52009DC0676

Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Zweiter Bericht über die Überwachung der Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts {SEK(2009)1687} /* KOM/2009/0676 endg. */


[pic] | EUROPÄISCHE KOMMISSION |

Brüssel, den 18.12.2009

KOM(2009)676 endgültig

BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT

Zweiter Bericht über die Überwachung der Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts

{SEK(2009)1687}

BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT

Zweiter Bericht über die Überwachung der Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts (Text von Bedeutung für den EWR)

I. Einleitung

1. Seit mehreren Jahren sehen sich die europäischen Eisenbahnen erheblichen Veränderungen gegenüber, die sowohl mit der Entwicklung des Rechtsrahmens, insbesondere auf europäischer Ebene, als auch mit wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und demographischen Faktoren verknüpft sind.

2. Im legislativen Bereich wurde seit den neunziger Jahren eine Reihe von Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene verabschiedet, insbesondere drei Legislativpakete, mit denen ein europäischer Schienenverkehrsraum auf der Grundlage des ungehinderten Wettbewerbs zwischen Eisenbahnunternehmen geschaffen werden sollte (siehe Anhang 1[1]).

3. Diese Entwicklung tritt derzeit in eine entscheidende Phase: Während die Marktöffnung zuerst nur den Schienengüterverkehr betraf, wird ab dem 1. Januar 2010 jetzt auch der grenzüberschreitende Schienenpersonenverkehr dem Wettbewerb geöffnet. Gleichzeitig wurde unlängst der Rechtsrahmen für die Interoperabilität und Sicherheit mit der Verabschiedung der Richtlinien 2008/57/EG und 2008/110/EG[2] angepasst.

4. Diese anhaltende Weiterentwicklung des Rechtsrahmens war der Grund für die Entscheidung des Gesetzgebers, die Kommission mit der regelmäßigen Überwachung des europäischen Schienenverkehrsmarkts zu beauftragen, um beurteilen zu können, wie sich die Maßnahmen der EU-Politik auf den Markt auswirken, und um die Ausarbeitung und künftige Umsetzung erforderlicher Maßnahmen im Eisenbahnsektor zu erleichtern.

5. Mit dem vorliegenden Bericht wird somit die in der Richtlinie 2001/12/EG[3] festgelegte Verpflichtung zur Überwachung des europäischen Schienenverkehrsmarkts erfüllt.

6. Eine erste „Mitteilung über die Überwachung der Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts“, die am 18. Oktober 2007 angenommen worden war, entsprach ebenfalls dieser Notwendigkeit[4]. Mit dem vorliegenden Bericht wird die erste Mitteilung nicht nur auf den aktuellen Stand gebracht, sondern es wird auch eine Reihe neuer Aspekte berücksichtigt, die nicht Gegenstand des vorhergehenden Berichts waren.

II. Überwachungssystem für den Schienenverkehrsmarkt

7. Die Kommission hat ein System für die Überwachung des Schienenverkehrsmarkts (Rail Market Monitoring Scheme, RMMS) eingerichtet, um den Anforderungen an die Marktüberwachung gerecht zu werden.

8. Bei ihrer Überwachungstätigkeit wird die Kommission von einer Arbeitsgruppe unterstützt, der Vertreter der nationalen Ministerien und der Eisenbahnindustrie angehören und die auch die Sozialpartner umfasst. Zwischen 2001 und Mitte 2009 fanden 22 Sitzungen der RMMS-Arbeitsgruppe statt, davon vier seit Annahme des vorhergehenden Berichts.

9. Die Effizienz dieser Arbeiten konnte durch Verwendung eines Standardfragebogens verbessert werden, der eine Reihe von Indikatoren für verschiedene Aspekte des Schienenverkehrsmarkts umfasst (siehe Anhang 26). Die Kommission bedauert, dass eine Reihe von Mitgliedstaaten den Fragebogen nicht oder nur unvollständig beantwortet hat. Die Informationen in bestimmten Anhängen sind daher lückenhaft. Gegenwärtig wird geprüft, ob im Rahmen der Neufassung des ersten Eisenbahnpakets eine Rechtspflicht zur Übermittlung bestimmter Informationen eingeführt werden soll.

10. Die vorliegende Bewertung stützt sich auf die Analyse der RMMS-Arbeitsgruppe, insbesondere auf die Auswertung des Fragebogens, aber auch auf neuere Studien sowie auf statistische Quellen, die der Kommission zur Verfügung stehen, vor allem Eurostat. Bei letzterer Quelle fehlen aufgrund eines EDV-Problems bedauerlicherweise Verkehrsdaten für das Jahr 2008.

III. Anwendung des rechtlichen und institutionellen Rahmens

11. Alle Mitgliedstaaten, die über ein Eisenbahnnetz verfügen, haben die Richtlinien des ersten Eisenbahnpakets umgesetzt. Wegen Umsetzungsmängeln, die unterschiedlich schwer wiegen und sich zum Teil auf unterschiedliche Aspekte beziehen, hat die Kommission im Juni 2008 Aufforderungsschreiben an 24 Mitgliedstaaten gesandt und im Oktober 2009 mit Gründen versehene Stellungnahmen an 21 Mitgliedstaaten gerichtet (siehe Anhang 3).

12. Verstärkt ab 2008 hat die Kommission Beschwerden über das Marktfunktionieren erhalten, die sich insbesondere auf das Verhalten der Beteiligten bezogen, beispielsweise im Zusammenhang mit der Verwaltung von Terminals und dem Zugang zu Dienstleistungen. In diesem Rahmen beabsichtigt die Kommission, gewisse Bestimmungen des ersten Eisenbahnpakets im Wege einer Neufassung der Vorschriften zu präzisieren oder abzuändern.

13. Außerdem ist auf die Rolle der Gruppe der Kontrollorganismen (siehe Anhang 4) hinzuweisen, die von der Kommission eingerichtet wurde. Diese Gruppe hat einen produktiven Dialog und einen Vergleich der verschiedenen nationalen Praktiken ermöglicht.

14. Was das zweite Eisenbahnpaket angeht, sind die erforderlichen Stellen in den Mitgliedstaaten eingerichtet worden (siehe Anhänge 4, 5 und 6). Die Kommissionsdienststellen sind im Begriff, die Umsetzung der Rechtsvorschriften zu kontrollieren, wobei der Schwerpunkt auf den Sicherheitsaspekten liegt.

15. Im dritten Eisenbahnpaket war die Richtlinie 2007/58/EG[5] bezüglich der Marktöffnung für grenzüberschreitende Dienste des Schienenpersonenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft bis zum 4. Juni 2009 umzusetzen (Anhang 2). Die Richtlinie 2007/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Zertifizierung von Triebfahrzeugführern, die Lokomotiven und Züge im Eisenbahnsystem in der Gemeinschaft führen, musste bis zum 4. Dezember dieses Jahres umgesetzt werden.

16. Die Europäische Eisenbahnagentur, die 2006 eingerichtet wurde, ist inzwischen voll funktionsfähig. Sie unterstützt die Schaffung eines technisch integrierten europäischen Schienenverkehrsraums.

IV. Leistungsfähigkeit des Schienenverkehrsmarkts in der EU [6]

IV.1 SITUATION DES SCHIENENVERKEHRS IM VERGLEICH ZU ANDEREN VERKEHRSTRÄGERN

17. Während der Anteil des Schienenverkehrs am Güterverkehr in den vorangegangenen Jahrzehnten stetig zurückgegangen war, hat sich die Lage seit Beginn des neuen Jahrtausends stabilisiert. So ist der Anteil der Eisenbahn am Güterverkehr in der EU-27 in Tonnenkilometern von 12,6 % 1995 auf 10,5 % 2002 gefallen und anschließend bis 2007 auf 10,7 % angestiegen.

Abbildung 1: Anteil der Eisenbahn am Güterverkehr (EU-27, 1995-2007)

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Quelle: Energy and Transport in Figures, Statistical Pocketbook 2009.

18. Der Anteil der Eisenbahn am Güterlandverkehr hat sich seit 2002 ebenfalls bei 17,1 % stabilisiert, während er 1995 noch 20,2 % betrug.

19. Bei der Personenbeförderung ist der Rückgang, der in den vergangenen drei Jahrzehnten verzeichnet wurde, vor kurzem zum Halten gekommen. Der Marktanteil der Eisenbahn am Personenverkehr in der EU-27 ging von 6,6 % im Jahr 1995 auf 5,9 % im Jahr 2003 zurück, stieg bis 2007 aber wieder auf 6,1 % an (siehe Anhang 7).

Abbildung 2: Anteil der Eisenbahn am Personenverkehr (EU-27, 1995-2007)

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Quelle: Energy and Transport in Figures, Statistical Pocketbook 2009.

20. Der Anteil der Eisenbahn am Personenlandverkehr belief sich 2007 auf 6,9 % gegenüber 6,5 % im Jahr 2003.

IV.2 Volumen- und Leistungstrends im Schienenverkehr [7]

a) Güterverkehr

21. Nach Jahren eines kontinuierlichen Rückgangs, der in den neuen Mitgliedstaaten besonders ausgeprägt war, konnte der Schienengüterverkehr zwischen 2000 und 2007 ein nicht unerhebliches Wachstum verzeichnen (siehe Abbildung 3). Dies gilt besonders in bestimmten Mitgliedstaaten, in denen nicht etablierte Eisenbahnunternehmen maßgebliche Marktanteile erringen konnten.

Abbildung 3: Entwicklung des Schienengüterverkehrs 2000-2007

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Quelle: Energy and Transport in Figures, Statistical Pocketbook 2009, Tabelle 3.2.5.

22. 2007 hat der Schienengüterverkehr in der EU-27 um 2,8 % zugenommen, verglichen mit 1,1 % in der EU-12 und 3,7 % in der EU-15 (siehe Anhang 8 ff.).

23. 2008 war die Entwicklung des Schienengüterverkehrs in der EU-27 in Tonnenkilometern sehr uneinheitlich. Während er in Estland um 29,2 % und in Irland um 21,5 % zurückging, stieg er in Dänemark um 9,7 % und in Lettland um 6,9 % an (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Entwicklung des Schienengüterverkehrs 2007-2008

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Quelle: RMMS-Erhebung bei den Mitgliedstaaten im Mai/Juni 2009.

24. Seit Mitte 2008 hat der Schienengüterverkehr besonders unter den Auswirkungen der Wirtschaftskrise gelitten. Unter anderem wurden diejenigen Wirtschaftszweige von der Krise erfasst, die gewöhnlich in hohem Maß Leistungen des Schienengüterverkehrs in Anspruch nehmen, wie die Stahl-, Chemie- und Automobilindustrie. Nach vorläufigen Daten der Gemeinschaft europäischer Bahnen (GEB) beläuft sich der Rückgang EU-weit im zweiten Quartal 2009 im Vorjahresvergleich auf 28 %.

b) Personenverkehr

25. Von 2000 bis 2007 ist der Schienenpersonenverkehr in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten, insbesondere in fast allen EU-15-Staaten, gewachsen. Das Wachstum betrug 44,6 % in Irland, 36,1 % in Lettland und 30,5 % im Vereinigten Königreich. Starke Rückgänge waren in mehreren EU-12-Staaten zu verzeichnen, besonders in Rumänien (-35,7 %), Litauen (-32,3 %) und Bulgarien (-30,8 %) (siehe Abbildung 5).

Abbildung 5: Entwicklung des Schienenpersonenverkehrs im Zeitraum 2000-2007 [pic] Quelle: Energy and Transport in Figures, Statistical Pocketbook 2009, Tabelle 3.3.7.

26. Das Verkehrswachstum war im Bereich des Hochgeschwindigkeitsverkehrs besonders ausgeprägt. Hier ist die Zahl der Fahrgastkilometer von 59 Mio. im Jahr 2002 auf 92 Mio. im Jahr 2007 angestiegen, wovon 48 Mio. auf Frankreich, 22 Mio. auf Deutschland und 8 Mio. auf Italien entfallen. In der EU-27 erreichte der Hochgeschwindigkeitsverkehr 2007 einen Anteil von 23 % am gesamten Schienenpersonenverkehr. In Frankreich beträgt dieser Anteil fast 60 %.

27. Auch 2008 hat der Personenverkehr zugelegt, am meisten in Spanien (+16,7 %), Österreich (+13,8 %) und Luxemburg (+8,8 %). Die stärksten Rückgänge waren in Rumänien (-7,3 %), Ungarn (-5,2 %) und Lettland (-4,2 %) zu verzeichnen (Abbildung 6).

Abbildung 6: Entwicklung des Schienenpersonenverkehrs 2007/2008

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Quelle: RMMS-Erhebung bei den Mitgliedstaaten im Mai/Juni 2009.

28. Im zweiten Quartal 2009 ist der Personenverkehr nach vorläufigen Zahlen der GEB in der EU-15 um rund 5 % und in der EU-12 um 0,7 % gegenüber dem Vorjahresquartal zurückgegangen. Der Rückgang scheint für Geschäftsreisende stärker ausgefallen zu sein, wo er bis zu 10 % betragen könnte. Der Fahrscheinabsatz in der zweiten Klasse war vergleichsweise stabil, was zum einen an der Abwanderung von Fahrgästen aus der ersten Klasse und zum anderen an einer attraktiven Tarifpolitik der Eisenbahnunternehmen lag.

V. Öffnung des Schienenverkehrsmarkts

29. Derzeit sind mehr als 600 Betriebsgenehmigungen für den Schienengüterverkehr erteilt, davon 315 in Deutschland und 67 in Polen. Die Zahl der Genehmigungen im Personenverkehr beläuft sich mittlerweile auf über 450, davon 302 in Deutschland und 45 im Vereinigten Königreich.

30. Abbildung 7 zeigt den Marktanteil der nicht etablierten Eisenbahnunternehmen im Schienengüterverkehr. Die höchsten Anteile (in Tonnenkilometern) verzeichneten die neuen Marktakteure in Estland (49 %), dem Vereinigten Königreich (44 %), Rumänien (41 %), den Niederlanden (25 %) und Polen (24 %). Im Personenverkehr waren ihre Marktanteile am größten in Estland (58 %) und Schweden sowie im Vereinigten Königreich, wo mehrere aus dem früheren Monopol hervorgegangene Unternehmen verschiedenen Dachgesellschaften angehören. In Anhang 12 ist dargestellt, wie die Marktanteile in der EU-27 auf die einzelnen Unternehmen verteilt sind.

Abbildung 7: Prozentuale Gesamtmarktanteile der nicht etablierten Eisenbahnunternehmen im Güterverkehr Ende 2008

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Quelle: RMMS-Erhebung bei den Mitgliedstaaten im Mai/Juni 2009.

31. Im Schienengüterverkehr besteht der größte Wettbewerb in Estland, dem Vereinigten Königreich und Rumänien (siehe Anhang 13). Faktische Monopole sind in mehreren Mitgliedstaaten erhalten geblieben. Im Personenverkehr sind häufig nebeneinander bestehende örtliche Monopole anzutreffen, ohne dass die verschiedenen Eisenbahnunternehmen miteinander in Wettbewerb treten.

VI. Leistungsfähigkeit der Eisenbahnunternehmen

a) Beschäftigung

32. Die Zahl der Mitarbeiter der Unternehmen, die gewerblichen Schienenverkehr durchführen, belief sich Ende 2008 auf 118 000 in Polen, 112 000 in Frankreich und 86 000 in Deutschland (siehe Anhang 14). Die jeweiligen Zuständigkeiten der Infrastrukturverwalter und der Eisenbahnunternehmen unterscheiden sich jedoch von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat, was einen Vergleich erschwert.

b) Finanzielle Leistungsfähigkeit

33. Zwischen den Eisenbahnunternehmen in der EU-15 und der EU-12 bestehen noch immer erhebliche Unterschiede in ihrer Leistungsfähigkeit (siehe Anhang 15). Die finanzielle Schwäche der Eisenbahnunternehmen in der EU-12 liegt in erster Linie am unzureichenden Ausgleich für gemeinwirtschaftliche Dienste, einer fortbestehenden Verschuldung der Unternehmen gegenüber dem Staat sowie an den von einigen Betreibern in den letzten Jahren getätigten Investitionen, die sich als wirtschaftlich nicht tragfähig erwiesen. Die derzeitige Krise trifft die EU-27 in ihrer Gesamtheit, so dass sich die finanzielle Leistungsfähigkeit der Eisenbahnunternehmen insgesamt verschlechtert hat.

c) Fahrzeuge

34. Die jährliche Wachstumsrate des Weltmarkts wurde 2008 vom Verband der europäischen Eisenbahnindustrie (UNIFE) für den Zeitraum 2007-2013 auf 2,2, % geschätzt[8]. Wegen der Krise, die sich unter anderem auch stark auf den Absatz von Güterfahrzeugen auswirkt, dürfte das Wachstum aber niedriger ausfallen.

35. Bis 2013 dürften Hochgeschwindigkeitszüge das dynamischste Marktsegment im westlichen Teil Europas bilden, während im östlichen Teil das Segment der konventionellen Personen- und Güterzüge dominierend bleiben wird.

d) Dienstqualität und Vergleichskriterien für Fahrpreise

36. Die Qualität der Schienengüterverkehrsdienste in der Europäischen Union, die 2008 Gegenstand einer Mitteilung[9] war, lässt sich weiterhin nur schwer messen, da Qualitätsindikatoren im Allgemeinen fehlen. Wo es solche Indikatoren gibt, etwa im intermodalen Verkehr (siehe Anhang 16), zeigt sich, dass die Qualität der Dienste immer noch unzureichend ist.

37. Beim Personenverkehr besteht weiterhin eine große Unzufriedenheit der Verbraucher mit Regional- und Fernverkehrsdiensten: Weniger als die Hälfte aller Fahrgäste ist damit zufrieden, wie eine für die Kommission durchgeführte Studie ergeben hat (siehe Anhang 23)[10].

38. In einer weiteren Studie[11] wird hervorgehoben, dass die Fahrpreise der Eisenbahn je nach Mitgliedstaat erheblich schwanken. Eine Fahrt über eine Strecke von 200 km in der 2. Klasse kostet 60 EUR im Vereinigten Königreich, 48 EUR in Deutschland, aber nur 5,50 EUR in Bulgarien und 6 EUR in Lettland. In der EU-15 sind die Fahrpreise in Griechenland (8 EUR), Portugal (14 EUR) und Belgien (17 EUR) am niedrigsten.

e) Sicherheit

39. Laut Bericht der Europäischen Eisenbahnagentur sind 2007 insgesamt 1517 Unfallopfer im Eisenbahnverkehr zu beklagen gewesen, verglichen mit 1319 im Vorjahr. Ursache ist ein erheblicher Anstieg der Zahl der Unfallopfer an Bahnübergängen. 2007 sind in der gesamten Europäischen Union 70 Zugfahrgäste tödlich verunglückt, während beinahe 40 000 Personen im Straßenverkehr ums Leben kamen. Die Zahl der verunglückten Zugfahrgäste ist von 400 im Jahr 1970 auf nur 77 im Jahr 2006 zurückgegangen (siehe Anhang 24).

VII. Eisenbahninfrastruktur

a) Länge Schienennetze

40. Das Schienennetz in der EU ist insgesamt etwa 212 000 km lang. Über die größten Schienennetze verfügen Deutschland (33 890 km), Frankreich (29 918 km) und Polen (19 419 km) (siehe Anhang 17). Malta und Zypern haben kein Eisenbahnnetz. Die größte Streckendichte weisen die Tschechische Republik, Belgien und Luxemburg auf (122, 111 bzw. 106 km/1000 km²).

41. Im Jahr 2008 umfasste das europäische Schienennetz 5764 km Hochgeschwindigkeitsstrecken in Frankreich, Spanien, Deutschland, Italien, Belgien und dem Vereinigten Königreich. Das Hochgeschwindigkeitsnetz wird stark ausgebaut, besonders in Spanien, wo sich Strecken mit einer Länge von mehr als 1600 km derzeit im Bau befinden (siehe Anhang 18).

b) Entwicklung der Infrastrukturinvestitionen

42. Für die EU-12-Staaten ist die geringe Höhe der Investitionen in den Schienenverkehr kennzeichnend. Laut Zahlen der GEB für 2006 sind die durchschnittlichen Investitionen für die Instandhaltung der Schienenstrecken je Kilometer in der EU-15 fünfmal so hoch wie in der EU-12 (siehe Anhang 20).

43. Im Übrigen stagnieren die Schienenverkehrsinvestitionen, die im Rahmen der Kohäsionspolitik kofinanziert werden, im Vergleich zum Zeitraum 2000-2006. Dies ist trotz sehr günstiger Rahmenbedingungen der Fall, bei denen der Verkehrshaushalt für die Regionalpolitik um 69 % erhöht wurde. Am höchsten ist der Anteil der Eisenbahn an den inländischen Gesamtinvestitionen des Verkehrsbereichs in der EU-12 in Slowenien (45,6 %), Litauen (36,5 %), der Tschechischen Republik und der Slowakei (34 %), während er in Polen (20,8 %) am niedrigsten ist. Die Investitionen in die Straßeninfrastruktur sind in Westeuropa und um so mehr in der EU-12 weiterhin erheblich größer als in den Schienenverkehr, wie eine Studie des International Transport Forum (ITF)[12] belegt (siehe Anhang 19).

c) Entgelte und Mehrjahresverträge

44. Laut ITF schwanken die Entgelte für die Nutzung der Schieneninfrastruktur je nach Infrastrukturverwalter erheblich (siehe Anhang 21). Im Allgemeinen sind sie für den Güterverkehr in den neuen Mitgliedstaaten sehr hoch, besonders in der Slowakei und den baltischen Staaten. In Dänemark, Spanien und Schweden sind sie am niedrigsten. Die Zugangsentgelte für Intercity-Personenzüge sind in Belgien, Litauen und Deutschland am höchsten und in den nordischen Ländern am niedrigsten.

45. Laut der Internationalen Vereinigung der Gesellschaften für den kombinierten Verkehr Schiene-Straße (UIRR) hat der krisenbedingte Rückgang des Verkehrsaufkommens einige Infrastrukturverwalter jedoch dazu bewegt, die Zugangsentgelte für Güterzüge zu senken, insbesondere in Polen und der Slowakei.

46. In Bezug auf Mehrjahresverträge wurde den Mitgliedstaaten und den Infrastrukturverwaltern in der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament[13] eine Reihe von Maßnahmen empfohlen, die ein gutes Dienstleistungsniveau und die notwendige finanzielle Ausgewogenheit sicherstellen sollen. Mehrjahresverträge zwischen Infrastrukturverwaltern und Eisenbahnunternehmen wurden in einem halben Dutzend Mitgliedstaaten geschlossen (siehe Anhang 22).

d) ERTMS-Einführung

47. Die Einführung des europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems ERTMS (European Railway Traffic Management System) ist ein bedeutender Indikator für Fortschritte hin zu größerer Interoperabilität. Ende 2009 waren rund 3000 km des Schienennetzes in der Europäischen Union mit ERTMS ausgerüstet. Den nationalen Einführungsplänen zufolge müsste das mit ERTMS ausgerüstete Streckennetz bis Ende 2012 eine Länge von 20 000 km und bis Ende 2020 von 30 000 km haben.

48. Ein europäischer Einführungsplan wurde am 22. Juli 2009 verabschiedet. Dieser basiert auf den nationalen Plänen, konzentriert sich aber auf die im europäischen Maßstab wichtigsten Strecken. Somit spiegeln sich die nationalen Pläne darin nicht vollständig wieder, doch wird die Ausrüstung der Schlüsselachsen innerhalb vorgegebener Fristen verbindlich vorgeschrieben. So werden die wichtigsten europäischen Güterdrehscheiben gegen 2020 durch ERTMS-Strecken verbunden sein, womit sich den Schienengüterverkehrsunternehmen ganz neue Möglichkeiten eröffnen.

VIII. Fazit

49. In diesem Bericht werden die wesentlichen Trends beschrieben, die in den letzten Jahren und insbesondere 2008 auf dem Schienenverkehrsmarkt der EU zu beobachten waren. Abgesehen von den noch unsicheren Auswirkungen der gegenwärtigen Wirtschaftskrise lässt sich mit Gewissheit sagen, dass die Schaffung eines europäischen Schienenverkehrsraums und die schrittweise Öffnung des Markts für den Wettbewerb es ermöglicht haben, den Anteil des Schienenverkehrs am Gesamtverkehr zu stabilisieren.

50. Dieser Bericht belegt auch die ersten spürbaren Auswirkungen der Krise, die den Sektor seit Mitte 2008 erfasst hat. Die Auswirkungen sind im Güterverkehr stärker ausgeprägt als im Personenverkehr. Außerdem betrifft die Krise das Fahrzeugsegment stärker als das Infrastruktursegment, das eher von den Konjunkturbelebungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten profitieren dürfte.

51. Die angekündigten Konjunkturprogramme sollten dem Schienennetz rund 20 Mrd. EUR zuführen, hauptsächlich in den EU-15-Staaten. Es bestehen jedoch gewisse Zweifel, ob die Finanzkraft der Mitgliedstaaten ausreicht, die Investitionen in ihrer Gesamtheit trotz der zu erwartenden Haushaltsschwierigkeiten und der Neuverschuldung zu tätigen. Die Europäische Union hat für ihren Teil alle verfügbaren Mittel mobilisiert, um zu dieser Konjunkturbelebung beizutragen und den Ausbau der transeuropäischen Netze zu beschleunigen, indem sie insbesondere die Zuweisung von 500 Mio. EUR im Rahmen des TEN-V-Haushalts vorgezogen hat.

52. Zum anderen ist angesichts der gegenwärtigen Krise eine beschleunigte Konsolidierung des Schienengüterverkehrssektors festzustellen, die durch die Auslandsexpansion bestimmter Unternehmensgruppen wie DB Schenker gekennzeichnet ist (siehe Abbildung 8).

Abbildung 8: Größere Zusammenschlüsse/Übernahmen im Schienenverkehrssektor seit 2005

Jahr | Unternehmen | übernimmt | Unternehmen |

2005 | DB Schenker (DE) | 98 % | RBH (DE) |

2005 | Trenitalia (IT) | 51 % | TX Logistik (DE) |

2006 | Babcock & Brown (AU) | 100 % | Crossrail (CH) |

2007 | DB Schenker (DE) | 100 % | WS (UK) |

2007 | DB Schenker (DE) | 55,1 % | Tansfesa (ES) |

2008 | DB Schenker (DE) | 49 % | Nord Cargo (FR) |

2008 | SNCF (FR) | 75 % | ITL (DE) |

2008 | OKD Doprava (CZ) | 100 % | Viamont Cargo (CZ) |

2008 | Rail Cargo Austria (AT) | 55 % | Linea (FR) |

2008 | Veolia (IT) | 100 % | Rail4Chem (DE) |

2009 | DB Schenker (DE) | 100 % | PCC (PL) |

2009 | Europorte 2 (FR) | 100 % | Veolia Cargo (FR) |

2009 | SNCF (FR) | 100 % | Veolia Cargo (DE) |

2009 | Veolia Transport (IT) | 50 % | Transdev (FR) |

2009 | DB Schenker (DE) | 95 % | PTK Holding (PL) |

Quelle: Mofair („Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008-2009“); Europäische Kommission

53. Darüber hinaus bleibt es bei der Ungleichheit zwischen den EU-15-Staaten und den EU-12-Staaten, wo die Eisenbahnunternehmen häufig noch in einer prekären Finanzlage sind. Bestimmte Eisenbahnunternehmen waren gezwungen, massiv auf Kurzarbeit umstellen, wie in der Slowakei, oder mussten Personal abbauen, wie insbesondere in Bulgarien.

54. Mit der bevorstehenden Einrichtung der Güterverkehrskorridore[14], aber auch mit dem Ausbau des Verkehrs mit den EU-Nachbarstaaten wird eine Wiederbelebung im Güterverkehr einhergehen. Die laufenden Verhandlungen über einen Vertrag mit den Balkanländern, das Verfahren für den Beitritt der Gemeinschaft zur OTIF sowie die technische Zusammenarbeit mit der Organisation für die Zusammenarbeit der Eisenbahnen (OSShD) sind unter diesem Blickwinkel zu sehen.

55. Im Rahmen der Überwachung des Schienenverkehrsmarkts werden demnächst zwei Studien veröffentlicht, die derzeit für die Kommission durchgeführt werden: eine Studie über die Lage und Perspektiven des grenzüberschreitenden Verkehrs und eine Studie über Rechtsetzungsoptionen für die Fortsetzung der Öffnung des Schienenverkehrsmarkts.

[1] Zu diesem Bericht über die Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts gehört ein Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen mit 26 Anhängen.

[2] Richtlinie 2008/57/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems in der Gemeinschaft (ABl. L 191 vom 18. Juli 2008) und Richtlinie 2008/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 (ABl. L 345 vom 23. Dezember 2008) zur Änderung der Richtlinie 2004/49/EG über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft.

[3] Abschnitt V der Richtlinie 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 (ABl. L 75 vom 15.3.2001) zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft.

[4] Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Überwachung der Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts vom 18. Oktober 2007 (KOM(2007) 609).

[5] Richtlinie 2007/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft sowie der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 44).

[6] Da Zypern und Malta über kein Eisenbahnnetz verfügen, gelten sämtliche Bezugnahmen auf die EU-12 oder die EU-27 ohne diese beiden Länder.

[7] Leistung wird hier in Tonnen- bzw. Personenkilometern ausgedrückt.

[8] Studie „UNIFE Worldwide Rail Market Study – status quo and outlook 2016“, 2008.

[9] Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 8. September 2008 „Qualität von Schienengüterverkehrsdiensten“ [KOM(2008) 536 endg. – Nicht im Amtsblatt veröffentlicht].

[10] Quelle : IPSOS-Umfragen zur Verbraucherzufriedenheit 2006 und 2008.

[11] Quelle : UBS-Studie zu Preisen und Arbeitseinkommen 2009.

[12] Studie „Charges for the Use of Rail Infrastructure 2008“.

[13] Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament „Mehrjahresverträge für die Qualität der Schieneninfrastruktur“ vom 6. Februar 2008 (KOM(2008) 54).

[14] Vorschlag einer Verordnung zur Schaffung eines europäischen Schienennetzes für einen wettbewerbsfähigen Güterverkehr, 11. Dezember 2008.