22.1.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 16/21


Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Frauen und Männer

P6_TA(2008)0544

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. November 2008 mit Empfehlungen an die Kommission zur Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (2008/2012(INI))

(2010/C 16 E/04)

Das Europäische Parlament,

gestützt auf Artikel 192 Absatz 2 des EG-Vertrags,

unter Hinweis auf Artikel 2 und Artikel 141 Absatz 3 des EG-Vertrags,

in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 18. Juli 2007 mit dem Titel „Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles“ (KOM(2007)0424),

in Kenntnis des vom Kommissionsnetzwerk unabhängiger Rechtsexperten auf den Gebieten Beschäftigung, Soziales und Gleichstellung von Männern und Frauen ausgearbeiteten Berichts von Februar 2007 zum Thema „Rechtliche Aspekts des geschlechtsspezifischen Lohngefälles“,

unter Hinweis auf den auf der Tagung des Europäischen Rats vom 23. und 24. März 2006 in Brüssel angenommenen Europäischen Pakt für die Gleichstellung der Geschlechter,

unter Hinweis auf die auf Artikel 141 des EG-Vertrags basierende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften,

in Kenntnis der Bestimmungen des Übereinkommens der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zur Teilzeitarbeit von 1994, durch die die Länder verpflichtet sind, in ihre öffentlichen Aufträge eine Klausel über Arbeitsbedingungen einzubeziehen, u. a. auch über gleiche Entlohnung,

unter Hinweis auf Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe d der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen, die am 18. Dezember 1979 mit der Resolution 34/180 der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen wurde,

unter Hinweis auf den von den europäischen Sozialpartnern angenommenen Aktionsrahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern vom 1. März 2005 und seine Folgeberichte,

unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 13. März 2007 zu dem Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern (2006-2010) (1) und vom 3. September 2008 zur Gleichstellung von Frauen und Männern — 2008 (2),

gestützt auf die Artikel 39 und 45 seiner Geschäftsordnung,

in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter sowie der Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (A6-0389/2008),

A.

in der Erwägung, dass Frauen in der Europäischen Union durchschnittlich 15 % weniger verdienen als Männer und in der Privatwirtschaft bis zu 25 %; in der Erwägung, dass das geschlechtsspezifische Lohngefälle in den Mitgliedstaaten zwischen 4 % und über 25 % schwankt und dass sich bei diesem Gefälle keine spürbare Verkleinerung abzeichnet,

B.

in der Erwägung, dass eine Frau bis zum 22. Februar (d. h. 418 Kalendertage) arbeiten muss, um genauso viel zu verdienen wie ein Mann in einem Jahr,

C.

in der Erwägung, dass die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für gleiche und gleichwertige Arbeit für die Verwirklichung der Geschlechtergleichstellung von entscheidender Bedeutung ist,

D.

in der Erwägung, dass das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen, wie die vorliegenden Daten belegen, fortbesteht und sich nur recht langsam verringert (von 17 % im Jahr 1995 auf 15 % im Jahr 2005), und dies trotz der seit mehr als 30 Jahren geltenden zahlreichen Rechtsvorschriften und der zu seinem Abbau getroffenen Maßnahmen und ausgegebenen Mittel; in der Erwägung, dass die Ursachen dieses Gefälles analysiert und Konzepte zur Überwindung des Lohngefälles und der Segregation des weiblichen Arbeitsmarkts, mit der es einhergeht, vorgelegt werden müssen,

E.

in der Erwägung, dass in allen Mitgliedstaaten mehr Frauen als Männer einen Schulabschluss vorweisen können und auch die Hochschulabsolventen zum größten Teil Frauen sind, ohne dass sich das Lohngefälle entsprechend verringert,

F.

in der Erwägung, dass das Lohngefälle aus einer direkten und indirekten Diskriminierung sowie aus sozialen und wirtschaftlichen Faktoren, der Segregation des Arbeitsmarktes und der allgemeinen Lohn- und Gehaltsstruktur resultiert und zudem mit einer Reihe von rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Faktoren in Zusammenhang steht, die über die Frage des gleichen Entgelts für gleiche Arbeit als solche hinausgehen,

G.

in der Erwägung, dass das Lohngefälle nicht nur auf unterschiedlichen Bruttostundenlöhnen beruht, sondern dass hierbei auch Elemente wie die individuellen Lohnzulagen, die berufliche Einstufung, die Arbeitsorganisation, die Berufserfahrung und die Produktivität zu berücksichtigen sind, die nicht nur quantitativ (Zeiten der physischen Anwesenheit am Arbeitsplatz), sondern auch qualitativ sowie im Hinblick auf die Auswirkungen von Arbeitszeitverkürzungen, Urlaubszeiten und Abwesenheiten wegen Betreuungsaufgaben auf das Lohngefüge bewertet werden müssen,

H.

in der Erwägung, dass die Verringerung des Lohngefälles eines der Ziele der Lissabonner Strategie für Wachstum und Beschäftigung war, dass dieses Ziel von den meisten Mitgliedstaaten jedoch nicht energisch genug verfolgt worden ist,

I.

in der Erwägung, dass eine Verbesserung des EU-Rechtsrahmens die Mitgliedstaaten und die Sozialpartner in die Lage versetzen sollte, zu ermitteln, wo genau die Ursachen für das Fortbestehen des geschlechtsspezifischen Lohngefälles liegen,

J.

in der Erwägung, dass überwiegend von Frauen ausgeübte berufliche Tätigkeiten im Vergleich zu den in erster Linie mit Männern besetzten Arbeitsplätzen häufig unterbewertet werden, ohne dass sich dies unbedingt mit objektiven Kriterien begründen ließe,

K.

in der Erwägung, dass die bestehende digitale Kluft (Digital Divide) zwischen den Geschlechtern sich eindeutig auf das Entgelt auswirkt,

L.

in der Erwägung, dass das Lohnsystem, in dessen Rahmen die Berücksichtigung von Dienstjahren bei der Entlohnung festgelegt ist, nachteilig für Frauen ist, die ihre berufliche Laufbahn aufgrund externer Faktoren wie kindbedingte Erwerbsunterbrechungen, unterschiedliches Berufswahlverhalten oder geringe Arbeitszeiten (mehrmals) unterbrechen müssen, und dass diese Frauen dadurch permanent und strukturell benachteiligt werden,

M.

in der Erwägung, dass aus entsprechenden Daten hervorgeht, dass sich die von Frauen erworbenen Qualifikationen und Erfahrungen finanziell weniger auszahlen als im Falle von Männern; in der Erwägung, dass neben dem Konzept des „gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit“, das nicht von einem auf Geschlechterklischees basierenden Ansatz verfälscht werden darf, eine Loslösung von gesellschaftlichen Rollen erfolgen muss, die bisher Bildungs- und Berufswege maßgeblich beeinflusst haben; ferner in der Erwägung, dass Mutterschafts- und Elternurlaub kein Anlass zur Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt sein darf,

N.

in der Erwägung, dass das Lohngefälle während des gesamten Arbeitslebens der Frauen und darüber hinaus schwerwiegende Auswirkungen auf ihren wirtschaftlichen und sozialen Status hat; in der Erwägung, dass viele Frauen, weil sie auf andere Weise als durch eine Erwerbstätigkeit einen gesellschaftlichen Beitrag leisten, beispielsweise indem sie Kinder und ältere Angehörige betreuen, einem größeren Armutsrisiko ausgesetzt und wirtschaftlich weniger unabhängig sind,

O.

in der Erwägung, dass das Lohngefälle bei Immigrantinnen, bei Frauen mit Behinderungen, bei Frauen, die einer Minderheit angehören oder die unqualifiziert sind, noch ausgeprägter ist,

P.

in der Erwägung, dass es wichtig ist, über nach Geschlechtern aufgeschlüsselte Daten und einen aktuellen Rechtsrahmen zu verfügen, der die Geschlechterdimension berücksichtigt und der es erlaubt, auf die Ursachen der Lohndiskriminierung einzuwirken,

Q.

in der Erwägung, dass es möglich und notwendig ist, im erzieherischen Bereich gegen Geschlechterstereotypen anzugehen,

R.

in der Erwägung, dass es die Kommission wiederholt aufgefordert hat, Initiativen, darunter die Überarbeitung der bestehenden Rechtsvorschriften, einzuleiten, um zum Abbau des Lohngefälles beizutragen, das Armutsrisiko von Rentnern zu beseitigen und ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen,

S.

in der Erwägung, dass es in der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) (3) heißt, dass der Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche oder gleichwertige Arbeit ein wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil sowohl des gemeinschaftlichen Besitzstands als auch der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Bereich der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist und dass es erforderlich ist, weitere Bestimmungen zur Verwirklichung dieses Grundsatzes festzulegen,

T.

in der Erwägung, dass es zur Überwindung des Lohngefälles durch eine effiziente Umsetzung des sozialen Dialogs beitragen würde, wenn von den Mitgliedstaaten, den Sozialpartnern und den Gleichstellungsgremien Maßnahmen eingeleitet würden, wie sie in dem oben genannten Aktionsrahmen zur Gleichstellung vom 1. März 2005 aufgezeigt worden sind,

U.

in der Erwägung, dass für die Ausarbeitung einer Strategie zur Überwindung des Lohngefälles, der horizontalen und vertikalen Segregation des Arbeitsmarktes und der Stereotype über typisch weibliche Tätigkeiten und Bereiche ein Rahmen aus — legislativen und nichtlegislativen — Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen erforderlich ist, wobei zwischen Lohndiskriminierungen und Lohnunterschieden, die auf anderen Faktoren als direkter und indirekter Diskriminierung beruhen, zu unterscheiden ist, da bei Ersteren direkt die geltenden Rechtsvorschriften zum Tragen kommen, während Letzteren mit gezielten politischen Strategien und spezifischen Maßnahmen begegnet werden muss,

V.

in der Erwägung, dass die Kommission, wie in ihrer oben genannten Mitteilung vom 18. Juli 2007 angekündigt, während des Jahres 2008 eine Analyse des Rechtsrahmens der EU im Bereich des gleichen Arbeitsentgelts vornimmt, an der alle Beteiligten mitwirken sollen; in der Erwägung, dass die Ergebnisse dieser Analyse angemessen bekannt gemacht werden sollten,

W.

in der Erwägung, dass ein angestrebtes Ziel darin besteht, die Gleichstellung von Männern und Frauen im Bereich der Altersversorgung, auch hinsichtlich des Rentenalters, zu verwirklichen,

X.

in der Erwägung, dass das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen bei der Überwachung der Entwicklung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles und bei der Analyse der Ursachen dieses Gefälles sowie bei der Beurteilung der Auswirkungen von Rechtsvorschriften eine grundlegende Rolle spielen kann,

1.   fordert die Kommission auf, ihm auf der Grundlage von Artikel 141 des EG-Vertrags bis zum 31. Dezember 2009 entsprechend den als Anlage beigefügten ausführlichen Empfehlungen einen Legislativvorschlag über die Revision der im Bereich der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bestehenden Rechtsvorschriften (4) zu unterbreiten;

2.   stellt fest, dass die genannten Empfehlungen mit dem Grundsatz der Subsidiarität und den Grundrechten der Bürger in Einklang stehen;

3.   vertritt die Auffassung, dass der verlangte Vorschlag keinerlei finanzielle Auswirkungen hat;

4.   ist von der Notwendigkeit einer besseren, zügigeren Umsetzung der Vorschriften der Richtlinie 2006/54/EG in Bezug auf die Gleichstellungsstellen und den sozialen Dialog für eine tatsächliche Überwindung des Lohngefälles durch von den Mitgliedstaaten, den Sozialpartnern und den Gleichstellungsstellen umzusetzende Maßnahmen — etwa des oben genannten Aktionsrahmens zur Gleichstellung vom 1. März 2005 — überzeugt, die Folgendes umfassen sollten: die Verbreitung von Informationen und Anleitungen für praktische Maßnahmen (insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen), mit denen das Lohngefälle auch in Bezug auf nationale oder sektorale Tarifverträge überwunden werden kann;

5.   betont, wie wichtig Tarifverhandlungen und Tarifverträge beim Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen sind, insbesondere in den Bereichen Zugang zur Beschäftigung, Löhne, Arbeitsbedingungen, beruflicher Aufstieg und Berufsbildung;

6.   ruft die europäischen Institutionen auf, einen Europäischen Tag des gleichen Entgelts zu organisieren — den Tag, an dem Frauen in Europa (durchschnittlich) den Lohn verdient haben, den Männer (durchschnittlich) in einem Jahr verdienen —, der zur Sensibilisierung hinsichtlich des bestehenden Lohngefälles beitragen und alle beteiligten Akteure anregen muss, zusätzliche Initiativen zu ergreifen, um das Lohngefälle zu beseitigen;

7.   fordert die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen auf, gemeinsam objektive Arbeitsbewertungsinstrumente zu entwickeln, um das Lohn- und Gehaltsgefälle zwischen Frauen und Männern zu verringern;

8.   beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung und die als Anlage beigefügten ausführlichen Empfehlungen der Kommission und dem Rat sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.


(1)  ABl. C 301 E vom 13.12.2007, S. 56.

(2)  Angenommene Texte, P6_TA(2008)0399.

(3)  ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 23.

(4)  Die Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (ABl. L 45 vom 19.2.1975, S. 19) wurde in die Richtlinie 2006/54/EG integriert. Gemäß den Bestimmungen der Richtlinie 2006/54/EG wird die Richtlinie 75/117/EWG mit Wirkung vom 15. August 2009 aufgehoben; dies ist auch der späteste Termin für die Umsetzung dieser Richtlinie.


ANLAGE

AUSFÜHRLICHE EMPFEHLUNGEN ZUM INHALT DES VERLANGTEN VORSCHLAGS

Empfehlung 1: DEFINITIONEN

Die Richtlinie 2006/54/EG enthält eine Definition des Begriffs „gleiches Entgelt“, die aus der Richtlinie 75/117/EWG übernommen wurde. Um über präzisere Kategorien als Instrumente für die Beschäftigung mit dem geschlechtsspezifischen Lohngefälle zu verfügen, ist es wichtig, die einzelnen Konzepte genauer zu definieren. Dazu gehören:

das geschlechtsspezifische Lohngefälle, wobei sich die Definition nicht auf Unterschiede bei den Bruttostundenlöhnen beschränken darf,

die direkte Lohndiskriminierung,

die indirekte Lohndiskriminierung,

die Vergütung, die definiert werden sollte als alle Nettolöhne und -gehälter sowie arbeitsbezogene finanzielle Leistungen und Sachleistungen,

das Rentengefälle — in unterschiedlichen Pfeilern von Rentensystemen, d. h. in umlagefinanzierten Systemen, bei Betriebsrenten (als Fortsetzung des Lohngefälles im Ruhestand).

Empfehlung 2: ANALYSE DER SITUATION UND TRANSPARENZ DER ERGEBNISSE

2.1.   Die mangelnde Information von Arbeitgebern und Arbeitnehmern über bestehende oder mögliche Lohngefälle innerhalb ihres Unternehmens und ihre unzureichende Sensibilisierung für dieses Thema beeinträchtigt die Anwendung des im Vertrag und in den bestehenden Rechtsvorschriften verankerten Grundsatzes.

2.2.   In Anbetracht der Tatsache, dass keine genauen statistischen Daten vorliegen und dass Frauen nach wie vor weniger verdienen, insbesondere in traditionellen Frauenberufen, sollten die Mitgliedstaaten das geschlechtsspezifische Lohngefälle in ihrer Sozialpolitik gebührend berücksichtigen und als ein gravierendes Problem behandeln.

2.3.   Es ist deshalb außerordentlich wichtig, dass regelmäßige Lohnaudits sowie die Veröffentlichung der entsprechenden Ergebnisse für Unternehmen (beispielsweise in Unternehmen mit mindestens 20 Arbeitnehmern) verbindlich vorgeschrieben werden. Dieselbe Verpflichtung muss auch für die Information über Lohnzusätze gelten.

2.4.   Die Arbeitgeber sollten den Arbeitnehmern und ihren Vertretern die Ergebnisse in Form von nach Geschlechtern aufgeschlüsselten Lohnstatistiken zur Verfügung stellen. Diese Daten sollten in jedem Mitgliedstaat auf sektoraler und nationaler Ebene gesammelt werden.

2.5.   Die Mitgliedstaaten und die Kommission sollten die Statistiken verbessern und sie durch vergleichbare Daten zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle bei Teilzeitbeschäftigungen und zum geschlechtsspezifischen Rentengefälle ergänzen.

2.6.   Diese Statistiken sollten kohärent, vergleichbar und vollständig sowie darauf ausgerichtet sein, diskriminierende Elemente bei der Entlohnung, die mit der Arbeitsorganisation und der Einstufung zusammenhängen, zu beseitigen.

Empfehlung 3: BEWERTUNG DER ARBEIT UND BERUFLICHE EINSTUFUNG

3.1.   Das Konzept des Werts der Arbeit muss auf Fähigkeiten im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen oder auf der übernommenen Verantwortung basieren, wobei die Qualität der Arbeit in den Vordergrund zu stellen ist, um die Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern zu gewährleisten, und sollte nicht von Rollenklischees geprägt sein, die für Frauen nicht günstig sind, indem beispielsweise statt Fähigkeiten im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen oder der Übernahme von Verantwortung die Körperkraft in den Vordergrund gestellt wird. Daher sollten Frauen Informationen, Unterstützung und/oder praktische Anleitung bei Lohnverhandlungen, beruflicher Einstufung und Gehaltseinstufung erhalten. Sektoren und Unternehmen sollten ersucht werden können, ihre Systeme zur beruflichen Einstufung auf die obligatorische Geschlechterperspektive hin zu prüfen und die erforderlichen Korrekturen vorzunehmen.

3.2.   Durch die Initiative der Kommission sollten die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen werden, Einstufungssysteme einzuführen, die dem Grundsatz der Gleichstellung von Frauen und Männern entsprechen und es sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern ermöglichen, eine etwaige Lohndiskriminierung auf der Grundlage einer nicht neutralen Lohngruppenfestlegung zu ermitteln. Die Beachtung von nationalen Rechtsvorschriften und Traditionen im Zusammenhang mit dem jeweiligen System zur Regelung der Beziehungen bleibt hierbei wichtig. Derartige Bestandteile der Arbeitsbewertung und Einstufung sollten außerdem transparent sein und allen Beteiligten sowie den Arbeitsaufsichten und Gleichstellungsgremien zur Verfügung gestellt werden.

3.3.   Die Mitgliedstaaten sollten eine gründliche Beurteilung mit dem Schwerpunkt auf überwiegend von Frauen ausgeübten Berufen vornehmen.

3.4.   Eine geschlechtsneutrale Arbeitsbewertung sollte basieren auf neuen Systemen der Klassifizierung und Einstufung des Personals und der Arbeitsorganisation, auf Berufserfahrung und Produktivität, die in erster Linie nach qualitativen Gesichtspunkten zu bewerten sind, woraus Daten und Bewertungsmaßstäbe zur Bestimmung der Vergütungen gewonnen werden, wobei der Grundsatz der Vergleichbarkeit gebührend zu berücksichtigen ist.

Empfehlung 4: GLEICHSTELLUNGSGREMIEN

Die Gleichstellungs- und Aufsichtsgremien sollten bei der Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles eine größere Rolle spielen. Diese Gremien sollten ermächtigt sein, die Anwendung von Rechtsvorschriften über die Gleichstellung der Geschlechter zu überwachen, darüber zu berichten und, soweit möglich, wirksamer und unabhängiger durchzusetzen. Artikel 20 der Richtlinie 2006/54/EG sollte geändert werden, um das Mandat dieser Gremien zu erweitern durch:

die Unterstützung und Beratung von Opfern von Lohndiskriminierung,

die Durchführung unabhängiger Erhebungen in Bezug auf das Lohngefälle,

die Veröffentlichung unabhängiger Berichte und die Abgabe von Empfehlungen zu allen Fragen im Zusammenhang mit der (direkten und indirekten) Lohndiskriminierung,

die rechtlichen Befugnisse, um in Fällen von Lohndiskriminierung bei einem Gericht Klage zu erheben,

eine für die Sozialpartner sowie Rechtsanwälte, Richter und Bürgerbeauftragte bestimmte spezifische Fortbildung, die auf einem Bündel von Analyseinstrumenten und gezielten Maßnahmen beruht und sowohl in der Phase des Vertragsabschlusses als auch bei der Überprüfung der Umsetzung der für das Lohngefälle relevanten Vorschriften und politischen Maßnahmen von Nutzen ist.

Empfehlung 5: SOZIALER DIALOG

Die Tarifverträge und die geltenden Lohngruppen und Systeme zur beruflichen Einstufung müssen noch weiter überprüft werden, vor allem hinsichtlich der Behandlung von Teilzeitkräften und Arbeitnehmern mit anderen atypischen Arbeitsregelungen oder zusätzlichen Zahlungen/Boni einschließlich Sachleistungen (die Männer häufiger als Frauen erhalten). Nicht nur die primären, sondern auch die sekundären Arbeitsbedingungen und betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit (Urlaubsregelungen, Ruhestandsregelungen, Dienstwagen, Kinderbetreuungsregelungen, angepasste Arbeitszeiten usw.) sollten in diese Überprüfung aufgenommen werden. Die Mitgliedstaaten sollten — unter Berücksichtigung von nationalen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Praktiken — die Sozialpartner dazu ermutigen, eine geschlechtsneutrale berufliche Einstufung einzuführen, die es sowohl den Arbeitgebern als auch den Arbeitnehmern ermöglicht, auf einer nicht neutralen Lohngruppenfestlegung basierende etwaige Lohndiskriminierungen zu ermitteln.

Empfehlung 6: VORBEUGUNG VON DISKRIMINIERUNG

Artikel 26 der Richtlinie 2006/54/EG (über die Vorbeugung von Diskriminierung) sollte um einen besonderen Verweis auf die Lohndiskriminierung ergänzt werden, damit von den Mitgliedstaaten unter Mitwirkung der Sozialpartner und der Gleichstellungsgremien eingeführt werden:

spezifische Maßnahmen im Bereich Ausbildung und berufliche Einstufung, die zur Berufsausbildung in Bezug stehen und darauf ausgerichtet sind, Diskriminierungen bei der Ausbildung, der Einstufung und der wirtschaftlichen Wertung der Fähigkeiten zu verhindern und zu beseitigen,

besondere Maßnahmen für die Vereinbarkeit von Berufsleben und Familien- und Privatleben mit Bezug auf Dienstleistungen im Kinderbetreuungs- und Pflegebereich und auf die Flexibilität der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit sowie den Mutterschafts-, Vaterschafts-, Eltern- und Familienurlaub, wobei insbesondere der Vaterschaftsurlaub und dessen Schutz sowie der Elternurlaub mit wirtschaftlicher Absicherung für beide Elternteile vorzusehen sind,

von den Sozialpartnern und den Gleichstellungsgremien gemäß Artikel 141 Absatz 4 des EG-Vertrags auf den unterschiedlichen Vertrags- und Sektorebenen umzusetzende konkrete Fördermaßnahmen zur Überwindung des Lohngefälles und der Geschlechterspaltung, wie z. B.: Förderung von Lohnvereinbarungen zum Abbau des geschlechtsspezifischen Lohngefälles, Untersuchungen zur Gleichbehandlung bei der Entlohnung, Festlegung qualitativer und quantitativer Ziele und Benchmarking, Austausch bewährter Praktiken,

eine Klausel, die die Beachtung der Gleichstellung und des gleichen Entgelts vorschreibt, in öffentlichen Aufträgen.

Empfehlung 7: GENDER MAINSTREAMING

Gender Mainstreaming sollte verstärkt werden, indem in Artikel 29 der Richtlinie 2006/54/EG präzise Vorgaben für die Mitgliedstaaten zum Grundsatz der Gleichbehandlung beim Entgelt und zur Überwindung des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen aufgenommen werden. Die Kommission sollte sich darauf einrichten, den Mitgliedstaaten und den Akteuren bei konkreten Maßnahmen zur Überwindung des Lohngefälles zwischen Frauen und Männern Unterstützung zu leisten, und zwar durch:

die Einführung von Berichtsmustern zur Bewertung des Lohngefälles zwischen Frauen und Männern,

die Einrichtung einer Datenbank über Änderungen bei den Einstufungs- und Klassifizierungssystemen für Arbeitnehmer,

die Erfassung und Verbreitung von Erfahrungen bei Reformen der Arbeitsorganisation,

die Festlegung spezifischer Leitlinien für die Beobachtung der Lohnunterschiede im Rahmen von Tarifverträgen, die auf einer in mehrere Sprachen übersetzten und für alle zugänglichen Internetseite zur Verfügung gestellt werden,

die Verbreitung von Informationen und Anleitungen für praktische Maßnahmen (insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen), mit denen das Lohngefälle auch im Rahmen nationaler und sektoraler Tarifverträge überwunden werden kann.

Empfehlung 8: SANKTIONEN

8.1.   Die Rechtsvorschriften sind in diesem Bereich aus verschiedenen Gründen offensichtlich weniger wirksam, und — unter Berücksichtigung dessen, dass das Gesamtproblem sich nicht allein durch Rechtsvorschriften lösen lässt — sollten die Kommission und die Mitgliedstaaten die bestehenden Rechtsvorschriften durch geeignete Arten von Sanktionen verschärfen.

8.2.   Wichtig ist, dass die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass im Falle eines Verstoßes gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit den geltenden Rechtsvorschriften entsprechende angemessene Sanktionen verhängt werden.

8.3.   Es sei darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 2006/54/EG bereits verpflichtet sind, Schadenersatz oder Entschädigung (Artikel 18) sowie Sanktionen (Artikel 25), die „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen, vorzusehen. Diese Bestimmungen reichen jedoch nicht aus, um Verstöße gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts zu verhindern. Es wird deshalb vorgeschlagen, eine Studie zur Durchführbarkeit und Wirksamkeit sowie den Auswirkungen der Einführung potenzieller Sanktionen durchzuführen, wie etwa:

Leistung von Schadenersatz oder Entschädigung, die nicht dadurch beschränkt werden sollte, dass vorher eine Obergrenze festgelegt wird;

Sanktionen, die Entschädigungszahlungen an das Opfer einschließen müssen;

Bußgelder (beispielsweise in Fällen mangelnder Bekanntgabe, mangelnder — obligatorischer — Übermittlung oder bei Nichtverfügbarkeit von Analysen und Auswertungen von nach Geschlechtern aufgeschlüsselten Lohnstatistiken (gemäß Empfehlung 2), wie sie von den Arbeitsaufsichtsbehörden oder den zuständigen Gleichstellungsgremien angefordert werden);

Ausschluss von staatlichen Vergünstigungen, Zuschüssen (einschließlich der von Mitgliedstaaten verwalteten EU-Mittel) und öffentlichen Ausschreibungsverfahren, wie dies in den Richtlinien 2004/17/EG (1) und 2004/18/EG (2) für die Auftragsvergabe bereits vorgesehen ist.

Bestimmung der Zuwiderhandelnden, deren Namen veröffentlicht werden sollten.

Empfehlung 9: STRAFFUNG DER EU-REGELUNGEN UND -POLITIKEN

9.1.   Ein Bereich für Sofortmaßnahmen hängt damit zusammen, dass in Verbindung mit Teilzeitarbeit offenbar eine Lohnbenachteiligung besteht. Es ist deshalb eine Evaluierung und möglicherweise eine Überarbeitung der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit — Anhang: Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (3), die die Gleichbehandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten sowie gezieltere und wirksamere Maßnahmen in Tarifverträgen vorschreibt, erforderlich.

9.2.   Es sollte unverzüglich ein konkretes Ziel für die Verringerung des Lohngefälles in die Beschäftigungsleitlinien aufgenommen werden, auch hinsichtlich des Zugangs zur Berufsausbildung und der Anerkennung von Qualifikationen und Fähigkeiten von Frauen.


(1)  ABl. L 134 vom 30.4.2004, S. 1.

(2)  ABl. L 134 vom 30.4.2004, S. 114.

(3)  ABl. L 14 vom 20.1.1998, S. 9.