19.11.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 279/65


Halbzeitbewertung der Industriepolitik: Ein Beitrag zur EU-Strategie für Wachstum und Beschäftigung

P6_TA(2008)0226

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. Mai 2008 zu der Halbzeitbewertung der Industriepolitik: Ein Beitrag zur EU-Strategie für Wachstum und Beschäftigung (2007/2257(INI))

(2009/C 279 E/12)

Das Europäische Parlament,

in Kenntnis der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Halbzeitbewertung der Industriepolitik: Ein Beitrag zur EU-Strategie für Wachstum und Beschäftigung“ (KOM(2007)0374) und des dazugehörigen Arbeitsdokuments der Kommissionsdienststellen (SEK(2007)0917),

in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Rates „Wettbewerbsfähigkeit“ vom 22. und 23. November 2007,

in Kenntnis der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Kleine und mittlere Unternehmen — Schlüsselfaktoren für mehr Wachstum und Beschäftigung: Eine Halbzeitbewertung der zeitgemäßen KMU-Politik“ (KOM(2007)0592),

in Kenntnis der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Eine Leitmarktinitiative für Europa“ (KOM(2007)0860),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. Juli 2006 zu dem politischen Rahmen zur Stärkung des verarbeitenden Gewerbes in der EU — Wege zu einem stärker integrierten Konzept für die Industriepolitik (1),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 30. November 2006 zu dem Thema „Jetzt aufs Tempo drücken — Ein Europa der unternehmerischen Initiative und des Wachstums schaffen“ (2),

gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,

in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie sowie der Stellungnahme des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (A6-0167/2008),

A.

unter Hinweis darauf, dass in der von der Kommission vorgenommenen Halbzeitbewertung der Industriepolitik eine Bilanz der Fortschritte gezogen wird, die bei der Umsetzung des integrierten Konzepts für die Industriepolitik seit dem Jahr 2005 erreicht wurden, und dass darin die in den kommenden Jahren zu ergreifenden Maßnahmen dargelegt sind,

B.

in der Erwägung, dass auf die Industrie in der Europäischen Union mehr als 80 % der Ausgaben des privaten Sektors für Forschung und Entwicklung entfallen und die innovativen Produkte, die sie erzeugt, 73 % der Ausfuhren der Europäischen Union ausmachen und die Industrie somit eine wichtige Rolle bei der Umwandlung der Europäischen Union in einen wissensbasierten Wirtschaftsraum spielt,

C.

in der Erwägung, dass sich die Industrie in der Europäischen Union — im Vergleich zur Industrie in anderen Regionen wie den USA oder Asien — aufgrund der erheblichen Marktregulierung nach wie vor nur relativ langsam an die sich verändernden Marktgegebenheiten und an neue technische Entwicklungen anpasst,

D.

in der Erwägung, dass Tendenzen wie Globalisierung, technologischer Wandel und nachhaltige Entwicklung für den Industriesektor in der Europäischen Union wichtige Möglichkeiten bieten, die bislang nicht ausgeschöpft wurden,

1.

begrüßt die Mitteilung der Kommission, in der die Fortschritte bei der Umsetzung einer integrierten Industriepolitik überprüft werden, und unterstreicht, dass eine blühende Industrie für die Verwirklichung der Lissabon-Ziele von wesentlicher Bedeutung ist;

2.

weist auf die Fortschritte hin, die sowohl mit horizontalen als auch mit sektorspezifischen Maßnahmen erzielt wurden, und begrüßt die neuen sektorbezogenen Initiativen in den Bereichen Lebensmittelverarbeitung und Elektrotechnik;

3.

bedauert die unzureichende Verknüpfung zwischen der Industriepolitik der Europäischen Union und den nationalen Industriepolitiken und unterstützt die Initiativen der Kommission und der Mitgliedstaaten, die darauf gerichtet sind, diese Verknüpfung zu verstärken;

4.

vertritt die Auffassung, dass die Hauptaufgabe der EU-Industriepolitik darin besteht, die richtigen Rahmenbedingungen für Unternehmensentwicklung, Industrieinvestitionen, Innovation und Beschäftigung zu schaffen, wobei insbesondere auf die Erfordernisse der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu achten ist;

5.

ist der Auffassung, dass ein offener und wettbewerbsorientierter Binnenmarkt im Bereich der Dienstleistungen und der Industrie zum Innovationspotenzial dieses Bereichs beiträgt und seine Wettbewerbsfähigkeit steigert; vertritt die Ansicht, dass der Wettbewerbspolitik eine entscheidende Rolle im Hinblick darauf zukommt, dass die Verbraucher von einem offenen europäischen Markt profitieren können;

6.

hebt die Bedeutung eines effizienten öffentlichen Beschaffungswesens für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie hervor; ist der Meinung, dass die vorkommerzielle Vergabe öffentlicher Aufträge ein wichtiges Instrument für die Förderung der Innovationsfähigkeit der europäischen Unternehmen darstellt; legt den Mitgliedstaaten nahe, ihre Politik im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens unter diesem Aspekt zu überprüfen, und ersucht die Kommission, den Austausch bewährter Praktiken in diesem Bereich zu fördern;

7.

begrüßt die Vorschläge der Kommission zur Konsolidierung des europäischen Marktes für Verteidigungsgüter und zur Verbesserung der globalen Wettbewerbsfähigkeit der Verteidigungsindustrie in der Europäischen Union;

8.

legt der Kommission nahe, ihre Marktüberwachung bei der Versorgungskette für Industrie- und Konsumgüter unter Einschluss der nachgelagerten Groß- und Einzelhändler zu intensivieren, um Wettbewerb auf allen Stufen der Versorgungskette zu gewährleisten;

9.

fordert die Kommission auf, sich verstärkt dafür einzusetzen, unnötige administrative Hemmnisse, die den Zugang zum Binnenmarkt erschweren, zu beseitigen, das ordnungspolitische Umfeld zu vereinfachen und zu verbessern sowie den bürokratischen Aufwand von Unternehmen zu verringern, indem sie unter anderem dafür sorgt, dass in Bezug auf die 13 vorrangigen Bereiche, die in dem Aktionsplan der Kommission zur Verringerung des Verwaltungsaufwands in der Europäischen Union genannt sind, Fortschritte erzielt werden, und indem sie das zweite Paket von beschleunigten Maßnahmen zur Beseitigung von administrativen Hemmnissen umsetzt;

10.

fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Fortschritte bei der Festlegung und Verwirklichung ehrgeiziger nationaler Vorgaben zur Verringerung des bürokratischen Aufwands zu erreichen, insbesondere solcher Vorgaben, die dem Wachstum und der Entwicklung von KMU förderlich sind, wie z. B. vereinfachte Meldeanforderungen und Ausnahmeregelungen;

11.

legt der Kommission nahe, hinsichtlich der KMU in allen Politikbereichen der Europäischen Union einen kohärenten Ansatz zu verfolgen, indem der Grundsatz „zuerst an die kleinen Betriebe denken“ („Think Small First“) adäquat angewandt wird;

12.

befürwortet ausdrücklich die geplante Initiative, eine Regelung für kleine Unternehmen in Europa („Small Business Act“) zu schaffen; vertritt die Auffassung, dass sie in Form eines Legislativvorschlags erfolgen sollte, der neue konkrete Initiativen vorsieht, um den Verwaltungsaufwand von KMU durch Ausnahmeregelungen zu verringern, ihren Zugang zum Binnenmarkt und zu Verfahren der öffentlichen Auftragsvergabe zu erleichtern und um zu gewährleisten, dass sie einen ausreichenden Zugang zu Finanzierungsquellen und zur Forschungsinfrastruktur haben;

13.

betont die Bedeutung der Basel-II-Vereinbarung (3), was die Beeinflussung des Verhaltens der Banken und ihre Bereitschaft betrifft, Kunden mit einem relativ hohen Risiko, einschließlich KMU, Kredite zu gewähren; erachtet diese Entwicklung als wesentlich für die Unterstützung von KMU, damit diese in unternehmensorientierte Forschung investieren und sie durchführen können;

14.

begrüßt die Partnerschaftsgruppen, die von der Kommission geschaffen wurden, wie die Gruppe CARS 21 und die Hochrangige Gruppe „Textilien“; ist der Ansicht, dass diese Gruppen wichtige Foren zur Stärkung der Industriepolitik der Europäischen Union darstellen;

15.

betont die dringende Notwendigkeit, einen EU-weiten Markt für Risikokapital durch die Beseitigung der bestehenden ordnungspolitischen und steuerlichen Hindernisse für Risikokapitalinvestitionen in die innovativsten Kleinunternehmen Europas zu schaffen;

16.

weist auf die Bedeutung moderner Normungssysteme hin und legt der Kommission nahe, die Verwirklichung von Normen nach dem neuen Konzept zu beschleunigen und gleichzeitig die Erfordernisse der KMU zu beachten und die Mitwirkung von KMU-Vertretern zu verstärken;

17.

ist der Ansicht, dass die Umweltziele der Europäischen Union nicht als Bedrohung für die Industrie, sondern als Chance betrachtet werden sollten, sich als Vorreiter einen Vorteil zu verschaffen und der Industrie in der Europäischen Union zu einer weltweit führenden Rolle bei umweltfreundlichen und sozialverträglichen Technologien, Produkten und Dienstleistungen zu verhelfen; betont jedoch, dass im Fall der Anwendung neuer Technologien Maßnahmen getroffen werden sollten, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen sicherstellen;

18.

vertritt die Ansicht, dass die industrielle Entwicklung in engem Zusammenhang steht mit dem Bestehen einer effizienten Verkehrsinfrastruktur auf europäischer Ebene, dass eine solche leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur die Entwicklung von Industriegebieten auch außerhalb von Stadtgebieten ermöglicht und dass die Mitgliedstaaten auch Mittel aus Fonds für regionale Entwicklung einsetzen können sollten, um Industrie- und Technologieparks in ländlichen Gebieten in der Umgebung städtischer Ballungsgebiete zu schaffen;

19.

vertritt die Auffassung, dass der von der Kommission vorgeschlagene Aktionsplan für eine nachhaltige Industriepolitik einen Rahmen für den schrittweisen Übergang zu einer energie- und ressourceneffizienten Industrie mit niedrigem CO2-Ausstoss vorsehen sollte, der einen Beitrag zur Erreichung der vom Europäischen Rat vom 8. und 9. März 2007 formulierten Ziele in den Bereichen Energie und Klimawandel leistet; ist der Überzeugung, dass die Leitmarktinitiative und das Aktionsprogramm im Bereich der Normen hierbei eine wichtige Rolle spielen können;

20.

betont insbesondere die Notwendigkeit einer nachhaltigen und ausgewogenen Entwicklung in der gesamten Europäischen Union, sowohl geografisch als auch bezüglich der Größenordnung von Projekten; vertritt die Auffassung, dass ein wirklich ausgewogener Ansatz der einzige Weg ist, um die Entwicklung der Industrie in der Europäischen Union anzukurbeln, neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen und erfolgreiche Regionen innerhalb der Europäischen Union zu fördern; ist der Ansicht, dass die „Cluster-Initiative“ als wirksamer Katalysator für Innovation und nachhaltige regionale Entwicklung wirken kann;

21.

begrüßt den bedeutsamen Beitrag der Kohäsionspolitik zur Gewährleistung des Wettbewerbs im Industriesektor und legt den Mitgliedstaaten nahe, ihre Investitionen im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und des Europäischen Sozialfonds weiterhin auf Bereiche, die eine Verstärkung des Humankapitals, der Forschung, der Innovation und der unternehmerischen Initiative fördern, und auf die Unterstützung für KMU zu konzentrieren;

22.

weist darauf hin, dass die Auswirkungen der Umweltvorschriften auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Branchen in der Europäischen Union dringend berücksichtigt werden sollten, um der Verlagerung von CO2-Emissionsquellen und dem Verlust von Arbeitsplätzen vorzubeugen; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf, die Schaffung globaler, sektorbezogener Vereinbarungen, mit denen bei Gewährleistung gleicher Ausgangsbedingungen die Umweltwirkungen bestimmter Branchen weltweit verringert werden können, aktiv zu fördern und zu unterstützen;

23.

unterstützt die Kommission darin, alle neuen Legislativvorschläge einer intensiven und rigorosen Folgenabschätzung zu unterwerfen, in der vor allem gemäß dem Grundsatz der Nachhaltigkeit zu prüfen ist, ob die Vorschläge negative Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts oder auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie haben;

24.

macht auf die derzeitigen Entwicklungen beim Zugang zu Rohstoffen aufmerksam; weist darauf hin, dass die Europäischen Union bei mehreren Metallen völlig von Einfuhren abhängig ist; fordert die Kommission auf, eine integrierte Vorgehensweise vorzuschlagen, um den nachhaltigen Zugang zu Rohstoffen zu sichern, die Ressourceneffizienz zu verbessern und die Entwicklung von Erkundungstechnologien zu fördern; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten ferner auf, die Vorhaben zu unterstützen, die dem Europäischen Rat zufolge von europäischem Interesse im Hinblick auf die Energiesicherheit und die Diversifizierung der Energieversorgungsquellen der Europäischen Union sind, und die Durchführung dieser Vorhaben zu beschleunigen;

25.

erinnert an den bedeutenden Strukturwandel, der durch die Verlagerung der Beschäftigung zu industriebezogenen Dienstleistungen verursacht wird; befürwortet daher die geplante Initiative für Industrie und Dienstleistungen, in deren Rahmen die Dienstleistungssektoren und ihre Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie untersucht werden sollen; macht die Kommission insbesondere darauf aufmerksam, dass die Qualität, die Produktivität und der Wert der für die Industrie erbrachten Dienstleistungen, vor allem wissensintensiver Unternehmensdienstleistungen, verbessert wurden;

26.

begrüßt die Initiative der Kommission zum Strukturwandel, die den Austausch bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten erleichtern wird; ermuntert die Kommission nachdrücklich, in der Überprüfung ihrer Mitteilung mit dem Titel „Umstrukturierung und Beschäftigung — Umstrukturierungen antizipieren und begleiten und die Beschäftigung fördern: die Rolle der Europäischen Union“ (KOM(2005)0120) die Einrichtung von umfassenden Partnerschaften auf EU-Ebene und von Netzen für den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren zwischen Sachverständigen in den Mitgliedstaaten zu unterstützen;

27.

weist auf die Notwendigkeit hin, kontinuierlich und vorrangig in die Bereiche allgemeine und berufliche Bildung und Forschung zu investieren; stellt fest, dass die industrielle Entwicklung und die Wettbewerbsfähigkeit der Erzeugnisse aus der Europäischen Union von der Qualität der Humanressourcen und von den Innovationen abhängen, die in neue Produkte integriert werden;

28.

unterstreicht, dass innovative Produkte, auf die 73 % der Ausfuhren aus der Europäischen Union entfallen, den Wettbewerbsvorteil der Europäischen Union erheblich steigern; stellt jedoch fest, dass die Europäische Union im Bereich Innovation immer noch hinter den USA und Japan liegt, insbesondere, was die Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft betrifft; ist daher der Überzeugung, dass die gemeinschaftlichen Finanzierungsprogramme, wie das Siebte Rahmenprogramm für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration und das Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation, sowie das Europäische Innovations- und Technologieinstitut in vollem Umfang genutzt werden sollten; begrüßt in dieser Hinsicht die Leitmarktinitiative und das Aktionsprogramm im Bereich der Normen als Beiträge zur Erschließung des Marktpotenzials für innovative Produkte und Dienstleistungen in bestimmten Bereichen, die für die Gesellschaft von erheblichem Nutzen sind; fordert die Kommission eindringlich auf, ihr Engagement für eine Verbesserung der Rechtsetzung in dieser Hinsicht zu demonstrieren, und warnt davor, bestimmten technologischen Lösungen den Vorzug gegenüber anderen zu geben;

29.

vertritt die Auffassung, dass es wesentlich darauf ankommt, Erfindungstätigkeiten zu fördern und die daraus resultierenden Produkte zu schützen, um der Innovation in der gesamten Europäischen Union neue Impulse zu verleihen; weist daher auf die Bedeutung einer transparenten, vereinfachten Politik für die Wahrung der Rechte an geistigem Eigentum hin, die auch tatsächlich durchgesetzt wird; fordert den Rat auf, Maßnahmen zu ergreifen, um so bald wie möglich ein Gemeinschaftspatent einzuführen, und fordert die Kommission auf, weiterhin Nachahmungen zu bekämpfen und nach globalen Lösungen in diesem Bereich zu suchen, die in erster Linie auf europäischen Modellen beruhen;

30.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.


(1)  ABl. C 303 E vom 13.12.2006, S. 646.

(2)  ABl. C 316 E vom 22.12.2006, S. 378.

(3)  Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen: Überarbeitete Rahmenvereinbarung, Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Juni 2004.