19.11.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 279/51


Wissenschaftliche Fakten des Klimawandels: Feststellungen und Beschlussempfehlungen

P6_TA(2008)0223

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. Mai 2008 zu den wissenschaftlichen Fakten des Klimawandels: Feststellungen und Beschlussempfehlungen (2008/2001(INI))

(2009/C 279 E/10)

Das Europäische Parlament,

gestützt auf seinen gemäß Artikel 175 seiner Geschäftsordnung angenommenen Beschluss vom 25. April 2007 über die Einsetzung des Nichtständigen Ausschusses zum Klimawandel (1),

unter Hinweis auf die Schlusserklärung des Vorsitzes auf der Tagung des Europäischen Rates vom 8./9. März 2007 in Brüssel,

unter Hinweis auf die am 7. Juni 2007 auf dem G8-Gipfeltreffen in Heiligendamm abgegebene Erklärung zu dem Thema „Klimawandel, Energieeffizienz und Energieversorgungssicherheit — Herausforderung und Chance für weltweites Wirtschaftswachstum“,

unter Hinweis auf das Fazit des vierten Sachstandsberichts des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC), der am 17. November 2007 in Valencia (Spanien) veröffentlicht wurde, und auf weitere Studien, die von nationalen Regierungen in Auftrag gegeben oder von anderen VN-Organisationen durchgeführt worden sind,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission „Fortschritte bei der Umsetzung der Ziele von Kyoto“ (KOM(2007)0757),

unter Hinweis auf das gemeinsame parlamentarische Treffen des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten und der Kandidatenländer vom 1./2. Oktober 2007 zum Thema Klimawandel,

unter Hinweis auf die 13. Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenabkommens der Vereinten Nationen über den Klimawandel (UNFCCC) (COP 13) und die dritte Vertragsparteienkonferenz als Treffen der Vertragsparteien des Kyoto-Protokolls (COP/MOP 3), die vom 3. bis 15. Dezember 2007 auf Bali (Indonesien) stattfanden,

unter Hinweis auf die öffentlichen Anhörungen und Meinungsaustausche mit hochrangigen Persönlichkeiten sowie die Ergebnisse der Delegationsreisen des Nichtständigen Ausschusses zum Klimawandel, insbesondere die aus Vorträgen von Sachverständigen und der anschließenden Aussprache in der thematischen Sitzung vom 10. September 2007 mit dem Thema „Klimaauswirkungen verschiedener Erwärmungsszenarien“ gewonnenen Informationen,

gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,

in Kenntnis des Zwischenberichts des Nichtständigen Ausschusses zum Klimawandel (A6-0136/2008),

A.

in der Erwägung, dass der Nichtständige Ausschuss zum Klimawandel aufgrund seines Mandats Empfehlungen zur künftigen integrierten EU-Politik in Bezug auf den Klimawandel zu formulieren hat und dass diese Empfehlungen auf Untersuchungen auf dem neuesten Stand der Forschung basieren und auch die jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigen sollten,

B.

in der Erwägung, dass der Zwischenbericht des Nichtständigen Ausschusses ausschließlich auf die durch wissenschaftliche Erkenntnisse gestützten Auswirkungen des Klimawandels Bezug nimmt, dass in einem endgültigen Bericht die Vorschläge für die künftige integrierte EU-Politik zum Klimawandel entsprechend dem Mandat des Ausschusses und auf der Grundlage aller im Zuge seiner Tätigkeiten gesammelten Informationen formuliert sein werden und dass der endgültige Bericht auch die Position des Parlaments in den Verhandlungen über den internationalen Rahmen für die Klimaschutzpolitik nach 2012 im Hinblick auf die 14. Vertragsparteienkonferenz im Dezember 2008 in Poznan/Posen (Polen) umfassen wird,

C.

in der Erwägung, dass der wissenschaftliche Konsens bezüglich der Entstehung und der Ursachen des Klimawandels durchaus fundiert ist und weltweit — innerhalb wie außerhalb des IPCC — anerkannt wird, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse und das Verständnis der menschlichen Ursachen der gegenwärtigen Erderwärmungstendenz seit dem ersten IPCC-Bewertungsbericht von 1990 ganz erheblich zugenommen haben und inzwischen als wissenschaftliche Tatsachen betrachtet werden, dass ein fundierter wissenschaftlicher Konsens über die Rolle besteht, die anthropogene Treibhausgasemissionen im Weltklima spielen, und dass in Anbetracht der vorliegenden Risikobewertungen die Unsicherheiten dafür sprechen, zu handeln, statt das Handeln auf später zu verschieben,

D.

unter Hinweis darauf, dass das Wissen über den Klimawandel und die Ursachen der Erderwärmung, das bislang durch Forschung und Datenerfassung gewonnen worden ist, ausreicht, um Anstöße zu politischem Handeln und zu Entscheidungen zu geben, die dringend nötig sind, um die Emissionen in wesentlichem Umfang zu verringern und die Anpassung an die unvermeidbare Änderung des Klimas vorzubereiten,

E.

in der Erwägung, dass die weltweiten CO2-Emissionen dem vierten Sachstandsbericht des IPCC zufolge zwischen 1970 und 2004 um etwa 80 % zugenommen haben und dieser Anstieg in erster Linie auf die Nutzung fossiler Brennstoffe zurückzuführen ist,

F.

in der Erwägung, dass an Beobachtungen und Modellrechnungen deutlich wird, dass gravierende Auswirkungen auf unseren Planeten drohen, wenn nicht zügig Maßnahmen getroffen werden, um die weitere Zunahme der Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen, die in der IPCC-Liste der Treibhausgase aufgeführt sind, zu verlangsamen oder sogar zum Stillstand zu bringen,

G.

in der Erwägung, dass seit dem Berichtszeitraum und der anschließenden Veröffentlichung des vierten Sachstandsberichts des IPCC in zahlreichen neuen wissenschaftlichen Studien Daten gewonnen und bekannt gemacht worden sind, die die Erderwärmung bestätigen, und dass in diesen Studien die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Folgen des Klimawandels für die Menschheit sowie die notwendigen Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zu seiner Eindämmung zusätzlich begutachtet worden sind,

H.

in der Erwägung, dass dem Stern-Bericht zufolge, falls nichts unternommen wird, sich die jährlichen Kosten des absehbaren Klimawandels im Jahr 2050 auf 5 % bis 20 % des Bruttoinlandsprodukts belaufen werden und dass die Klimaschutzziele erreicht werden können, wenn ab sofort jährlich 1 % des Bruttoinlandsprodukts für Klimaschutzmaßnahmen verwendet wird,

I.

in der Erwägung, dass in der laufenden wissenschaftlichen Debatte die Ursachen der Erderwärmung und des Klimawandels nicht mehr in Frage gestellt werden, dass die wissenschaftliche Debatte insgesamt nur Ausdruck wissenschaftlicher Fortschritte ist, die auf die Klärung verbleibender Ungewissheiten oder Zweifel abzielen, und dass die Debatte von jeher durch das Bemühen um genaueres Verständnis der Einwirkung des Menschen auf natürliche Prozesse gekennzeichnet ist,

J.

in der Erwägung, dass in aktuellen wissenschaftlichen Studien zusätzliche Nachweise für die anthropogene Störung der Erdatmosphäre erbracht worden sind, dass die naturwissenschaftliche Erforschung des Klimawandels dabei ist, die konkreten Auswirkungen des bereits bestehenden, von historischen Emissionen bedingten Erderwärmungsniveaus zu bewerten, und dass durch die aus solchen Studien gewonnenen Daten bekräftigt wird, dass Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zu dessen Bekämpfung dringend geboten sind, um bedenkliche Gefahren für Menschen, die Artenvielfalt von Flora und Fauna, Lebensräume und Infrastrukturen zu begrenzen, und zwar in erster Linie in Entwicklungsländern, aber auch in Europa und anderen eher wohlhabenden Weltregionen,

K.

in der Erwägung, dass die Wissenschaft mehrere so genannte „tipping-points“ („Kippschalter“) im Klimasystem der Erde ermittelt hat, dass solche „Kippschalter“ Stellen sind, an denen sich eine praktisch unumkehrbare Entwicklung zu Folgen des Klimawandels ergibt, zu deren Bewältigung der Mensch keine denkbaren Mittel hat, dass diese „Kippschalter“ und die dort ausgelösten unaufhaltsamen biologischen und geophysikalischen Prozesse sich nicht vollständig in die gegenwärtigen Szenarien für das Klima der Zukunft einbauen lassen und dass solche Punkte beispielsweise dadurch gekennzeichnet sind, dass die Dauerfrostböden abtauen, wodurch große Mengen an Methan in die Atmosphäre entweichen, die Gletscher abschmelzen, wodurch sich der Koeffizient für die Sonnenlichtabsorption erhöht und die im Ozean lösbare CO2-Menge abnimmt mit der Folge des Anstiegs der Wassertemperatur, und dass diese Mechanismen im Zuge des Temperaturanstiegs eine weitere Verstärkung der Erderwärmung bewirken, weil positive Rückkopplungseffekte auftreten,

L.

in der Erwägung, dass Prognosen zufolge 20 bis 30 % aller Arten verstärkt vom Aussterben bedroht sind, wenn die Temperatur um 1,5 bis 2° C steigt, und dass sich dieser Anteil bei einem Temperaturanstieg um 3,5° C auf 40 bis 70 % erhöht und die Bekämpfung des Klimawandels folglich für den Schutz der Artenvielfalt auf der Welt und die Aufrechterhaltung der Wirkung von Ökosystemen entscheidende Bedeutung hat,

M.

unter Hinweis darauf, dass die Erde zu mehr als 70 % von Ozeanen bedeckt ist, dass auf die Ozeane über 97 % der weltweiten Wassermengen entfallen, dass die Ozeane 99 % des Lebensraums der Erde bieten, dass Fisch den höchsten Prozentanteil an weltweit von Menschen verbrauchten Proteinen hat, wobei 3,5 Milliarden Menschen auf Fisch als Hauptnahrungsquelle angewiesen sind, und dass drei Viertel der Riesenstädte der Welt am Meer liegen,

N.

in der Erwägung, dass sich aus dem wissenschaftlichen Konsens, wie er im vierten Sachstandsbericht des IPCC seinen Ausdruck findet, die Folgerung ergibt, dass das Niveau der weltweiten Treibhausgasemissionen um 50 bis 85 % gegenüber dem Niveau von 2000 gesenkt werden muss, um erhebliche Risiken abzuwenden; in der Erwägung, dass es zunehmend schwierig wird, diese Zielvorgabe zu verwirklichen, wenn die weltweiten Treibhausgasemissionen bis 2020 und darüber hinaus weiter zunehmen; in der Erwägung, dass fast alle Mitgliedstaaten gute Fortschritte in ihren Bemühungen erzielen, ihre einzelnen Zielvorgaben im Hinblick auf die gemeinsame Bewältigung der EU-Last zu erfüllen, wodurch es wahrscheinlicher wird, dass die Europäische Union ihr Kyoto-Ziel für 2012 erreicht, und in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten dennoch nach 2012 bei der Reduzierung von Treibhausgasemissionen ambitionierter vorgehen müssen, wenn sie die auf der vorgenannten Tagung des Europäischen Rates vom 8./9. März 2007 festgelegte Zielvorgabe, wonach Industriestaaten kollektiv ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 um 60-80 % gegenüber dem Stand von 1990 senken müssen, erreichen sollen,

O.

in der Erwägung, dass dem vierten Sachstandsbericht des IPCC zufolge wegen der positiven Rückkopplung zwischen Erderwärmung und Kohlenstoffsenken auf dem Festland und in den Ozeanen unter Umständen eine beträchtliche weitere Senkung der Emissionen notwendig ist, damit sich die Treibhausgaskonzentrationen stabilisieren,

P.

in der Erwägung, dass in der Europäischen Union politischer Konsens darüber besteht, dass es von entscheidender Bedeutung ist, das strategische Ziel der Begrenzung des durchschnittlichen weltweiten Temperaturanstiegs auf nur 2° C über dem Niveau der vorindustriellen Zeit zu erreichen, und in der Erwägung, dass die weltweite Durchschnittstemperatur im vergangenen Jahrhundert bereits um 0,74° C gestiegen ist und wegen historischer Emissionen zwangsläufig um weitere 0,5° C bis 0,7° C steigen wird,

Q.

in der Erwägung, dass nach Aussagen des vierten Sachstandsberichts des IPCC die weltweiten Treibhausgasemissionen seit der vorindustriellen Zeit gestiegen sind und sich zurzeit — mit einer Zunahme infolge menschlicher Tätigkeiten um 70 % im Zeitraum 1970 bis 2004 und einer erheblichen Zunahme um 24 % seit 1990 — schneller erhöhen als je zuvor, und in der Erwägung, dass viele natürliche Systeme auf allen Kontinenten und in den meisten Ozeanen bereits von regionalem Klimawandel in Gestalt steigender Temperaturen, veränderter Niederschlags- und Windverhältnisse und eines zunehmenden Wassermangels betroffen sind,

R.

in der Erwägung, dass für das Klimasystem die Gesamtmenge der kumulierten Treibhausgase, die in die Atmosphäre ausgestoßen werden, von Bedeutung ist, und nicht relative Emissionsmengen oder relative Verringerungen, und dass folglich für die Verhinderung eines gefährlichen Klimawandels die Gesamtmenge der in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ausgestoßenen Treibhausgasemissionen der bedeutendste Faktor ist,

S.

in der Erwägung, dass im vierten Sachstandsbericht des IPCC zum ersten Mal die dokumentiert vorliegenden weit reichenden Folgen der derzeitigen Klimaveränderungen für Europa — wie schwindende Gletscher, längere Vegetationsperioden, Verlagerungen der Lebensräume von bestimmten Arten und Auswirkungen auf die Gesundheit infolge einer Hitzewelle von noch nie da gewesenem Ausmaß — vergleichend zusammengestellt worden sind; in der Erwägung, dass die beobachteten Veränderungen mit projizierten Veränderungen des zukünftigen Klimas übereinstimmen; in der Erwägung, dass in einer Gesamtbilanz für Europa fast alle Regionen in der Zukunft von einigen Folgen des Klimawandels nachteilig betroffen sein werden, aus denen sich Herausforderungen für viele sozioökonomische Bereiche ergeben, und in der Erwägung, dass der Klimawandel voraussichtlich die regionalen Unterschiede der natürlichen Ressourcen Europas, beispielsweise der Verfügbarkeit von Wasser, vergrößern wird,

T.

in der Erwägung, dass der Klimawandel in Verbindung mit der vom Bevölkerungswachstum angetriebenen massiven Urbanisierung voraussichtlich zum Anstieg der Temperatur in den städtischen Wärmeinseln und somit zu einer direkten Beeinträchtigung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Stadtbevölkerungen führen wird,

U.

in der Erwägung, dass derzeitige Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und damit verbundene Maßnahmen zur nachhaltigen Entwicklung, die unbedingt intensiviert werden müssen, dennoch nicht ausreichen werden, die weltweiten Treibhausgasemissionen in den nächsten Jahrzehnten zu senken, und in der Erwägung, dass, wie es in wissenschaftlichen Empfehlungen heißt, die Chance zur erfolgreichen Stabilisierung der weltweiten Treibhausgaskonzentrationen auf einem Niveau, das den Temperaturanstieg mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % auf 2° C beschränkt, bis 2015 besteht — dem Jahr, in dem die weltweiten Emissionen ihren höchsten Wert erreichen müssten,

V.

in der Erwägung, dass im Beitrag der Arbeitsgruppe III zum vierten Sachstandsbericht des IPCC darauf hingewiesen wird, dass die in Anhang I genannten Vertragsparteien des Klimarahmenübereinkommens kollektiv ihre Emissionen bis 2020 insgesamt um 25-40 % unter den Stand von 1990 senken müssten, um die zurzeit vom IPCC angesetzten Mindestwerte und die entsprechende potenzielle Schadensbegrenzung zu erreichen,

W.

in der Erwägung, dass der nächste IPCC-Sachstandsbericht vermutlich erst 2012 oder 2013 veröffentlicht wird, und in der Erwägung, dass zusätzliche Erkenntnisse aus durch Fachkollegen gegengeprüften wissenschaftlichen Veröffentlichungen und wissenschaftlichen Studien, die von Regierungen in Auftrag gegeben werden oder von anderen internationalen Gremien oder VN-Organisationen — wie der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), dem Umweltprogramm der VN (UNEP), dem Entwicklungsprogramm der VN (UNDP), der Weltorganisation für Meteorologie (WOM) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) — durchgeführt worden sind, wesentliche Beiträge zu einem besseren Verständnis der heutigen und künftigen Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch und Umwelt sowie zur Anpassung an den Klimawandel und zu seiner Eindämmung liefern,

X.

in der Erwägung, dass die meisten dieser zusätzlichen Arbeiten es als dringend geboten bezeichnen, unverzüglich auf die Erderwärmung zu reagieren; in der Erwägung, dass gerade aus den jüngsten WOM-Daten vom Dezember 2007 hervorgeht, dass das Jahrzehnt von 1998 bis 2007 das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen ist und das Jahr 2007 mit einer erwarteten Temperaturanomalie von 0,41° C über dem langfristigen Mittel eines der 10 wärmsten jemals registrierten Jahre ist, und in der Erwägung, dass das Jahr 2007 sich durch Temperaturanomalien von mehr als 4° C über den Langzeit-Monatsmittelwerten für Januar und April 2007 in bestimmten Teilen Europas kennzeichnet,

Y.

in der Erwägung, dass die Erderwärmung und die einzelnen Aspekte des Klimawandels aus der Perspektive anderer weltweiter Probleme wie Armut und weltweite Gesundheitsprobleme gesehen werden müssen, weil sich diese Probleme infolge des Temperaturanstiegs, der Dürreperioden, der Überschwemmungen, des Anstiegs des Meeresspiegels und der zunehmend häufigen extremen Wetterereignisse verschärfen; in der Erwägung, dass der Klimawandel die Fähigkeit einzelner Staaten einschränken könnte, auf dem Weg der nachhaltigen Entwicklung zu bleiben und die Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen, und in der Erwägung, dass der Klimawandel bestimmte Beispiele für erfolgreiche Entwicklung erheblich gefährden könnte und deshalb ein übergreifendes Thema der internationalen Zusammenarbeit sein sollte,

1.

begrüßt es, dass die Vertragsparteien des UNFCCC auf ihrer Konferenz auf Bali festgestellt haben, dass der vierte Sachstandsbericht des IPCC die bislang umfassendste und maßgebendste Bewertung des Klimawandels ist und dass er eine integrierte wissenschaftliche, technische und sozioökonomische Sicht der sich hier stellenden Probleme bietet und dazu anregt, die darin gebotenen Informationen bei der Formulierung und Durchführung nationaler Maßnahmen gegen den Klimawandel zu nutzen

2.

ist davon überzeugt, dass wissenschaftlicher Fortschritt durch die Gegenüberstellung allgemein anerkannter Erkenntnisse und Hypothesen und konkurrierender Vorstellungen sowie durch Begutachtung unter Fachkollegen erzielt wird; würdigt die Arbeit des IPCC und die erfolgreiche Einbeziehung der Arbeiten tausender Wissenschaftler; ist der Auffassung, dass der IPCC neue Thesen ernst nehmen sollte, damit die Glaubwürdigkeit und die Qualität seiner Forschungstätigkeit auch künftig gewährleistet ist;

3.

betrachtet die wissenschaftlichen Arbeiten zum Klimawandel als hinreichend fundiert und bekräftigt nochmals sein Eintreten für das strategische Ziel der Europäischen Union, den weltweiten Durchschnittstemperaturanstieg auf nicht mehr als 2° C über den vor der Industrialisierung gegebenen Niveaus zu begrenzen, was nach Aussagen mehrerer wissenschaftlicher Arbeiten bei einer atmosphärischen Treibhausgaskonzentration von 400-450 ppm Kohlendioxidäquivalent mit rund 50 % Wahrscheinlichkeit erreichbar ist und was dem vierten Sachstandsbericht zufolge voraussetzt, dass die Industriestaaten ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 um 25-40 % unter das Niveau von 1990 senken; vertritt dennoch die Auffassung, dass alle Bemühungen um die Verringerung der Emissionsmengen eigentlich darauf abzielen sollten, deutlich unter dem Zielwert von 2° C zu bleiben, weil schon dieses Erwärmungsniveau unsere gesamtgesellschaftlichen und individuellen Lebensweisen erheblich beeinträchtigen und wesentliche Veränderungen der Ökosysteme und der Wasserressourcen mit sich bringen würde;

4.

betont, dass die Zunahme der anthropogenen Treibhausgasmengen drastische Folgen und erhebliche Gefahren für die Meeresökosysteme, die Meeresressourcen und die weltweit vom Fischfang lebenden Menschen mit sich bringen wird, und dass wesentliche Änderungen der Wassertemperatur Verlagerungen (Migrationen) von Meeresorganismen, Invasionen exotischer Arten und das Aussterben angestammter Arten bewirken können;

5.

stellt fest, dass es angesichts der für 2050 prognostizierten Daten eindeutig schon jetzt an der Zeit ist zu handeln; betont, dass die Chance zur Einleitung der Eindämmungsmaßnahmen, die für das Erreichen des 2° C-Ziels erforderlich sind, nur bis Mitte des nächsten Jahrzehnts gegeben ist;

6.

betont, dass wissenschaftliche Erkenntnisse aus allen Kontinenten und den meisten Ozeanen zeigen, dass viele natürliche Systeme bereits wegen historischer Kohlenstoffemissionen der Industriestaaten von regionalen Klimaänderungen betroffen sind; betont, dass wissenschaftlich nachgewiesen wurde, dass die Erderwärmung überwiegend anthropogene Ursachen hat und dass der erfasste Kenntnisbestand ausreichende Nachweise für die anthropogene Beeinträchtigung der Erdatmosphäre liefert;

7.

betont, dass die aufgrund des steigenden CO2-Ausstoßes erwartete Versauerung der Ozeane für marine Ökosysteme gravierende Folgen haben kann, und fordert weitere Forschungen auf diesem Gebiet, um das Problem besser erfassen und die diesbezüglich geforderten Maßnahmen genau bestimmen zu können;

8.

ist der Ansicht, dass sich Tendenzen bei Temperatur, Sauerstoffgehalt, Salinität, pH-Wert, Chlorophyllgehalt und Windschwankungen erst nach vielen Jahren bemerkbar machen; ist der Auffassung, dass Datenreihen und eine umfassende Beobachtung des Meeres und des Meeresbodens erforderlich sind, um lokal auftretende Veränderungen, die sich auf die Fischerei auswirken, erklären zu können, sodass wir in der Lage sind, die Ursachen und Folgen der Veränderungen des Ökosystems auszumachen;

9.

weist nachdrücklich darauf hin, dass Forschungsergebnisse eindeutig zeigen, wie der Klimawandel in naher Zukunft vor sich geht, wobei unterschiedlichen regionalen Mustern gefolgt und nachgewiesen wird, dass die Erderwärmung sowohl Entwicklungsprobleme als auch weltweite Umweltprobleme schafft, von denen arme Menschen und Entwicklungsländer am stärksten bedroht sind; vertritt die Auffassung, dass Anpassungsmaßnahmen zu dem Zweck, die unabwendbaren Folgen der durch historische Emissionen der Industriestaaten bedingten Erderwärmung zu bewältigen, ebenso wichtig sind wie intensive Eindämmungsbemühungen mit dem Ziel, einer weiteren, nicht beherrschbaren Erderwärmung vorzubeugen;

10.

betont, dass Kippschalter, wie u. a. das Absterben des Regenwaldes am Amazonas, das Abschmelzen des Grönlandeises und des Eisschildes der Westantarktis, das Ausbleiben des indischen Monsuns und die plötzliche Freisetzung großer Methanmengen in der sibirischen Tundra, schwer prognostizierbar sind, unter den gegenwärtigen Bedingungen des Klimawandels aber durchaus noch in diesem Jahrhundert ihren kritischen Punkt erreichen könnten; betont, dass zur Verhinderung einer Aktivierung dieser „Kippschalter“ stärkere Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels erforderlich sind als im vierten Sachstandsbericht des IPCC gefordert wird;

11.

begrüßt in diesem Zusammenhang die auf fundierten wissenschaftlichen Stellungnahmen beruhenden Ergebnisse der Konferenzen COP13 und COP/MOP3 und besonders den auf Bali beschlossenen Fahrplan, der 2008 auf der Konferenz COP14 überprüft werden soll und der bis 2009 die Einigung auf eine umfassende Regelung mit sich bringen dürfte; begrüßt es, dass der Sachverständigengruppe für Technologietransfer die Aufgabe erteilt wurde, die Mängel und Schranken im Zusammenhang mit der Verwendung und Beantragung von Finanzmitteln zu bewerten, die den Entwicklungsländern als Gegenleistung für ihre Zusage gewährt werden, auf nationaler Ebene geeignete Eindämmungsmaßnahmen in einer Weise zu treffen, die sich quantifizieren, aufzeichnen und überprüfen lässt; begrüßt ebenso die Einrichtung des Anpassungsfonds und die Einbeziehung der Wälder in ein neues Klimaschutz-Übereinkommen, das dem Zweck dient, einerseits einen zusätzlichen Abbau der Wälder und andererseits Kohlenstoffemissionen durch das Abbrennen von Wald- oder Torfflächen zu verhindern, wodurch obendrein den örtlichen Bevölkerungsgemeinschaften ein gewaltiger Schaden zugefügt wird, der sogar die unrechtmäßige oder halblegale Enteignung des ihnen gehörenden Bodens umfasst;

12.

wendet sich gegen wissenschaftlich nicht fundierte Versuche, die Ergebnisse von Studien über Ursachen und Folgen des Klimawandels als zweifelhaft, unsicher oder fragwürdig darzustellen; räumt allerdings ein, dass wissenschaftlicher Fortschritt zu jeder Zeit von Zweifeln, deren stufenweiser Beseitigung und der Suche nach Erklärungen oder Modellen jenseits des bestehenden wissenschaftlichen Konsenses gekennzeichnet gewesen ist;

13.

ist aus diesen Gründen der Auffassung, dass weitere Forschungsarbeiten im Hinblick auf ein besseres Verständnis der Ursachen und Folgen der Erderwärmung eine entscheidende Voraussetzung für verantwortungsgerechte Entscheidungen sind; vertritt dennoch die Auffassung, dass der Umfang der bislang zusammengetragenen Erkenntnisse dazu ausreicht, zügig Maßnahmen auszuarbeiten, die einerseits die Verringerung der Treibhausgasemissionen, mit denen der Temperaturanstieg auf +2° C begrenzt wird, und andererseits die Anpassung an den heutigen Klimawandel bewirken;

14.

betont die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen und Forschungen über die Folgen des Klimawandels, wie beispielsweise seine Auswirkungen auf die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, die Energiekosten und die soziale Entwicklung in Europa, die Rolle der Flächennutzung, der Wälder und der Abholzung von Waldflächen, die Rolle der Meeresumwelt und die Berechnung der durch den Klimawandel bedingten externen Kosten für die Industrie und vor allem den Verkehr, einschließlich einer Qualifizierung der Auswirkungen der vom Luftverkehr ausgehenden Schadstoffbelastung; hält zusätzliche Studien für erforderlich, um Anpassungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Verringerung von Risiken in die Entwicklungspolitik und die Politik zur Bekämpfung der Armut einzubeziehen;

15.

hält es für erforderlich, durch zusätzliche Forschungstätigkeit die Folgen der Politik zur Förderung von Biotreibstoffen und deren Auswirkungen auf die Zunahme der Entwaldung, die Zunahme landwirtschaftlicher Nutzflächen und das weltweite Angebot an Nahrungsmitteln zu untersuchen;

16.

betont die Notwendigkeit, Forschungen zur Physiologie und Bioökologie von Meeresfischen, insbesondere von in den Tropen beheimateten Fischen, über die vergleichsweise wenige Forschungsarbeiten vorliegen, anzustellen; weist darauf hin, dass die Wissenschaftler aufgrund eines zunehmenden Wissensschatzes in der Lage sein werden, präzisere Vorhersagen zu machen und entsprechende Lösungen zu finden, und dass die Anlandung sämtlicher Nebenfänge zum Zweck der wissenschaftlichen Analyse unsere Wissensbasis wesentlich erweitern könnte; verweist auf die Notwendigkeit, fortlaufend Forschungsarbeiten über die Auswirkungen des Klimawandels auf Seevogelpopulationen in Gestalt von Problemen bei der Nahrungssuche und der Beeinflussung des Bruterfolgs und des Fortbestands von Seevögeln anzufertigen;

17.

vertritt die Auffassung, dass die Bekanntgabe wissenschaftlicher Nachweise des menschlichen Einflusses auf das Weltklima nicht nur in den Industriestaaten, sondern auch in den Schwellenländern Hauptbestandteil einer breit angelegten Bemühung um die Sensibilisierung der Öffentlichkeit und anschließend die Gewinnung und Aufrechterhaltung öffentlicher Unterstützung für politische Maßnahmen sowie um die Interaktion mit den einzelnen gesellschaftlichen Akteuren gegen Kohlenstoffemissionen sein muss; ersucht den IPCC, eine Zusammenfassung seiner Sachstandsberichte zu veröffentlichen und damit allgemein zugänglich zu machen; ist zudem der Auffassung, dass individuelle Änderungen der Lebensweise notwendig sind und zu Bildungsprogrammen gehören sollten, die Ursachen und Folgen der Erderwärmung vermitteln;

18.

fordert Wissenschaftler und Politiker darum auf, sich gemeinsam um die Sensibilisierung der Öffentlichkeit zu bemühen und sich für „kleine Dinge, die Großes bewirken können“ einzusetzen, wobei in Betracht zu ziehen ist, dass auch Bevölkerungsgruppen mit guten Voraussetzungen für eine Anpassung an den Klimawandel extremen und unvorhersehbaren Wetterereignissen hilflos gegenüberstehen;

19.

betont, dass die detaillierten Informationen, die nötig wären, um die Öffentlichkeit für einen CO2-armen Lebenswandel zu sensibilisieren — beispielsweise Angaben zur Treibhausgasbilanz auf Konsumgütern und eine entsprechende Etikettierung —, heute kaum vorhanden sind und zügig ausgearbeitet werden müssen; betont, dass solche Initiativen im Idealfall auf gemeinsamen Normen basieren und auch den mit Importen verbundenen zusätzlichen Treibhausgasemissionen Rechnung tragen sollten;

20.

beauftragt seinen Nichtständigen Ausschuss zum Klimawandel, seine Tätigkeiten fortzuführen und zum Ende des Mandats dem Parlament einen Bericht vorzulegen, der gegebenenfalls Empfehlungen für Maßnahmen oder Initiativen sowie Anpassungs- und Eindämmungsmaßnahmen im Rahmen der künftigen integrierten EU-Politik zum Klimawandel enthält, entsprechend dem Ziel der Europäischen Union, den weltweiten Temperaturanstieg auf weniger als 2° C zu begrenzen, und in Übereinstimmung mit den Feststellungen und Empfehlungen des vierten Sachstandsberichts des IPCC;

21.

fordert die Kommission, den Rat und das Parlament auf, in Verhandlungen und Gesprächen auf höchster Ebene dafür einzutreten, dass die innerhalb und außerhalb der Europäischen Union bewährten Strategien, Grundsätze und Normen auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung sowie die Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels, wie sie von der Wissenschaft empfohlen werden, auf alle Partnerstaaten in der ganzen Welt ausgeweitet werden, und sich gemeinsam mit allen internationalen Interessenvertretern für Fairness und gleiche Bedingungen einzusetzen;

22.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.


(1)  ABl. C 74 E vom 20.3.2008, S. 652.