ältere Menschen mit einem hohen Bildungsniveau unabhängig von ihrem Geschlecht weitaus häufiger in einem Beschäftigungsverhältnis stehen als Menschen mit einem niedrigen Bildungsniveau. In der EU-25 gehen nur 30,8 % der älteren Menschen mit dem (in einer dreiteiligen Skala) niedrigsten Bildungsniveau einer Erwerbstätigkeit nach. Von den älteren Arbeitnehmern mit dem höchsten Bildungsgrad sind hingegen 61,8 % erwerbstätig.

3.7   Aus der vom CEDEFOP durchgeführten Analyse der jüngsten europäischen Erhebung über die berufliche Weiterbildung in Unternehmen (3) ergibt sich, dass in praktisch allen Mitgliedstaaten deutlich weniger ältere Arbeitnehmer an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen als jüngere. Im Jahr 2005 haben in der EU-27 24 % der Arbeitnehmer über 55 Jahre an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen, während dieser Wert in der Altersgruppe der 25- bis 54-Jährigen bei 33 % liegt. Die niedrigste Quote hinsichtlich der Teilnahme älterer Arbeitnehmer an beruflicher Weiterbildung ist in den KMU zu verzeichnen. In kleinen Unternehmen liegt sie für die Altersgruppe 55+ nur bei 13 %. Weitere Angaben dazu finden sich in der Tabelle in Anhang III.

3.8   In der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen wird häufiger eine Teilzeitbeschäftigung gewählt als in der Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen (22,2 % gegenüber 16,8 %). Diese Form der Beschäftigung kommt bei Frauen in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen (39,5 %) weitaus häufiger vor als bei Männern (10,3 %).

3.8.1   Auch selbstständige Beschäftigung ist in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen häufiger anzutreffen als in der Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen (23 % gegenüber 15,4 %). Allerdings wählen - anders als bei der Teilzeitbeschäftigung - weitaus mehr Männer als Frauen diese Form der Erwerbstätigkeit.

3.8.2   Unter Berücksichtigung der zentralen Faktoren, die Einfluss auf die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer haben, wurde für sechs charakteristische Gruppen von Ländern innerhalb der EU eine Clusteranalyse (4) durchgeführt, in der die Auswirkungen der drei Arten von Ansätzen gegenüber älteren Arbeitnehmern untersucht wurden, wobei jedem dieser drei Ansätze eine Reihe von Faktoren mit entscheidendem Einfluss auf den Arbeitsmarkt zugeordnet wurde:

Ansatz I: Förderung eines aktiven Älterwerdens

Ansatz II: finanzielle Anreize für den Verbleib älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt

Ansatz III: allgemeine Arbeitsmarktinstrumente, die die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes im Hinblick auf die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer beeinflussen.

3.8.3   Die Clusteranalyse ergab, dass Ansatz I in den nordischen Ländern der EU verbreitet ist, jedoch in den neuen mitteleuropäischen und baltischen EU-Mitgliedstaaten sowie in den Mittelmeerländern nur wenig angewandt wird. Ansatz II findet häufig in den westlichen (kontinentalen) Ländern und den Mittelmeerländern der EU Anwendung, in den angelsächsischen Ländern wiederum ist Ansatz I stark und Ansatz III schwach vertreten.

4.   Bestandsaufnahme der politischen Maßnahmen und Lösungsansätze für die Probleme älter werdender Arbeitnehmer im Hinblick auf die sich aus dem Älterwerden ergebenden Bedrohungen

Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmer

4.1   Die im Folgenden beschriebenen Maßnahmenpakete und Unterstützungsmodelle sind auf die Gruppe der Arbeitnehmer über 50 Jahre (sowie auf jene über 45 Jahre) ausgerichtet, die in KMU, in Großbetrieben oder im Dienstleistungssektor beschäftigt sind und durch folgende Faktoren vom Verlust ihres Arbeitsplatzes bedroht sind:

im Zusammenhang mit einer Umstrukturierung oder der geringen Wettbewerbsfähigkeit ihres Unternehmens oder aufgrund von Veränderungen auf dem globalen Arbeits- und Dienstleistungsmarkt;

in Zusammenhang mit ihrem Gesundheitszustand oder der notwendigen Betreuung einer dritten Person;

durch das Fehlen der geforderten Qualifikationen bzw. Fertigkeiten im Umgang mit neuen Technologien, darunter auch IKT;

im Zusammenhang mit ihrer inneren Überzeugung, dass ihnen die wichtigsten Anpassungsfähigkeiten fehlen: Motivation und Lernfähigkeit.

4.2   Damit ältere Arbeitnehmer nicht vom Arbeitsmarkt verdrängt werden, ist es von entscheidender Bedeutung, im Rahmen des Managementsystems eines Unternehmens ein Antizipierungssystem einzurichten, u.a. durch eine systematische Durchführung von Bewertungen bereits ab der Mitte der Laufbahn, um zu vermeiden, dass ein Mitarbeiter in eine Bedrohungssituation gerät. Diese Maßnahme müsste von der staatlichen Politik dahingehend gefördert werden, dass älteren Menschen die Beibehaltung oder Verlängerung eines Beschäftigungsverhältnisses und die Rückkehr in die Erwerbstätigkeit ermöglicht wird.

4.2.1   Ein wichtiges Instrument zur Unterstützung älterer Arbeitnehmer, mit dessen Hilfe sich der Zeitpunkt bzw. der Zustand ermitteln lässt, ab dem eine Intervention angezeigt ist, besteht im verstärkten Einsatz bzw. der Einführung von Antizipierungsmechanismen und in der Einbeziehung einer möglichst großen Zahl von Arbeitnehmern in Kompetenzbilanzen. Zu diesem Zweck sind Finanzmittel erforderlich, die vom Unternehmen und von EU-Fonds (insbesondere aus dem ESF) sowie von der öffentlichen Hand bereitgestellt werden können.

4.2.1.1   Die Kompetenzbilanz ist ein Verfahren, das der rechtlichen Anerkennung informeller und formeller Bildungsmaßnahmen dient; jeder Arbeitnehmer hätte alle paar Jahre Anrecht auf eine Bewertung seiner Fertigkeiten im Rahmen eines Gesprächs, von Tests und einer Beratung durch Fachleute auf dem Gebiet der Karriereentwicklung; die Fortbildung im Rahmen der Berufslaufbahn könnte vom nationalen Netz öffentlicher Stellen rechtlich anerkannt werden und die Ausgangsbasis für die weitere Karriereentwicklung bilden.

4.2.1.2   Ein Qualifikationsaudit sollte von einem unabhängigen Beratungsunternehmen durchgeführt werden; sollte sich dabei herausstellen, dass die Kompetenzen des Arbeitnehmers nicht jenen entsprechen, die andere auf dem Arbeitsmarkt zu gleichen Lohnkosten verfügbare Arbeitskräfte aufzuweisen haben, ist das Unternehmen verpflichtet, die zur Erlangung der fehlenden Fertigkeiten erforderlichen Weiterbildungsmaßnahmen zu finanzieren und zu organisieren sowie die Kosten der Anpassungsprognose zu übernehmen, während der Arbeitnehmer sich zur Teilnahme an den Weiterbildungsmaßnahmen und zum Abschluss eines solchen Programms verpflichtet.

4.3   Für die Weiterbeschäftigung ist es wichtig, dass in den Unternehmen neue berufliche Positionen für ältere Arbeitskräfte geschaffen werden, etwa als Mentor, Coach  (5) (häufiger in der Personalpolitik) oder Mitarbeiter für ein Shadowing  (6). Dabei leisten sie einen Beitrag zur Wahrung der Kontinuität und Werte des jeweiligen Unternehmens, indem sie Wissen vermitteln sowie andere Formen von Firmenkapital an jüngere bzw. neue Mitarbeiter weitergeben.

4.4   Ein weiteres wichtiges Element zur Gewährleistung der Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmer ist Flexibilität im Hinblick auf die abzuleistenden Arbeitsstunden sowie ein Angebot an Kompensationsmöglichkeiten. Den Wünschen nach diversen Kombinationsmöglichkeiten von Arbeit und Urlaub kann mit Hilfe flexibler Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit sowie Programmen zur stufenweisen Weiterbeschäftigung entsprochen werden. Darüber hinaus kann die Zusammensetzung des Pakets Entlohnung/Boni verändert bzw. können Boni proportional gewährt werden. Im Hinblick auf die Weiterbeschäftigung hat sich auch die Kürzung der Wochenarbeitszeit bzw. eine Kompensation durch zusätzliche Urlaubstage bewährt.

4.5   Die Frage der Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmer stellt sich häufig dann, wenn Arbeitnehmer vor der Wahl stehen, entweder ihr Recht auf Frührente in Anspruch zu nehmen oder sich für den Verbleib auf dem Arbeitsmarkt zu entscheiden.

4.5.1   In einer solchen Situation sollten den Arbeitnehmern Anreize finanzieller, sozialer und organisationstechnischer Art (etwa eine Versetzung auf einen weniger belastenden Arbeitsplatz, wobei die dafür erforderlichen neuen Kompetenzen in Schulungen erworben werden) geboten werden. Der übergeordnete Grundsatz muss der der freien Entscheidung über die Dauer des Verbleibs auf dem Arbeitsmarkt sein, da er eines der Kernelemente der Flexicurity ist.

4.5.2   Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass sich angesichts der Möglichkeit der Frühverrentung zu wenige Arbeitnehmer dafür entscheiden, bis zum Erreichen des Regelrentenalters auf dem Arbeitsmarkt zu verbleiben, weil es diesbezüglich an attraktiven und kreativen Konzepten mangelt.

4.6   Von entscheidender Bedeutung für die wirksame Weiterbeschäftigung und auch für die Produktivität nicht unerheblich sind Maßnahmen im Bereich der Aus- und Weiterbildung. Die Chancen eines Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt sollten nicht von seinem Alter, sondern von seinen Fertigkeiten und Kompetenzen abhängen!

4.6.1   Die wichtigsten Bildungs- und Schulungsmaßnahmen zur Förderung der Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern über 50 sind:

Partizipation und Einbindung, d.h. Beteiligung älterer Arbeitnehmer an sämtlichen Schulungen, die ihr jeweiliger Arbeitgeber anbietet, sowie Mitwirkung an der Durchführung betriebsinterner Fortbildungsmaßnahmen. Darüber hinaus können ältere Arbeitnehmer mit besonderen Qualifikationen auch nach Erreichen des Rentenalters im Unternehmen weiterbeschäftigt werden.

„Auffrischungskurse“ für am Arbeitsplatz eingesetzte Technologien für ältere Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt, als die Schulungen über das betreffende Herstellungsverfahren durchgeführt wurden, nicht daran teilnehmen konnten und aus diesem Grund meinen, weniger in den Fertigungsprozess eingebunden zu sein. Der gemeinsame Aktionsrahmen der Sozialpartner für die Anerkennung von Kompetenzen und Qualifikationen, das lebenslange Lernen und die Erwachsenenbildung bieten diesbezüglich geeignete Ansatzpunkte (7).

Spezifische EDV- und Internetschulungen für Über-50-Jährige, die auf eine stärkere Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien durch ältere Arbeitnehmer und Rentner einschließlich Seniorenvereinigungen abzielen. Wichtig ist dabei, dass die Kurse den Bedürfnissen älterer Menschen angepasst sind (z.B. durch eine größere Schrift, das Portal „Senior WEB“ usw.).

Einstellung älterer Arbeitnehmer, oder: Wie gewinnt man ältere Arbeitnehmer zurück und überzeugt sie davon, im Unternehmen zu bleiben?

4.7   Typischerweise müssen die Unternehmen selbst herausfinden, wie sie effizient an ältere Personen herankommen, die sich nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt befinden, und sie davon überzeugen können, ihre diversen Aktivitäten aufzugeben bzw. ihren Ruhestand zu unterbrechen und auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren.

4.8   Durchschnittlich ein Drittel aller Rentner hat Schwierigkeiten, mit der Rente das Auslangen zu finden (8). Viele dieser potenziellen Arbeitnehmer haben eine geringe Rente und sind frustriert, weil es ihnen anscheinend aufgrund ihres Alters nicht gelungen ist, einen Arbeitsplatz zu finden. Diese ehemaligen Arbeitnehmer, die „Pech“ gehabt haben, sind zwar möglicherweise weiterhin zu einer Umschulung bereit, befinden sich aber seit mehreren Jahren nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt und haben wahrscheinlich die Absicht einer eventuellen Rückkehr aufgegeben.

4.8.1   Es steht außer Frage, dass die Ursachen dieser Situation, in der durchschnittlich ein Drittel aller Rentner Schwierigkeiten hat, mit der Rente das Auslangen zu finden, angegangen werden müssen, und zwar durch die Verbesserung eines stabilen und solidarischen Rentensystems, dessen Finanzierung durch die Beschäftigung aller verfügbaren Arbeitskräfte gesichert wird.

4.9   Zu jenen, die auf den Arbeitsmarkt zurückkehren können, sind auch jene Rentner zu zählen, deren Kinder erwachsen und aus dem Haus sind und die plötzlich zu viel Zeit haben und eine zusätzliche Beschäftigung sowie ein Zusatzeinkommen suchen.

4.10   Entscheidend ist es also zunächst, zu informieren und in einem weiteren Schritt direkt an diese Personen heranzutreten, sie zur Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen zu ermuntern, sie in eine Weiterbildungsmaßnahme einzubinden bzw. sie zur Teilnahme an Kursen oder Schulungen zu ermuntern, die das Unternehmen durchführt, um die Teilnehmer für den Arbeitsmarkt zu mobilisieren.

Diese Ziele lassen sich mit Hilfe folgender Maßnahmen erreichen:

Informationsveranstaltungen zu Fragestellungen, die insbesondere die Gruppe der älteren Menschen betreffen;

Job- und Karrieremessen, so genannte „50+-Treffs“ oder „Jobzentren“ speziell für ältere Personen;

Werbung an Orten, an denen sich häufig ältere Menschen aufhalten, in Medien, die ein älteres Publikum ansprechen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass von einer Sprache, die diese Menschen verletzen könnte, wie „im fortgeschrittenen Alter“, „Rentner“ usw., nur mit Vorsicht Gebrauch gemacht wird und stattdessen in Bezug auf ältere Menschen eher Bezeichnungen wie „reif“, „erfahren“ oder „zuverlässig“ verwendet werden.

Bildung von „Arbeitsgruppen älterer Arbeitnehmer“ innerhalb der Unternehmen, in denen Leitlinien für die Anwerbung erfahrener älterer Arbeitskräfte ausgearbeitet werden. Außerdem können Veranstaltungen auf dem Firmengelände organisiert werden, zu denen Rentner und ehemalige Mitarbeiter des Unternehmens eingeladen werden; in persönlichen Schreiben und Telefongesprächen können diese zu einer Rückkehr in das Unternehmen ermuntert werden usw.

4.11   Der Erfolg der Einstellungsbemühungen hängt weitgehend von der Netzwerk-Tätigkeit ab. An einem solchen, auch um internationale Partnerschaften zu ergänzenden Netz sollten Unternehmen, Behörden und die Sozialpartner auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene beteiligt sein.

4.11.1   Die wichtigste Aufgabe eines solchen Netzes sollte darin bestehen, das Bewusstsein in der Gesellschaft im Hinblick auf die Bedeutung einer längeren Lebensarbeitszeit zu verändern und Voraussetzungen zu schaffen, um die Arbeitnehmer in der Altersgruppe 50+ und die Unternehmer davon zu überzeugen, dass es möglich ist, mit den Veränderungen Schritt zu halten.

4.11.2   Ein solches Netz würde auch dazu dienen, den Arbeitgebern die Vorteile einer Beschäftigung von Arbeitnehmern der Altersgruppe 50+ bewusst zu machen und auf die Politik dahingehend einzuwirken, dass Beschäftigungssysteme ausgearbeitet werden, durch die sowohl länger arbeitende Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber, die in ihrem Personalmanagement einen Platz für ältere Arbeitnehmer vorsehen, Vorteile erhalten.

4.11.3   Zugleich könnten durch ein solches Netz bewährte Verfahren weiter verbreitet und entwickelt und Schlüsselkompetenzen ausgearbeitet werden.

5.   Management mittels Diversifizierung als Ansatz für die Beschäftigung älterer Arbeitskräfte

5.1   Untersuchungen haben gezeigt, dass eine diversifizierte Mitarbeiterstruktur dazu beitragen kann, dass Teams von Arbeitnehmern die ihnen übertragenen Aufgaben besser erfüllen, da ihnen auf diese Weise eine breite Informationsbasis sowie Handlungsmöglichkeiten und Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung stehen, die zu besseren Ergebnissen führen.

5.1.1   Früher glaubte man, dass eine im Hinblick auf das Alter oder die ethnische Zugehörigkeit der Mitarbeiter heterogene Belegschaft zu Konflikten führen könne. Derartige Schwierigkeiten lassen sich jedoch überwinden, wenn Mitarbeiter in entsprechenden Schulungen für diese Problematik sensibilisiert und zur Zusammenarbeit in heterogenen Teams ermuntert werden, um so Vorurteile zu überwinden.

5.2   In einigen bekannten europäischen Unternehmen wird sogar das Motto „Management mittels Diversifizierung = Management der Arbeitsproduktivität“ hochgehalten. Das Ziel des Managements mittels Belegschaftsdiversifizierung ist die Schaffung eines Mechanismus, der es jedem Beschäftigten erlaubt, sich nach Kräften in das Unternehmen einzubringen und durch eine perfekte Ausführung der Aufgaben Fortschritte zu erzielen.

5.3   Es bedarf Programmen zur Diversifizierung, mit deren Hilfe den unterschiedlichen Bildungsgraden Rechnung getragen wird, die bestqualifizierten Arbeitskräfte eingestellt bzw. im Unternehmen gehalten werden können und Chancengleichheit als einer der wichtigsten Aspekte der Personalpolitik des Unternehmens verwirklicht wird. Diskriminierungsfreie Vorgehensweisen des Diversifizierungsmanagements gelten zunehmend als geeignete Mittel zur Steigerung der Effizienz und der Produktivität. Dies ist eine der Prioritäten der Internationalen Arbeitsorganisation, die den Zusammenhang zwischen Gleichbehandlung und wirtschaftlicher Effizienz aufzuzeigen versucht.

5.4   Aus der unter Ziffer 4 vorgenommenen Analyse der Modelle und Maßnahmen zur Unterstützung älterer Arbeitskräfte ergibt sich, dass deren Weiterentwicklung in Richtung Alters– und Qualifikationsdiversifizierung Erfolg versprechend ist. Wichtig ist, dass ein gutes Altersmanagement praktisch schon zu Beginn der Berufslaufbahn ansetzen muss.

5.5   Unternehmen, die Maßnahmen zur Altersdiversifizierung durchführen, stellen neue Mitarbeiter ein oder nehmen firmenintern eine bestimmte Anzahl von Versetzungen älterer Arbeitnehmer durch, um sowohl die „Durchmischung“ im Hinblick auf das Alter der Mitarbeiter sicherzustellen als auch Abhilfe für einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zu schaffen. Ziel der Unternehmen ist die Schaffung einer hinsichtlich der Altersstruktur, der Qualifikationen, des kulturellen Hintergrunds und der Fertigkeiten optimal zusammengesetzten Belegschaft.

5.6   Die Qualifikationsdiversifizierung besteht in der Analyse und Anerkennung der unterschiedlichen Bildungsgrade der älteren und der jüngeren Arbeitnehmer sowie in Bemühungen, die bestqualifizierten Arbeitskräfte anzuwerben bzw. solche Mitarbeiter im Unternehmen zu halten.

5.7   Das Management mittels Diversifizierung der Altersstruktur bietet folgende Vorteile:

das allgemeine Kompetenzniveau der Belegschaft wird angehoben und die Offenheit gegenüber Neuerungen nimmt zu;

beschäftigt ein Unternehmen ältere, gut bezahlte Arbeitnehmer, sehen auch die jüngeren Mitarbeiter bessere berufliche Entwicklungsmöglichkeiten für sich selbst;

die Qualität der Produkte und Dienstleistungen und die Arbeitsorganisation werden verbessert;

die Wahrung eines angemessenen Niveaus an Kompetenzen, des Potenzials für die berufliche Entwicklung und der Möglichkeit für interne Personalumschichtungen.

5.8   Nach Auffassung der Dubliner Stiftung (9) hängt der Erfolg einer Diversifizierung der Altersstruktur von folgenden Faktoren ab:

Bewusstsein hinsichtlich des Alters;

Vorhandensein eines nationalen Politikrahmens zur Unterstützung der Diversifizierung der Altersstruktur;

bedachte Planung und Umsetzung;

Zusammenarbeit aller Betroffenen in der Frage der Alterssensibilisierung;

im Vorfeld sowie im Nachgang Durchführung einer Kosten-/Nutzenanalyse.

6.   Bewährte Vorgehensweisen zur Umsetzung und Entwicklung von Maßnahmenbündeln und Lösungsmodellen zur Unterstützung älterer Beschäftigter in der EU

Die Entwicklung und Umsetzung von Lösungsmodellen und Maßnahmenbündeln zur Unterstützung älterer Arbeitskräfte kann durch einen Austausch über die nachstehend beschriebenen bewährten Vorgehensweisen sowie deren Anwendung gefördert werden:

Aufnahme von Verhandlungen der Sozialpartner über betriebliche, brancheninterne bzw. branchenübergreifende Tarifverträge, die Regelungen zu älteren Arbeitnehmern enthalten; dabei kann es sich auch um Sozialpakte, arbeitsrechtliche Bestimmungen sowie andere bi- bzw. multilaterale Vereinbarungen handeln;

gemeinsames Hinarbeiten aller Interessenträger auf die Einführung nationaler (und europäischer) Rechtsvorschriften, durch die Arbeitnehmer der Altersgruppe 50+ Anreize erhalten, in der Erwerbstätigkeit zu bleiben, sowie deren Arbeitgeber dazu angeregt werden, ältere Arbeitnehmer in ihren Unternehmen zu halten bzw. einzustellen;

Planung und Schaffung von Strukturen und Netzen zur Analyse der Situation älterer Arbeitnehmer sowie zur Festlegung von Indikatoren für eine umfassende Beschreibung der Lage dieser Arbeitnehmergruppe;

ein auf bestimmte Altersgruppen unter den älteren Arbeitnehmern zugeschnittenes und auf Diversifizierung ausgerichtetes Unternehmensmanagement (bzw. Konzernmanagement), z.B. Management mittels Altersdiversifizierung und/oder Management mittels Qualifikationsdiversifizierung;

Modelle für Beratungssysteme für Arbeitnehmer über 50 und ihre Arbeitgeber, bei denen der Schwerpunkt auf die Entwicklung von Modulen zur Bewertung der Nachfrage nach bestimmten beruflichen Fertigkeiten in einem bestimmten Unternehmen, einer Branche, einer Region oder auch landesweit gelegt wird;

Beratung von Arbeitnehmern hinsichtlich der Planung von Schulungen, Kursen sowie anderer Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, die sich insbesondere an ältere Personen richten;

Entwicklung eines Beratungsangebots für Unternehmen und Führungskräfte im Hinblick auf eine Verbesserung der Anpassungsfähigkeit, der Wettbewerbsfähigkeit und der Produktivität der Unternehmen in Situationen des Wandels mittels Maßnahmen zur Diversifizierung der Altersstruktur sowie eines Personalmanagements unter Einsatz von Informationstechnologien;

Schaffung und Ausbau (branchenspezifischer, regionaler, gemischter, die Vertreter der Interessenträger vereinigender usw.) Strukturen und Netzwerke sowie von Beobachtungsstellen für berufliche Fertigkeiten und Arbeitsplätze, die den Zugang älterer Menschen zum Arbeitsmarkt (unter Berücksichtigung ihrer beruflichen Fertigkeiten) und den Verlauf von Umstrukturierungen überwachen. Derartige Beobachtungsstellen könnten sich auf einzelne Wirtschaftszweige, Gebietskörperschaften bzw. Regionen (auch grenzübergreifende) konzentrieren.

Brüssel, den 25. März 2009

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  „Strategien/Anhebung des Erwerbsaustrittsalters“, Berichterstatter: Herr DANTIN (ABl. C 157 vom 28.6.2005), „Die Solidarität zwischen den Generationen fördern“, Berichterstatter: Herr JAHIER (ABl. C 120 vom 16.5.2008), „Erwachsenenbildung“, Berichterstatterin: Frau HEINISCH (ABl. C 204 vom 9.8.2008).

(2)  „Qualität des Arbeitslebens, Produktivität und Beschäftigung im Kontext von Globalisierung und demographischem Wandel“, Berichterstatterin: Frau ENGELEN-KEFER (ABl. C 318 vom 23.12.2006); „Rolle der Sozialpartner/Vereinbarung von Beruf, Familie und Privatleben“, Berichterstatter: Herr CLEVER (ABl. C 256 vom 27.10.2007).

(3)  CVTS3, Eurostat.

(4)  „Active ageing and labour market trends for older workers“, Generaldirektion Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit, Referat D1.

(5)  Bei der Mentortätigkeit wird auf der Grundlage der eigenen Lebens- und Berufserfahrung anderen Mitarbeitern eine Hilfestellung gegeben. Coaching ist ein breiter gefasster Begriff, der auch die Mentortätigkeit umfassen kann, aber darüber hinausgeht. Der Coach („Trainer“) konzentriert sich auf den Lernprozess und die Erreichung der Lebensziele seines Klienten.

(6)  Beim Shadowing („Hospitation“) begleiten über 50 Jahre alte Arbeitnehmer jüngere Arbeitnehmer aus derselben Berufsgruppe sowie insbesondere Mitarbeiter, die erst kürzlich aufgenommen wurden, bei deren beruflicher Tätigkeit. Diese Methode ist besonders geeignet, um jüngere Mitarbeiter auf Verhaltensweisen und Phänomene aufmerksam zu machen, deren Existenz bzw. dessen Ausmaß sich diese selbst nicht bewusst sind.

(7)  Stellungnahme des EWSA vom 22. Oktober 2008 zum Thema „Europäisches Leistungspunktesystem für die Berufsbildung (ECVET)“, Berichterstatterin: Frau LE NOUAIL MARLIÈRE (CESE 1678/2008); Stellungnahme zum Thema „Lebenslanges Lernen“, Berichterstatter: Herr RODRÍGUEZ GARCÍA-CARO (ABl. C 175 vom 27.7.2007); Stellungnahme zum Thema „Aktionsplan Erwachsenenbildung - Zum Lernen ist es nie zu spät“, Berichterstatterin: Frau HEINISCH, Mitberichterstatter: Frau LE NOUAIL MARLIÈRE und Herr RODRÍGUEZ GARCÍA-CARO (ABl. C 204 vom 9.8.2008).

(8)  Siehe B. McIntosh: „An employer's guide to older workers“.

(9)  Präsentation einer Datenbank über Beschäftigungsinitiativen für älter werdende Arbeitskräfte, Gerlinde Ziniel, Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen.