5.6.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 138/4


Abschlussbericht der Anhörungsbeauftragten in der Sache COMP/C-3/37.792 — Microsoft

(gemäß der Artikel 15 und 16 der Entscheidung 2001/462/EG, EGKS der Kommission vom 23. Mai 2001 über das Mandat von Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren — ABl. L 162 vom 19.6.2001, S. 21)

(2008/C 138/05)

Der Entscheidungsentwurf gibt Anlass zu folgenden Bemerkungen:

Verfahren nach Artikel 24 Absatz 1 auf der Grundlage der endgültigen Entscheidung vom 24. März 2004

Am 24. März 2004 erließ die Kommission eine Entscheidung in einem Verfahren nach Artikel 82 des EG-Vertrags (Sache COMP/C-3/37.792), die an Microsoft Corporation (nachstehend „Microsoft“) gerichtet war. In dieser Entscheidung (nachstehend „endgültige Entscheidung“) stellte die Kommission unter anderem fest, dass Microsoft durch die Verweigerung der Offenlegung bestimmter definierter Interoperabilitätsinformationen und ihrer Nutzung zum Zwecke der Entwicklung und des Vertriebs von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver seit Oktober 1998 bis zum Datum der genannten Entscheidung gegen Artikel 82 des EG-Vertrags (nachstehend „Artikel 82 EG“) und Artikel 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (nachstehend „Artikel 54 EWR“) verstoßen hat (1).

Am 10. November 2005 erließ die Kommission eine Entscheidung nach Artikel 24 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (nachstehend „Entscheidung nach Artikel 24 Absatz 1“). Artikel 1 dieser Entscheidung lautet wie folgt: „Microsoft Corporation sorgt dafür, dass sie bis zum 15. Dezember 2005 ihren Verpflichtungen nach Artikel 5 Buchstaben a und c der Entscheidung uneingeschränkt nachkommt. Andernfalls wird gegen Microsoft Corporation mit Wirkung ab diesem Tag ein Zwangsgeld in Höhe von 2 Mio. EUR pro Tag verhängt.“

In der Entscheidung nach Artikel 24 Absatz 1 wird festgestellt, dass Microsoft in zwei Fällen seinen Verpflichtungen nach Artikel 5 Buchstaben a und c der endgültigen Entscheidung nicht nachgekommen ist. Dieses Verfahren betrifft ausschließlich die Aussage, dass Microsoft es unterlassen habe, eine vollständige und genaue technische Dokumentation mit den Interoperabilitätsinformationen vorzulegen, die es nach der endgültigen Entscheidung hätte vorlegen müssen.

Microsofts Maßnahmen zur Vorlage einer vollständigen und genauen technischen Dokumentation und die Reaktionen der Kommission

Am 14. Dezember 2004 übermittelte Microsoft eine von Microsoft erstellte technische Dokumentation (Spezifikationen) für die relevanten Protokolle (nachstehend „technische Dokumentation“) an die Kommission. Die externen technische Sachverständigen der Kommission, OTR, prüften diese technische Dokumentation und beurteilten deren Vollständigkeit, Genauigkeit und Brauchbarkeit in einem ersten Bericht (nachstehend „erster OTR-Bericht“) negativ. Am 15. Juni 2005 übermittelten die Kommissionsdienststellen den ersten OTR-Bericht zur Stellungnahme an Microsoft. Microsoft übermittelte seine Antwort auf den ersten OTR-Bericht am 8. Juli 2005.

Mit einer Entscheidung vom 28. Juli 2005 schuf die Kommission einen Überwachungsmechanismus, indem sie einen Treuhänder einsetzte und dessen Aufgaben und Pflichten festlegte. Aufgabe des Treuhänders ist es, die Kommission bei der Überwachung der Einhaltung der endgültigen Entscheidung zu unterstützen (2). Am 5. Oktober 2005 wählte die Kommission eine Person aus einer von Microsoft unterbreiteten Liste von vier Sachverständigen aus und setzte ihn als Überwachungstreuhänder ein.

In Reaktion auf die in dem ersten OTR-Bericht geäußerte Kritik an den in der technischen Dokumentation enthaltenen Informationen übermittelte Microsoft am 8. August 2005 eine aktualisierte Fassung der technischen Dokumentation an die Kommissionsdienststellen.

Diese Fassung der technischen Dokumentation wurde ebenfalls von OTR geprüft. OTR legte einen neuen Bericht zur Vollständigkeit und Genauigkeit der technischen Dokumentation vor und bekräftigte darin seine negative Auffassung.

Um seinen Verpflichtungen nach Artikel 5 Buchstabe c der endgültigen Entscheidung nachzukommen, bot Microsoft interessierten Unternehmen einen Evaluierungsvertrag (evaluation agreement) an. Vier Unternehmen (Novell, IBM, Oracle und Sun) haben bisher einen solchen 3-Tage-Evaluierungsvertrag („3-day Evaluation Agreement“) mit Microsoft geschlossen. Die Kommissionsdienststellen forderten diese Unternehmen auf, ihnen eine genaue Beschreibung vom Ablauf der Evaluierung vor Ort zu übermitteln. Sie sollten außerdem bewerten, ob die technische Dokumentation, die sie im Laufe der Evaluierung einsahen, vollständige und genaue Spezifikationen der von der Entscheidung betroffenen Protokolle enthält und mitteilen, wie sie den Wert der im Wege der technischen Dokumentation offengelegten Technologie beurteilen.

In Beantwortung der beiden Auskunftsverlangen der Kommission (vom September/Oktober 2005 und vom März 2006) äußerten sich Novell, IBM, Oracle und Sun kritisch in Bezug auf die Angemessenheit und Vollständigkeit der ihnen zur Verfügung gestellten technischen Dokumentation.

Am 11. und 23. November 2005 legte Microsoft eine überarbeitete technische Dokumentation vor (nachstehend „technische Dokumentation vom November 2005“). Am 30. November 2005 übermittelte der Treuhänder einen vorläufigen Bericht zu Microsofts überarbeiteter technischer Dokumentation, der an Microsoft weitergeleitet wurde. Am 15. Dezember 2005 legte der Treuhänder seinen Abschlussbericht zur technischen Dokumentation vom November 2005 vor.

Am 15. Dezember 2005 antwortete Microsoft auf den vorläufigen Bericht des Treuhänders und kündigte an, dass eine weitere überarbeitete technische Dokumentation (nachstehend „technische Dokumentation vom 15. Dezember 2005“) in Redmond vorliege. Diese dritte Fassung der technischen Dokumentation, die die Kommission erst am 26. Dezember 2005 erhielt, kommentierte der Treuhänder in einem Bericht vom 3. März 2006.

Die Mitteilung der Beschwerdepunkte

Am 21. Dezember 2005 übermittelte die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an Microsoft, worin sie vorläufig feststellte, dass die am 11. und 23. November 2005 eingereichte überarbeitete technische Dokumentation immer noch nicht ausreiche, um Microsofts Verpflichtungen nach Artikel 5 Buchstaben a und c der endgültigen Entscheidung zu erfüllen. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte wurde zur dritten Fassung der technischen Dokumentation festgestellt, dass die Änderungen in der technischen Dokumentation vom 15. Dezember 2005 im Wesentlichen die Formatierung beträfen. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass die technische Dokumentation vom 15. Dezember 2005 die Mängel der vorherigen Fassungen nicht behebt. Die Treuhänderberichte waren der Mitteilung der Beschwerdepunkte beigefügt.

Microsoft wurde aufgefordert, bis zum 31. Januar 2006 zu antworten. Auf Microsofts Antrag verlängerte ich diese Frist bis zum 15. Februar 2006, vor allem um den externen Sachverständigen von Microsoft die Möglichkeit zu geben, ausführliche begründete Stellungnahmen zu den von der Kommission vorgebrachten Kritikpunkten zu formulieren. Diese verlängerte Frist wurde eingehalten.

Bei der mündlichen Anhörung und in seiner schriftlichen Antwort machte Microsoft geltend, die Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalte grundsätzliche Fehler, weil die von Microsoft am 15. Dezember 2005 angekündigte technische Dokumentation nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Da Microsoft der Kommission mitgeteilt habe, dass die technische Dokumentation am 15. Dezember zur Prüfung vorliege, hätte die Kommission warten sollen, bis eine Kopie dieser technischen Dokumentation in Brüssel eingegangen sei, anstatt schon vorher die Mitteilung der Beschwerdepunkte zu übersenden.

Ich teile die Ansicht Microsofts, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte fehlerhaft war, nicht. Gemäß geltender Rechtsprechung ist eine Mitteilung von Beschwerdepunkten ein Dokument, in dem vorläufige Feststellungen getroffen werden. Bis zum Erlass einer Entscheidung kann die Kommission ihren darin geäußerten Standpunkt ändern oder ergänzen, sofern sie den betroffenen Unternehmen die Gelegenheit gibt, dazu Stellung zu nehmen (3). In der Mitteilung des Sachstands vom 10. März 2006 (siehe unten) wurde Microsoft ordnungsgemäß über die Bewertung der dritten Fassung der von Microsoft vorgelegten technischen Dokumentation durch die Kommission unterrichtet und erhielt ausreichend Zeit für eine Stellungnahme. Deshalb kann Microsoft meiner Ansicht nach keine Verletzung seiner Rechte in Verbindung mit der Übermittlung der Mitteilung der Beschwerdepunkte geltend machen.

Microsofts weitere Vorbringungen und die Mitteilung des Sachstands

Am 25. Januar 2006 bot Microsoft den Lizenznehmern der technischen Dokumentation an, ihnen im Rahmen einer Quellcode-Referenzlizenz den Windows-Quellcode zugänglich zu machen.

Am 30. Januar 2006 übermittelte Microsoft den zuständigen Kommissionsdienststellen eine vierte Fassung der technischen Dokumentation.

Am 10. März 2006 übermittelte die Kommission Microsoft ein Dokument (Mitteilung des Sachstands), worin sie darlegte, dass die technische Dokumentation vom 15. Dezember 2005 als unzureichend angesehen werde, um den Anforderungen der endgültigen Entscheidung zu entsprechen. Außerdem wurde Microsoft mitgeteilt, dass die Offenlegung des Quellcodes im Hinblick auf die Erfüllung der Verpflichtungen nach Artikel 5 Buchstaben a und c der endgültigen Entscheidung als irrelevant angesehen werde. Ein Bericht des Treuhänders zur dritten Fassung der technischen Dokumentation und ein Bericht von TAEUS zur vierten Fassung der technischen Dokumentation, in dem allerdings nur die Spezifikationen für eines der Protokolle untersucht wurden, wurden beigefügt.

Microsoft erhielt Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen zu der Mitteilung des Sachstands Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 14. März 2006 machte Microsoft geltend, dass die Mitteilung des Sachstands neue Behauptungen enthalte und infolgedessen eine zweite Mitteilung von Beschwerdepunkten darstelle, für deren Beantwortung eine Frist von vier Wochen gewährt werden müsse. Im Einzelnen vertrat Microsoft die Auffassung, dass die Feststellung in der Mitteilung des Sachstands neu sei, die dritte Fassung der technischen Dokumentation entspreche nicht den Anforderungen des Artikels 5 Buchstaben a und c der Kommissionsentscheidung vom 24. März 2004.

In meiner Antwort vom 17. März 2006 erklärte ich, dass ich die Auffassung Microsofts nicht teilte, dass die Mitteilung des Sachstands Beschwerdepunkte enthalte, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte der Kommission nicht enthalten waren. Bei näherer Betrachtung der technischen Dokumentation vom 15. Dezember 2005 wurden meines Erachtens keine neuen Beschwerdepunkte gegen Microsoft vorgebracht, sondern vielmehr die bereits formulierten Beschwerdepunkte im Lichte neuer Fakten bekräftigt. Aus diesem Grund gab ich Microsofts Anträgen nicht statt. Damit Microsoft sich aber in den nachfolgenden Tagen auf die Vorbereitung der mündlichen Anhörung konzentrieren konnte, und zwar sowohl in Bezug auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch in Bezug auf die Mitteilung des Sachstands, verlangte ich von Microsoft keine schriftliche Stellungnahme zur Mitteilung des Sachstands vor der mündlichen Anhörung und gewährte Microsoft für die schriftliche Stellungnahme zur Mitteilung des Sachstands eine Fristverlängerung bis zwei Wochen nach der mündlichen Anhörung, d. h. bis zum 14. April 2006. Diese Frist wurde eingehalten.

Microsofts weitere Vorbringungen und die zweite Mitteilung des Sachstands

Am 11. April 2006 unterbreitete Microsoft eine weitere überarbeitete Fassung der technischen Dokumentation.

Nach einem Treffen zwischen dem Treuhänder, Vertretern von Microsoft und der Kommission am 7. und 8. April 2006 sowie einem Schreiben des für Wettbewerb zuständigen Kommissionsmitglieds an Microsofts Chief Executive Officer vom 13. April 2006 legte Microsoft dem Treuhänder am 22. April 2006 einen Arbeitsplan für die Vorlage einer vollständigen, genauen technischen Dokumentation vor. Dieser Arbeitsplan sah vor, dass bis zum 30. Juni 2006 eine überarbeitete technische Dokumentation für den Großteil der darin beschriebenen Protokolle vorgelegt wird und dass die technische Dokumentation für die übrigen darin beschriebenen Protokolle bis spätestens 18. Juli 2006 folgen sollte.

Am 15. Mai 2006 legte der Treuhänder zwei Berichte vor: in dem einen kommentierte er die Berichte der technischen Sachverständigen von Microsoft, die Microsofts Schreiben vom 14. April 2006 beigefügt waren, und in dem zweiten Bericht bewertete er die Vollständigkeit und Genauigkeit von Microsofts technischer Dokumentation vom 11. April 2006.

Am 15. Mai 2006 legten die Sachverständigen von TAEUS einen Bericht vor, in dem sie die Vollständigkeit und Genauigkeit dieser Dokumentation bewerteten und zu den Berichten des Sachverständigen von Microsoft Stellung nahmen. Dieser Bericht wurde Microsoft am 19. Mai 2006 zusammen mit dem Treuhänderbericht vom 15. Mai 2006 und dem Treuhänderbericht zu der technischen Dokumentation vom 11. April 2006 übermittelt. In demselben Schreiben setzte die Kommission Microsoft von ihrer Einschätzung in Kenntnis, dass die am 21. Dezember 2005 mitgeteilten Beschwerdepunkte in Bezug auf Vollständigkeit und Genauigkeit der technischen Dokumentation nicht berührt wurden und folglich weiter gültig sind. Die Kommission forderte Microsoft auf, hierzu innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens Stellung zu nehmen.

Am 23. Mai 2006 beantragte Microsoft eine Verlängerung der für die Beantwortung des Schreibens der Kommission vom 19. Mai 2006 gesetzten Frist um zwei Wochen.

Am 30. Mai 2006 genehmigte ich eine Verlängerung der Frist für die Beantwortung des Kommissionsschreibens vom 19. Mai 2006 bis zum 9. Juni 2006.

Am 9. Juni 2006 antwortete Microsoft auf das Schreiben vom 19. Mai 2006. Dieser Antwort waren zwei weitere Berichte der technischen Sachverständigen von Microsoft beigefügt.

Akteneinsicht

Nach der Übermittlung der Mitteilung der Beschwerdepunkte wurde Microsoft am 23. Dezember 2005 Einsicht in die Kommissionsakte gewährt. Mit Schreiben vom 24. Dezember 2005 und 2. Januar 2006 und in einem Treffen im Büro der Anhörungsbeauftragten am 6. Januar 2006 beantragte Microsoft erneut Einsicht in die Kommissionsakte. Dieser Antrag auf Akteneinsicht betraf auch den Schriftwechsel zwischen der Kommission und OTR bzw. dem Überwachungstreuhänder.

Mit Schreiben vom 13. Januar 2006 wies ich Microsofts Anträge auf Einsichtnahme in den Schriftwechsel mit OTR bzw. dem Überwachungstreuhänder ab. Nach ausführlicher Korrespondenz mit Microsoft zu dieser Frage erachtete ich diesen Schriftwechsel als intern. Ich prüfte jedoch sorgfältig, ob der Zugang zu Teilen dieses Schriftwechsels möglicherweise für ein volles Verständnis der Methodik oder die ordnungsgemäße technische Prüfung des Treuhänderberichts notwendig oder in anderer Weise für Microsofts Verteidigung unabdingbar war. Da dies im Falle des vom Überwachungstreuhänder durchgeführten Sufficiency Tests nicht ausgeschlossen werden konnte, beschloss ich, die Einsichtnahme in das betreffende Dokument zu genehmigen. Um außerdem Microsoft eine Nachprüfung der von den Kommissionsdienststellen getroffenen Auswahl einsehbarer Dokumente zu ermöglichen, sorgte ich dafür, dass Microsoft eine ausführliche Aufstellung aller bislang nicht offengelegten Dokumente erhielt, die einen Bezug zur Mitteilung der Beschwerdepunkte haben könnten.

Mit Schreiben vom 17. Januar 2006 beantragte Microsoft Einsicht in alle Dokumente, die die Kontakte der Kommission mit den vier Unternehmen betrafen, die auf die Marktuntersuchung der Kommission geantwortet hatten (Novell, IBM, Oracle und Sun), sowie mit jedem anderen Dritten, mit dem die Kommission in diesem Zusammenhang in Verbindung stand. Obwohl die Vorbringungen dieser Dritten zunächst als vertraulich eingestuft worden waren, verzichteten alle Auskunfterteilenden auf die vertrauliche Behandlung der sie betreffenden Dokumente, die auf der Microsoft übermittelten Liste aufgeführt waren. Diese Dokumente wurden Microsoft infolgedessen zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt. Da einige der Verzichterklärungen ausdrücklich an die Bedingung geknüpft waren, dass Microsoft die Informationen nicht an andere Personen weitergibt, als an den Berater von Microsoft oder die direkt mit diesem Verfahren befassten Personen, machte ich Microsoft entsprechende Mitteilung. Später beschwerten sich einige der Auskunfterteilenden, Microsoft habe die Informationen für andere Zwecke als seine Verteidigung in dem laufenden Verfahren missbraucht, insbesondere durch deren Verwendung auf Microsofts Webpage. Microsoft erhielt die Gelegenheit, zu diesen Beschwerden Stellung zu nehmen. Schließlich gewährte ich auch Zugang zu einem Schreiben von OTR und dem Überwachungstreuhänder an Dritte.

Mit Schreiben vom 2. März 2006 an mich beantragte Microsoft Einsicht in jegliches Material, das Informationslieferanten, namentlich Sun, IBM, und Oracle, direkt an den Treuhänder und OTR übermittelten. Obwohl diese Schriftstücke zum Zeitpunkt von Microsofts Antrag nicht in der Kommissionsakte enthalten waren, erklärten sich die zuständigen Kommissionsdienststellen bereit, diesen Schriftwechsel vom Treuhänder anzufordern (OTR hatte der Kommission mitgeteilt, dass mit Dritten keine Schriftstücke ausgetauscht worden seien). Abgesehen von einigen wenigen Dokumenten, die als vertraulich und nicht sachdienlich angesehen wurden, wurden Microsoft diese Informationen zur Verfügung gestellt.

Mit Schreiben vom 22. März 2006 beantragte Microsoft Einsicht in die Antworten, die die Kommissionsdienststellen von Dritten auf ihre Auskunftsersuchen nach Artikel 18 erhalten hatten. Sobald die Frage der Vertraulichkeit mit den Dritten geklärt war, sorgte ich dafür, dass diese Einsichtnahme ermöglicht wurde. In demselben Schreiben beantragte Microsoft Einsicht in den Schriftwechsel zwischen der Kommission und ihrem neuen Sachverständigen, TAEUS. Da ich diesen Schriftwechsel als intern einstufte, gab ich Microsofts Antrag nicht statt. Ich vergewisserte mich allerdings zunächst, dass die fraglichen Schriftstücke für die Prüfung der technischen Korrektheit der TAEUS-Berichte oder das Verständnis der verwendeten Methodik nicht unabdingbar waren. Microsoft ging außerdem davon aus, dass ein weiterer Schriftwechsel zwischen den Kommissionsdienststellen und den Dritten bestand. Ich teilte Microsoft mit, dass dies nicht der Fall war.

Mit Schreiben vom 23. Mai 2006 beantragte Microsoft weitere Einsicht in den Schriftwechsel zwischen der Kommission und dem Treuhänder bzw. TAEUS sowie in ein aktualisiertes Verzeichnis der Korrespondenz und sonstiger Kontakte zwischen der Kommission und den Dritten und Kopien der nicht vertraulichen Fassungen dieser Kontakte.

In meiner Antwort vom 2. Juni 2006 bekräftigte ich meinen Standpunkt, dass Microsoft nicht zur Einsicht in die interne Korrespondenz zwischen der Kommission und TAEUS bzw. dem Treuhänder befugt sei. Ich vergewisserte mich jedoch zuvor genau, dass diese Korrespondenz keine Elemente enthielt, die für Microsofts Verteidigung unabdingbar sind. Außerdem sorgte ich dafür, dass Microsoft ein aktualisiertes Verzeichnis der Korrespondenz und sonstiger Kontakte zwischen der Kommission und Dritten übermittelt wurde und dass es außerdem eine vollständige Kopie aller Kontakte erhielt, die nicht vertraulich und für die in diesem Verfahren gegen Microsoft vorgebrachten Beschwerdepunkte von Belang waren.

Die mündliche Anhörung

In ihrer Vorbringung vom 15. Februar 2006 beantragte Microsoft eine öffentliche mündliche Anhörung. In meinem Schreiben vom 23. Februar 2006 wies ich darauf hin, dass in Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 ausdrücklich niedergelegt ist, dass mündliche Anhörungen nicht öffentlich sind. Da diese Bestimmung nicht nur im Interesse von Microsoft, sondern auch in dem der anderen Teilnehmer an der Anhörung sowie im Interesse des Verfahrens ist (um unter anderem Unruhe in der Debatte zu vermeiden), vertrat ich die Auffassung, dass ich nicht wegen Microsofts Antrag von einer langjährigen Regel abweichen konnte, die in den letzten vierzig Jahren garantiert hat, dass mündliche Anhörungen in einer konstruktiven und produktiven Atmosphäre stattfinden.

Da ich Microsofts Antrag auf Verschiebung ablehnte, fand die Anhörung am 30. und 31. März 2006 statt.

Neben Microsoft wurden neun beteiligte Dritte angehört und gaben ihre Stellungnahmen ab.

Microsoft unterlag keinerlei Beschränkungen in Bezug auf den Umfang seiner Vorbringungen bei der mündlichen Anhörung. Außerdem wurde Microsoft praktisch die gesamte beantragte Redezeit gewährt. Angesichts der Anzahl der beteiligten Dritten wurden einige aufgefordert, die ursprünglich beantragte Redezeit zu reduzieren. Insgesamt bestand zwischen der Microsoft und den Dritten eingeräumten Redezeit ein ausgewogenes Verhältnis. Microsoft hatte am Ende der Anhörung Gelegenheit, zu den Anmerkungen der Dritten Stellung zu nehmen.

Grundlage für die mündliche Anhörung waren im Wesentlichen die Informationen, die Microsoft am 26. Dezember 2005 (dritte Fassung der technischen Dokumentation) vorgelegt hatte. Ich griff jedoch nicht ein, als Microsofts vierte Fassung der technischen Dokumentation vom 30. Januar 2006 zur Sprache kam, da diese auch Gegenstand des TAEUS-Berichts im Anhang zur Mitteilung des Sachstands vom 10. März 2006 war.

Der Entwurf der endgültigen Entscheidung

Nach meiner Auffassung enthält der Entwurf der endgültigen Entscheidung keine rechtlichen Elemente, die nicht in der Mitteilung der Beschwerdepunkte und keine sachlichen Elemente, die nicht entweder in der Mitteilung der Beschwerdepunkte oder in den Mitteilungen des Sachstands dargelegt wurden.

Ich stelle daher zusammenfassend fest, dass das Anhörungsrecht von Microsoft und der Dritten eingehalten wurde.

Brüssel, den 3. Juli 2006

Karen WILLIAMS


(1)  In Artikel 5 des verfügenden Teils der endgültigen Entscheidung heißt es:

„Im Hinblick auf den in Artikel 2 Buchstabe a festgestellten Verstoß werden folgende Maßnahmen angeordnet:

a)

Microsoft Corporation stellt sämtlichen Unternehmen, die Arbeitsgruppenserver-Betriebssysteme entwickeln und anbieten wollen, binnen 120 Tagen ab Zustellung dieser Entscheidung die Interoperabilitätsinformationen zur Verfügung und erlaubt die Nutzung dieser Interoperabilitätsinformationen für Zwecke der Entwicklung und des Vertriebs von Arbeitsgruppenserver-Betriebssystemen zu angemessenen und nicht diskriminierenden Konditionen.

b)

Microsoft Corporation gewährleistet, dass die zur Verfügung gestellten Interoperabilitätsinformationen kontinuierlich und unverzüglich aktualisiert werden.

c)

Microsoft Corporation richtet binnen 120 Tagen ab Zustellung dieser Entscheidung ein praktikables Bewertungsverfahren ein, anhand dessen sich interessierte Unternehmen über den Umfang der Interoperabilitätsinformationen und die Konditionen für ihre Nutzung unterrichten können. Microsoft Corporation darf mittels angemessener, nicht diskriminierender Bedingungen sicherstellen, dass der Zugang zu den offengelegten Interoperabilitätsinformationen lediglich für die Zwecke der Bewertung gewährt wird.“ (…).

(2)  Vgl. Artikel 7 der Entscheidung und Artikel 3 der Treuhänderentscheidung.

(3)  Urteil des Gerichts erster Instanz vom 30. September 2003 in den verbundenen Rechtssachen T-191/98 und T-212/98 bis T-214/98, Atlantic Container Line, Randnummer 115.