31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/35


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 68/151/EWG und 89/666/EWG des Rates im Hinblick auf die Veröffentlichungs- und Übersetzungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen“

KOM(2008) 194 endg. — 2008/0045 (COD)

(2009/C 77/06)

Der Rat der Europäischen Union beschloss am 23. Mai 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 68/151/EWG und 89/666/EWG des Rates im Hinblick auf die Veröffentlichungs- und Übersetzungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen“

Das Präsidium des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses beauftragte am 21. April 2008 die Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch mit den Vorarbeiten.

Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten beschloss der Ausschuss auf seiner 447. Plenartagung am 18. September 2008, Herrn IOZIA zum Hauptberichterstatter zu bestellen, und verabschiedete mit 72 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA billigt den Inhalt der vorgeschlagenen Richtlinie und betrachtet diese Maßnahme als einen weiteren Schritt im Rahmen der Strategie zur Verwaltungsvereinfachung, die in der Mitteilung „Strategische Überlegungen zur Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union“ vorgesehen ist.

1.2

Er schließt sich damit den positiven Einschätzungen seiner Binnenmarktbeobachtungsstelle an, die in zahlreichen Stellungnahmen die Initiativen zur Verwaltungsvereinfachung im Gesellschaftsrecht stets befürwortet hat. Demnach tragen diese Initiativen durch die Verringerung der Kosten für die Unternehmen erheblich zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft bei, sofern dadurch der Schutz der Anliegen anderer Interessengruppen nicht in Frage gestellt wird.

1.3

Der EWSA betont, dass der hier erörterte Vorschlag zur Änderung der Richtlinien 68/151/EWG (Erste Gesellschaftsrechtrichtlinie) und 89/666/EWG (Elfte Gesellschaftsrechtrichtlinie) eine Vereinfachung und Verringerung der Verwaltungslasten auf dem heiklen Gebiet der Veröffentlichungs- und Übersetzungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen vorsieht, denen oft unverhältnismäßig hohe und mitunter ungerechtfertigte Belastungen auferlegt werden.

1.4

Der EWSA unterstützt die vorgeschlagenen Maßnahmen, die durch geringfügige Änderungen des gemeinschaftlichen Besitzstands nicht nur eine Verringerung der Verwaltungslasten für die Unternehmen bewirken, wie aus der Folgenabschätzung hervorgeht, sondern auch der Möglichkeit ungerechtfertigter Hemmnisse für den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr in der Union einen Riegel vorschieben.

1.5

Der EWSA bewertet diese Maßnahmen daher positiv und schließt sich der Aufforderung des Rates an die Kommission an, weitere Schritte zur Verringerung des in verschiedenen Sektoren noch bestehenden unangemessenen Verwaltungsaufwands zu unternehmen, der — ohne den Nutzern irgendwelche Vorteile zu bringen — auf den Unternehmen lastet und ihre Fähigkeit zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen des globalen Wettbewerbs einschränkt.

1.6

Der EWSA empfiehlt der Kommission, die Mitgliedstaaten anzuhalten, die Vereinfachung der Verwaltungsakte für Unternehmen fortzuführen und dazu vorzusehen, dass alle Daten, die nach den geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften veröffentlichungsbedürftig sind, ins Internet gestellt werden.

2.   Hintergrund

2.1

Nach einer Reihe von im Jahr 2005 eingeleiteten Überprüfungen hat die Kommission ein Programm zur Vereinfachung der Rechtsvorschriften gestartet, um die durch geltende Vorschriften verursachten Kosten und Verwaltungslasten zu verringern; sie ließ sich dabei von der Überlegung leiten, dass unnötige Kosten die Wirtschaftstätigkeit in der Gemeinschaft bremsen und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beeinträchtigen.

2.2

Am 14. November 2006 legte die Kommission eine Mitteilung mit dem bezeichnenden Titel „Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union“ (1) und das Arbeitsdokument „Berechnung der Verwaltungskosten und Verringerung der Verwaltungslasten in der Europäischen Union“ (2) vor. In beiden Initiativen wird betont, dass die Vereinfachung greifbare wirtschaftliche Vorteile für die Unternehmen bringen soll, jedoch keine negativen Folgen für die Empfänger der betreffenden Informationen haben darf.

2.3

Diese strategische Ausrichtung wurde anschließend im März 2007 durch ein Aktionsprogramm zur Verringerung der Verwaltungslasten (3) (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) ergänzt, in dem eine 25 %ige Verringerung der Verwaltungslasten bis 2012 als Ziel festgelegt wurde.

2.4

Im März 2007 wurden mehrere Vorschläge zur Verringerung des Verwaltungsaufwands im beschleunigten Verfahren angenommen, und am 10. Juli 2008 legte die Kommission eine Mitteilung mit Vorschlägen für Vereinfachungen in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung und Abschlussprüfung (4) vor.

2.5

Auf seiner Tagung am 13./14. März 2008 forderte der Europäische Rat die Kommission auf, ihre Bemühungen in dieser Richtung fortzusetzen und neue legislative Vorschläge für die Verringerung des Verwaltungsaufwands zu ermitteln (5).

2.6

In diesen Kontext fügt sich der Vorschlag für eine Richtlinie über die Veröffentlichungs- und Übersetzungspflichten im Gesellschaftsrecht ein, mit dem eine Verringerung und/oder Abschaffung derjenigen Angabepflichten, die den Empfängern dieser Informationen keinen Mehrwert bringen, in Angriff genommen wird.

3.   Der Vorschlag der Kommission

3.1

Mit der hier erörterten Richtlinie soll laut Kommission die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen gestärkt werden, indem die durch die geltenden Rechtsvorschriften bedingten Verwaltungslasten dort beseitigt und/oder verringert werden, wo sie keinem Informationsbedürfnis der Empfänger entsprechen, den Unternehmen jedoch unnötige Zusatzkosten verursachen.

3.2

Die Kommission schlägt hierzu eine Änderung der Richtlinien 68/151/EWG (Erste Gesellschaftsrechtrichtlinie) und 89/666/EWG (Elfte Gesellschaftsrechtrichtlinie) im Hinblick auf die Veröffentlichungs- und Übersetzungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen vor.

3.3

Bei der erstgenannten Gesellschaftsrechtrichtlinie 68/151/EWG wird eine in Bezug auf die dort in Artikel 3 Absatz 4 vorgesehenen Bestimmungen neue Mindestveröffentlichungspflicht festgelegt. Zweck dieser Artikeländerung ist die Abschaffung einiger der derzeitigen Verpflichtungen zur Veröffentlichung der Angaben über die Unternehmensgründung sowie des Jahresabschlusses im nationalen Amtsblatt; letzterer ist nach geltendem Recht jährlich zu veröffentlichen.

3.4

Diese Vereinfachung bedeutet keine Verringerung des Mehrwerts für die Empfänger, zumal in Zeiten, in denen der Zugriff auf die Informationen des Handelsregisters, den die Mitgliedstaaten im erforderlichen Maße gewährleisten müssen, immer öfter mit elektronischen Mitteln online erfolgt.

3.5

Die Mitgliedstaaten müssen einen elektronischen Zugang zu den chronologisch dargestellten Informationen gewährleisten; es steht ihnen nach wie vor frei, darüber hinaus zusätzliche Formen der Veröffentlichung festzulegen, sofern diese den Unternehmen keine zusätzlichen Kosten verursachen.

3.6

Was die Richtlinie 89/666/EWG (Elfte Gesellschaftsrechtrichtlinie) betrifft, wird die derzeitige Praxis geändert, wonach die Unternehmen auch bei der Registrierung einer Zweigniederlassung sämtliche Dokumente ihres Dossiers übersetzen lassen müssen.

3.7

Gemäß Artikel 4 in der Fassung der neuen Richtlinie müssen die Unterlagen in einer Amtssprache der Gemeinschaft offengelegt werden, und es wird als ausreichend betrachtet, wenn die Übersetzung nach einem von den Behörden eines anderen Mitgliedstaates anerkannten Verfahren beglaubigt wurde. Sämtliche Mitgliedstaaten haben diese Bescheinigungen zu akzeptieren und dürfen, abgesehen von den in Absatz 1 und 2 vorgeschriebenen Formalitäten, keine weiteren offiziellen Anforderungen auferlegen, womit das Ziel, die Kosten für die Übersetzung und die Beglaubigung auf ein Minimum zu senken, erreicht wird.

3.8

Die Rechtsgrundlage für die neuen Richtlinie ist ebenso wie für die bisherigen Richtlinien Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe g des EG-Vertrags; die Kommission vertritt überdies die Auffassung, dass das Subsidiaritätsprinzip und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten werden und die Maßnahmen gerechtfertigt sind.

3.9

Die Kommission gibt an, dass die vorgeschlagenen Änderungen und die Folgenabschätzung von einer überaus repräsentativen Zahl von Interessengruppen (110 Gruppen aus 22 Mitgliedstaaten) geprüft und gebilligt wurden. Diese positiven Reaktionen sind auf der Website der Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen (GD MARKT) abrufbar.

3.10

Der Folgenabschätzung zufolge bestehen Einsparungspotenziale von jährlich insgesamt 410 Mio. EUR bei der Veröffentlichung der Jahresabschlüsse und von rund 200 Mio. EUR pro Jahr bei der Veröffentlichung von im Handelsregister eingetragenen Änderungen. Bei der Übersetzung und Beglaubigung können insgesamt Kosten von rund 22 Mio. EUR eingespart werden.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Der EWSA hat in zahlreichen von seiner Binnenmarktbeobachtungsstelle erarbeiteten Stellungnahmen seine Unterstützung für die Verwaltungsvereinfachung im Rahmen der „Strategischen Überlegungen zur Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union“ bekundet.

4.2

In seinen Stellungsnahmen hat der Ausschuss dieses Programm uneingeschränkt befürwortet, da damit ein konkreter Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen geleistet wird, indem vielfach überholte und unangemessene Verwaltungslasten im Gesellschaftsrecht, die den Unternehmen auferlegt wurden, gesenkt werden, ohne dass dadurch der Schutz der Anliegen anderer Interessengruppen in Frage gestellt wird.

4.3

Der EWSA unterstreicht, dass dieses Programm, das Maßnahmen auf dem heiklen Gebiet der Veröffentlichungs- und Übersetzungspflichten vorsieht, nicht nur eine deutliche Verringerung der Kosten bewirkt, wie aus der Folgenabschätzung hervorgeht, sondern auch die Glaubwürdigkeit der europäischen Dimension stärkt, indem allen Versuchungen, künstliche und ungerechtfertigte Hemmnisse für den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr in der Union zu schaffen, ein Riegel vorgeschoben wird.

4.4

Der Ausschuss nimmt zur Kenntnis, dass die bislang eingeleiteten Initiativen nach gründlicher Bewertung der verfolgten Ziele sowie unter gebührender Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf den Weg gebracht wurden und ihnen eine eingehende Konsultation aller interessierten Kreise vorausgegangen ist.

4.5

Der EWSA billigt daher den Inhalt der vorgeschlagenen Richtlinie, die er als einen wichtigen Schritt im Rahmen der Gesamtstrategie betrachtet, und schließt sich der Aufforderung des Rates an die Kommission an, in weiteren Sektoren und Bereichen tätig zu werden, in denen eine Vereinfachung notwendig erscheint, um die zahlreichen noch auf den Unternehmen lastenden Pflichten zu verringern.

Brüssel, den 18. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  „Strategische Überlegungen zur Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union“, KOM(2006) 689 endg., ABl. C 78 vom 11.4.2007, S. 9.

(2)  „Berechnung der Verwaltungskosten und Verringerung der Verwaltungslasten in der Europäischen Union“, KOM(2006) 691 endg.

(3)  „Aktionsprogramm zur Verringerung der Verwaltungslasten in der Europäischen Union“, KOM(2007) 23 endg.

(4)  Mitteilung der Kommission über ein vereinfachtes Unternehmensumfeld in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung und Abschlussprüfung, KOM(2007) 394 endg.

(5)  Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates von Brüssel, 13./14. März 2008 — Dok. 7652/08 CONCL 1.