11.9.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 218/91


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Empfehlung des Rates für eine europäische Maßnahme im Bereich seltener Krankheiten“

KOM(2008) 726 endg. — 2008/0218 (CNS)

2009/C 218/18

Der Rat beschloss am 28. November 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Empfehlung des Rates für eine europäische Maßnahme im Bereich seltener Krankheiten

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 4. Februar 2009 an. Berichterstatterin war Frau CSER.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 451. Plenartagung am 25./26. Februar 2009 (Sitzung vom 25. Februar) mit 162 gegen 4 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag für eine Empfehlung des Rates und befürwortet die koordinierte europäische Maßnahme im Bereich seltener Krankheiten, im Rahmen derer diese Krankheiten erkannt, definiert und klassifiziert werden.

1.2

Der EWSA unterstützt die Benennung nationaler und regionaler Fachzentren für seltene Krankheiten; er begrüßt zudem, dass die Mitarbeit dieser Zentren in europäischen Referenznetzen angeregt und gefördert werden soll.

1.3

Der EWSA befürwortet die Unterstützung und Förderung der derzeitigen koordinierten Forschung im Bereich seltener Krankheiten, die Förderung von „Koordinierungsprojekten“, die auf einen optimalen Einsatz der knappen verfügbaren Finanzmittel abzielen, sowie die Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit.

1.4

Der EWSA empfiehlt, dass bei der Bündelung von Fachwissen auf europäischer Ebene die Rechte des geistigen Eigentums ebenfalls gebührend berücksichtigt und angemessene Garantien gewährt werden.

1.5

Der EWSA unterstützt die Erarbeitung nationaler Pläne, hält das Jahr 2011 jedoch für verfrüht, um diese Pläne bis dahin mit der gebotenen Gründlichkeit zu erstellen.

1.6

Der EWSA begrüßt die Benennung nationaler und regionaler Zentren bis 2011, wenngleich diese von der adäquaten Erarbeitung nationaler Pläne abhängt.

1.7

Der EWSA empfiehlt den Ausbau des europäischen Koordinations- und Informationsflusses sowie die Erarbeitung einer gemeinsamen und einheitlichen Fachterminologie; er empfiehlt ferner die Erstellung eines Leitfadens mit sektoralen Besonderheiten, der den Dialog der einzelnen Berufskulturen fördern soll.

1.8

Der EWSA empfiehlt die Entwicklung eines speziellen Kommunikations- und Warnsystems mit dem Ziel eines funktionierenden Referenznetzes und „mobilen Dienstes“, damit alle Betroffenen Zugang zu entsprechenden Informationen haben.

1.9

Der EWSA befürwortet, dass die Sozialforschung hinsichtlich der Ermittlung der Bedürfnisse im Bereich seltener Krankheiten ebenfalls eine Rolle spielen soll.

1.10

Der EWSA empfiehlt, dass jeder Mitgliedstaat sein eigenes Zentrum für seltene Krankheiten einrichtet, das die Koordinierung zwischen den Forschungs- und Heileinrichtungen, den Gesundheitsdiensten und der jeweiligen Regierung der Mitgliedstaaten wahrnehmen könnte.

1.11

Der EWSA empfiehlt, dass die mitgliedstaatlichen Zentren für seltene Krankheiten Aufgaben der Datenerhebung, Akkreditierung und Methodik erfüllen sowie deren Koordinierung sichern.

1.12

Der EWSA empfiehlt, dass die nationalen Strategien für seltene Krankheiten fester Bestandteil der nationalen Gesundheits- und Gesundheitsentwicklungsprogramme werden.

1.13

Der EWSA empfiehlt, statt der Projektfinanzierung die langfristige Finanzierung auszubauen, um einen wirksamen und rentableren Mitteleinsatz sowie die Wahrnehmung der Patientenrechte zu gewährleisten.

1.14

Der EWSA empfiehlt, unter Einbeziehung der Patientenverbände, Berufsverbände und zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie der Sozialpartner und unter Berücksichtigung der Patienteninteressen und -rechte die Nutzbarkeit der in anderen Mitgliedstaaten existierenden Referenzzentren zu prüfen, zu analysieren und zu bewerten.

1.15

Der EWSA empfiehlt, die Mobilität von Gesundheitsfachleuten - unter Einbeziehung der Berufsverbände und zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie der Sozialpartner - eingehender zu prüfen, um ihnen die nötigen Garantien zu gewähren.

1.16

Der EWSA empfiehlt, zur Verringerung der Ungleichheiten im Gesundheitswesen die Möglichkeiten für einen verhältnismäßigen Mitteleinsatz zu prüfen, da die Empfehlung auf die medizinische Versorgung sämtlicher Patienten mit seltenen Krankheiten abzielt.

1.17

Der EWSA unterstützt die Einrichtung eines Beratenden Ausschusses für seltene Krankheiten der EU (EUACRD) und empfiehlt, dass neben Vertretern der Mitgliedstaaten, auch Akteure der Industrie, Patientenvertretungen und Fachleute, die Sozialpartner und weitere zivilgesellschaftliche Organisationen in dessen Tätigkeit einbezogen werden, denn ohne sie ist die Erarbeitung nationaler Strategien - eine der Voraussetzungen für die Umsetzung der Empfehlung - unmöglich.

1.18

Der EWSA empfiehlt, dass die Bewegung für den Europäischen Tag der seltenen Krankheiten durch die internationale Gesundheitspolitik mit der Einführung eines Internationalen Tags der seltenen Krankheiten unterstützt wird.

1.19

Der EWSA befürwortet die Erarbeitung eines Berichts über die Umsetzung der Empfehlung fünf Jahre nach ihrer Verabschiedung; allerdings müssen während der Umsetzung - unter Berücksichtigung der Patientenrechte - die notwendigen Korrekturen vorgenommen werden. Der EWSA möchte an einer solchen fortlaufenden Bewertung der Umsetzung mitwirken.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1   Hintergrund

2.1.1

Seltene Krankheiten - einschließlich genetischer Krankheiten - waren Gegenstand eines Aktionsprogramms der Gemeinschaft für den Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 2003 (Beschluss Nr. 1295/1999/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 1999 zur Annahme eines Aktionsprogramms der Gemeinschaft betreffend seltene Krankheiten innerhalb des Aktionsrahmens im Bereich der öffentlichen Gesundheit (1999-2003)), dem zufolge seltene Krankheiten solche sind, deren Prävalenz nicht mehr als 5 von 10 000 Personen in der Europäischen Union beträgt. Auf derselben Definition basiert die Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden.

2.1.2

Aufgrund ihrer geringen Prävalenz und ihrer Besonderheit erfordern seltene Krankheiten einen globalen Ansatz, der sich auf spezielle und gemeinsame Anstrengungen zur Verhütung erheblicher Morbidität bzw. vermeidbarer vorzeitiger Mortalität sowie zur Verbesserung der Lebensqualität und des sozioökonomischen Potenzials der Betroffenen stützt.

2.1.3

Die von der Europäischen Kommission eingerichtete, für Referenznetze zuständige Arbeitsgruppe für seltene Krankheiten hat die Aufgabe, die Grundsätze, die Behandlungen und die Kriterien für die europäischen Referenzzentren festzulegen. Diese Fragen werden auch im 6. und 7. Europäischen Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung behandelt.

2.1.4

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erarbeitet für 2014 die 11. Fassung der Internationalen Klassifikation der Krankheiten, die auch die seltenen Krankheiten umfasst. Die WHO hat die von der Europäischen Union eingesetzte Taskforce für seltene Krankheiten aufgefordert, sich als Beirat an der Kodierung und Klassifizierung dieser Krankheiten zu beteiligen.

2.1.5

Die Einführung einer einheitlichen Definition seltener Krankheiten in allen Mitgliedstaaten würde den Beitrag der Europäischen Union zur Zusammenarbeit zwischen der EU und der WHO erheblich stärken und es der EU ermöglichen, außerhalb ihrer Grenzen bei der Lösung globaler Gesundheitsprobleme eine wichtigere Rolle zu spielen.

2.1.6

In der 2007 verabschiedeten Europäischen Gesundheitsstrategie werden die hochwertige Diagnose, Behandlung und Information von Patienten mit seltenen Krankheiten als oberste Priorität genannt.

3.   Besondere Bemerkungen

3.1   Definition und Prävalenz seltener Krankheiten

3.1.1

Seltene Krankheiten erfordern einen globalen Ansatz, der sich auf spezielle und gemeinsame Anstrengungen zur Verhütung erheblicher Morbidität bzw. vermeidbarer vorzeitiger Mortalität und zur Verbesserung der Lebensqualität und des sozioökonomischen Potenzials der Betroffenen stützt.

3.1.2

Den Prävalenzdaten zufolge erkranken rund 6 % der EU-Gesamtbevölkerung im Laufe ihres Lebens an einer der 5 000 bis 8 000 seltenen Krankheiten, d.h. 29 bis 36 Millionen Menschen sind bereits oder werden noch von einer seltenen Krankheit betroffen.

3.1.3

Sehr seltene Krankheiten betreffen höchstens einen von 100 000 Menschen. Patienten mit sehr seltenen Krankheiten und ihre Familien sind besonders isoliert und hilflos.

3.1.4

Hinsichtlich des Alters, in dem die ersten Symptome seltener Krankheiten auftreten, gibt es ebenfalls große Unterschiede: Die eine Hälfte der seltenen Krankheiten tritt nach der Geburt oder im Kindesalter, die andere Hälfte im Erwachsenenalter auf. Die meisten seltenen Krankheiten sind genetische Krankheiten, sie können jedoch auch durch Umweltbelastungen während der Schwangerschaft oder später, häufig in Verbindung mit einer genetischen Veranlagung, hervorgerufen werden. Einige sind seltene Formen oder seltene Komplikationen verbreiteter Krankheiten.

3.2   Fehlende Anerkennung und Sensibilisierung für seltene Krankheiten

3.2.1

Seltene Krankheiten unterscheiden sich auch stark in Bezug auf ihren Schweregrad und die Art ihres Auftretens. Die Lebenserwartung von Patienten mit seltenen Krankheiten ist signifikant verringert. Viele seltene Krankheiten sind komplex, degenerativ und führen zu chronischen Schädigungen, während andere sich mit einer normalen Lebensführung verbinden lassen - vorausgesetzt, sie werden rechtzeitig erkannt und angemessen angegangen bzw. behandelt. Häufig bestehen mehrere Behinderungen nebeneinander, die zu einer Reihe funktioneller Beeinträchtigungen führen. Diese Behinderungen verstärken das Gefühl der Isolation, könnten ferner eine Quelle für Diskriminierungen sein und die Chancen der Betroffenen in der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie im sozialen Bereich verringern.

3.3   Fehlende Maßnahmen für seltene Krankheiten in den Mitgliedstaaten

3.3.1

Seltene Krankheiten tragen zwar in hohem Maße zu Morbidität und Mortalität bei, tauchen jedoch aufgrund des Fehlens geeigneter Kodierungs- und Klassifizierungssysteme nicht in Gesundheitsinformationssystemen auf. Das Fehlen spezieller Gesundheitsstrategien für seltene Krankheiten und der Mangel an Fachwissen führen zu verspäteten Diagnosen und einem erschwerten Zugang zu medizinischer Hilfe. Die Diagnose, Behandlung und Rehabilitation von Menschen mit seltenen Krankheiten unterscheiden sich zwischen den Mitgliedstaaten erheblich voneinander. Die Bürger der Mitgliedstaaten bzw. Regionen innerhalb eines Mitgliedstaates haben keinen gleichberechtigten Zugang zu fachlichen Dienstleistungen und Arzneimitteln für seltene Leiden.

3.3.2

Die für die Erforschung, Diagnose und Behandlung seltener Krankheiten verfügbaren Mittel unterscheiden sich stark zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten, deren Dekonzentration schränkt die Wirksamkeit ein und führt somit zu einer verspäteten oder komplett fehlenden Behandlung vieler Patienten.

3.3.3

Die Diagnose und Behandlung seltener Krankheiten erfordert eine besondere Vorbereitung; der Ressourcenmangel bewirkt erhebliche Unterschiede, und viele Patienten leiden infolge einer falschen oder unvollständigen Diagnose.

3.3.4

Die speziellen Merkmale seltener Krankheiten - begrenzte Anzahl von Patienten und Mangel an relevanten Kenntnissen und an Fachwissen - erfordern eine internationale Zusammenarbeit, die einen Zusatznutzen erbringt. Wahrscheinlich gibt es keinen anderen Bereich des Gesundheitswesens, in dem eine Zusammenführung der 27 unterschiedlichen einzelstaatlichen Herangehensweisen so wirkungsvoll und effizient sein könnte, wie im Bereich der seltenen Krankheiten. Diese Tatsache ist den einzelstaatlichen und europäischen Entscheidungsträgern sowie den Betroffenen bekannt. Durch die Bündelung der begrenzten Ressourcen könnten bessere Ergebnisse erzielt werden. Die Datenerhebungspraxis - Art der Erhebung und Zeitplan - sowie die Meldepflicht unterscheiden sich zwischen den Mitgliedstaaten. Die Meldepflicht kann für die gesamte Bevölkerung gelten, oder es ist nur eine einzige sporadische Erhebung vorgeschrieben. Einheitliche Daten und Informationen sind äußerst wichtig für die Konzipierung und Anwendung präventiver und zugleich rentabler Gesundheitsmaßnahmen sowie für die Forschung der Mitgliedstaaten und der EU. Ebenso wesentlich ist der Zugang der Betroffenen zu geeigneten Daten und Informationen.

3.3.5

Außerordentlich wichtig ist ferner, dass die Lebensqualität der Patienten mit einer seltenen Krankheit und die ihrer Familie verbessert sowie für ihre Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt Sorge getragen wird, da ihr Leben permanent durch den Kampf mit dem Anderssein und mit körperlichen und seelischen Belastungen erschwert wird.

3.3.6

In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union stehen zahlreiche nichtstaatliche Organisationen bzw. zivilgesellschaftliche Initiativen im Dienste der Aufklärung von Patienten mit seltenen Krankheiten, der Verbreitung aktueller wissenschaftlicher und klinischer Erkenntnisse, eines verbesserten Zugangs zu erschwinglichen und angemessenen medizinischen Therapien und Arzneimitteln und letztendlich der sozioökonomischen Integration dieser Kranken. Diese zivilgesellschaftlichen Initiativen leiden unter einem Ressourcenmangel und profitieren weder von einer koordinierten und harmonisierten Unterstützung der Regierungen noch von einem koordinierten Netz, wodurch die Patientenrechte permanent beeinträchtigt werden. Es wurde keinerlei systematische Zusammenarbeit zwischen den Patienten, ihren Familien, den zivilgesellschaftlichen Organisationen, Fachleuten und Sozialpartnern ins Leben gerufen. Bei der medizinischen Versorgung und dem Zugang zu dieser sind gravierende Ungleichgewichte sowie massive Benachteiligungen festzustellen.

3.3.7

Diagnose und Therapie seltener Krankheiten sind äußerst kostspielig. Für diese Therapien, die den Einsatz neuer Technologien oder hohe spezielle Ausgaben erfordern, muss jeder Mitgliedstaat unbedingt die höchstmögliche Obergrenze festlegen und anwenden.

3.3.8

Die Europäische Kommission hat 2008 eine Mitteilung über seltene Krankheiten vorgelegt und im Rahmen ihrer Erarbeitung eine umfangreiche öffentliche Anhörung durchgeführt, die im Februar 2008 abgeschlossen wurde.

3.3.9

Die im Rahmen dieser Anhörung gesammelten Beiträge haben bestätigt, dass Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene ergriffen werden müssen. Der Schwerpunkt des Vorschlags für eine Empfehlung des Rates liegt auf drei Bereichen:

Ermittlung und Kodierung seltener Krankheiten durch Entwicklung eines europäischen Kodierungs- und Klassifizierungssystems für seltene Krankheiten, das zur Erkennung der einzelnen Krankheiten beiträgt. Bei der Erstellung der neuen Fassung arbeitet die Kommission mit der WHO zusammen, denn weltweit werden die einzelnen Arten seltener Krankheiten in der Europäischen Union am ehesten erkannt.

Festlegung der Grundsätze und einschlägigen Leitlinien für die Erarbeitung nationaler Aktionspläne; Anregung und Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Konzipierung nationaler Gesundheitsmaßnahmen für seltene Krankheiten, die den Patienten einen gleichberechtigten Zugang zu Prävention, Diagnose, Behandlung und Rehabilitation sowie generell die Zugänglichkeit dieser Dienste gewährleisten sollen.

Gemäß der Empfehlung des Rates - dem Gegenstand des Empfehlungsentwurfs - bedarf es folgender Maßnahmen:

Erarbeitung einzelstaatlicher Aktionspläne für seltene Krankheiten durch die Mitgliedstaaten;

Festlegung geeigneter Mechanismen für die Definition, Kodierung und Klassifizierung seltener Krankheiten;

Förderung der Erforschung seltener Krankheiten - einschließlich der grenzübergreifenden Zusammenarbeit - zur optimalen Nutzung des EU-Potenzials in der Forschungszusammenarbeit;

Benennung nationaler und regionaler Fachzentren sowie Förderung ihrer Beteiligung an europäischen Referenznetzen;

Erstellung von Gesamtstatistiken über seltene Krankheiten von Fachleuten aus den Mitgliedstaaten;

Aktionen zur Teilhabe von Patienten und Patientenverbänden;

Ausbau der Zusammenarbeit in sämtlichen Bereichen, in denen ein gemeinschaftliches Vorgehen durch die Erarbeitung gemeinsamer politischer Leitlinien und deren Anerkennung auf europäischer Ebene einen Zusatznutzen erbringen kann: spezielle Maßnahmen im Bereich der Forschung, der Referenzzentren, des Zugangs zu Informationen, Anreize für die Entwicklung von Arzneimitteln für seltene Leiden, Reihenuntersuchungen usw. - allesamt Elemente einer gemeinsamen Mindeststrategie für seltene Krankheiten (zum Beispiel Pilotprogramme, Programme für Forschung und Entwicklung, Begleitung der Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 über Arzneimittel für seltene Leiden).

3.3.10

Mit dieser Mitteilung wird angestrebt, die Erarbeitung einer umfassenden europäischen Gemeinschaftsstrategie für eine wirksame Erkennung, Prävention, Diagnose, Behandlung und Erforschung seltener Krankheiten zu fördern, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten auszubauen und die Tätigkeiten der europäischen Informationsnetze und Patientenverbände zu unterstützen. Bei der Konzipierung und Umsetzung jeglicher Gemeinschaftspolitik oder -maßnahme muss ein hohes Gesundheitsschutzniveau gewährleistet sein. All dies soll zu dem allgemeinen Ziel der Verbesserung der Gesundheitslage und der Mehrung der bei guter Gesundheit verbrachten Lebensjahre - Schlüsselindikator der Lissabon-Strategie - beitragen. Zu diesem Zweck muss jedoch die Kohärenz der verschiedenen Gemeinschaftsprogramme und -initiativen - gestärkt werden; dazu zählen die EU-Gesundheitsprogramme, die Rahmenprogramme für Forschung und Entwicklung, die Strategie für Arzneimittel für seltene Leiden, die Richtlinie über die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung und andere bestehende bzw. künftige Maßnahmen der EU oder ihrer Mitgliedstaaten.

3.3.11

In dem Entwurf einer Empfehlung des Rates wird es als notwendig erachtet, dass die Mitgliedstaaten bis Ende 2011 umfassende und integrierte nationale Strategien im Bereich seltener Krankheiten erarbeiten und die Patienten und Patientenverbände in alle Phasen der Strategie- und Entscheidungsfindungsprozesse einbezogen werden. Ihre Tätigkeiten müssen aktiv gefördert und - unter anderem finanziell - unterstützt werden.

3.3.12

Der EWSA befürwortet die Erarbeitung umfassender und integrierter nationaler Strategien, hält eine Änderung des Zeitplans jedoch für notwendig, wenn in der umfassenden Strategie die Patienteninteressen berücksichtigen werden sollen. Zu diesem Zweck sollten auf mitgliedstaatlicher Ebene Fachzentren für seltene Krankheiten eingerichtet werden, die Aufgaben der Methodik, Datenerhebung, Akkreditierung und Koordinierung wahrnehmen.

3.3.13

Der Informationsfluss auf der Ebene der Europäischen Union, die Forschung sowie die Einrichtung und Benennung von Referenzzentren erfordern die Festlegung und Anwendung einer Fachterminologie sowie gemeinsamer, einheitlicher Diagnose- und Therapieprotokolle. Ihre Anerkennung wäre nicht nur im Interesse der Patienten, sondern auch des Pflegepersonals und der Gesundheitsdienstleister. Es wäre daher sinnvoll, einen sektoralen Leitfaden für den Dialog der einzelnen Berufskulturen über seltene Krankheiten, ihre Diagnose und Behandlung zu erstellen.

3.3.14

Die Entwicklung des europäischen Referenznetzes, seine Benennung und die Bereitstellung eines „mobilen Dienstes“ erfordern besondere Kommunikationsmaßnahmen und die Einrichtung eines Warnsystems, damit jeder tatsächlich Zugang zu den benötigten Informationen hat.

3.3.15

Da die Einrichtung dieser neuartigen Forschungs- und Dienstleistungsstruktur wahrscheinlich zu geistigen Schöpfungen führt, müssen unbedingt die erforderlichen einschlägigen Rechtsschutzmaßnahmen getroffen werden.

3.3.16

Der EWSA begrüßt die Veranstaltung des ersten Europäischen Tages der seltenen Krankheiten am 29. Februar 2008 und unterstützt die Initiative für einen Internationalen Tag der seltenen Krankheiten. Diese Initiative könnte eine internationale Bewegung anstoßen, die die Wirksamkeit der Forschung und Behandlung erheblich verbessern würde. Nach Ansicht des EWSA ist es außerordentlich wichtig, eine entsprechende Kommunikation zu gewährleisten, den interkulturellen Dialog zu fördern und insbesondere sprachliche Hindernisse und mangelhafte technische Bedingungen zu beseitigen, damit die Betroffenen (Patienten, ihre Angehörigen, Gesundheitsdienstleister, zivilgesellschaftliche Organisationen und Sozialpartner) Zugang zu ausreichenden und korrekten Informationen haben.

3.3.17

In mehreren früheren Stellungnahmen hat der Ausschuss auf die wesentliche Rolle der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner bei der Wahrung und Umsetzung gemeinsamer Werte mit Blick auf einen echten Zusatznutzen hingewiesen. Er hält es daher für wichtig, dass die Akteure der organisierten Zivilgesellschaft und die Sozialpartner eine angemessene Rolle bei der Verwirklichung der Ziele der Mitteilung im Bereich seltener Krankheiten spielen können.

3.3.18

Zur Verringerung der Ungleichheiten im Gesundheitswesen empfiehlt der EWSA, wegen der außerordentlichen Ausgaben einen verhältnismäßigen Mitteleinsatz zu erwägen, da die Empfehlung auf die medizinische Versorgung aller Patienten mit schweren Krankheiten abzielt. Die verfügbaren Mittel schwanken von einem Mitgliedstaat zum anderen, und es gibt massive Abweichungen zwischen der Zahl derjenigen, die Anspruch auf eine Behandlung haben, und derjenigen, die tatsächlich behandelt werden.

3.3.19

Der EWSA unterstützt eine koordinierte Forschung sowie die Einrichtung und Benennung von Referenzzentren, denn dies kann eine außerordentliche Gelegenheit für die Europäische Union sein, zur Lösung globaler Gesundheitsprobleme beizutragen. Diese Möglichkeit entspricht dem in dem Weißbuch „Gemeinsam für die Gesundheit: Ein strategischer Ansatz der EU für 2008-2013“ formulierten Ziel, dass die EU eine wirksamere internationale Rolle spielen soll.

3.3.20

Die Einrichtung des Beratenden Ausschusses EUACRD ist ein wichtiger Schritt hin zur Verwirklichung der Ziele. Der EWSA empfiehlt, dass neben Vertretern der Mitgliedstaaten, Fachleuten, Patientenverbänden und Akteuren der Industrie, auch Vertreter der Zivilgesellschaft und die Sozialpartner dauerhaft in die Arbeiten des Beratenden Ausschusses einbezogen werden, denn ohne sie ist die Erarbeitung einer nationalen Strategie - eine der Voraussetzungen für die Umsetzung der Empfehlung - unmöglich.

Brüssel, den 25. Februar 2009

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI