12.11.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 271/45


Donnerstag, 8. Mai 2008
Bestandsbewirtschaftung in der Tiefseefischerei

P6_TA(2008)0196

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Mai 2008 über die Bestandsbewirtschaftung in der Tiefseefischerei (2007/2110(INI))

2009/C 271 E/05

Das Europäische Parlament,

in Kenntnis der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Überprüfung der Tiefseebestandsbewirtschaftung (KOM(2007)0030),

in Kenntnis des Vorschlags für eine Verordnung des Rates zur Einführung einer gemeinschaftlichen Rahmenregelung für die Erhebung, Verwaltung und Nutzung von Daten im Fischereisektor und Unterstützung wissenschaftlicher Gutachten zur Durchführung der Gemeinsamen Fischereipolitik (KOM(2007)0196),

gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,

in Kenntnis des Berichts des Fischereiausschusses sowie der Stellungnahme des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit (A6-0103/2008),

A.

unter Hinweis darauf, dass der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) in seinen Empfehlungen für Tiefseearten von 2002 sowie von 2004 darauf hinweist, dass sich die meisten Arten außerhalb sicherer biologischer Grenzen befinden; in der Erwägung, dass die Europäische Union ihren Fischereiaufwand wesentlich weniger verringert hat, als in den Empfehlungen des ICES gefordert war; ferner in der Erwägung, dass bessere biologische Hintergrunddaten für die Festlegung von Quoten, die eine nachhaltige Befischung gewährleisten, von Bedeutung sind,

B.

in der Erwägung, dass die Fangtätigkeit der Hochseeflotten, unabhängig davon, ob sie in Gewässern von Drittländern, in Regelungsbereichen von regionalen Fischereiorganisationen (RFO) oder in nicht regulierten Hochseegebieten operieren, in rationeller und verantwortungsvoller Weise im Einklang mit dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UN), dem UN-Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen dieses Seerechtsübereinkommens über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und weit wandernden Fischbeständen und dem Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Fischerei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) ausgeübt werden muss, sowie in der Erwägung, dass sowohl nach dem UN-Übereinkommen über Fischbestände als auch nach dem Verhaltenskodex der FAO die Anwendung des Vorsorgeprinzips erforderlich ist,

C.

unter Hinweis darauf, dass die Europäische Union auf dem Gipfel von Johannesburg im Jahr 2002 die Verpflichtung eingegangen ist, die Nachhaltigkeit der Weltfischerei zu gewährleisten und die Ressourcen, vor allem die überfischten Bestände, möglichst bis 2015 auf dem Niveau des höchstmöglichen Dauerertrags zu halten oder auf dieses Niveau zurückzuführen,

D.

in der Erwägung, dass der Schutz der Meeresumwelt und ein nachhaltiger Fischfang nur mit dem Konsens und der Zusammenarbeit aller betroffenen Staaten in wirksamer Weise verwirklicht werden können,

E.

in der Erwägung, dass die systematische Erhebung zuverlässiger Daten die grundlegende Voraussetzung für die Bestandsabschätzung und für wissenschaftliche Gutachten darstellt und daher für die Durchführung der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) von ganz entscheidender Bedeutung ist, sowie unter Hinweis darauf, dass die Kommission in ihrer genannten Mitteilung einräumte, dass nicht ausreichend Daten vorhanden sind, um eine wissenschaftliche Bewertung des Zustands der Tiefseebestände vorzunehmen, und dass es Unterschiede bei ihrer Definition gibt,

F.

unter Hinweis darauf, dass sich der Bericht, der vom Beratenden Ausschuss für Fischerei und Aquakultur (BAFA) im April 2007 veröffentlicht wurde, mit der Änderung des Zeitplans für die Vorlage der wissenschaftlichen Gutachten und mit der Verbesserung ihrer Qualität befasst,

G.

in der Erwägung, dass adäquate sozioökonomische Maßnahmen erforderlich sind, um die Fischer für die mit den Bestandserholungsplänen verbundenen Kosten der Verringerung der Fangtätigkeit zu entschädigen,

H.

unter Hinweis darauf, dass in seiner Entschließung vom 14. November 2006 zu einer thematischen Strategie für den Schutz und die Erhaltung der Meeresumwelt (1) eine Reihe von Maßnahmen befürwortet wurden, die eine nachhaltige Nutzung der Meere und die Erhaltung der Meeresökosysteme fördern sollen,

1.

begrüßt die Bemühungen der Gemeinschaftsflotte, einer nachhaltigen Fischereipolitik Rechnung zu tragen, und stellt eine gewisse Diskrepanz zwischen der Situation, wie sie in der Mitteilung der Kommission dargestellt wird, und der realen Situation fest;

2.

weist darauf hin, dass, bevor neue Bewirtschaftungsmaßnahmen festgelegt werden, die Gründe dafür analysiert werden sollten, aus denen die bestehenden Maßnahmen nicht durchgeführt werden, wie auch die Ursachen dafür, dass die Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen nicht nachkommen oder dies verspätet oder mithilfe unterschiedlicher Verfahren tun, wodurch eine Untersuchung der Faktoren, die diese Fischereien beeinflussen, erschwert wird;

3.

weist warnend darauf hin, dass durch die ständigen Änderungen der Rechtsvorschriften und die Inangriffnahme neuer Vorschläge ohne einen ausreichenden Zeitraum für die Verwirklichung der bereits bestehenden Vorschläge und für eine angemessene Verarbeitung der gewonnenen Informationen ein Glaubwürdigkeitsverlust für die GFP entsteht und dass die bestehenden Aufwandsbeschränkungen bei einigen Arten adäquater waren als bei anderen;

4.

stimmt mit der Kommission darin überein, dass die systematische Erhebung zuverlässiger Daten die Grundvoraussetzung für die Bestandsabschätzungen und die wissenschaftlichen Gutachten ist; ersucht die Kommission, die Mitgliedstaaten und die Fischereiwirtschaft, die bestehenden Lücken zu schließen, damit die Maßnahmen zur Beschränkung des Fischereiaufwands in Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei den meisten Tiefseefischereien um Mehrartenfischereien handelt, auf die einzelnen Fischereien abgestimmt werden können;

5.

weist die Kommission darauf hin, dass, wenngleich aufgrund der geringen biologischen Erkenntnisse die zulässigen Gesamtfangmengen (TAC) und die Aufwandsbeschränkungen für diese Fischereien willkürlich festgesetzt wurden, der Vorsorgeansatz und die Nutzung bei jeder Art, die als Tiefseeart angesehen wird, beachtet werden müssen und die Festsetzung der TAC auf der Grundlage präziser wissenschaftlicher Untersuchungen dementsprechend erfolgen muss;

6.

weist darauf hin, dass nach der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 des Rates vom 20. Dezember 2002 über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Fischereiressourcen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik (2) die Anwendung des Vorsorgeansatzes erforderlich ist, der in Artikel 3 definiert ist als ein„Ansatz, bei dem das Fehlen ausreichender wissenschaftlicher Erkenntnisse kein Grund dafür sein darf, Bewirtschaftungsmaßnahmen zu unterlassen oder aufzuschieben, die der Erhaltung von Zielarten, vergesellschafteten oder abhängigen Arten und Nichtzielarten sowie deren Lebensräumen dienen“;

7.

betont die Notwendigkeit, ein Verbot für Rückwürfe in der Tiefseefischerei einzuführen, das es den Wissenschaftlern ermöglichen würde, die komplexe Vielfalt der angelandeten Arten, von denen viele nicht zum Verzehr geeignet sind, mit größerer Genauigkeit zu untersuchen;

8.

vertritt die Auffassung, dass die Kommission im Rahmen der Maßnahmen zur Verringerung der Beifänge und zur Vermeidung von Rückwürfen die Höhe des Fischereiaufwands nach Maßgabe der Zielarten sowie der Arten, bei denen es sich nur um Beifänge handelt, anpassen sollte und gleichzeitig die Überwachungs- und Kontrollverfahren verstärken sollte;

9.

bekräftigt, dass es Beifänge an zahlreichen Tiefseearten gibt, und fordert daher die Kommission nachdrücklich auf, der Aufwandskontrolle als ein Mittel zur Verringerung der Beifänge mehr Gewicht beizumessen; weist allerdings darauf hin, dass Restriktionen hinsichtlich der Maschengröße aufgrund der Form und Größe der Tiefseearten unzweckmäßig sind;

10.

fordert die Kommission auf, eine sozioökonomische Bewertung der Tiefseefischerei sowie eine Analyse der Auswirkungen, die neue Fischereiaufwandsbeschränkungen für den Sektor haben würden, wie auch eine Analyse der Auswirkungen der anhaltenden Dezimierung der Fischbestände, von denen die Fischerei abhängt, vorzunehmen; weist darauf hin, dass es von grundlegender Bedeutung ist, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den sozioökonomischen Erfordernissen und der ökologischen Nachhaltigkeit herzustellen;

11.

weist darauf hin, dass, da viele dieser Bestände in internationalen Gewässern bewirtschaftet werden, eine Koordinierung der Maßnahmen in den verschiedenen RFO erforderlich ist, damit bei den Maßnahmen, die getroffen werden, alle Flotten, die in diesen Fischereien operieren, berücksichtigt werden; vertritt die Auffassung, dass die Europäische Union darauf hinwirken sollte, dass die volle und wirksame Umsetzung der Resolution 61/105 der UN-Generalversammlung zur Tiefsee- und Grundfischerei auf Hoher See gewährleistet wird; ist der Meinung, dass sämtliche Restriktionen für die Fischer aller Vertragsparteien gelten sollten, so dass keine Benachteiligung entsteht;

12.

schlägt vor, dass die Fischerei in Tiefseegebieten, in denen bislang noch kein Fischfang betrieben wurde, solange nicht zugelassen werden sollte, bis diese Gebiete erforscht worden sind und wissenschaftliche Erkenntnisse darüber vorliegen, dass dort eine nachhaltige Fischerei ohne die Gefahr eines Schwunds der biologischen Vielfalt oder einer Schädigung der natürlichen Lebensräume betrieben werden kann, und die entsprechenden Bewirtschaftungsmaßnahmen eingeführt worden sind;

13.

fordert von der Kommission die Einführung neuer Programme für die Erhebung wissenschaftlicher Daten, bei denen erforderlichenfalls Forschungsschiffe einzusetzen sind; ist der Auffassung, dass die von der spanischen Fischereiverwaltung im Regelungsbereich der Kommission für die Fischerei im Nordostatlantik durchgeführte Kartierung der„Hatton Bank“ als Beispiel dienen könnte, die ein Fanggebiet für Tiefseearten ist und in der sich die Forschungsarbeit darauf konzentrierte, Erkenntnisse über die räumliche Lage von Seebergen, Kaltwasserkorallenriffen und hydrothermalen Schloten zu gewinnen, um empfindliche Zonen im Fanggebiet der Fischereiflotten zu ermitteln;

14.

stimmt mit der Kommission darüber ein, dass es notwendig ist, für diese Art von Fischereien einen ökosystemorientierten Ansatz vorzusehen, wenngleich es warnend darauf hinweist, dass die Maßnahmen ein Mindestmaß an Glaubwürdigkeit aufweisen müssen und nicht generell, sondern auf der Grundlage von Umweltverträglichkeitsprüfungen angewandt werden dürfen, um die Sperrung von Gebieten zu vermeiden, für die kein Risiko besteht, wobei jedoch die Gebiete für die Grundfischerei zu sperren sind, in denen anfällige Meeresökosysteme bereits bekannt sind oder wahrscheinlich existieren oder in denen sich die Fischbestände außerhalb sicherer biologischer Grenzen befinden; die Erforschung der Kartografie des Meeresbodens, die Interaktion zwischen den einzelnen Bestandteilen der Ökosysteme und die natürlichen Ressourcen der Ozeane müssen eine Priorität darstellen, wenn die neue europäische Meerespolitik Wirklichkeit werden soll;

15.

bekräftigt erneut, dass die Fischer und die sie vertretenden Organisationen angehört werden müssen und an der Festlegung der Maßnahmen für den Schutz der Meeresumwelt, die Ressourcenbewirtschaftung und die Bestandserholung mitwirken müssen;

16.

stimmt mit dem BAFA darin überein, dass für die Untersuchung der Biomasse und der fischereilichen Sterblichkeit in nahezu allen Fischereien mehr personelle und finanzielle Mittel bereitgestellt werden müssen; ist außerdem der Ansicht, dass, damit die wissenschaftlichen Gutachten von allen Seiten akzeptiert werden, eine klare strategische Leitlinie festgelegt werden muss, die es ermöglicht, Doppelarbeit und das Fehlen von Synergien zu vermeiden;

17.

bringt seine Besorgnis über die Unwirksamkeit und unzulängliche Umsetzung der derzeitigen Verordnungen im Rahmen der GFP zum Ausdruck; fordert die Kommission auf, die Überwachungs- und Kontrollverfahren in den Mitgliedstaaten zu verbessern;

18.

betont die Bedeutung der Entwicklung neuer Techniken, um ein funktionierendes Kontroll- und Überwachungssystem zu gewährleisten; fordert die Kommission auf, weiterhin Kontrolltechniken zu entwickeln, und weist in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit elektronischer Logbücher hin;

19.

weist nachdrücklich auf die Vorteile der Einrichtung eines Netzes geschützter Meeresgebiete im Rahmen des NATURA 2000-Netzes hin und ist der Auffassung, dass eine solche Maßnahme positive Auswirkungen auf die überfischten Bestände haben wird; legt den Mitgliedstaaten nahe, alle Möglichkeiten zu nutzen, die sich durch die meeresbezogenen Komponenten des NATURA 2000-Netzes bieten;

20.

fordert die Kommission eindringlich auf, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Durchführung und etwaige Verbesserung der bestehenden internationalen Abkommen über die Tiefseefischerei zu gewährleisten;

21.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, gemeinsame Leitlinien zu entwickeln, sich über bewährte Verfahren auszutauschen, die Nutzung der verfügbaren Technologie in der Gemeinschaft zu verbessern und Studiengruppen und Nichtregierungsorganisationen heranzuziehen, um die Durchführung der Maßnahmen zur Eindämmung des illegalen Fischfangs und des Verkaufs illegaler Fänge auf den europäischen Märkten zu verbessern;

22.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, umweltfreundlichere Fangmethoden zu fördern, die der Umwelt und der biologischen Vielfalt nicht durch unerwünschte Beifänge oder eine unnötige Schädigung anderer lebender Organismen Schaden zufügen;

23.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.


(1)  ABl. C 314 E vom 21.12.2006, S. 131.

(2)  ABl. L 358 vom 31.12.2002, S. 59.