13.12.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 319/13


Schlussfolgerungen des Rates zur Architektur: Beitrag der Kultur zur nachhaltigen Entwicklung

(2008/C 319/05)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

1.   UNTER BEZUGNAHME AUF:

den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

die Entschließung des Rates vom 12. Februar 2001 zur architektonischen Qualität der städtischen und ländlichen Umwelt (1), in der bekräftigt wird, dass die Architektur einen grundlegenden Bestandteil der Kultur und der Lebenswelt jedes unserer Länder bildet,

die Schlussfolgerungen des Rates vom 24. Mai 2007 zum Beitrag des Kultur- und Kreativbereichs zur Verwirklichung der Ziele der Lissabon-Strategie (2), in denen hervorgehoben wird, dass die kulturellen Tätigkeiten und die Kreativwirtschaft, darunter die Architektur, eine wichtige Rolle bei der Förderung von Innovation und technologischer Entwicklung spielen und ein wichtiger Motor für nachhaltiges Wachstum in der Zukunft sind,

sowie auf die Entschließung des Rates vom 16. November 2007 zu einer europäischen Kulturagenda (3), in der im Anschluss an die Mitteilung der Kommission vom 10. Mai 2007 (4) die verbindende Rolle der Kultur hervorgehoben wird.

2.   IN KENNTNIS:

der vom Europäischen Rat am 15. und 16. Juni 2006 angenommenen neuen EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung (5) mit dem Gesamtziel, Maßnahmen zu ermitteln und auszugestalten, die der EU gestatten, kontinuierlich die Lebensqualität sowohl der heutigen als auch künftiger Generationen zu verbessern, indem nachhaltige Gemeinschaften geschaffen werden, die in der Lage sind, die Ressourcen effizient zu bewirtschaften und zu nutzen und das ökologische und soziale Innovationspotenzial der Wirtschaft zu erschließen und so Wohlstand, Umweltschutz und sozialen Zusammenhalt zu gewährleisten,

der von den für Stadtentwicklung zuständigen Ministern am 24. Mai 2007 verabschiedeten Leipzig-Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt (6), in der die Bedeutung der Baukultur unterstrichen und dazu aufgerufen wird, für die Stadtentwicklung einem integrierten Ansatz zu folgen, der die wirtschaftliche, die soziale, die ökologische und die kulturelle Dimension der Stadt umfasst und sich dabei auf die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen administrativen und politischen Zuständigkeitsebenen sowie zwischen den Handlungsträgern des öffentlichen und des privaten Sektors stützt.

3.   UNTER WÜRDIGUNG:

die Arbeiten des „Europäischen architekturpolitischen Forums“ zu Fragen der architektonischen Qualität und der nachhaltigen Entwicklung.

4.   UNTER VERWEIS DARAUF, DASS:

die Architektur als ein Bereich des Kulturschaffens und der Innovation, auch im technologischen Sinne, eindrucksvoll veranschaulicht, welchen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung die Kultur angesichts ihres Einflusses auf die kulturelle Dimension der Städte, aber auch auf die Wirtschaft, den sozialen Zusammenhalt und die Umwelt, leisten kann,

die Architektur außerdem insofern ein Beispiel für die übergreifende Bedeutung der Kultur ist, als sie in mehrere Bereiche der Politik, und nicht nur in den der Kulturpolitik fällt.

5.   IN DER ERWÄGUNG, DASS:

die europäischen Städte heute vor großen Herausforderungen stehen; hierzu zählen die demografischen Entwicklungen und ihre Folgen für die Ausbreitung der Städte, die Umweltprobleme und der Kampf gegen den Klimawandel, die Wahrung des sozialen Zusammenhalts, insbesondere im Kontext wirtschaftlicher und kultureller Veränderungen, sowie der Schutz und die Valorisierung des architektonischen und kulturellen Erbes,

die Antwort auf diese Herausforderungen über eine nachhaltige Stadtentwicklung erfolgen muss, d.h. einen integrierten und kreativen Ansatz, bei dem der Kultur, der Wirtschaft, dem sozialen Bereich und der Umwelt gleichrangige Bedeutung zukommt,

nachhaltige Stadtentwicklung bedeutet, dass:

besonderes Augenmerk auf architektonische Qualität und Diversität als Bestandteile der kulturellen Vielfalt, auf den Erhalt und die Aufwertung des historischen Bestands und auf die Einzigartigkeit von Identität von Natur- oder Stadtlandschaften gerichtet wird,

auf ein Projektmanagement hingearbeitet wird, das die Nutzung und Umwidmung der Bodenflächen und der Bausubstanz — insbesondere der Industrie- und Gewerbebrachen — die Beherrschung der Energieressourcen im Rahmen der Bekämpfung des Klimawandels und die Verringerung der Umweltverschmutzung begünstigt,

über neuartige architektonische und städtebauliche Konzepte der Wandel im Lebensstil der Bewohner, insbesondere die Problematik der Mobilität und der demografischen Veränderungen, sowie die Ziele des sozialen Zusammenhalts und des Zusammenlebens verschiedener Gesellschaftsschichten, des interkulturellen Dialogs und der Bürgerbeteiligung berücksichtigt werden,

ein qualitativ hochwertiges architektonisches Schaffen als Faktor für wirtschaftliche Dynamik und touristische Anziehungskraft der Städte gefördert wird,

die Architektur bei der Verwirklichung einer nachhaltigen Stadtentwicklung eine verbindende und innovative Rolle spielt, indem sie insbesondere ermöglicht,

die zuweilen divergierenden Erfordernisse miteinander in Einklang zu bringen, die sich aus der Erhaltung von Gebäuden und Landschaften und aus dem zeitgenössischen Kulturschaffen wie auch aus den berechtigten Wünschen der Bewohner und der Eindämmung des Städtewachstums ergeben,

durch ihre Diversität, Qualität und Kreativität einen Beitrag zur kulturellen Bereicherung und zur Lebensqualität der Stadtbewohner sowie — speziell durch ihr Reservoir an kleinen und mittleren Unternehmen — zur wirtschaftlichen, kommerziellen und touristischen Dynamik der Städte zu leisten,

die nachhaltige Stadtentwicklung schließlich die Gelegenheit zur Herausbildung, Innovation und Erneuerung architektonischer Stilrichtungen sowie zur Wiederbelebung und Neuausrichtung traditioneller Praktiken bietet.

6.   UNTER INTERESSIERTER KENNTNISNAHME VON:

den Initiativen zahlreicher europäischer Städte, besonders im Rahmen der „Kulturhauptstädte Europas“, die darauf abzielen, die Kultur und insbesondere die Architektur zu einem wichtigen Instrument ihrer Erneuerung zu machen,

dem Entstehen „kreativer Städte“, deren nachhaltige Stadtentwicklung auf neuen Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit wie der Qualität der städtischen Infrastruktur und den Wechselwirkungen zwischen Kultur und Industrie beruht.

7.   ERSUCHT DIE MITGLIEDSTAATEN UND DIE KOMMISSION, IM RAHMEN IHRER JEWEILIGEN ZUSTÄNDIGKEITEN UND UNTER WAHRUNG DES SUBSIDIARITÄTSPRINZIPS:

der Architektur und ihren Besonderheiten, vor allem ihrer kulturellen Komponente, in allen einschlägigen Politikbereichen Rechnung zu tragen, und zwar insbesondere im Hinblick auf Forschung, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, nachhaltige Entwicklung und Bildung,

bei der Architektur über technische Normen hinaus einen Ansatz für globale wirtschaftliche, soziale, kulturelle und ökologische Ziele zu entwickeln,

Innovationen und Experimente für nachhaltige Entwicklung auf dem Gebiet der Architektur sowie der Stadt- und Landschaftsplanung zu fördern, vor allem im Rahmen der europäischen Politiken und Programme und bei den öffentlichen Aufträgen,

das Wissen über den Bereich der Architektur und deren Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu verbessern, insbesondere in statistischer Hinsicht,

die Öffentlichkeit für die Rolle der Architektur und der Stadtplanung bei der Schaffung eines qualitativ hochwertigen Lebensumfelds zu sensibilisieren und sie stärker an der nachhaltigen Stadtentwicklung zu beteiligen,

in Zusammenarbeit mit den Fachkreisen und unter Berücksichtigung der Erfahrungen einiger Mitgliedstaaten zu prüfen, ob ein jährliches europäisches „Architektur-Event“ veranstaltet werden kann,

gemeinsam für die Umsetzung dieser Schlussfolgerungen Sorge zu tragen und bis 2012 eine Bilanz über diese Umsetzung vorzulegen.

8.   ERSUCHT DIE MITGLIEDSTAATEN:

sich dafür einzusetzen, dass die Architektur eine verbindende und innovative Rolle im Prozess der nachhaltigen Entwicklung spielt, und dies bereits ab der Konzipierungsphase eines stadt- oder landschaftsarchitektonischen Projekts oder der Sanierung eines Geländes,

zur Entwicklung des Potenzials für wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigung, das die Architektur als Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft besitzt, beizutragen,

die Bildung in Bezug auf die Architektur, einschließlich des architektonischen Erbes, und das Lebensumfeld zu fördern, insbesondere im Rahmen der Kunst- und Kulturerziehung,

die Aus- und Weiterbildung von Architekten, Stadt- und Landschaftsplanern im Bereich der nachhaltigen Entwicklung zu fördern,

der Architektur im Rahmen der Gestaltung des „Europäischen Jahres der Kreativität und Innovation“ (2009) besondere Beachtung zu schenken,

gegebenenfalls auf die offene Koordinierungsmethode im Bereich Kultur zurückzugreifen.

9.   ERSUCHT DIE KOMMISSION:

die Architektur bei der Ausarbeitung ihres Grünbuchs über die Kultur- und Kreativwirtschaft zu berücksichtigen,

die Experten- und Berufsnetzwerke des öffentlichen und des privaten Architektursektors, wie etwa das „Europäische architekturpolitische Forum“, in die Arbeiten und Beratungen über architekturbezogene Themenstellungen und/oder Fragen einzubeziehen,

in Zusammenarbeit mit diesen Netzwerken und dem Europäischen Netzwerk von Architekturschulen folgende Aspekte zu fördern:

Information und Austausch bewährter Verfahren sowie Forschungsarbeiten zwischen Architekten, Bauträgern und Nutzern,

Ausbildung junger Architekten, Stadt- und Landschaftsplaner im Bereich der nachhaltigen Entwicklung, Valorisierung ihrer Arbeiten und deren Zugang zu öffentlichen und privaten Aufträgen.


(1)  ABl. C 73 vom 6.3.2001, S. 6.

(2)  ABl. C 311 vom 21.12.2007, S. 7.

(3)  ABl. C 143 vom 10.6.2008, S. 9.

(4)  Dok. 9496/07 und ADD 1.

(5)  Dok. 10117/06.

(6)  http://www.eu2007.de/en/News/download_docs/Mai/0524-AN/075DokumentLeipzigCharta.pdf