3.2.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 27/123


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Eine bessere Integration in den Binnenmarkt als Schlüsselfaktor für Kohäsion und Wachstum auf den Inseln“

(2009/C 27/26)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 27. September 2007, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

„Eine bessere Integration in den Binnenmarkt als Schlüsselfaktor für Kohäsion und Wachstum auf den Inseln“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 3. Juni 2008 an. Berichterstatterin war Frau GAUCI.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 446. Plenartagung am 9./10. Juli 2008 (Sitzung vom 10. Juli) mit 118 gegen 1 Stimme bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss fordert die EU dazu auf, einen integrierten Ansatz für eine bessere Einbindung von Inselregionen in den Binnenmarkt als Schlüsselfaktor für mehr Zusammenhalt und Wachstum der EU anzunehmen, um so die Ziele der überarbeiteten Lissabon-Agenda in vollem Umfang erreichen zu können. Ein solcher integrierter Ansatz ist insofern begründet, als Inseln trotz ihrer Unterschiedlichkeit (insbesondere hinsichtlich ihrer Größe) vor gemeinsamen Schlüsselproblemen stehen.

1.2

Der EWSA empfiehlt die Erstellung eines integrierten Rahmens für eine Gemeinschaftspolitik, die alle wichtigen Probleme der europäischen Inseln in kohärenter Weise behandelt.

1.3

Der EWSA unterstreicht die Notwendigkeit einer guten Governance zur Lösung von Fragen in Zusammenhang mit Information und Kommunikation, Datenquantifizierung und -qualifizierung, einem gemeinsamen Strategiekonzept, Netzwerk- und Clusterbildungen sowie der Beteiligung der Zivilgesellschaft. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es deshalb wichtig, angemessene Bedingungen zu schaffen, die es den lokalen Institutionen auf Inseln ermöglichen, die aus der Insellage resultierenden Kosten zu beurteilen. Deshalb muss es auf den Inseln sowohl örtliche statistische Dienste als auch Preisindizes geben. Letztlich sollte eine gemeinsame Beurteilungsmethodik aller lokalen Statistikbehörden in europäischen Inselgebieten entstehen.

1.4

Hinsichtlich der Umsetzung fordert der EWSA dazu auf, für alle EU-Initiativen zugunsten des Binnenmarktes auf den Inseln eine Folgenabschätzung durchzuführen, den „Insel-Aspekt“ in alle Politikbereiche der EU einzubeziehen und die bürokratischen Vorschriften, insbesondere für KMU, zu vereinfachen.

1.5

Da die Zugänglichkeit eine Kernfrage für die Inseln ist, möchte der EWSA auf die Bedeutung der territorialen Kontinuität hinweisen, ein Instrument, das in der EU weiterentwickelt werden sollte. Es muss von den Inseln hin zum Kontinent angewendet werden — und nicht umgekehrt.

1.6

Der EWSA fordert die Kommission auf, dem Europäischen Parlament, dem Rat, dem Ausschuss der Regionen und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss einen jährlichen Bericht vorzulegen, in dem die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Lösung der Probleme der europäischen Inseln geprüft und bewertet werden. Die Vorschläge der Kommission für Maßnahmen sollten ebenfalls in diesen jährlichen Bericht aufgenommen werden. Insofern kann gesagt werden, dass diese Stellungnahme einen langfristigen dynamischen Prozess in Gang setzt.

2.   Einleitung

2.1

Nach der Definition von Eurostat muss eine Insel folgende Merkmale aufweisen:

sie muss eine Fläche von mindestens einem Quadratkilometer haben,

sie muss mindestens einen Kilometer vom Festland entfernt liegen,

sie muss über eine ständige Bevölkerung von mindestens 50 Personen verfügen,

sie darf keine dauerhafte Verbindung zum Festland haben; und

sie darf nicht Sitz einer europäischen Hauptstadt sein.

2.2

Allerdings sollte eine solche Definition überarbeit und aktualisiert werden, wobei von der einfachen Tatsache ausgegangen werden sollte, dass eine Insel ein Gebiet ist, das nicht zu Fuß erreicht werden kann. Darüber hinaus hat die unter Ziffer 2.1 gegebene Definition keine Rechtsgrundlage und wird in Ermangelung einer besseren Definition, die die neuen Gegebenheiten der erweiterten Europäischen Union — die auch Inselstaaten umfasst- berücksichtigt, ausschließlich als Referenz verwendet.

2.2.1

Bei der Definition des Begriffs „Insel“ sollte auch die 33. Erklärung zum Lissabon-Vertrag berücksichtigt werden, die lautet: „Die [Regierungs-]Konferenz vertritt die Auffassung, dass die Bezugnahme auf Inselregionen in Artikel 174 auch für Inselstaaten insgesamt gelten kann, sofern die notwendigen Kriterien erfüllt sind.“

2.3

Derzeit gehören die EU-Inselregionen zu 14 EU-Mitgliedstaaten. Auf den Inseln der EU leben 21 Millionen Menschen. Durch diese Inselregionen verfügt die EU über eine wirtschaftliche und geopolitische Präsenz in nahezu allen Weltmeeren sowie über eine aktive Grenze zu zahlreichen Kontinenten.

2.4

Inseln sind ebenso unterschiedlich wie die Mitgliedstaaten. Aus diesem Grund schlägt der EWSA folgende Typologien vor.

2.4.1

In struktureller Hinsicht sind sie unterschiedlich: Einige sind Inseln in Randlage, während sich andere in sogenannter äußerster Randlage befinden (deren Kriterien sind im EGV, Artikel 299 Absatz 2 aufgeführt); einige sind klein (bestimmte Inseln haben weniger als 50 Einwohner), während andere groß sind.

2.4.2

Sie unterscheiden sich auch in institutioneller Hinsicht: Einige sind Inselstaaten, andere haben den Status einer Region, und wieder andere sind Küsteninseln und damit Teil einer kontinentalen regionalen Gebietskörperschaft.

2.5

Trotz all dieser Unterschiede weisen Inseln Merkmale auf, die sie von den Gebieten auf dem Festland deutlich unterscheiden, z.B. hinsichtlich Kultur, Bildung, Verkehr und Umwelt. Diese Aspekte bedürfen einer eingehenderen Untersuchung, um für die betreffenden Gebiete eine Politik zu entwickeln, die sowohl den Gemeinsamkeiten als auch den Besonderheiten Rechnung trägt, von denen die Chancen und Probleme der einzelnen Inseln abhängen können. Der EWSA schlägt vor, auf dieses Thema zu einem späteren Zeitpunkt zurückzukommen.

2.6

Sie weisen gemeinsame Merkmale auf, z.B. in puncto Kultur, Bildung, Verkehr (Probleme aufgrund von Zusatzkosten) und Umwelt.

2.7

Die Europäische Kommission hat mit ihrer Mitteilung „Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts“ (20. November 2007) (1) die Diskussionen über die Zukunft des Binnenmarktes angestoßen; in diese Überlegungen sollte auch die Situation der Inseln miteinbezogen werden.

3.   Hintergrund

3.1

Seit der Einführung eines neuen, durch die integrierte Herangehensweise gekennzeichneten Governance-Ansatzes (insbesondere durch das Grünbuch und das Blaubuch über die künftige EU-Meerespolitik) dürfen Binnenmarktfragen nicht mehr losgelöst von Regionalfragen behandelt werden. Der Binnenmarkt ist kein Selbstzweck, er ist ein Werkzeug im Dienst Regionen und Menschen.

3.2

Inseln suchen stets nach Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb des Binnenmarktes und müssen somit künftige Veränderungen vorwegnehmen.

3.3

Die Regionalpolitik ist ein für Inseln nützliches Instrument, das jedoch innerhalb eines integrierten EU-Rahmens weiterentwickelt und verbessert werden muss, damit die Inseln nicht nur rechtlich ein Teil des Binnenmarktes sind, sondern ihnen auch in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht eine größere Rolle darin zukommt. Mit Blick auf die künftige Politik des territorialen Zusammenhalts, die die Europäische Kommission infolge des Lissabon-Vertrages entwickeln wird, sollte auch dieser Aspekt in die Überlegungen einbezogen werden.

3.4

Dieser integrierte Rahmen für eine Gemeinschaftspolitik umfasst nicht nur die Regional- und Kohäsionspolitik, sondern insbesondere auch die Politikbereiche Verkehr, Energie und Wasser; Bildung und Arbeit, Forschung, technische Entwicklung und Innovation; Wettbewerb; Industriepolitik; Umwelt; Landwirtschaft und Fischerei.

3.5

In diesem Zusammenhang müssen Inseln zunächst vor dem Hintergrund des Vierten Kohäsionsberichts analysiert werden.

3.5.1

Angesichts der Tatsache, dass die europäischen Institutionen bei ihren Politikbereichen einen integrierten Ansatz unterstützen, überrascht die Feststellung, dass die Kommission für die Schwierigkeiten von Inseln über keine integrierte Analyse verfügt.

3.5.2

Nach Auffassung der Kommission ist Erreichbarkeit „ein besonderes Problem“, das die Inseln bewältigen müssen.

3.5.3

Die Kommission betont zu Recht die geringen Bevölkerungszahlen als ein weiteres Problem von Inseln. Inseln verfügen infolgedessen über einen kleinen lokalen Markt, durch den die Wachstumskapazitäten von KMU auf den Inseln aufgrund fehlender Skaleneffekte eingeschränkt sind. Dies limitiert insbesondere ihre Möglichkeiten, europäische Märkte zu erobern.

3.5.4

Eine weitere Folge ist, dass die meisten Inseln sich nicht auf ihren heimischen Markt (2) stützen können, der in der Regel zu klein ist, um eine umfassende und effiziente Wirtschaft aufrechtzuerhalten. Die einzige Lösung für KMU liegt daher im Export.

3.5.5

Überdies müssen auch die naturbedingten Nachteile in Zusammenhang mit der Insellage berücksichtigt werden. Die beträchtlichen zusätzlichen Transportkosten reduzieren deutlich die Wettbewerbsfähigkeit der Inseln. Paradoxerweise können die Transportkosten, durch die die Inselmärkte durch Reduzierung der Konkurrenz vom Festland potenziell „geschützt“ werden, dazu führen, dass sich auf den Inseln Monopolsituationen entwickeln.

3.5.6

Die Insellage ist außerdem geprägt durch folgende Probleme, die auch die langfristigen Entwicklungsperspektiven der Inseln bestimmen:

Der Umstand, dass lebenswichtige Ressourcen (Trinkwasser, Energie, Rohstoffe, Wohnraum und landwirtschaftlich nutzbares Land) knapp sind, führt zu Mangelsituationen und unzureichender wirtschaftlicher Diversifizierung und somit zum Problem der Monoaktivität. Hierauf wurde in dem Bericht über die Inselgebiete und Gebiete in äußerster Randlage in der EU  (3) hingewiesen, der insbesondere auf den Trinkwassermangel und die Probleme, die dadurch im Sommer, wenn Touristen anwesend sind, auf den Mittelmeerinseln entstehen, aufmerksam gemacht hat. Es wurden Entsalzungsanlagen gebaut, die jedoch, wenn es sich um traditionelle Anlagen handelt, sehr viel Strom verbrauchen. Viele Inseln verfügen über keine ausreichende Energieversorgung und müssen daher fossile Brennstoffe oder Strom über Unterseeleitungen importieren.

Die Folgen natürlicher Risiken sind gravierender: Inseln haben ein empfindliches Ökosystem.

3.5.7

In Bezug auf die Frage der Zugänglichkeit ist

zunächst anzumerken, dass die Kommission zu recht darauf hinweist, dass die eingeschränkte Erreichbarkeit von Inseln daran deutlich wird, dass „sich bei der Reise im Pkw bzw. mit der Bahn die Reisezeit aufgrund der Überfahrt mit dem Schiff verlängert“. Inselbewohner und die auf Inseln ansässigen KMU haben aufgrund der Insellage mit hohen Transportkosten, unregelmäßigen Verkehrsanbindungen, sozialen und klimatischen Risiken zu rechnen (4).

Die Kommission betrachtet ferner zu Recht die Aspekte „Verkehr“ und „Verkehrsanbindung“ als zentral für die Wettbewerbsfähigkeit der Regionen. Wenn die Entwicklung von Stadtzentren bedingt ist durch eine dreifache Zugänglichkeit (per Auto/per Bahn/per Flugzeug) (5), so gilt dies umso mehr für Inseln, von denen viele zudem Probleme beim Zugang zu HDSL-Diensten haben. Diesem Umstand kommt insofern eine besondere Bedeutung zu, als „internationale Verbindungen und Anschlüsse in Richtung anderer größerer Wirtschaftszentren“ zu den wichtigsten Kriterien für Investitionen zählen (6).

Schließlich ist es für Inseln auch schwer, sich Zugang zum großen europäischen Markt zu verschaffen, da die Transportkosten hoch und folglich kleine und mittlere Unternehmen, die auf Inseln angesiedelt sind, wenig attraktiv sind. Überdies verfügen sie nicht über die gleichen Produktionsbedingungen wie KMU auf dem Festland. Aufgrund der Lieferkosten ist eine Just-in-time-Produktion nicht möglich, und so sind die Produktionskosten entsprechend höher.

3.6

Alle diese Aspekte verdeutlichen die Schwachstellen von Inseln bei der Integration in den Binnenmarkt: sie verfügen nicht über alle notwendigen Voraussetzungen, um von den Vorteilen dieses Marktes von etwa 500 Mio. Verbrauchern zu profitieren.

3.6.1

Die EU sollte eine Politik vermeiden, die „alle über einen Kamm schert“, und den oben genannten integrierten Ansatz fördern. Die Probleme von Inseln sind komplexer Natur, da sie mehrere Nachteile in sich vereinen. Sie müssen jedoch auch ihre Trümpfe ausspielen, die durchaus vorhanden sind und die Grundlage für eine integrierte sozio-ökonomische Entwicklung bilden könnten. Hierzu gehören z.B. die Fischereiressourcen, erneuerbare Energiequellen, Wirtschaftsaktivitäten in Zusammenhang mit dem Tourismus, eine starke kulturelle Identität, ihr Natur- und Kulturerbe.

3.6.2

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in einem Begleitdokument zu der oben genannten Mitteilung „Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts“ die Idee eines allgemeinen Zugangs zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im gesamten Gebiet der Europäischen Union unterstützt und diesen als „[wichtig] für die Förderung des territorialen Zusammenhalts in der EU“ ansieht. Ferner heißt es in dem Kommissionsdokument, dass „für durch ihre geographische Lage oder ihre natürliche Beschaffenheit benachteiligte Gebiete wie Randregionen, Inseln oder Berglandschaften, dünn besiedelte Gebiete oder Gebiete mit Außengrenzen […] die Bereitstellung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wegen der Entfernung zu gut versorgten Märkten oder wegen der höheren Anschlusskosten oft problematisch [ist]. Ihren besonderen Bedürfnissen muss Rechnung getragen werden.“ Die Kommission scheint sich folglich des Problems deutlich bewusst zu sein: Initiativen in diesem Bereich sind somit absehbar.

3.7

Aus diesem Grund ist die Frage der Integration von Inseln in den Binnenmarkt seit der Einheitlichen Europäischen Akte stets ein Problem gewesen. Inseln waren und sind benachteiligte Regionen, die sich meist nicht auf ihren heimischen Markt stützen können; auf Inseln ansässige KMU müssen ihre Produkte und Dienstleistungen auf dem europäischen Festland verkaufen. Ihre Erreichbarkeit und die Problematik der Monoaktivität beeinträchtigen ihre Wettbewerbsfähigkeit.

3.8

Vor diesem Hintergrund ruft der EWSA dazu auf, bei der künftigen Rechtsetzung eine spezifische Bewertung aller für Inseln relevanten Vorschläge einzuführen. Der EWSA unterstreicht die Notwendigkeit, dass ein integrierter Ansatz für die Inselproblematik dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Subsidiaritätsprinzip, die für die Inseln wichtig sind, Rechnung trägt.

4.   Ein integrierter Ansatz auf der Grundlage der Vorzüge von Inseln

4.1

Der EWSA fordert einen integrierten Ansatz für die Probleme der europäischen Inseln, der Hand in Hand geht mit einem integrierten Rahmen für die Gemeinschaftspolitik.

4.2

Inseln müssen bei Überprüfung des Binnenmarktes berücksichtigt werden (7). In der Mitteilung vom 20. November 2007 wurden die im entsprechenden Zwischenbericht (Februar 2007) genannten KMU-freundlichen Leitlinien bestätigt.

4.3

Kleine und mittlere Unternehmen müssen zu grenzüberschreitender Aktivität animiert werden. Voraussetzung hierfür ist die Existenz eines Mechanismus der territorialen Kontinuität, der es europäischen Inselbewohnern erleichtert, Märkte sowohl über den eigenen Mitgliedstaat auf dem Festland als auch über einen benachbarten Mitgliedstaat zu erreichen. Hierfür sind konkrete und bewährte Beispiele vorhanden. Die dänische Insel Bornholm profitiert z.B. von einer mit öffentlichen Mitteln unterstützten Fährverbindung nach Ystad, in Schweden. Eine entsprechende Anbindung besteht auch zwischen dem französischen Festland und Korsika.

4.3.1

Durch die subventionierte Fährverbindung konnten die Verkehrsbedingungen zwischen diesen beiden französischen Gebieten verbessert werden. Ein entsprechender Ausbau der Verkehrsanbindungen mit Italien wäre angesichts der Tatsache, dass das europäische Festland für Bewohner Korsikas über Italien leichter zu erreichen ist als über Frankreich, sicherlich sinnvoll. Aus diesem Grunde sieht es der EWSA als lohnenswert an, der Frage nachzugehen, inwiefern sich diese Praxis auf alle europäischen Inseln ausdehnen und zu einem gesamteuropäischen Phänomen machen ließe. Darüber hinaus zeigt die Erfahrung, dass die Anwendung eines solchen Instruments von den Inseln hin zum Kontinent erfolgen sollte — und nicht umgekehrt.

4.3.2

Eine solche „Europäisierung“ des Instruments der territorialen Kontinuität käme einer Konkretisierung der grenzübergreifenden Integration gleich, wie sie in der Mitteilung der Kommission „Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts“ hervorgehoben wird.

4.4

Ein Binnenmarkt, der die wissensbasierte Gesellschaft in den Mittelpunkt stellt, zeigt sich unter anderem in der Verbreitung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien innerhalb der EU. Dies würde der Wirtschaft von Inseln Gelegenheit zur Diversifizierung bieten.

4.5

Inseln verfügen über ein für Innovationen günstiges natürliches Umfeld (z.B. erneuerbare Energien, blaue Biotechnologien …). Vor dem Hintergrund, dass nach dem 4. Kohäsionsbericht wirtschaftliche und innovative Leistung miteinander verknüpft sind, verfügen Inseln über einen großen Spielraum.

4.6

Da auf den meisten Inseln Fischerei betrieben wird, kann Bioenergie für Fischfarmer und Fischer von Interesse sein. Die Politik muss die Mittel zur Entwicklung von Initiativen dieser Art bereitstellen. Die Politik muss die Inseln bei der Entwicklung erneuerbarer Meeresressourcen unterstützen (Wellenenergie, Meeresströmungsenergie und — insbesondere bei Inseln in extremer Randlage — thermische Meeresenergie).

4.7

Im Falle der Landwirtschaft muss eine flexible Umsetzung der beiden GAP-Säulen zum Vorteil der Insellandwirte ermöglicht werden.

4.8

Diese Energieformen sind von entscheidender Bedeutung für Inseln, deren Landnutzungsmöglichkeiten begrenzt sind und deren geografische Abhängigkeit von fossilen Energieträgern sich hemmend auf ihre Entwicklung auswirkt. Zur Überwindung dieser Abhängigkeit müssen deshalb Alternativen in Form erneuerbarer Energieträger gefunden werden, um diesen Regionen andere Quellen zu erschließen. In diesem Zusammenhang sind Inseln als Standorte für Forschung und Entwicklung bestens geeignet und können für Europa von Nutzen sein. In diesem Sinne hat Réunion kürzlich angekündigt, auf eine Politik ausschließlich erneuerbarer Ressourcen zu setzen; zahlreiche Quellen erneuerbarer Meeresenergie wurden bereits ermittelt. Windkraft ist ein weiteres gutes Beispiel. El Hierro, eine der Kanarischen Inseln, wird bis 2009 seine gesamte Energieversorgung durch eine Kombination von Windturbinen und Wasserkraftwerken sicherstellen.

4.9

Ein Binnenmarkt auf der Grundlage einer guten europäischen Rechtsetzung (8) setzt voraus, dass geprüft wird, wie die gegenwärtigen europäischen Rechtsvorschriften umgesetzt werden und ob sie die beabsichtige Wirkung zeigen. Im Hinblick auf die oben genannten rechtlichen Probleme hätte eine solche Initiative für Inseln sicherlich positive Auswirkungen. Unter diesem Gesichtspunk könnte eventuell ein Pilotprojekt durchgeführt werden, bei dem die Kommission entsprechend der Dienstleistungsrichtlinie bis 28. Dezember 2011 und daraufhin alle drei Jahre dem Europäischen Parlament und den Rat einen umfassenden Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie vorlegt. Dabei könnte ein territorialer Ansatz verfolgt und die Inseln im Vergleich zu anderen Regionen bewertet werden.

4.10

Alle genannten Elemente tragen dazu bei, Lösungen zu finden, um in Zukunft die Inseln besser in den Binnenmarkt zu integrieren. Diese Integration setzt zweierlei voraus: Steigerung der Attraktivität und Diversifizierung.

5.   Eine angemessene Umsetzung politischer Maßnahmen auf den europäischen Inseln

5.1

Zur Erreichung der beiden genannten Ziele muss eine angemessene Umsetzung politischer Maßnahmen bei folgenden Initiativen ansetzen:

5.1.1

Gewährleistung einer besseren Verbindung zwischen den Inseln und dem Festland durch entsprechende Verkehrskonzepte und innovative politische Maßnahmen.

5.1.1.1

Die auf Inseln ansässigen Unternehmer klagen vielfach über zusätzliche Kosten, die aufgrund des Transports bei der Ankunft ihrer Waren in einem Hafen des Festlandes entstehen. Einige Studien gehen von 20 % zusätzlichen Kosten aus. Im Hinblick auf die Vielfalt der Produkte sollten jedoch genaue Studien (die sich methodisch an die Studie über Regionen in äußerster Randlage anlehnen könnte) vorgelegt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es wichtig, angemessene Bedingungen zu schaffen, die es den lokalen Institutionen auf Inseln ermöglichen, die aus der Insellage resultierenden Kosten zu beurteilen. Deshalb muss es in den Inselregionen sowohl lokale statistische Dienste als auch Preisindizes geben. Schlussendlich sollte eine gemeinsame Beurteilungsmethodik aller lokalen Statistikbehörden in europäischen Inselgebieten entstehen.

5.1.1.2

Allgemein brauchen Inseln leistungsfähige Dienstleistungen von allgemeinem Interesse.

5.1.2

Bei der Initiative „Bessere Rechtsetzung“ sollte ein geografischer Ansatz gewählt werden, was Folgendes impliziert:

Abschätzung der Folgen aller EU-Binnenmarkt-Initiativen auf Inseln, und zwar nicht nur sektorenübergreifend, sondern auch geographisch; zudem muss in allen EU-Politikbereichen ein „Inselaspekt“ berücksichtigt werden,

die Anwendung der EU-Vorschriften muss flexibel gestaltet werden;

Vereinfachung der bürokratischen Vorschriften, insbesondere was den Zugang der KMU zu Finanzmitteln betrifft;

Öffentliche Behörden auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene müssen diese Verfahrensweisen übernehmen.

Über den Vereinfachungsaspekt hinaus muss die Notwendigkeit kohärenter Strategien auf den verschiedenen politischen Ebenen hervorgehoben werden.

5.1.3

EU-Beamte sollten zur Teilnahme an Schulungen in Inselgebieten ermutigt werden, um die tatsächliche Situation dieser besonderen Regionen zu verstehen. Der EWSA unterstützt nachdrücklich das „Enterprise Experience Programme“ und fordert die KMU in Inselregionen auf, Hospitantenplätze für EU-Beamte anzubieten. Diese erhalten damit die Möglichkeit, vor Ort und unmittelbar mit Inselbewohnern über Europafragen zu diskutieren. Das hat auch die Studiengruppensitzung am 7./8. April 2008 in Ajaccio gezeigt: Treffen mit den Bürgerinnen und Bürgern in den Mitgliedstaaten verbessern in erheblichem Maße das Verständnis der EU und ihrer Politik und die Debatte darüber.

5.1.4

Die Bedeutung einer künftigen Politik der staatlichen Beihilfen mit regionaler Zielsetzung wäre hervorzuheben. In diesem Zusammenhang unterstützt der EWSA nachdrücklich die Vorschläge aus dem Musotto-Bericht, nämlich dass:

„bei der Anwendung bestehender und künftiger Strategien betreffend staatliche Beihilfen mehr Flexibilität herrschen sollte […], ohne dass eine solche Flexibilität inakzeptable Marktverzerrungen innerhalb der Europäischen Union verursacht“; und

die Möglichkeit geprüft werden sollte, in den nächsten Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung die Regelung, die Betriebsbeihilfen ermöglicht, auf alle Inselgebiete ausgedehnt werden sollte, die keine Inselstaaten oder Binneninseln sind.

5.1.5

Die Kapazitäten von KMU in Inselgebieten sollten gestärkt werden.

5.1.5.1

Erleichterung des Zugangs von KMU zu Forschung und Innovation, z.B. durch Instrumente wie JEREMIE. Inseln leiden de facto unter einem erheblichen Mangel an Forschern, Laboratorien und Patenten. Angesichts der geringen privaten Forschung sollte die öffentliche Forschung verstärkt werden. Auch sollte über die Schaffung von Freizonen nachgedacht werden. Im Vergleich zur Lage auf dem Festland sind Inseln im Rückstand — außer in den Fällen, in denen die Behörden eine voluntaristische Politik verfolgen oder ein Sektor wirtschaftlich so wichtig ist, dass ein Niveau erreicht wird, das die Schaffung oder Förderung von Forschungstätigkeiten ermöglicht. Darüber hinaus beruht ein solcher Ansatz auf dem Erhalt traditionellen Wissens: ein Aspekt der Innovation, der nicht außer Acht gelassen werden darf.

5.1.5.2

Export in Drittstaaten. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in ihrem Zwischenbericht zur Überprüfung des Binnenmarktes (Februar 2007) einen künftigen Binnenmarkt fordert, der allen offensteht. Diese Meinung wird in der Mitteilung „Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts“ bekräftigt. Darin fordert die Kommission eine „Erweiterung des Regelungsraums des Binnenmarktes“. Durch Kooperationsprogramme zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten mit benachbarten Staaten könnte diese Idee konkrete Gestalt annehmen.

5.1.5.3

Nutzung gut ausgebildeter Arbeitskräfte. Inseln sind betroffen vom Phänomen der Abwanderung junger Menschen, die eine Hochschulbildung und gut bezahlte Stellen auf dem Festland anstreben. Wenngleich das Bruttosozialprodukt als Indikator oder Kriterium nicht allein ausschlaggebend ist, wird im 4. Kohäsionsbericht hervorgehoben, dass für seine Steigerung Produktivität und Arbeitskräfte die entscheidenden Faktoren sind. Der EWSA ist der festen Überzeugung, dass Initiativen im Hinblick auf die Entwicklung von Universitäten und anderen höheren Bildungseinrichtungen in Inselgebieten gefördert werden müssen, da solche Einrichtungen Voraussetzung sind für die Berufsbildung der Inselbewohner. So konnte z.B. durch die Universität von Korsika seit deren Wiedereröffnung 1981 das regionale Humankapital aufgrund steigender Studierendenzahlen sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht verbessert werden. Durch diese positive Entwicklung konnten einige Unausgewogenheiten auf dem Arbeitsmarkt verringert und die Expansion einzelner Branchen (Nahrungsmittelverarbeitung, Tourismus, IKT …) und Betriebe gefördert werden.

5.1.5.4

Nutzung der Eigenschaften von Inseln, um die am besten geeigneten Entwicklungsmöglichkeiten zu finden. In dieser Hinsicht betont die Europäische Kommission in ihrem Grünbuch zur Meerespolitik ganz zu recht, dass eine „Diversifizierung der touristischen Produkte und Dienste […] zur Wettbewerbsfähigkeit der Küsten- und Inseldestinationen beitragen [kann]“. Da eine solche Diversifizierung einer (nicht) technologischen Dimension von Innovation entspricht und sich überdies in die notwendige allgemeine Diversifizierung der wirtschaftlichen Aktivitäten von Inselgebieten einfügt (für zahlreiche Inseln ist die Monoaktivität Fremdenverkehr ein Problem), sind die folgenden Aspekte Voraussetzung:

eine vollständige Bestandsaufnahme der Situation jeder einzelnen europäischen Insel;

Auflistung aller Nachteile von Inseln im Bereich Tourismus;

Bestimmung des Niveaus der Infrastruktur auf jeder Insel;

Förderung von Austausch und Förderung des Ausbaus von Dienstleistungen in den Bereichen Hotel- und Verkehrsinfrastruktur durch besondere Verträge zwischen den Inselgebieten und der Europäischen Union;

Prüfung der Möglichkeiten zur Unterstützung und Strukturierung, die im Hinblick auf eine Diversifizierung des Tourismus denkbar sind (Kultur, Landwirtschaft, Archäologie, Jugend, Sport, Fischen, Geschäftstourismus …);

Prüfung des Vorschlags zur Umsetzung regionaler Konzepte für die Entwicklung des Inseltourismus, die europäischen Maßnahmen vorausgehen und als verbindlich eingeführt werden könnten, um von den spezifischen europäischen Fördermitteln zu profitieren, die für die im Rahmen der Planung der Strukturfonds 2007-2013 im Hinblick auf das Ziel „regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ registrierten Inselregionen bestimmt sind;

Festlegung von Methoden, mit denen Inselgebiete die Umwelt für wirtschaftliche Aktivitäten nutzen könnten (insbesondere Entwicklung von Strategien, mit denen die Inseln für Touristen z.B. durch Öko-Hotels, Bio-Restaurants, Aktivitäten in der freien Natur, Bio-Entdeckungstouren attraktiver gemacht werden können). Derartige Initiativen sind insbesondere für Kleinbetriebe geeignet.

6.   Verantwortungsvolle Regierungsführung zur angemessenen Berücksichtigung der Situation europäischer Inseln

6.1

Der EWSA regt die Umsetzung folgender Vorschläge im Rahmen des Legislativprozesses an:

6.1.1

Sammlung umfassender Informationen über die Inseln. Da die Aktualisierung und Erhebung weiterer statistischer Daten über Inseln für eine zielorientierte Politik (auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene) notwendig sind, kann die Bedeutung solcher Maßnahmen nicht genug betont werden. Ein solcher Ansatz sollte zunächst auf einer fallweisen Bewertung beruhen, bei der unter anderem die spezifische sozio-ökonomische Situation von Inselgebieten berücksichtigt wird. Zugleich wäre dies Gelegenheit, die Bedeutung des BIP als Kriterium zur Bewertung der regionalen Schwierigkeiten neu zu überdenken.

6.1.1.1

Voraussetzung für die Konzipierung und Umsetzung jeglicher Gemeinschaftspolitik für Inseln ist die Existenz ausreichender und zuverlässiger statistischer Daten sowie einschlägiger Indikatoren. Für ein ausreichendes Verständnis der Inselgebiete und der komplexen Mechanismen, durch die sie sich von den übrigen Gebieten der Gemeinschaft unterscheiden, ist das BIP für sich genommen bekanntermaßen als Kriterium ebenso wenig geeignet wie die Arbeitslosenzahlen.

6.1.1.2

Diese Situation ist nicht neu, wurde aber lange Zeit nicht wahrgenommen, da die große Mehrheit der Bewohner von Inseln innerhalb der EU ohnehin maximale finanzielle Unterstützung erhielt (Ziel-1) und somit wenig Anlass bestand, sich mit diesem komplizierten Thema zu befassen. Durch den Erweiterungsprozess und den sich daraus ergebenden „statistischen Effekt“ (d.h. der neue relative Wohlstand zuvor benachteiligter Gebiete) ergab sich jedoch die Notwendigkeit, die Situation und die Bedürfnisse von Inselgebieten anhand besserer und stärker zielgerichteter statistischer Indikatoren zu beschreiben.

6.1.1.3

Im Musotto-Bericht heißt es ferner, dass „weitere Tätigkeiten darauf ausgerichtet sein sollten, relevantere statistische Indikatoren festzulegen, die besser geeignet sind, ein eindeutiges statistisches Bild des Entwicklungsstandes und ein befriedigendes Verständnis der Regionen, die durch geografische und natürliche Benachteiligungen gekennzeichnet sind, zu liefern, insbesondere wenn eine Anhäufung von Schwierigkeiten vorliegt, wie etwa bei Gebirgszügen, Gruppen von Inseln und in Fällen von doppelter Insellage; hebt hervor, dass es durch diese Indikatoren auch möglich sein sollte, die Unterschiede zwischen diesen Regionen und dem Rest der Europäischen Union, aber auch die Unterschiede innerhalb dieser Regionen besser zu beurteilen.“

6.1.2

Eine kommissionsinterne dienstübergreifende Arbeitsgruppe für Inselgebiete sollte eingerichtet werden, um bei der Bewältigung der Probleme von Inseln einen integrierten Ansatz zu gewährleisten.

6.1.3

Der EWSA fordert die lokalen Behörden und die Zivilgesellschaft auf zusammenzuarbeiten (bzw. weiterhin zusammenzuarbeiten), um gemeinsame Entwicklungsstrategien zu erarbeiten. Inselregionen sollten einen gemeinsamen Ansatz für Projekte im Rahmen einer positiven Partnerschaft verfolgen.

6.2

Der EWSA ist der Auffassung, dass im Interesse eines verantwortungsvollen Regierens die Situation der Inseln regelmäßig untersucht werden sollte und fordert die Kommission dazu auf, dem Europäischen Parlament, dem Rat, dem Ausschuss der Regionen und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss einen jährlichen Bericht vorzulegen, in dem die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Lösung der Probleme der europäischen Inseln geprüft und bewertet werden. Die Maßnahmenvorschläge der Kommission sollten ebenfalls in diesen jährlichen Bericht aufgenommen werden. Insofern kann gesagt werden, dass diese Stellungnahme einen langfristigen dynamischen Prozess in Gang setzt.

7.   Schlussbemerkungen

7.1

Die Frage, wie Inselgebiete besser in den Binnenmarkt zu integrieren seien, könnte interessierte Parteien dazu anregen, über die oben genannten Möglichkeiten hinaus zwei weitere Verfahrensweisen in Betracht zu ziehen.

7.2

Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, zu denen Inselgebiet gehören, bzw. Mitgliedstaaten, die selbst Inseln sind (Portugal, Spanien, Frankreich, Italien, Griechenland, Malta, Zypern, Vereinigtes Königreich, Irland, die Niederlande, Dänemark, Estland, Finnland, Schweden). Im Hinblick auf die Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, um das Ziel einer europäischen Inselpolitik zu erreichen, erscheint dieser Weg wenig realistisch. Insofern als die Initiative von den Mitgliedstaaten ausgehen muss, sollte daher ein Bottom-up-Ansatz gewählt werden. Entwicklungsstrategien auf lokaler Ebene sind, wie bereits erwähnt, aus diesem Grunde notwendig. In dieser Hinsicht könnten die operationellen Programme im Rahmen der Strukturfonds 2007-2013 als eine geeignete Basis für den Zeitraum 2014-2020 angesehen werden.

7.3

Durch den Vertrag von Lissabon und die Neufassung von Artikel 158 EGV kann der künftige europäische Rechtsrahmen zur Verbesserung der aktuellen Lösungen beitragen.

7.3.1

Die durch den Vertrag von Lissabon geänderte Neufassung von Artikel 158 lautet wie folgt:

a)

im ersten Absatz wird der Wortlaut „wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt“ geändert in „wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt“;

b)

im zweiten Absatz wird die Formulierung „oder Inseln, einschließlich der ländlichen Gebiete“ gestrichen;

c)

der folgende Ansatz wird hinzugefügt: „Unter den betreffenden Gebieten gilt besondere Aufmerksamkeit den ländlichen Gebieten, den vom industriellen Wandel betroffenen Gebieten und den Gebieten mit schweren und dauerhaften natürlichen oder demografischen Nachteilen, wie den nördlichsten Regionen mit sehr geringer Bevölkerungsdichte sowie den Insel-, Grenz- und Bergregionen“.

7.3.2

Diese Neufassung trägt dem Umstand Rechnung, dass mit dem Lissabon-Vertrag (der noch ratifiziert werden muss) die territoriale Dimension als neues Element des europäischen Zusammenhalts aufgenommen wurde. Durch diese Anerkennung bekräftigt die EU ihre Willen, die Gegebenheiten überall auf ihrem Territorium gebührend zu berücksichtigen. Im künftigen Artikel 158 nimmt dieser Wille konkrete Gestalt an.

7.3.3

Territorialer Zusammenhalt lässt sich nicht einfach definieren. Das künftige Grünbuch wird sicherlich die verschiedenen bestehenden Ansätze darlegen. Der EWSA ist der Auffassung, dass Nachdenken über territorialen Zusammenhalt bedeutet, den Blick über reine Wirtschaftsstatistiken allein hinaus zu richten, um auch die offenkundigen geografischen Gegebenheiten eines Gebiets und die daraus resultierenden Schwächen zu berücksichtigen, die den sozioökonomischen Zusammenhalt — in einigen Gebieten — ernsthaft gefährden können. Das Bemühen um territorialen Zusammenhalt ist gleichbedeutend mit der Suche nach Mitteln und Wegen für eine verstärkte Zusammenarbeit innerhalb eines Inselgebiets sowie zwischen allen Regionen (eine Aufstockung der Strukturfondsmittel für dieses Ziel müsste für das nächste Programm nach 2013 Unterstützung finden) sowie für eine verstärkte Partnerschaft zwischen allen interessierten Parteien (öffentlichen Behörden, Zivilgesellschaft) bei der Konzipierung und Umsetzung einer einschlägigen Politik.

Brüssel, den 10. Juli 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Die Binnenmarktbeobachtungsstelle (BBS) des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses erarbeitet zurzeit eine Stellungnahme zu diesem Paket (INT/409), Berichterstatter: Herr Cassidy, Mitberichterstatter: Herr Hencks und Herr Cappellini) sowie ergänzend hierzu eine Stellungnahme zum Thema „Die soziale und die ökologische Dimension des Binnenmarkts im Rahmen des Binnenmarkt-Review“ (INT/416, Berichterstatter: Herr Adamczyk). Noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht (angenommen im September 2008).

(2)  Es ist darauf hinzuweisen, dass dieser Punkt im Vierten Kohäsionsbericht in Bezug auf die Regionen in äußerster Randlage anerkannt wird (KOM(2007) 273 endg., S. 50).

(3)  Analysis of the island regions and outermost regions of the European Union, Planistat, März 2003.

(4)  Durch den einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum (SEPA), der am 28.1.2008 in Kraft trat, werden jedoch grenzüberschreitende Zahlungen genauso einfach wie inländische.

(5)  4. Kohäsionsbericht (KOM(2007) 273 endg.), S. 65.

(6)  4. Kohäsionsbericht (KOM(2007) 273 endg.), S. 60.

(7)  Siehe Stellungnahme zur „Überprüfung des Binnenmarktes“ (ABl. C 93/25 vom 27.4.2007).

(8)  Siehe die Stellungnahmen zum Thema „Bessere Rechtsetzung“ (ABl. C 24/39 vom 31.1.2006) und zum Thema „Bessere Durchführung des Gemeinschaftsrechts“ (ABl. C 24/52 vom 31.1.2006).