3.2.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 27/75


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die geologische Speicherung von Kohlendioxid und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates sowie der Richtlinien 2000/60/EG, 2001/80/EG, 2004/35/EG, 2006/12/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006“

KOM(2008) 18 endg. — 2008/0015 (COD)

(2009/C 27/17)

Der Rat beschloss am 8. Februar 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 175 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die geologische Speicherung von Kohlendioxid und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates sowie der Richtlinien 2000/60/EG, 2001/80/EG, 2004/35/EG, 2006/12/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 4. Juni 2008 an. Berichterstatter war Herr WOLF.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 446. Plenartagung am 9./10. Juli 2008 (Sitzung vom 9. Juli) mit 138 Ja-Stimmen gegen 1 Nein-Stimme bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

Inhalt:

1.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

2.

Einleitung

3.

Vorschlag der Kommission

4.

Allgemeine Bemerkungen

5.

Besondere Bemerkungen

1.   Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

1.1

Die Abscheidung und langfristige Speicherung des bei der Nutzung (Verbrennung) fossiler Energieträger entstehenden Kohlendioxids (CO2) — CCS — wäre ein sehr wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz. Daher sind eine beschleunigte Entwicklung dieses Verfahrens und sein möglichst frühzeitiger Einsatz anzustreben.

1.2

Die von der Kommission vorgeschlagene Richtlinie wird vom Ausschuss als notwendige Voraussetzung für Entwicklung und Anwendung von CCS begrüßt und inhaltlich weitgehend unterstützt.

1.3

In der Richtlinie werden die wesentlichen Gesichtspunkte angesprochen und dazu Regelungen vorgeschlagen. Dies betrifft insbesondere die Fragen der Sicherheit für Mensch und Umwelt, sowie die damit verbundenen Verantwortlichkeiten. Dadurch unterstützt die Richtlinie auch die Akzeptanz seitens der Bürger und trägt ihrem Sicherheitsbedürfnis Rechnung.

1.4

Die Entwicklung der gesamten Wertschöpfungskette von CCS, mit Abscheidung, Transport und Speicherung von CO2, steckt in einer frühen, teilweise noch exploratorischen Phase. Dem müssen die Regelungen der Richtlinie Rechnung tragen und sind daher an einigen Punkten noch anzupassen.

1.5

Auch um eine zügige Umsetzung erster Projekte zu ermöglichen, sollten einige Punkte der Richtlinie so modifiziert werden, dass sie sowohl für die jeweiligen nationalen Behörden als auch für die investitionsbereiten Unternehmen besser handhabbar sind und letzteren Planungssicherheit sowie Anreize zum Handeln bieten. Dies betrifft z.B. die Klärung von Haftungsfragen sowie Art und Umfang finanzieller Sicherheitsleistungen.

2.   Einleitung

2.1

Als Folge der den Klimaschutz und die Energie-Versorgungssicherheit betreffenden Ratsbeschlüsse vom März 2007 hat die Kommission — in Form separater Dokumente — ein ganzes Bündel von Maßnahmen vorgeschlagen, um die in den Ratsbeschlüssen formulierten Ziele zu erreichen. Der Schwerpunkt der Maßnahmen betrifft Energieeffizienz, den Ausbau erneuerbarer Energieträger sowie die Entwicklung und Anwendung dementsprechender innovativer Technologien. Hierzu hat der Ausschuss jeweils spezifische Stellungnahmen erarbeitet (1).

2.2

In diesem Rahmen spielen auch jene Verfahren eine wichtige Rolle, mit denen die Emission von Treibhausgasen, die bei der Nutzung fossiler Energieträger entstehen, nachhaltig reduziert werden soll. Darum geht es in der vorliegenden Stellungnahme. Sie betrifft den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über die geologische Speicherung von Kohlendioxid (CO2).

2.3

Die vorliegende Stellungnahme wird ergänzt durch eine der gleichen Technik gewidmete Stellungnahme des Ausschusses zur Mitteilung der Kommission (2)„Supporting Early Demonstration of Sustainable Power Generation from Fossil Fuels“.

3.   Vorschlag der Kommission

3.1

Ausgehend von (i) der Tatsache, dass die auf internationaler Ebene steigende Nachfrage nach Energieträgern voraussichtlich überwiegend aus fossilen Kraftstoffen gedeckt werden wird, und (ii) von dem Ziel, bis zum Jahr 2050 die CO2-Emissionen weltweit um 50 % und in den Industriestaaten um 60 bis 80 % zu verringern, hält es die Kommission für erforderlich, dass sämtliche Möglichkeiten der Emissionsminderung ausgeschöpft werden. Dabei kommt der Abscheidung und Speicherung von CO2 — abgekürzt CCS (3) — eine maßgebliche Bedeutung zu.

3.2

Der Aufforderung des Europäischen Rats vom März 2007 folgend, ist der vorgelegte Vorschlag der Kommission ein Element in Richtung des Ziels, den erforderlichen technischen, wirtschaftlichen und ordnungspolitischen Rahmen zu schaffen, um CCS umweltverträglich zur Einsatzreife zu bringen. Dabei geht es hier vor allem um den ordnungspolitischen Rahmen, und zwar auf der Rechtsgrundlage von Artikel 175 Absatz 1 EG-Vertrag. Mit diesem Vorschlag sollen zudem Rechts- und Verwaltungsvorschriften für EU- oder einzelstaatliche Behörden vereinfacht werden.

3.3

Bereits bestehende Vorschriften, wie die Richtlinien 96/61/EG, 85/337/EWG, 2004/35/EG und 2003/87/EG werden dabei berücksichtigt bzw. angepasst.

3.4

Zum konkreten Inhalt des Kommissionsvorschlags:

3.4.1

Kapitel 1 betrifft Gegenstand, Zweck und Geltungsbereich. Zudem werden Begriffsbestimmungen vorgenommen.

3.4.2

Kapitel 2 befasst sich mit der Auswahl von Speicherstätten und mit Explorationsgenehmigungen. Die Mitgliedstaaten sollen bestimmen, welche Gebiete für die Speicherung zur Verfügung gestellt werden und welche Regeln für die Erteilung von Explorationsgenehmigungen gelten.

3.4.3

In Kapitel 3 geht es um Speichergenehmigungen und deren Bedingungen sowie für die Befugnisse der EU-Kommission dabei. Wichtig ist die Umweltverträglichkeitsprüfung, einschließlich Folgenabschätzung und Anhörung der Öffentlichkeit.

3.4.4

Kapitel 4 befasst sich mit dem Betrieb, der Schließung und den Nachsorgepflichten, einschließlich der Kriterien für die Annahme von CO2, den Überwachungs- und Berichterstattungspflichten, Inspektionen, Maßnahmen im Falle von Unregelmäßigkeiten und/oder Leckagen, der Schließung und den Nachsorgepflichten sowie Bereitstellung finanzieller Sicherheiten.

3.4.5

Kapitel 5 befasst sich mit dem Zugang zu Transport- und Speichernetzen.

3.4.6

Kapitel 6 enthält allgemeine Vorschriften über die zuständige Behörde, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Sanktionen, die Berichterstattung gegenüber der EU-Kommission, Änderungen und die maßgeblichen Ausschussverfahren.

3.4.7

In Kapitel 7 sind die erforderlichen Änderungen anderer Rechtsakte enthalten, einschließlich der notwendigen Anpassungen des Wasser- und des Abfallsrechts. Ebenso werden ergänzende Voraussetzungen für die Genehmigungen neuer Kraftwerke definiert.

3.4.8

In Anhang I sind ausführliche Kriterien für die Standortcharakterisierung und Risikobewertung festgelegt. Anhang II enthält ausführliche Kriterien für die Überwachung. Die EU-Kommission kann die Anhänge ändern, dabei steht dem EU-Parlament ein Mitbestimmungsrecht zu.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Der Ausschuss hat mehrfach darauf hingewiesen (4), dass erschwingliche Energie das Lebens-Elixier moderner sozialer Volkswirtschaften und Voraussetzung aller Grundversorgungen ist. Von besonderer Bedeutung ist dabei die verstärkte Entwicklung neuartiger Technologien (5).

4.2

Die hierzu von der Kommission vorgeschlagene Richtlinie wird daher vom Ausschuss als eine wichtige Voraussetzung für Entwicklung und Anwendung eines diesem Ziel dienenden Verfahrens — CCS — begrüßt und inhaltlich weitgehend unterstützt.

4.3

Der Ausschuss hat diesbezüglich darauf hingewiesen (6), dass die fossilen Brennstoffe Kohle, Erdöl und Erdgas gegenwärtig das Rückgrat (7) sowohl der europäischen als auch der globalen Energieversorgung bilden und ihre Bedeutung womöglich auch in den nächsten Jahrzehnten nicht verlieren werden.

4.4

Dies steht nicht im Widerspruch zum erklärten Ziel, den Anteil erneuerbarer Energieträger drastisch zu steigern. Denn selbst angesichts des in der EU (8) bis 2020 angestrebten Anteils erneuerbarer Energien von mindestens 20 % wird noch über viele Jahrzehnte ein erheblicher Bedarf nach Energie aus anderen Quellen bestehen, um die restlichen 80 %, bzw. bis 2050 immer noch etwa 50 %, des Verbrauchs sicher zu stellen.

4.5

Unter den erneuerbaren Energieträgern kann für die Stromerzeugung bisher nur Wasserkraft und Biomasse (9) nachfragegesteuert eingesetzt werden, während Wind- und Solarenergie eine eingeschränkte, nämlich wetterabhängige Verfügbarkeit aufweisen. Gleichwohl sind deren Entwicklung und Anwendung mit großer Anstrengung weiter zu treiben, zudem sind dafür adäquate und preisgünstige Speichermöglichkeiten zu entwickeln. Dies ist jedoch Thema separater Stellungnahmen des Ausschusses.

4.6

Daraus folgt, dass für eine sichere Grundlastversorgung — in Ergänzung zur und/oder als Ersatz (10) der Kernenergie — weiterhin fossil gefeuerte Kraftwerke in erheblichem Umfang eingesetzt werden müssen. Zum Ausgleich schwankender Windeinspeisungen wird darüber hinaus ein wachsender Anteil an hinreichend schnell regelbaren Kraftwerken benötigt, um genügend — positive wie negative — Reserveleistung zur Verfügung zu stellen.

4.7

Für die Bereitstellung von Spitzen- und Reserveleistung kommen vor allem Gaskraftwerke und Pumpspeicher-Wasserkraftwerke in Betracht. Das Ausbaupotenzial von Wasserkraftwerken mit Pumpspeicherung ist jedoch begrenzt, weil die dafür geeigneten Landschaftsgegebenheiten bereits weitgehend genutzt werden.

4.8

Für die Grund- und Mittellastversorgung werden neben Kernkraftwerken vor allem Kohlekraftwerke eingesetzt. Soweit Mitgliedstaaten auf den eigenständigen Einsatz von Kernenergie verzichten, hat bei diesen der Einsatz von Kohle für die Stromerzeugung noch zusätzliche Bedeutung.

4.9

Dabei gilt es, auch beim Einsatz von Kohle möglichst wenig CO2 zu emittieren. Dazu werden zwei Entwicklungslinien von unterschiedlicher technischer Reife und unterschiedlichen Auswirkungen verfolgt: einerseits Kraftwerke mit noch weiter gesteigerter Effizienz, andererseits Kraftwerke mit CCS (11), bei denen sogar der weitaus größte Teil des entstandenen CO2 nicht mehr in die Atmosphäre gelangt, dafür aber unvermeidlich ein spürbarer Effizienzverlust in Kauf genommen werden muss, um den zusätzlichen Energiebedarf für CCS zu decken. Darüber hinaus sind auch Verfahren weiter zu entwickeln, um das bei industriellen Produktionsprozessen entstehende CO2 abzuscheiden.

4.10

Die Entwicklung von CCS, mit Abscheidung, Transport und Speicherung von CO2, steckt noch in einer frühen, teilweise zunächst noch exploratorischen Phase. Demgegenüber geht die Steigerung der Wirkungsgrade konventioneller Kraftwerkstechnik zwar sukzessive voran, doch werden dabei auch allmählich die Grenzen des physikalisch Machbaren erreicht. In Anbetracht des dringenden Ersatzbedarfes an Kraftwerkskapazitäten in der nächsten Dekade empfiehlt der Ausschuss ein pragmatisches Vorgehen, bei dem beide Technologien nebeneinander weiterentwickelt werden. Während die Entwicklung höherer Wirkungsgrade weitgehend marktgetrieben stattfinden kann, benötigen die CCS-Technologien — Kraftwerke ebenso wie Infrastrukturen — in der Demonstrations- und Markteinführungsphase zusätzliche Unterstützung.

4.11

Die CCS-Technologie wird in mehreren Entwicklungspfaden verfolgt: als integrierte Kraftwerkstechnologie, bei der das CO2 — beim Kohlevergasungsverfahren — vor dem Verbrennungsprozess abgeschieden wird, oder beim Oxyfuelverfahren, bei dem das CO2 durch den Prozess angereichert und anschließend abgetrennt wird; oder das als „Post-combustion“-Technologie bekannt Verfahren, bei der das CO2 aus dem Rauchgas nach der Verbrennung ausgewaschen wird (CO2-Wäsche). Letztere Methode ist bei entsprechender Weiterentwicklung geeignet, bereits heute entstehende und hocheffiziente neue Kraftwerke nachzurüsten, sofern diese dementsprechend („Capture Ready“) ausgelegt werden. Diesen Technologiepfaden ist gemeinsam, dass das abgeschiedene CO2 vom Standort des Kraftwerks einem geeigneten Speicherort zugeführt werden muss.

4.12

Die Speicherung des CO2 kann nur in hierfür geeigneten, sicheren geologischen Formationen stattfinden. Hierfür kommen nach gegenwärtigem Stand der Forschung vornehmlich tiefe saline Aquifere und ausgeförderte Öl- und Gaslagerstätten in Frage, während aufgelassene Kohlebergwerke weniger geeignet erscheinen. Wichtig ist, dass zur Vermeidung von Leckagen ein weitgehend ungestörtes Deckgebirge (möglichst wenig Verbindungskanäle zur Oberfläche) vorhanden ist.

4.13

Bei einer nach den vorgeschlagenen Regeln der Richtlinie durchgeführten Auswahl des Speicherstandortes und bei professioneller Durchführung sind die Gefahren, die von der Speicherung ausgehen, als sehr gering einzustufen. So ist bei geeigneter Speicherformation ein plötzlicher „Ausbruch“ großer Mengen von CO2 nahezu unmöglich (12). Ebenso ist eine Gefährdung durch induzierte Erdstöße weitgehend auszuschließen, weil der maximale Einspeicherdruck so zu wählen ist, dass das Speicher- und Deckgebirge nicht bricht (13), da es für die bezweckte Speicherung erhalten werden soll.

4.14

Für die gesellschaftliche und politische Akzeptanz ist die Frage einer sicheren und langfristigen Speicherung von CO2 von entscheidender Bedeutung.

4.15

Der Ausschuss hält es daher für sehr wichtig, dass die Bürger sowohl seitens der Kommission, als insbesondere auch seitens der Mitgliedstaaten und der potentiellen Betreiber vollständig über alle Aspekte dieser neuen Technik informiert und in einem transparenten Dialogprozess in die jeweiligen Entscheidungsfindungen eingebunden werden. Hierfür sollten geeignete Verfahrensschritte entwickelt werden.

4.16

Am Ende dieses Kapitels möchte der Ausschuss noch eine weitere Vorsorge-Maßnahme anregen. Sie betrifft die Möglichkeit eines aufkommenden Bedarfs an CO2 in fernerer Zukunft, sei es für derzeit nicht vorhersehbaren Gebrauch als chemische Grundsubstanz, sei es als Regelgröße im Rahmen der „natürlichen“ Langzeit Klimazyklen (14). Darum empfiehlt der Ausschuss als zusätzliche Vorsorge-Maßnahme für Nachhaltigkeit, die Speicherung von CO2 sicher durchzuführen, aber die Möglichkeit einer zumindest teilweisen Wiedergewinnung im Rahmen des Stilllegungsplanes in Betracht zu ziehen oder eine Dokumentation über potenzielle Wiedergewinnungs-Möglichkeiten aus den spezifischen Speicherkomplexen vorzusehen. Vorrang muss selbstverständlich größtmögliche Sicherheit und Dichtigkeit des Speichers haben.

4.17

Der Ausschuss begrüßt insgesamt den vorgelegten Richtlinien-Vorschlag der Kommission und nimmt zu einigen seiner Einzelheiten im nächsten Kapitel Stellung.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1

Der Richtlinienentwurf enthält die wesentlichen notwendigen Regelungen, um den Betreibern von CCS-Anlagen den erforderlichen Rechtsrahmen bereitzustellen, wobei allerdings an wenigen Stellen über das dafür Notwendige hinausgegangen wird.

5.2

An einigen Punkten besteht allerdings noch Klärungsbedarf, um die Umsetzbarkeit zu ermöglichen und Rechtssicherheit zu gewährleisten.

5.3

Gemäß dem Vorschlag der Kommission soll das abgeschiedene und gespeicherte CO2 im Rahmen des Emissionshandels als „nicht emittiert“ behandelt werden, und dementsprechend müssen hierfür keine CO2-Zertifikate vorgehalten werden (Erwägungsgrund 23 mit Verweis auf die Richtlinie 2003/87/EC). Hieraus ergibt sich ein nützlicher — wenn auch in der Demonstrationsphase noch unzureichender — marktbasierter Anreiz zu Investitionen in CCS-Anlagen.

5.3.1

Darum begrüßt der Ausschuss die vorgeschlagene Einbindung in den Emissionshandel; denn ein marktbasierter Ansatz ist einer CCS-Pflicht eindeutig vorzuziehen, zumal im gegenwärtigen Entwicklungsstadium der CCS-Technologie eine solche CCS-Pflicht deutlich verfrüht wäre.

5.3.2

Richtig ist es hingegen, neue Kraftwerke auf die Vorhaltung von genügend Platz für Anlagen zur Abscheidung und Kompression von CO2 zu verpflichten (Artikel 32, Anpassung von Artikel 9 a) in Direktive 2001/80/EG). Allerdings sollten auch diese grundsätzlich kostensteigernden Maßnahmen mit entsprechenden marktwirtschaftlichen Anreizen (15) (z. B. begünstigten CO2-Zertifikaten, Verwendung eines Teils der Auktionserlöse aus dem ETS-System für CCS) verknüpft werden.

5.4

Um zu vermeiden, dass die Speichermöglichkeiten unnötig eingeschränkt werden, sollte sich das in Artikel 2, Absatz 3 des Kommissionsvorschlags formulierte Verbot nicht auf die „Speicherung in geologischen Formationen“, sondern auf „Speicherstätten“ beziehen. Denn geologische Formationen gemäß Definition in Artikel 3, Absatz 4 können sich leicht über das in Artikel 2, Absatz 1 definierte Gebiet hinaus erstrecken, während die Ausdehnung einer Speicherstätte demgegenüber deutlich geringer ist. Zusätzliche Speicheroptionen würden sich durch eine Öffnungsklausel ergeben, die verlässliche vertragliche Vereinbarungen mit Staaten außerhalb der EU vorsieht.

5.5

Die Definition einer „Speicherstätte“ gemäß Artikel 3 Absatz 3, sollte sich lediglich auf jenen „Teil“ der „besonderen geologischen Formation“ beziehen, „der für die geologische Speicherung von CO2 genutzt wird“. (Eine geologische Formation kann eine Ausdehnung — in Oberflächenprojektion betrachtet — bis zu Millionen km2 haben, als „Speicherstätte“ kann daher nur ein Teil hiervon bezeichnet werden.) Denn es ist durchaus möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass es in einer geologischen Formation mehrere Speicherstätten geben kann und wohl auch wird.

5.6

Gemäß Kommissionsvorschlag Artikel 4, Absatz 1 verbleibt das Recht zur Ausweisung von geeigneten Speicherstätten auf nationaler Ebene. Dabei sollte klargestellt werden, dass die für die Speicherung von CO2 grundsätzlich geeigneten Gebiete auch tatsächlich von den Mitgliedstaaten ausgewiesen werden, sofern dem nicht wichtige Gründe entgegenstehen.

5.7

Der Ausschuss begrüßt, dass im vorgeschlagenen Regelwerk ein Höchstmaß an Sicherheit gefordert wird. Dies ist sowohl für den für den Schutz von Mensch, Umwelt und Klima (16) erforderlich, als auch um die Integrität des Emissionshandels sicher zu stellen.

5.7.1

Der Einsatz geeigneter, dem jeweiligen Stand der Technik entsprechender Überwachungssysteme muss dies gewährleisten. Dies ist bei Erteilung der entsprechenden Genehmigungen seitens der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen (17).

5.7.2

Die Überwachungssysteme erfordern und müssen auch sicherstellen, dass die Vorgänge im Speicher selbst bestmöglich verstanden und modelliert werden. (Messungen an oder nahe der Erdoberfläche allein sind dazu nicht hinreichend aussagefähig.) Darum sollten die verwendeten Modelle möglichst mit zwei unabhängigen Simulations- bzw. Modellierungs-Systemen erfasst bzw. zertifiziert werden.

5.7.3

Als Definition von Leckage sollte festgelegt werden: „Austritt von CO2 aus dem Speicherkomplex, der durch Überwachungs-Systeme nach dem jeweils besten Stand der Technik belegbar ist“. Denn weder gibt es eine absolute (also 100 %ige) Dichtigkeit, noch wäre sie wegen der natürlichen CO2-Freisetzung des Bodens nachzuweisen. Zudem ist sie weder aus sicherheitstechnischen Gründen noch wegen des Klimaschutzes (18) erforderlich. Diese Definition mit einer Orientierung am jeweils besten Stand der Technik hätte zur Folge, dass der Stand der Überwachungs-Systeme — auch durch die Entwicklung von CCS weiter vorangetrieben — stetig verfeinert wird und so dynamisch zu weiter wachsender Sicherheit beiträgt.

5.7.4

Sofern bei späterem Routinebetrieb beabsichtigt werden sollte, zulässige Leckage-Grenzwerte zu definieren, könnte jene Maßzahl gewählt werden, bei der keinerlei sicherheits- und auch klimarelevanten Effekte auftreten und somit auch keine Auswirkung auf Emissionszertifikate gegeben wäre, also z.B. eine Leckage von 0,1 %/100a.

5.8

Die von der Kommission in Artikel 5, Absatz 3 vorgeschlagene Dauer von Explorationsgenehmigungen ist zu kurz bemessen. Erfahrungen zeigen, dass selbst bei optimalem Verlauf mindestens vier Jahre benötigt werden, um das Arbeitsprogramm der Exploration umzusetzen. Keinesfalls darf es geschehen, dass eine Exploration nur deswegen abgebrochen werden muss, weil die vorgeschriebene Frist einschließlich Verlängerung abgelaufen ist, selbst wenn nur noch wenige Daten fehlen. Daher sollte hierfür eine flexible Regelung vorgesehen werden, welche die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort berücksichtigt, aber zugleich vom Betreiber ein zielgerichtetes Vorgehen beim Explorationsprogramm fordert, um eine Blockade von potenziellen Speicherstätten durch verzögerte Explorationen zu verhindern.

5.9

Die Exploration einer potenziellen Speicherstätte erfordert Know-how, qualifiziertes Personal, Zeit und Geld, während der Erfolg keineswegs gewiss ist. Daher würde ein entscheidender Anreiz zur Exploration wegfallen, wenn dieses Engagement für Unternehmen nicht mit einem Vorgriff bei der Speichernutzung verbunden wäre. Die von der Kommission in Artikel 5, Absatz 4 vorgeschlagenen Regelung sollte daher durch ein erstes Zugriffsrecht auf den Speicher ergänzt werden, z.B. mit einem Satz (wie er sich bereits in Diskussion befand): „Nach Ablauf des Gültigkeitszeitraums wird die Explorationsgenehmigung entweder in eine Speichergenehmigung umgewandelt oder aber sie verfällt für den gesamten Speicherkomplex.“

5.10

Es ist richtig, dass ein Korrekturmaßnahmenplan zu erstellen ist. Allerdings sollte dieser Korrekturmaßnahmenplan (Artikel 9, Absatz 6 und Artikel 16, Absatz 1) entsprechend der zu ändernden Definition von Leckage (unter Artikel 3, Absatz 5) greifen.

5.11

Die von der Kommission vorgeschlagenen Artikel 6 bis 9 regeln den Antrag auf Speichergenehmigungen sowie die Voraussetzungen und den Inhalt von Speichergenehmigungen. Daraus wird deutlich, dass in einer geologischen Formation mehrere Betreiber tätig sein können.

5.11.1

Das Prinzip eines diskriminierungsfreien Zugangs wird vom Ausschuss grundsätzlich begrüßt. Hinsichtlich Haftung bei Leckagen und Verantwortungsübergang auf den Staat können sich jedoch schwierige Abgrenzungsfragen ergeben.

5.11.2

Aus diesem Grund sollte die Regel gelten, dass in einem Speicherkomplex nur ein Speicherbetreiber eine Genehmigung erhalten kann. Damit wäre eine klare Verantwortungszuordnung sichergestellt. Ein diskriminierungsfreier Zugang zum Speicher wäre gleichwohl durch Artikel 20 gewährleistet.

5.12

Gemäß dem Vorschlag der Kommission hat eine nationale Behörde vor abschließender Erteilung ihrer Genehmigung (Artikel 10 und Artikel 18) die Kommission zu unterrichten und dann deren Stellungnahme bis zu sechs lang Monate abzuwarten. Diese Stellungsnahme der Kommission sei dann bei der Genehmigung zu berücksichtigen oder ggf. bei Abweichung hiervon der Kommission gegenüber zu begründen.

5.12.1

Die vorgeschlagene Regelung würde zu zeitlichen Verzögerungen und zu erhöhtem administrativen Aufwand führen. Zudem entspricht sie nicht dem Subsidiaritätsprinzip.

5.12.2

Daher empfiehlt der Ausschuss, diese Regelungen der Richtlinie so zu modifizieren, dass zwar einerseits eine ausreichende Einheitlichkeit in den Vorgehensweisen der Mitgliedstaaten gewährleistet ist, dass aber andererseits keine vermeidbaren Verzögerungen entstehen und das Subsidiaritätsprinzip ausreichend respektiert wird. Eine Möglichkeit dafür wäre, den Genehmigungsvorgang auf eine Unterrichtungspflicht der nationalen Behörden gegenüber der Kommission zu beschränken. Im Falle von Verstößen stünde der Kommission das bewährte Instrument eines Vertragsverletzungs-Verfahrens gemäß Artikel 226 EGV zur Verfügung. Der Text von Artikel 10 könnte daher lauten: „Die zuständige nationale Behörde teilt der Kommission die Genehmigungsentscheidung über die Speicherung zur Überprüfung mit.“

5.13

Nach Meinung des Ausschusses benötigen die nationalen Behörden wirksame Instrumente und auch regelmäßige Kontrollen, um die Sicherheit der Speicher jederzeit zu gewährleisten. Seitens des Ausschusses wird allerdings bezweifelt, ob dazu auch die von der Kommission vorgeschlagene zusätzliche Überprüfung der Speichergenehmigung in fünfjährigem Abstand beiträgt. Denn sie brächte keinen zusätzlichen Sicherheitsgewinn, wohl aber zusätzlichen administrativen Aufwand für alle Beteiligten.

5.14

In Artikel 18 des Kommissionsvorschlags werden hohe Anforderungen bei der Übertragung der Verantwortung für den Speicher auf den jeweiligen Mitgliedstaat gestellt. Dies ist richtig und wird vom Ausschuss begrüßt.

5.14.1

In Artikel 18, Absatz 1 wird jedoch gefordert, dass alle verfügbaren Fakten darauf hinweisen, dass das gespeicherte CO2 für unabsehbare Zeit „vollständig“ zurückgehalten wird. Eine absolute Dichtigkeit kann es jedoch nicht geben und sollte dementsprechend nicht gefordert werden. Darum verweist der Ausschuss auf seine Aussagen in den Ziffern 5.7.3 und 5.7.4.

5.14.2

Um hier keine unüberwindliche Hürde für die Übertragung zu schaffen, sollte die Passage lauten: „… dass für absehbare (19) Zeit Leckagen nicht zu erwarten sind.“ (Hierbei wird die in Ziffer 5.7.3 angesprochene Definition unterstellt).

5.15

Gemäß Kommissionsvorschlag ist es erforderlich, dass die Unternehmen bei Erschließung von Speichern und Aufnahme des Speicherbetriebes eine finanzielle Sicherheit abgeben (Artikel 19). Dem stimmt der Ausschuss zu, wobei er begrüßt, dass die Form dieser Sicherheit den Mitgliedsstaaten überlassen bleibt.

5.15.1

Der Ausschuss hält es jedoch für nicht angemessen, diese Sicherheit bereits vor Antragstellung in voller Höhe zu leisten. Vielmehr sollte sich diese finanzielle Sicherheitsleistung grundsätzlich an der jeweiligen Sicherungsnotwendigkeit entsprechend des Projektfortschrittes orientieren. Andernfalls reduziert sich der bislang ohnedies unzureichende finanzielle Anreiz für Unternehmen, in diese neue Technik zu investieren.

5.15.2

Im Fall einer klimarelevanten Leckage ist der Nachkauf von Emissionszertifikaten erforderlich. Eine solche Leckage ist nach den umfangreichen Untersuchungen zur Erlangung der Speichergenehmigung nicht zu erwarten. Darum sollte für diesen Fall der Nachweis eines angemessenen und auch bei Insolvenz des Speicherbetreibers realisierbaren Anlagevermögens eine ausreichende finanzielle Sicherheit darstellen. Darüber hinausgehende Erfordernisse würden die Investitionsfähigkeit des Unternehmens angesichts der geringen Eintrittswahrscheinlichkeit unangemessen belasten.

5.16

Die zur Charakterisierung und Bewertung von Speicherstätten gemäß Anhang I verlangten Arbeiten berühren teilweise noch den Bereich Forschung und Entwicklung. Im Sinne einer praktikablen Handhabung sollte darum auch hier der „Stand der Technik“ als Referenz für die Erstellung der Antragsunterlagen gelten.

5.17

In Anhang 1 und beim „Risk-Assessment“ potentieller Speicherstätten sollte der Biosphären-Begriff präzisiert werden. Unter der Biosphäre, die nicht negativ beeinflusst werden darf, sollte nicht nur die Biosphäre an der Erdoberfläche berücksichtigt werden, sondern auch die Biosphäre bis in den Bereich der Trinkwasserleiter (Süßwasseraquifere).

5.18

Außerdem sollte die Zusammensetzung und die Arbeitsweise der Expertengruppe geklärt werden, welche für die laufende Überarbeitung des Anhangs zuständig ist.

Brüssel, den 9. Juli 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  CESE 1201/2008, CESE 1202/2008, CEse 1203/2008 vom 9.7.2008, noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.

(2)  KOM(2008) 13 endg.

(3)  CCS: Carbon Capture and Storage (Kohlenstoff — gemeint ist Kohlendioxid — Abscheidung und Speicherung). In TEN/340 — CESE 562/2008 wird vorgeschlagen, stattdessen die Abkürzung CCTS zu verwenden: Carbon Capture, Transport and Storage (… Transport und Speicherung). In der vorliegenden Stellungnahme wird weiterhin CCS benützt.

(4)  Z.B. ABl. C 162 vom 25.6.2008, S. 72.

(5)  Siehe CESE 1199/2008 vom 9.7.2008, noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.

(6)  Z.B. CESE 6437/2005 sowie neuerdings CESE 1246/2007. Noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.

(7)  Der Einsatz von CCS ist zunächst vorwiegend für die Elektrizitätserzeugung aus fossilen Energieträgern geplant. In der EU werden derzeit ca. 30 % der elektrischen Energie durch Kernenergie erzeugt, bei welcher praktisch kein CO2 emittiert wird.

(8)  Ratsbeschluss vom März 2007.

(9)  Biomasse hat (nur) dann einen positiven Einfluss auf die CO2-Emissionsbilanz, wenn der energetische Aufwand für Erzeugungs-, Transport- und Verarbeitungsprozesse die erzielte Energie-Ausbeute nicht übersteigt. Sofern ein Biomassekraftwerk mit CCS ausgestattet wird, besteht nach Artikel 24 a) der ETS-Richtlinie die Möglichkeit, das Kraftwerk entsprechend zu fördern.

(10)  Nämlich in jenen Mitgliedstaaten, welche beschlossen haben, Kernenergie nicht oder nicht mehr zu erzeugen.

(11)  Siehe dazu auch CESE 1246/2007. Noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.

(12)  Denn nur dann bestünden auch Risiken für die dort in unmittelbarer Nachbarschaft lebenden Menschen: anders als CO ist CO2 nicht toxisch; eine CO2-Konzentration in der Atemluft ist erst bei Konzentrationen oberhalb ca. 8 % lebensgefährlich (der derzeitige mittlere CO2 Anteil in der Luft liegt bei ca. 380 ppm (ppm: parts per million).

(13)  Im Gegensatz zur Nutzung der Geothermie.

(14)  Aus den Eisbohrkernen wurden Aussagen zum globalen Klimaverlauf der vergangenen 600 000 Jahre gewonnen. Daraus geht hervor, dass sich in der Vergangenheit Warm- und Eiszeiten in periodischem Abstand von typisch 100 000 Jahren in einem sägezahn-ähnlichen Zeitverlauf der Temperatur — und, damit korreliert, auch der CO2-Konzentration in der Atmosphäre — abgewechselt haben. Da wir uns schon seit längerem in einer Warmzeit befinden, also auf dem oberen Teil der Sägezahnkurve, während das Ende der letzten Warmzeit schon über 100 000 Jahre zurückliegt, wäre demzufolge in absehbarer Zukunft auch wieder eine allmähliche Absenkung der globalen Temperatur und CO2-Konzentration denkbar, falls die gegenwärtige anthropogene Emission von Treibhausgasen statt dessen nicht genau das Gegenteil bewirken würde.

(15)  Siehe dazu die generellen Empfehlungen von Punkt 3.3 in ABl. C 162 vom 25.6.2008, S. 72.

(16)  Häufig auch gefordert für „Gesundheit, Sicherheit und Umwelt“ (Englisch „Health, Security, Environment“ HSE).

(17)  Siehe dazu auch Artikel 13 (2) des Richtlinienvorschlags und Anhang II dort.

(18)  Andernfalls sind Emissionszertifikate nachzuweisen: ETS Handel.

(19)  Der Ausschuss weist hier darauf hin, dass der im Kommissionsvorschlag gebrauchte Begriff ‚unabsehbar‘ offensichtlich irreführend und widersprüchlich ist.