16.12.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 306/33


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur in Bezug auf die Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Humanarzneimittel“

KOM(2008) 662 endg. — 2008/0255 (COD)

2009/C 306/07

Der Rat beschloss am 12. Februar 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 152 Absatz 1 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur in Bezug auf die Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Humanarzneimittel“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 19. Mai 2009 an. Berichterstatter war Carmelo CEDRONE.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10. / 11. Juni 2009 (Sitzung vom 10. Juni) mit 91 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag zur Änderung der hier erörterten Verordnung, da er den Zielen der Vereinfachung und Vereinheitlichung der Patienteninformationen entspricht.

Gleichwohl ist der EWSA der Ansicht, dass die zwischen den Mitgliedstaaten existierenden erheblichen Abweichungen der Regeln für den Verschreibungs- und Abgabestatus von Arzneimitteln eine angemessene und verständliche Arzneimittelinformation behindern.

Daher ersucht der EWSA die Kommission, auf eine einheitliche Bestimmung des Verschreibungs- und Abgabestatus derjenigen Arzneimittel hinzuarbeiten, die denselben bzw. dieselben Wirkstoff(e) in derselben Dosierung für dieselben therapeutischen Anwendungsgebiete in derselben Darreichungsform enthalten und unter den verschiedenen patentierten Markennamen in den Mitgliedstaaten vermarktet werden.

1.2

Der Ausschuss hat Rechtsetzungsinitiativen für Arzneimittel stets unterstützt, wenn sie die einheitliche Ausweitung solcher Rechtsvorschriften auf sämtliche EU-Mitgliedstaaten vorsehen und wenn sie einen Prozess der Vereinfachung einleiten. Diese Maßnahmen nützen nicht nur den Patienten, sondern auch den KMU, deren Ambitionen oftmals von der Bürokratie gemindert werden.

1.3

Um bei den Patienteninformationen eine noch höhere Qualität zu erreichen, schlägt der EWSA zusätzlich zu den von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen vor, auf den Packungsbeilagen, die sämtlichen Fertigarzneimitteln beigefügt werden, die Patienteninformationen mit Hilfe einer einfachen und unmittelbar verständlichen optischen Gestaltung durch farbliche Unterlegung zu vermitteln, z.B. Indikationen (grün), Kontraindikationen (gelb) und mögliche Risiken (rot).

1.4

Ferner sollte ein Verzeichnis über „Generika“ (d.h. Arzneimittel mit erloschenem Patentschutz und mit denselben Wirkstoffen) erstellt werden. Dieses Verzeichnis kann von der Agentur angelegt und für die Apotheken sowie sämtliche den Patienten zur Verfügung stehende Vertriebszentren bereitgestellt werden.

1.5

Dem EWSA ist zwar bewusst, dass noch nicht alle Bürger einen Computer nutzen, doch sollte seiner Ansicht nach ein Verfahren eingeleitet werden, um den Patienten die notwendigen Arzneimittelinformationen auch über das Internet zur Verfügung zu stellen. Diese Informationen, die die derzeitig geltenden Informationen ergänzen und nicht ersetzen sollen, müssen überprüft werden und ein gemeinschaftliches „Erkennungszeichen“ zur Vermeidung etwaiger Missbräuche oder Falschinformationen tragen.

1.6

Der EWSA fordert erneut die Fortsetzung der Politik zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren und der Patienteninformationen und ersucht die Kommission, weitere Rechtsetzungsinitiativen für sämtliche Bereiche des Arzneimittelsektors vorzulegen, in denen in den einzelnen Mitgliedstaaten noch Probleme einer uneinheitlichen Anwendung bestehen, die die vollständige Verwirklichung des freien Arzneimittelverkehrs in der EU behindern.

2.   Gründe für den Kommissionsvorschlag

2.1

Mit dem hier erörterten Kommissionsvorschlag soll das in der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 vorgesehene Verfahren ausschließlich „in Bezug auf die Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Humanarzneimittel“ geändert werden.

2.2

Diese Änderungen betreffen die Bestimmungen hinsichtlich der direkten Information der Verbraucher über verschreibungspflichtige Arzneimittel und sollen das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes für Humanarzneimittel gewährleisten. Der Verordnungsvorschlag sieht zwar eine Änderung der Information der Öffentlichkeit über Humanarzneimittel vor, allerdings wird bekräftigt, dass Werbung gemäß den Bestimmungen der Richtlinie im ABl. L 311 vom 28.11.2001 und deren jüngster Änderung gemäß der Richtlinie 2008/29/EG untersagt bleibt.

2.3

Die Notwendigkeit, die in der derzeitigen Verordnung enthaltenen Vorschriften anzupassen, stützt sich auf die von der Kommission am 20. Dezember 2007 dem Europäischen Parlament vorgelegte Mitteilung. Dem Bericht „über die gegenwärtige Praxis der Bereitstellung von Arzneimittelinformationen für Patienten“ zufolge wird diese in den einzelnen Mitgliedstaaten mitunter äußerst unterschiedlich geregelt und gehandhabt, was zu Disparitäten und einem unterschiedlichen Zugang der Öffentlichkeit zu derartigen Informationen führt.

3.   Wesentliche Elemente des Kommissionsvorschlags

3.1

Mit dem Verordnungsvorschlag KOM(2008) 662 endg. werden folgende Ziele verfolgt:

die hohe Qualität der Informationen sicherzustellen;

zu gewährleisten, dass die Bereitstellung der Informationen über Kanäle erfolgt, die den Bedürfnissen der Patienten Rechnung tragen;

den Zulassungsinhabern verständliche und werbungsfreie Informationen über Nutzen und Risiken ihrer Arzneimittel bereitzustellen.

3.2

Mit den vorgeschlagenen Änderungen sollen die Mängel beseitigt werden, die bei der Anwendung des Arzneimittelrechts gemäß Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (in Bezug auf die Information der breiten Öffentlichkeit über Humanarzneimittel) derzeitig bestehen. Hiermit wird insbesondere Folgendes bezweckt:

die Zulassungsinhaber sollen, unbeschadet des Werbeverbots, Informationen für die Öffentlichkeit bereitstellen dürfen;

es sollen einheitliche Bedingungen für den Inhalt der Informationen von hoher Qualität festgelegt werden, die von den Zulassungsinhabern verbreitet werden dürfen;

es sollen einheitliche Kanäle für die Bereitstellung der Informationen bestimmt werden, so dass unerbetene Verbreitungswege ausgeschlossen werden;

die Mitgliedstaaten sollen zur Einrichtung eines Überwachungssystems verpflichtet werden, wobei diese Überwachung jedoch erst im Anschluss an die Informationsverbreitung erfolgen soll;

diese Informationen bedürfen der Genehmigung durch die für die Erteilung der Zulassungen zuständigen Behörden, was auch die über Websites verbreiteten Informationen betrifft.

3.3

Durch die Aufnahme eines neuen Titels VIIIa soll den Disparitäten begegnet werden, indem eine hochwertige und werbungsfreie einheitliche Information gewährleistet wird. Zur Beseitigung der ungerechtfertigten unterschiedlichen Vorgehensweise bei Arzneimitteln, die gemäß Titel II der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zugelassen wurden, in der eine einzige Fachinformation vorgesehen ist, soll auch für diese Arzneimittel Titel VIIIa der Richtlinie 2001/83/EG gelten.

3.4

Abweichend von Artikel 100g Absatz 1 der Richtlinie 2001/83/EG werden arzneimittelbezogene Informationen gemäß Artikel 100b Buchstabe d) der genannten Richtlinie vor ihrer Verbreitung einer Prüfung durch die Agentur unterzogen (Artikel 20b, KOM(2008) 662 endg.).

3.5

Unter den Aufgaben der Agentur gemäß Artikel 57 Absatz 1 soll daher ein Buchstabe u angefügt werden, in dem der Agentur die Aufgabe der „Abgabe von Gutachten zur Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Humanarzneimittel“ übertragen wird.

3.6

Artikel 20b Absatz 3 sieht vor, dass die Agentur die vorgelegten Informationen innerhalb von 60 Tagen nach Einlangen der Meldung ablehnen kann. Wird keine Ablehnung ausgesprochen, so gilt dies als stillschweigende Zustimmung zur Veröffentlichung der Informationen.

4.   Aufgaben der Agentur

4.1

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CMPH) hat im Rahmen der Agentur die Aufgabe, Stellungnahmen zu jeglicher Frage der Bewertung von Humanarzneimitteln zu erarbeiten. Sämtliche Genehmigungsentscheidungen werden nach wissenschaftlichen Kriterien hinsichtlich der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des betreffenden Arzneimittels getroffen.

4.2

Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMEA) setzt sich aus verschiedenen Ausschüssen — darunter der Ausschuss für Humanarzneimittel — zusammen. Die Agentur hat folgende Aufgaben:

Erstellung wissenschaftlicher Gutachten für die Mitgliedstaaten und Gemeinschaftsinstitutionen zu jeglicher Frage der Beurteilung der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln;

Koordinierung sowohl der wissenschaftlichen Beurteilung der Arzneimittel, die Gegenstand von Genehmigungsverfahren für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft sind, als auch der von den Mitgliedstaaten zur Beurteilung, Überwachung und Pharmakovigilanz der Arzneimittel bereitgestellten wissenschaftlichen Mittel;

Verbreitung von Informationen über Nebenwirkungen der in der EU zugelassenen Arzneimittel durch die von allen Mitgliedstaaten jederzeit abrufbare Datenbank EudraVigilance;

Einrichtung einer für die Öffentlichkeit zugänglichen Arzneimitteldatenbank.

4.3

Die hier erörterte Verordnung (EG) wird durch folgende Verordnungen ergänzt:

Verordnung (EG) Nr. 2049/2005 zur Festlegung von Regeln für die Entrichtung von Gebühren an die Europäische Arzneimittel-Agentur durch Kleinstunternehmen und kleine und mittlere Unternehmen sowie für deren administrative Unterstützung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur;

Verordnung (EG) Nr. 507/2006 über die bedingte Zulassung von Humanarzneimitteln;

Verordnung (EG) Nr. 658/2007 über finanzielle Sanktionen bei Verstößen gegen bestimmte Verpflichtungen im Zusammenhang mit Zulassungen.

5.   Rechtsgrundlage, Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit

5.1

Die vorgeschlagenen Änderungen befinden sich nach Auffassung der Kommission im Einklang mit den anderen Politikbereichen und Zielen der Union. Die Wahl von Artikel 95 des Vertrags erscheint angemessen, da er die Rechtsgrundlage des Arzneimittelrechts der Gemeinschaft darstellt, und der Inhalt der Vorschläge entspricht sowohl hinsichtlich des Subsidiaritätsprinzips als auch hinsichtlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes den Bestimmungen von Artikel 5 des Vertrags.

6.   Allgemeine Bemerkungen

6.1

Der EWSA hat Rechtsetzungsinitiativen zur Vereinfachung der Rechtsvorschriften und ihre einheitliche Umsetzung in sämtlichen Mitgliedstaaten stets unterstützt.

6.2

Er begrüßt daher den Vorschlag für die Änderung der hier behandelten Verordnung, da er den Zielen der Vereinfachung und der Harmonisierung der Patienteninformationen entspricht und zugleich die Initiativen der Unternehmen und insbesondere der KMU vereinfacht.

6.3

Der Ausschuss hält — als Ergänzung der geltenden Bestimmungen — die Einleitung eines EDV-gestützten Verfahrens zur Online-Verbreitung geprüfter Informationen für sinnvoll und empfiehlt ebenfalls, die Verständlichkeit der Packungsbeilagen sämtlicher Fertigarzneimittel (siehe Ziffer 1.3) zu verbessern.

6.4

Der EWSA ersucht die Kommission, weitere Rechtsetzungsinitiativen für sämtliche Bereiche des Arzneimittelsektors vorzulegen, in denen in den einzelnen Mitgliedstaaten noch Probleme einer uneinheitlichen Anwendung — auch die Frage des Verkaufspreises sowie des Verschreibungs- und Abgabestatus — bestehen, die die vollständige Verwirklichung des freien Arzneimittelverkehrs in der EU behindern.

6.5

Der EWSA möchte gerne wissen, wieso für die Änderung der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 „zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur“ gleichzeitig zwei verschiedene und parallele Rechtsetzungsinitiativen erforderlich sind. Die erste Initiative — KOM(2008) 664 endg. — sieht Änderungen hinsichtlich der Pharmakovigilanz vor, die zweite — KOM(2008) 662 endg. — hinsichtlich der Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Humanarzneimittel.

6.6

Der EWSA ist gegen eine solche Vorgehensweise der „hermetischen Trennung“ seitens der Kommission, da die Erarbeitung von zwei getrennten Legislativmaßnahmen eine Ressourcenverschwendung bedeutet und — mit Blick auf eine einheitliche Verordnung — möglicherweise zu Verzögerungen führen könnte.

Brüssel, den 10. Juni 2009

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI