9.8.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 204/47


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen sowie zur Änderung der Richtlinie 67/548/EWG und der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006“

KOM(2007) 355 endg. — 2007/0121 (COD)

(2008/C 204/13)

Der Rat beschloss am 13. Juli 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen sowie zur Änderung der Richtlinie 67/548/EWG und der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 26. Februar 2008 an. Berichterstatter war Herr SEARS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 443. Plenartagung am 12./13. März 2008 (Sitzung vom 12. März) mit 124 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung und Empfehlungen

1.1

Die UNO hat im Auftrag ihrer Mitgliedstaaten das Modell eines „weltweit harmonisierten Systems“ (globally harmonised system, GHS) vorgeschlagen, das die Kriterien und Verfahren beinhaltet, die bei der „Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung von Chemikalien“ zur Anwendung kommen. Damit wird das Anliegen verfolgt, den Welthandel zu fördern und weniger entwickelte Länder in ihren Bemühungen um den Arbeits- und Verbraucherschutz zu unterstützen.

1.2

Der EWSA unterstützt das Ziel einer weltweiten Harmonisierung, die Form und die Rechtsgrundlage des von der Kommission vorgeschlagenen Rechtsakts für die Überführung des GHS und den für die Umsetzung durch Hersteller und Lieferanten vorgeschlagenen Zeitplan, der mit dem Ablauf der ersten Frist für die Registrierung von „Stoffen“ gemäß der Verordnung (EG) 1907/2006 (REACH) zusammenfällt.

1.3

Der EWSA teilt auch die Einschätzung der Kommission, dass Veränderungen an dem System, das sich in den letzten 40 Jahren in der EU herausgebildet hat, zwar unvermeidlich sind und breite Unterstützung finden, aber vermutlich auf kurze Sicht in der EU kaum Vorteile bringen und möglicherweise hohe Kosten verursachen. Deshalb ist der EWSA der Ansicht, dass es nötig gewesen wäre, in der ursprünglichen Folgenabschätzung größeres Augenmerk auf diese recht ungewöhnlichen Umstände zu legen. Ohne klar erkennbaren Gesamtnutzen sollte jede Ergänzung oder Änderung geltender Rechtsvorschriften, die für die Umsetzung des UNO-Vorschlags nicht unbedingt erforderlich ist, mit einer gesonderten gesundheitspolitischen, sicherheitstechnischen oder wirtschaftlichen Begründung versehen werden. Vor allem gilt es, dafür zu sorgen, dass die bestehenden Normen während der unvermeidlich langen Übergangszeit zwischen den beiden weitgehend gleichwertigen Systemen nicht in Frage gestellt werden. Ein zentrales Erfordernis ist die Aufklärung in der Verkaufsstelle.

1.4

Der EWSA ist zudem der Auffassung, dass angesichts des sehr straffen Zeitplans und der Notwendigkeit, die in der Anlaufphase anfallenden Kosten möglichst gering zu halten, beim Vorschlag und seiner sofortigen Umsetzung Spielraum für Flexibilität vorhanden ist. Es hat viele Jahre gedauert, das derzeitige System so auszugestalten, dass es EU-weit die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer und Verbraucher hinreichend schützt bzw. gewährleistet, und dies dürfte auch für das neue weltweit harmonisierte System gelten. Vor allem aber kommt es darauf an, sowohl bei der UNO als auch in der Kommission ausreichende langfristige Ressourcen einzusetzen, damit der Harmonisierungsprozess weitergeht und schließlich auch die eigentliche Einstufung und Kennzeichnung stark gehandelter Erzeugnisse einbezieht und nicht nur die Kriterien, auf denen die Einstufung beruht.

1.5

Kritisch sieht der EWSA die Länge des vorgeschlagenen Rechtsakts, sowohl für sich genommen als auch in Verbindung mit jüngst unterbreiteten Vorschlägen wie REACH, den vielen weiteren EU-Rechtsvorschriften, mit denen sie im Zusammenhang stehen, und der ständig anwachsenden Menge an Leitlinien, die jetzt für erforderlich gehalten werden. Ein neuer Ansatz ist unumgänglich, wenn die europäische Industrie (und erst recht der Prozess der Überwachung bzw. Änderung von Rechtsvorschriften) nicht unwiderruflich Schaden nehmen soll. Es ist ein Unding, davon auszugehen, dass jeder — vom Inhaber des kleinsten KMU bis zu den in der Regel größeren Gruppen von Sachbearbeitern in einer zuständigen nationalen Behörde — allein zu diesem Themenkomplex routinemäßig in einem über 20.000 Seiten umfassenden Regelwerk nachschlagen muss. Es muss ein besserer Lösungsweg gefunden werden.

1.6

In diesem Sinne bedauert der EWSA auch das Fehlen wichtiger Begriffsbestimmungen und insbesondere den Übergang von der Verwendung des Worts „Zubereitung“, das eine spezifische toxikologische Bedeutung hat, zu „Gemisch“, für das dies nicht gilt. Die Tatsache, dass noch immer keine Definition der Begriffe „Chemikalie“ und „chemisch“ vorliegt, stiftet weiter Verwirrung bei Arbeitnehmern, Verbrauchern, Führungskräften und Gesetzgebern. Dieser Vorschlag, der inhaltlich neutral und unstrittig sein soll, ist eine gute Gelegenheit, Fehler auf der Detailebene zu korrigieren, was in den technischen Anhängen bereits geschieht und in der Festlegung einheitlicher Definitionen, die quer durch alle einschlägigen Rechtsvorschriften gelten sollen, zum Ausdruck kommt. Dieses Problem sollte sofort angegangen werden, so dass man schließlich zu einem Glossar der wichtigsten Fachausdrücke in allen Sprachen gelangt, aus dem ersichtlich ist, welche Ausdrücke dasselbe bedeuten (wie es bei „Chemikalie“, „chemischer Stoff“ und „Stoff“ der Fall sein dürfte) und welche sich entweder in ihrer Bedeutung unterscheiden oder aber nicht miteinander zusammenhängen (wie zum Beispiel „Artikel“ und „Produkt“). Darüber hinaus müssten auch kulturbedingte Fehlinterpretationen oder Assoziationen, die in einigen Sprachen mit den Ausdrücken „Stoff“ (im Sinne von Rauschmittel, Alkohol oder Tabak) oder „chemische Stoffe“ (was einen Beiklang haben kann, der auf terroristische oder andere ungesetzliche Aktivitäten hindeutet) verbunden sind, ermittelt und vermieden werden.

1.7

Der EWSA verweist auch auf die doppelte Gefahr einer Überklassifizierung und Überkennzeichnung, durch die unerlässliche Warnhinweise letztlich an Wirksamkeit einbüßen, und des Sichverlassens auf die Kennzeichnung als alleinige Informationsquelle für Arbeitnehmer und Verbraucher gleichermaßen. Die wichtigsten Informationen müssen natürlich enthalten sein, aber Verweise auf andere, leicht zugängliche Quellen sind ebenfalls wichtig. Dass der Internethandel auf dem Vormarsch ist und die Vorzüge und Risiken bestimmter Erzeugnisse immer häufiger online recherchiert werden, deutet darauf hin, dass weitere Arbeiten in dieser Hinsicht erforderlich sind. Lange Listen standardisierter und fremder Bezeichnungen für die Bestandteile komplizierter Gemische entsprechen kaum den Erfordernissen des Notfall- und Sicherheitspersonals und der toxikologischen Zentren. Angaben zur Gesamtgefährdung und zu den Sicherheitsmaßnahmen nebst Daten zu Ansprechpartnern für eine Beratung rund um die Uhr bieten den Betroffenen den besten Schutz. In bestimmten Fällen, in denen es um proprietäre Formulierungstechnik geht, wird — wie im derzeit geltenden Recht — auch der Hersteller durch diesen Ansatz geschützt.

1.8

Der EWSA stellt fest, dass keine Kennzeichnung für die oft sehr kleinen Mengen vorgeschlagen wird, die zum Zwecke wissenschaftlicher Untersuchungen oder FuE-Arbeiten in der Wirtschaft von einem Labor an ein anderes weitergegeben werden. Diese könnte man aber ohne weiteres der Vielzahl von Kennzeichnungen hinzufügen, die von der UNO vorgeschlagen wurden, was der derzeit vorgeschlagenen äußerst restriktiven, unverhältnismäßigen und kostspieligen Ausnahmeregelung vorzuziehen wäre.

1.9

Abschließend bringt der EWSA zum Ausdruck, dass es immer stärker erforderlich sein wird, die Qualität der herangezogenen Daten und die weltweit in den einzelnen Staaten getroffenen Entscheidungen zu überprüfen. Zweifellos wird man sich immer weniger dem Druck entziehen können, die Ergebnisse der Einstufung selbst und nicht nur die dieser zugrunde liegenden Kriterien und Verfahren abzustimmen. Die globalen Erfordernisse und Nutzeffekte sind in diesem Falle leichter nachzuvollziehen.

2.   Einleitung

2.1

Dieser Vorschlag soll das geltende EU-Recht an das unlängst vereinbarte UN-Modell eines „weltweit harmonisierten Systems“ zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Rohstoffen, Zwischen- und Endprodukten anpassen, die als „gefährlich“ angesehen und als „chemische Stoffe“, „Stoffe“, „Gemische“ oder „Zubereitungen“ bezeichnet werden. Europäische Rechtsvorschriften, die bis in das Jahr 1967 zurückgehen, werden aufgehoben. Viele weitere Richtlinien und Verordnungen, darunter die derzeit umgesetzte Verordnung (EG) 1907/2006 (REACH), erfordern eine Novellierung. Längerfristig gesehen soll sich dies in der EU positiv auswirken, sofern die Kosten in Grenzen gehalten werden können und sich einige relativ geringe Nutzeffekte einstellen. Ingesamt dürfte der Welthandel dadurch erleichtert werden, während das hohe Schutzniveau für Gesundheit und Umwelt bestehen bleibt.

2.2

Ersetzt werden soll die 40 Jahre alte Richtlinie über gefährliche Stoffe (67/548/EWG). Sie gilt gemeinhin als erstes Beispiel für gesamteuropäisches Chemikalienrecht und diente vor allem dem Schutz der Arbeitnehmer. Die Gefahrstoff-Richtlinie und ihre zahlreichen Änderungen und Anpassungen an den technischen Fortschritt bieten Herstellern und Lieferanten, Arbeitnehmern, Händlern und Verbrauchern innerhalb und außerhalb der EU ein harmonisiertes System zur Einstufung „gefährlicher Stoffe“ mittels vorgeschriebener Prüfungen anhand vereinbarter Endpunkte und Gefahrenmerkmale. Sie regelt die ordnungsgemäße Kennzeichnung, die mit Hilfe einer begrenzten Zahl von Piktogrammen und Standardaufschriften auf mögliche Risiken aufmerksam machen und Verfahren für den sicheren Umgang empfehlen soll, und die Verpackung, die dem Schutz regelmäßiger Anwender und schutzbedürftiger Gruppen, insbesondere Kleinkindern, dient.

2.3

Einundzwanzig Jahre nach Verabschiedung der Richtlinie 67/548/EWG wurde das Verfahren durch die Richtlinie 88/379/EWG über gefährliche Zubereitungen von den „Stoffen“ (einer relativ abgeschlossenen Liste von „Elementen und ihren Verbindungen“) auf die theoretisch unendliche Liste der „Zubereitungen“ („Gemische von zwei oder mehr Stoffen“) ausgeweitet. In der Erkenntnis, dass Tierversuche in einer solchen Größenordnung nicht erwünscht oder gar nicht möglich waren, fand mit dieser Richtlinie erstmals ein theoretischer Zusammenhang zwischen den bekannten oder bestimmbaren Gefahren der Bestandteile und dem wahrscheinlichsten Gefahrengrad des Gemischs Eingang in das europäische Recht. Dieser konnte herangezogen werden, um die Zubereitung einzustufen, zu kennzeichnen und zu verpacken, ohne dass weitere Prüfungen erforderlich waren.

2.4

Da es sich bei der übergroßen Mehrheit der von Verbrauchern gekauften Produkte um „Zubereitungen“ (oder gar „Artikel“) handelt, war dies ein wichtiger Schritt in Richtung Verbraucherschutz bei Erzeugnissen, die nicht bereits Gegenstand spezieller, auf einzelne Kategorien begrenzter Richtlinien sind, wie sie beispielsweise für Pflanzenschutzmittel, Detergenzien und Kosmetika gelten. Die Richtlinie von 1988 erfuhr 1999 durch die Richtlinie 1999/45/EG deutliche Veränderungen.

2.5

Die genannten Richtlinien bildeten zusammen mit der flankierenden Sicherheitsdatenblatt-Richtlinie 91/155/EWG, die in der Folgezeit ebenfalls abgeändert wurde, viele Jahre lang einen Grundpfeiler des Arbeits- und Verbraucherschutzes in der EU. Sie stehen mit nahezu allen anderen EU-Rechtsvorschriften zum Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz im Zusammenhang und fließen in diese ein. Es ist eine ständige Aktualisierung erforderlich, um Veränderungen des Geltungsbereichs, der Produktions- und Prüfverfahren, des Produktangebots und der Einsatzmöglichkeiten ebenso zu berücksichtigen wie die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Folgen dieser Entwicklung und den Möglichkeiten, unerwünschte Auswirkungen zu mildern.

2.6

Ebenso bedeutsam ist, dass mit diesen Richtlinien „Binnenmarktziele“ in dem Sinne verfolgt werden, dass in der EU für die verschiedenen betroffenen Produkte ein einheitlicher Markt entstehen soll. Der Handel mit Produkten im Inland, unabhängig davon, ob es sich um Rohstoffe, Naturprodukte oder synthetische Produkte, Zwischenprodukte oder Abfallströme, Fertigwaren oder Artikel handelt, und deren Ausfuhr in andere Mitgliedstaaten kann gefahrlos erfolgen, sofern die genannten und andere einschlägige EU-Rechtsvorschriften eingehalten werden.

2.7

Die Europäische Kommission legte 2001 ein Weißbuch mit dem Titel „Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik“ vor. Es mündete im vorigen Jahr in die Verabschiedung der Verordnung (EG) 1907/2006, die unter dem Namen REACH (Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe) bekannt geworden ist. Die zeitgleich veröffentlichte und verabschiedete flankierende Richtlinie 2006/121/EG brachte weitere Änderungen der Richtlinie 67/548/EWG mit sich, um die beiden miteinander in Einklang zu bringen. Der Prozess wird sich vermutlich fortsetzen, wenn mehr Daten zur Verfügung stehen oder sich der Gesetzgebungsbedarf verändert.

2.8

Alle getroffenen Feststellungen betreffen und berühren die Herstellung, den Vertrieb und das Inverkehrbringen von genau bezeichneten Produkten innerhalb der EU und den Handel zwischen der EU und ihren Import- und Exportpartnern. Zwangsläufig haben sich weltweit im gleichen Zeitrahmen in einer Reihe von Volkswirtschaften, mit denen die EU über zahlreiche große, mittlere und kleine Unternehmen inner- und außerhalb ihrer Grenzen regelmäßig Handel treibt, ähnliche, aber nicht deckungsgleiche Systeme herausgebildet.

2.9

Eine Reihe anderer Länder, deren Wirtschaft und Rechtsordnung in der Regel einen weniger hohen Entwicklungsstand aufweist, hat die Notwendigkeit eines Systems zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung „gefährlicher Stoffe“ erkannt, will aber die Einigung auf ein weltweit anerkanntes Modell abwarten, um dieses dann im Inland umzusetzen.

2.10

Als die Vereinten Nationen Anfang der 90er-Jahre erkannten, dass eigene nationale oder regionale Systeme zwar für den Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz von wesentlicher Bedeutung waren, aber auch Hemmnisse für den Welthandel darstellen konnten, erbaten sie ein Mandat für den Vorschlag eines weltweit harmonisierten Systems (GHS) zur „Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung von Chemikalien und die Erstellung von Sicherheitsdatenblättern“. Bei der Harmonisierung konnte man auf bereits vorhandene Modelle im Transportsektor zurückgreifen, insbesondere für physikalische Gefahren und akute Toxizität.

2.11

Die Zustimmung zur Verfolgung dieses umfassenden Ansatzes erfolgte in Kapitel 19 der Agenda 21, die 1992 auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED) verabschiedet wurde. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und der Sachverständigenausschuss der Vereinten Nationen für die Beförderung gefährlicher Güter (UNSCETDG) sollten technische Zuarbeit leisten.

2.12

Nach fast zehnjähriger Arbeit einigten sich die Vertreter der etwa 160 mitwirkenden UN-Mitgliedstaaten im Dezember 2002 auf den technischen Inhalt des neuen GHS. Der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung (WSSD), der im September des gleichen Jahres in Johannesburg stattfand, rief die Signatarstaaten auf, „das GHS möglichst bald umzusetzen, damit das System bis 2008 voll funktionsfähig ist“. Im Juli 2003 wurde das GHS der UN, das nun den Zieltermin 2008 für die Umsetzung enthielt, vom Wirtschafts- und Sozialrat der UN angenommen. Die Vereinbarungen wurden von Vertretern aller 27 Mitgliedstaaten der mittlerweile erweiterten EU unterzeichnet.

2.13

Im Jahre 2004 wurden verschiedene Änderungsanträge zum ursprünglichen UN-Vorschlag angenommen und in die Empfehlungen für „ein weltweit harmonisiertes System der Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (GHS)“ einbezogen, die 2005 von der UNO vorgelegt wurden. Das 540 Seiten umfassende Dokument und die daran vorgenommenen Veränderungen sind unter der Bezeichnung „Purple Book“ (wegen der violetten Farbe des Einbands) bekannt geworden. Zu 65 Ländern, darunter 27 aus der EU, gibt die einschlägige UN-Website Auskunft darüber, wie sie bei der Erreichung der Zielmarke 2008 vorangekommen sind.

2.14

Weitere technische Änderungen wurden von der UN 2006 beschlossen, darunter eine 2007 veröffentlichte Überarbeitung des „Purple Book“. Wie dies bei einem so umfassenden und komplexen Prozess der weltweiten Harmonisierung bestehender Systeme unvermeidlich war, enthielten die Vorschläge eine Mischung aus alten und neuen Prüfkriterien und Endpunkten, Piktogrammen, anerkannten Hinweissätzen und Kennzeichnungen. Es wird nach dem „Baukastenprinzip“ verfahren, damit unterschiedliche Auffassungen nebeneinander fortbestehen und sich die teilnehmenden Staaten um einen Konsens bemühen können (bei übermäßigem Gebrauch würden allerdings viele der erwarteten Vorteile ausbleiben).

2.15

Das von der UN vorgeschlagene Modell hat jedoch keine Gesetzeskraft, so dass die Länder, die sich daran halten wollen, dafür eine Rechtsgrundlage schaffen müssen. Für die EU-Mitgliedstaaten ist ein Vorschlag der Kommission erforderlich.

2.16

Die Kommission begann 2004 mit der Erarbeitung eines entsprechenden Vorschlags und legte 2006 einen ersten Entwurf für ein dem GHS entsprechendes EU-System vor. Im gleichen Zeitraum wurden Folgenabschätzungen durchgeführt und deren Ergebnisse veröffentlicht. Eine Internet-Befragung von Interessengruppen im dritten Quartal 2006 sowie eine Reihe von Bedenken des Juristischen Dienstes der Kommission führten zu einer größeren Überarbeitung des ursprünglichen Vorschlags. Dieser wurde letztendlich von der Kommission gebilligt und im Juni 2007 veröffentlicht. In der zuständigen Arbeitsgruppe des Rates sind die technischen Überprüfungen bereits angelaufen. Wie üblich erwartet man jetzt, dass das Europäische Parlament, der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) und der Ausschuss der Regionen Stellungnahmen dazu abgeben.

2.17

Es besteht weithin der Wunsch, dass die laufenden Überprüfungen weder eine Verzögerung noch eine spürbare Veränderung der Vorschläge nach sich ziehen. Deren Nutzen gilt allgemein als diffus, betrifft vor allem den Welthandel und kommt ohne Harmonisierung nicht zum Tragen. Die innerhalb der EU (oder beim Handel mit der EU) anfallenden Kosten werden stark ansteigen, wenn der Zeitplan für die Überführung nicht mit dem bereits für REACH vereinbarten Zeitplan übereinstimmt. Günstige Auswirkungen auf den Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz werden sich weitgehend außerhalb der EU in Ländern bemerkbar machen, die noch nicht über eigene effektive Systeme verfügen.

2.18

Die Umsetzung des GHS hat Folgewirkungen für das EU-Beförderungsrecht und für eine Fülle „nachgeordneter“ EU-Rechtsvorschriften zu Verbrauchsgütern, zum Umgang mit Chemikalien für bestimmte Anwendungen, zur Kontrolle gefährlicher chemischer Stoffe, zum Arbeitsschutz, zu Abfällen und Altprodukten. In den nächsten Jahren werden weitere Vorschläge unterbreitet, um diese Bereiche erforderlichenfalls einzubeziehen. Im August 2006 legten die Dienststellen der Kommission eine vollständige Liste der Rechtsvorschriften vor, die vermutlich davon betroffen sind. Änderungen der Verordnung (EG) 1907/2006 (REACH) sind im derzeitigen Vorschlag enthalten.

3.   Zusammenfassung des Vorschlags der Kommission

3.1

Der Vorschlag ist in drei „Bände“ und sieben „Anhänge“ untergliedert. In der englischsprachigen Fassung sind dies gut 2.100 Seiten. Obwohl die Kernpunkte des Vorschlags im relativ kurzen Band I (64 Seiten) enthalten sind, finden sich überall im Text neues Material bzw. neue oder überarbeitete Fassungen alten Materials. Deshalb muss der Vorschlag in seiner Gesamtheit als wichtiges Element des EU-Primärrechts und innerstaatlichen Rechts angesehen werden, das Aufsichtsbehörden, Hersteller, Lieferanten, Groß- und Einzelhändler, Arbeitnehmer und Verbraucher innerhalb und außerhalb der EU berührt.

3.2

Band II, der den Anhang I enthält, erläutert im Detail die Vorschriften für die Einstufung und Kennzeichnung von gefährlichen Stoffen und Gemischen (154 Seiten).

3.3

Band III, der die Anhänge II bis VII umfasst, beinhaltet eine Reihe besonderer Vorschriften für bestimmte Stoffe und Gemische; Listen neuer Gefahren- und Sicherheitshinweise; neue Gefahrenpiktogramme; eine detaillierte harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung für bestimmte gefährliche Stoffe; und eine Tabelle für die Umwandlung einer Einstufung und Kennzeichnung gemäß Richtlinie 67/548/EWG entsprechend den neuen Erfordernissen und Gefahrenhinweisen der vorgeschlagenen Verordnung (430 Seiten). Ein „Finanzbogen“ für den gesamten Vorschlag, der zu einer ordnungsgemäßen Bewertung des Vorschlags gehört, aber im Falle von Primärrecht kaum von bleibendem Wert oder Interesse ist, findet sich — eher versteckt — ganz am Ende des Bandes.

3.4

Die Bände IIIa und IIIb enthalten die Tabellen 3.1 und 3.2 als Bestandteile von Anhang VI, wie in Band III dargelegt. Zusammengenommen stellen sie die Umwandlung von Anhang 1 der derzeitigen Richtlinie 67/548/EWG — fast 1.500 Seiten mit Entscheidungen zur Einstufung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe, die das Ergebnis von 40 Jahren Bewertungspraxis in der EU sind — in den neuen rechtlichen Rahmen dar.

3.5

Die Folgenabschätzung der Kommission, die im Zusammenhang mit den oben getroffenen Feststellungen zu sehen ist, beruht auf Gutachten der Beratungsfirmen RPA und London Economics und ist relativ kurz (34 Seiten).

3.6

Der Vorschlag erfolgt gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags in Form einer Verordnung. „Für alle Lieferanten von Stoffen und Gemischen auf dem Binnenmarkt sollen gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen und gleichzeitig soll ein hohes Schutzniveau für Gesundheit, Sicherheit, Umwelt und Verbraucher sichergestellt werden.“

3.7

Im vorgeschlagenen Rechtsakt wird eingeräumt, dass sich der Anwendungsbereich des geltenden EU-Rechts nicht mit dem Anwendungsbereich des GHS-Vorschlags der UN deckt. Beide unterscheiden sich im Einzelnen von den bereits weitgehend harmonisierten beförderungsrechtlichen Vorschriften zur Einstufung und Kennzeichnung. Die im Rahmen des Vorschlags notwendigen Veränderungen wurden nach Möglichkeit auf ein Mindestmaß reduziert. In einigen Fällen werden weitere Vorschläge erforderlich sein, insbesondere während der Umsetzungsphasen von REACH.

3.8

Einige neue Begriffe und Definitionen aus dem GHS der UN haben Eingang in den Vorschlag gefunden; so ist jetzt nicht mehr von „Zubereitungen“, sondern von „Gemischen“ die Rede.

3.9

Im Vorschlag wird eingeräumt, dass ein neues Klassifizierungssystem zum ausgedehnten Einsatz von Versuchstieren führen könnte. Es sollte möglichst auf andere Methoden zurückgegriffen werden. Versuche an Menschen und anderen Primaten zu Einstufungszwecken sind anscheinend (je nach der rechtlich und sprachlich ungeklärten Unterscheidung zwischen „sollte nicht“ und „darf nicht“ in den einzelnen Amtssprachen der EU) im Kommissionsvorschlag ausdrücklich untersagt (das GHS-Modell der UN hingegen lässt derartige Prüfungen zu).

3.10

Die Probleme, die sich aus der Einstufung von „Gemischen“ ergeben, werden anerkannt. „Übertragungsgrundsätze“ erleichtern die Bestimmung der Eigenschaften anhand ähnlicher geprüfter Gemische.

3.11

Der Vorschlag sieht die Möglichkeit vor, eine chemische Kurzbezeichnung zu verwenden, wenn die offizielle Bezeichnung eines Stoffes allein oder als Bestandteil eines Gemischs, wie sie in der Nomenklatur der Internationalen Union für reine und angewandte Chemie (IUPAC) angegeben ist, aus mehr als 100 Zeichen besteht. Auch die Produktidentifikatoren (Nummern und Namen) des Chemical Abstracts Service der American Chemical Society (CAS) werden weiter verwendet. Aus dem geltenden Recht wird die kontrollierte Verwendung von generischen Namen beibehalten, mit denen voraussichtliche Gefahren richtig benannt werden können, ohne die Rechte an geistigem Eigentum zu gefährden, die mit der genauen Zusammensetzung eines Gemischs zusammenhängen.

3.12

Es wird im Detail auf die erforderliche Phase des Übergangs von einem System auf das andere eingegangen. Dabei wird als gegeben angesehen, dass die neuen Kriterien zuerst auf „Stoffe“ und später auf „Gemische“ anzuwenden sind. Um die Unternehmen nicht unnötig zu belasten, müssen Produkte („Stoffe“ und „Gemische“), die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Bestimmungen bereits in der Lieferkette befinden, nicht neu gekennzeichnet werden.

3.13

Die Mitgliedstaaten sind gehalten, Behörden zur Anwendung und Durchsetzung der Verordnung zu benennen sowie „Vorschriften über Sanktionen für Verstöße“ festzulegen. Es heißt dazu: „Eine gute Zusammenarbeit zwischen allen zuständigen Behörden ist von wesentlicher Bedeutung.“

3.14

Die Verordnung gilt grundsätzlich für alle Stoffe und Gemische, sofern nicht andere Rechtsvorschriften der Gemeinschaft besondere Regelungen enthalten. Kosmetische Mittel, Aromastoffe, Zusatzstoffe für Lebensmittel, Erzeugnisse für die Tierernährung und Tierarzneimittel, bestimmte medizinische Geräte; Produkte, die den Beförderungsvorschriften für die Zivilluftfahrt, den Güterkraftverkehr und den Eisenbahnverkehr unterliegen, sowie Munition (nicht aber „Stoffe, die wegen ihrer pyrotechnischen Wirkung in Verkehr gebracht werden“, d.h. Feuerwerkskörper) sind vom Geltungsbereich der Verordnung ausgenommen.

3.15

Abfälle im Sinne der Richtlinie 2006/12/EG können laut Vorschlag nicht als „Stoff“, „Gemisch“ oder „Artikel“ im Sinne der Verordnung eingestuft werden und sind daher von ihrem Geltungsbereich ausgenommen.

3.16

Legierungen im Sinne von Artikel 3 Ziffer 41 der Verordnung (EG) 1907/2006 (REACH) gelten als „Gemische“ und fallen daher unter die Verordnung, wie vermutlich auch echte „Gemische“ (aber keine „Zubereitungen“ im eigentlichen Sinne) natürlich vorkommender Stoffe, wie Metallerze, Mineralien und Pflanzenextrakte.

3.17

Die Kennzeichnungsvorschriften unterscheiden sich in gestalterischer und inhaltlicher Hinsicht von der bisherigen EU-Praxis. Einige Piktogramme treten an die Stelle der bisherigen Symbole; andere kommen neu hinzu. Die derzeit zulässigen einheitlichen R-Sätze und S-Sätze werden durch neue „Signalwörter“, „Gefahrenhinweise“ und „Sicherheitshinweise“ ersetzt.

3.18

Alle vereinbarten Begriffe und Hinweise werden in sämtlichen Amtssprachen der EU definiert und müssen entsprechend den Erfordernissen auf jedem Kennzeichnungsschild erscheinen, je nachdem, in welchem Land das Produkt letztendlich vertrieben wird. Es können mehrere Sprachen Verwendung finden, doch wird der dafür verfügbare Platz immer knapper. (In Sonderfällen kann zusätzlich die Übersetzung von Kennzeichnungsschildern und Begleitunterlagen in Sprachen erforderlich sein, die wie Walisisch gesetzlich vorgeschrieben, aber keine Amtssprachen sind, oder die wie Russisch, Türkisch, Arabisch oder Hindi verwendet werden, weil dies den Erfordernissen bestimmter indigener oder zugewanderter Bevölkerungsgruppen entspricht.)

3.19

Der Vorschlag geht davon aus, dass die Einstufung und somit auch die Kennzeichnung und Verpackung in der EU mit einer ständigen Aktualisierung verbunden ist, wenn neue Informationen und Erkenntnisse vorliegen oder sich die Prüfmethoden bzw. gesetzlichen Anforderungen verändern. Im Text wird dargelegt, welche Veränderungen Maßnahmen erfordern und wie dann zu verfahren ist.

3.20

Die Verordnung soll 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft treten. Stoffe dürfen nur noch bis spätestens 1. Dezember 2010 (zeitgleich mit dem Ablauf der Registrierungsfrist für REACH) nach den derzeit geltenden Rechtsvorschriften eingestuft, gekennzeichnet und verpackt werden, Gemische bis spätestens 1. Juni 2015. Danach gelten ausschließlich die neuen Vorschriften.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Die UN hat im Auftrag sämtlicher Mitgliedstaaten das Modell eines „weltweit harmonisierten Systems“ für die Kriterien und Verfahren der Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung „chemischer Stoffe“ vorgeschlagen. Die Mitgliedstaaten der EU haben sich darauf verständigt, das Modell möglichst bis 2008 zu übernehmen. Zur Überführung in das EU-Recht hat die Kommission die hier erörterte Verordnung vorgeschlagen.

4.2

Der EWSA unterstützt mit Nachdruck das Ziel einer weltweiten Harmonisierung, die Form und Rechtsgrundlage des vorgeschlagenen Rechtsakts und den Termin für die Umsetzung, der mit dem Ablauf der ersten wichtigen Frist für die Registrierung von Stoffen nach der Verordnung (EG) 1907/2006 (REACH) zusammenfällt.

4.3

Der EWSA bringt zum Ausdruck, dass bei der parallelen Handhabung der beiden Systeme Flexibilität erforderlich ist, insbesondere bei „Gemischen“, die vielfach selbst „Gemische“ von „Gemischen“ darstellen, welche jeweils eine bestimmbare und bisweilen lange Haltbarkeit aufweisen, die Monate oder gar Jahre beträgt. Die Umstellung wird vermutlich nicht vollständig innerhalb des vorgeschlagenen Zeitrahmens erfolgen, was aber glücklicherweise nicht bedeutet, dass der Prozess keine Wirkung zeitigt. Ohne die notwendige Flexibilität fallen in der Anlaufphase erhöhte Kosten an und stellen sich die beabsichtigten langfristigen Nutzeffekte möglicherweise gar nicht ein.

4.4

Der EWSA nimmt auch billigend die einleitende Feststellung in der Folgenabschätzung der Kommission zur Kenntnis, wonach sich „die Umsetzung des GHS ... auf lange Sicht als lohnend erweisen dürfte, weil der (andauernde) Nutzen durch Kosteneinsparungen ... die nur einmal anfallenden Kosten für die Umsetzung aufwiegen wird“, „die Umsetzungskosten allerdings nicht ausufern (dürfen), damit bereits in absehbarer Zukunft ein Nettonutzen erkennbar wird und für die KMU unnötige Kosten und überflüssiger Verwaltungsaufwand vermieden werden“.

4.5

Der EWSA nimmt zudem die von der Kommission im Finanzbogen getroffene Feststellung zur Kenntnis, wonach sich „der Rechtsakt aus der Umsetzung einer internationalen Vereinbarung (ergibt). Auch eine negativ ausfallende Ex-ante-Bewertung hätte nicht die Rücknahme des Legislativvorschlags durch die Kommission zur Folge, da es keine politische Alternative gibt. Eine negative Ex-post-Bewertung würde die Kommission nicht dazu veranlassen, vom international vereinbarten System für die Einstufung und Kennzeichnung abzurücken.“

4.6

Die Kommission meinte also, keine andere Wahl zu haben, als den Vorschlag zu unterbreiten, und zwar unabhängig davon, ob die veranschlagten oder tatsächlichen Kosten dem erwarteten Nutzen entsprechen. Auch der EWSA hält dies unter den gegebenen Umständen für realistisch, bedauert aber, dass bei der Folgenabschätzung — auch wenn sie für die Entscheidungsfindung nicht ausschlaggebend war — die Frage der voraussichtlichen Umsetzungskosten nicht näher untersucht wurde, um die Folgen schon bei der Abfassung des Rechtsakts abzumildern. Die Tatsache, dass das gleiche Beratungsunternehmen (RPA) eine detaillierte (und gegensätzliche) Analyse zu lediglich einem der betroffenen Sektoren (bestimmte Verbrauchsgüter) erarbeitet hat, lässt darauf schließen, dass dies in größerem Umfang und mit größerer Effektivität hätte erfolgen können, wenn Geld, Zeit und der Willen dazu vorhanden gewesen wären. Wie bei allen Harmonisierungsprozessen besteht ganz offensichtlich die Gefahr eskalierender Kosten bei dahinschwindendem Nutzen.

4.7

Beispielsweise ist nicht ohne weiteres einzusehen, wieso der Umstieg von einem bewährten und gut funktionierenden System auf ein ebenso taugliches, aber fremdes System einen unmittelbaren Nutzen für den Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz in der EU bringen soll. Kurzfristig gesehen könnte der Verbraucherschutz sogar darunter leiden, weil zwei Systeme mit unterschiedlichen Begriffen, Hinweisen und Piktogrammen nebeneinander bestehen. Ein koordiniertes Schulungsprogramm mit dem Einzelhandel als Schwerpunkt könnte dazu beitragen, diese Gefahr zu mindern.

4.8

Es bestehen konzeptionelle Schwierigkeiten in dem Sinne, wie die Vorteile für den Welthandel voll zum Tragen kommen sollen, wenn die Länder den UN-Vorschlag in unterschiedlichem Zeitrahmen und mit unterschiedlicher Auslegung der grundlegenden Erfordernisse umsetzen. Die frühzeitige Umsetzung durch Japan und Neuseeland hat bereits zu Besorgnissen in Europa Anlass gegeben. In den USA ist der Umstieg noch lange nicht vollzogen, denn es laufen derzeit vier oder fünf Systeme parallel. Auch künftig werden natürlich für weltweit gehandelte Waren verschiedene Sprachfassungen benötigt, so sehr auch die notwendigen Kennzeichnungsschilder und Sicherheitsdatenblätter harmonisiert werden.

4.9

Bestenfalls handelt es sich also um den Beginn eines Harmonisierungsprozesses, der im globalen Maßstab dem entspricht, was bereits in den EU-Mitgliedstaaten erfolgt ist, und der zur Weiterführung auf globaler Basis Ressourcen, begleitende Maßnahmen und Verfahren in gleichem Umfang erfordert. Dies ist eine ungewohnte Rolle für die Kommission, die ausreichende Ressourcen bereitstellen muss, damit bei dem vorgeschlagenen Rechtsakt die unvermeidlichen Änderungen, Aktualisierungen und Anpassungen an den technischen Fortschritt zeitnah und effektiv erfolgen können. Es lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, ob der Finanzbogen bzw. die Vorschläge für Komitologie und anschließende Prüfungen dafür ausreichen.

4.10

Ähnliche Bemerkungen sollten an die UN gerichtet werden, damit bei weltweit stark gehandelten „chemischen Grundstoffen“ (und letztendlich bei der Mehrzahl der weltweit stark gehandelten Verbrauchsgüter) möglichst bald nicht nur eine vollständige Harmonisierung der Einstufungskriterien stattfindet, sondern auch der Einstufungen, die tatsächlich vorgenommen wurden und als Grundlage für die Kennzeichnung und Verpackung dienen. In beiden Fällen ist eine enge und kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen den Herstellern der Produkte und den zuständigen Aufsichtsgremien von wesentlicher Bedeutung.

4.11

In der EU muss sich die Kommission noch mit zwei miteinander verknüpften Problemkreisen befassen: zum einen mit den vielen nur teilweise definierten Beziehungen zu den eigenen „nachgeordneten“ Rechtsvorschriften und zum anderen mit der Anerkennung und Berücksichtigung von Erfordernissen einzelner Sektoren, namentlich im Bereich der Konsumgüter. Da beide Systeme als gleichermaßen effektiv gelten, sollte ein hinreichender Spielraum bestehen, um den breiten Rahmen für den Vorschlag möglichst bald zu vereinbaren.

4.12

In diesem Zusammenhang sollten die Gesundheit und die Sicherheit der „Arbeitnehmer“ (am Arbeitsplatz) und „Verbraucher“ (in Einzelhandelsgeschäften, beim Online-Einkauf oder zu Hause) natürlich weiterhin den größtmöglichen Schutz genießen. Jedoch sind das Umfeld, der Informationsbedarf und die Orientierungsmöglichkeiten der beiden Personengruppen höchst unterschiedlich. Dies wird im Vorschlag nur teilweise berücksichtigt. Es ist nicht notwendig, alles in ein Schema zu pressen. Neueren Trends der Konsummuster, insbesondere dem Internet-Shopping, ist Rechnung zu tragen. Im Hinblick auf den Inhalt der Kennzeichnungen und die Relevanz der Angaben sollten auch die beruflichen Erfordernisse von Nothelfern, Erste-Hilfe-Diensten und toxikologischer Zentren berücksichtigt werden.

4.13

Neben dem Kennzeichnungsschild sollten auch die Verfügbarkeit und der Wert anderer Informationsquellen anerkannt werden, insbesondere für Verbraucher, denn diese können auch anhand von Auskünften der Verbraucherverbände oder Online-Informationen der meisten Hersteller oder Lieferanten fundierte Entscheidungen treffen. Die lapidare Feststellung der Kommission „Das Kennzeichnungsschild ist das einzige Mittel zur Kommunikation mit den Verbrauchern“ ist folglich eine zu starke Vereinfachung. Wer ausschließlich auf das Kennzeichnungsschild angewiesen ist, möglicherweise lange nach dem Erwerb, benötigt unbedingt prägnante, verständliche und aussagefähige Informationen. Wer genauere Angaben wünscht, kann sich diese im Rahmen des geltenden EU-Rechts oder der guten Handelspraxis mühelos beschaffen. Die zahlreichen individuellen Kaufentscheidungen, die allein aufgrund der Markentreue getroffen werden, wirken in zweierlei Richtung. Ein Produkt wird für sicher gehalten, weil es vom Unternehmen X hergestellt wird, und der hohe Stellenwert der Markentreue sorgt dafür, dass das Unternehmen X wirklich sichere Produkte anbietet und sie neu konfektioniert, umgestaltet oder zurückzieht, wenn dies nicht zutrifft. (Einige fraglos kostspielige weltweite Rückrufaktionen bei Spielzeug und anderen Konsumgütern, die in letzter Zeit stattfanden, weil die innerbetriebliche Qualitätskontrolle versagte, sind anschauliche Beispiele dafür.)

4.14

Im Falle von Arbeitnehmern und sonstigen Personen, die sich an Arbeitsstätten aufhalten, in denen in der Regel stärkere und/oder längere Expositionen auftreten und alle Beteiligten täglich für den höchstmöglichen Arbeits- und Gesundheitsschutz sorgen müssen, sind die Verpackungen und Mengen im Allgemeinen größer, so dass eine detailliertere Kennzeichnung erfolgen kann. Auch hier besteht kein Mangel an zusätzlichen Informationen, die zu einem großen Teil nach EU-Recht oder anderen Vorschriften bei oder vor der Anlieferung von Rohstoffen oder Zwischenprodukten zur Weiterverarbeitung bereitzustellen sind. Eine US-amerikanische Website, die nach Angaben eines früher (im Februar 2005) vorgelegten Informationsberichts des EWSA zu REACH 1,4 Millionen Sicherheitsdatenblätter bereithält, verfügt jetzt über 3,5 Millionen, und es sollen jeden Tag etwa 10.000 hinzukommen. Sicherheitsdatenblätter, die auf die EU zugeschnitten sind und Angaben zu Stoffen und Zubereitungen in den entsprechenden Landessprachen enthalten, sind bei den meisten Herstellern und Lieferanten sowie einigen zentralen Stellen erhältlich und müssen natürlich den europäischen Verbrauchern vor der Lieferung zur Verfügung gestellt werden. Da sie in allen einschlägigen Sprachen und von sämtlichen Herstellern und Lieferanten für alle Produkte erstellt werden müssen, sind sehr viele einzelne Datenblätter erforderlich, die regelmäßig oder beim Erlass neuer Rechtsvorschriften wie der vorliegenden Verordnung aktualisiert werden müssen.

4.15

Ergänzend dazu ermöglicht das (im Juni 2007) neu eingerichtete eChemPortal der OECD den leichten Zugriff auf eine Reihe von Datenbanken, die von den Regierungen und Einrichtungen der Mitgliedstaaten unterhalten werden, darunter dem Europäischen Büro für chemische Stoffe der EU. Diese Datenbanken enthalten Angaben zu Zehntausenden von einzelnen Stoffen, die in der EU hergestellt und in Verkehr gebracht werden, und tragen Kurzbezeichnungen wie ESIS (EU), CHRIP (Japan), OECD HPV (OECD), SIDS HVPC (UNEP), HPVIS (US EPA) und INCHEM (IPCS), doch findet man darunter auch bekanntere und häufig verwendete EU-Informationsquellen wie IUCLID, ORATS, HPVCS, LPVCS, ELINCS und EINECS sowie sektorspezifische Sammlungen wie SEED, EUROPHYT, PHYSAN und CAT. Weltweit koordinierte Meldesysteme wie Pharmacovigilance und Cosmetovigilance sorgen dafür, dass unerwünschte Wirkungen bestimmter Produkte schnell zentral erfasst werden. Die Ausweitung dieser gemeinsamen Frühwarnprogramme der jeweiligen Branche und Aufsichtsbehörde auf andere weit verbreitete Konsumgüter sollte gefördert werden.

4.16

Es ist sicher zu begrüßen, dass diese Datenquellen vorhanden und ohne weiteres verfügbar sind, vor allem wenn wirklich alle Sicherheitsblätter, alle Produktinformationen aktualisiert werden können, um wesentliche Änderungen zum Ausdruck zu bringen, die sich im Rahmen der unterschiedlichen nationalen und regionalen Umsetzung des GHS erforderlich machen, ohne dass allen Beteiligten unvertretbar hohe Kosten entstehen. Allerdings ist auch hier unklar, ob dies in der Folgenabschätzung im vollen Umfang berücksichtigt wurde.

4.17

Das reichhaltige Angebot an Online-Informationen stellt aber in Verbindung mit der Länge der Umsetzungsvorschriften zunehmend eine Belastung wie auch eine juristische und intellektuelle Herausforderung für Aufsichtsbehörden und Anwender gleichermaßen dar. Die Verordnung (EG) 1907/2006 (REACH) war in der veröffentlichten englischen Endfassung 850 Seiten lang. Die noch nicht fertiggestellten REACH-Implementierungsvorhaben (RIP) und Leitlinien sollen mehr als 10 000 Seiten füllen. Ihre endgültige Form und künftiger Rechtsstatus sind noch nicht bekannt. Der gegenwärtig erörterte GHS-Vorschlag nimmt über 2 000 Seiten ein. Erneut werden Leitlinien benötigt — zur Verordnung und zur Umsetzung von etwa 20 wichtigen nachgeordneten Rechtsakten, darunter der Richtlinie 1996/82/EC (Seveso II), die davon betroffen sind. Somit werden die zuständigen Einrichtungen und Gremien der EU allein in diesem Bereich bald annähernd 20 000 Seiten Rechtsvorschriften und Begleitunterlagen erstellt oder geprüft haben. In diesem Vorgehen ist schwerlich ein Modell für bessere Rechtsetzung zu erkennen oder ein probates Mittel zur Unterstützung der Lissabon-Ziele; auch wird es die Bürger Europas kaum von dem Gedanken einer zentral verwalteten, aber bürgernahen und für ihre Anliegen offenen EU überzeugen.

4.18

Wenn aber diese beträchtlichen Kommunikationsprobleme rechtzeitig bewältigt werden können (vermutlich durch Aufgliederung der Rechtsvorschriften in ihre wesentlichen Bestandteile, d.h. klar formulierte und einheitliche Begriffsbestimmungen; Prüfverfahren; Endpunkte; Ergebnisse; notwendige Abläufe und Verfahren usw., die jeweils gesondert zu geeigneten, aber unterschiedlichen Zeitpunkten veröffentlicht und aktualisiert werden und nicht durchweg eine gleichzeitige Veröffentlichung als Primärrecht erfordern), wird sich tatsächlich ein beträchtlicher Nutzen ergeben. Das datengestützte und weltweit geltende GHS sollte künftig als Orientierungsgrundlage für all jene dienen, die sich mit der Optimierung des Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutzes befassen. Der sich daraus ergebende Nutzen ist möglicherweise viel größer als die relativ geringfügige Zunahme des Welthandels oder der inländischen Beschäftigung, die gegenwärtig als wirtschaftliches Argument für den Vorschlag vorgebracht wird.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1

Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass für die Annahme der vorgeschlagenen Verordnung eine enge Frist gesetzt ist, damit die Umsetzung im gleichen zeitlichen Rahmen wie bei REACH erfolgen kann und die einmalig in der Anlaufphase anfallenden Kosten möglichst gering ausfallen. Er stellt überdies fest, dass dies erst der Beginn eines weltweiten Prozesses ist, der von den beteiligten Aufsichtsgremien sowie den direkt betroffenen Unternehmen und sonstigen Akteuren ständige Korrekturen erfordert. Es ist also ganz augenscheinlich notwendig, möglichst viele der bekannten Probleme zu erkennen und zu klären und den Kernbestand des Vorschlags so flexibel wie möglich zu handhaben. Da hier ein gutes und bewährtes System von einem hoffentlich ebenso guten System abgelöst wird, bringen einzelne Sonderregelungen mit dem Ziel, Zeit für die Klärung von Problemen zu gewinnen, nur geringe Risiken mit sich.

5.2

Beispielsweise ist die Erstellung und Aufnahme einer „Tabelle für die Umwandlung“ von Anhang 1 der geltenden Richtlinie in Anhang VI der neuen Verordnung durch Mitarbeiter der Kommission und nationale Sachverständige zwar eine nützliche Orientierungshilfe für die Umstellung der alten auf die neuen Erfordernisse, doch erfolgte sie unter Umgehung all der ordnungsgemäßen Prüfungs- und Abstimmungsverfahren, die den über 1 000 Seiten ausmachenden Entscheidungen ursprünglich zugrunde lagen. Bei sofortigem Inkrafttreten müssten Mittel für eine detaillierte Prüfung aufgewendet werden, und dies zu einem Zeitpunkt, da die Mehrzahl der Unternehmen schon mit der Erfüllung der Registrierungsvorschriften von REACH alle Hände voll zu tun haben. Da es oft vorkommt, dass EU-Rechtsvorschriften verabschiedet werden, obwohl ein Teil oder die Gesamtheit der Anhänge noch leer ist, könnte man auch hier so verfahren, damit der Zeitplan insgesamt beibehalten wird. Damit entfällt auch das Problem der Haftung für Fehler bei der „Umwandlung“ bzw. „Umstellung“ der Erfordernisse, die derzeit bei den zuständigen Dienststellen der Kommission liegen würde, was natürlich unbefriedigend wäre. Dass bei dieser Umstellung viele Fehler in den aktuellen Rechtsvorschriften aufgedeckt werden dürften, insbesondere durch das Hinzukommen vieler neuer Sprachen, wo es auf eine präzise „Übersetzung“ im normalen linguistischen Wortsinn ankommt, ist da nur ein schwacher Trost, denn angesichts der Datenmengen ist davon auszugehen, dass sich gleichzeitig neue Fehler einschleichen, die allein der Hersteller oder Lieferant des betreffenden Erzeugnisses nach und nach entdecken wird.

5.3

Ähnliche Feststellungen gelten für alle Fälle, in denen das neu einzuführende GHS ohne nähere Prüfung eine Verschärfung der derzeitigen Vorschriften für die Einstufung und damit der Kennzeichnung, Verpackung usw. im Beförderungsrecht oder in nachgeordneten Rechtsvorschriften bewirken würde. Denkbar wäre dies zum Beispiel bei einigen gängigen Konsumgütern wie Waschmitteln, da das GHS hier anscheinend eine völlig unsinnige Überkennzeichnung vorschreibt. Wie ein häufig zitiertes Beispiel zeigt („Nach dem Verschütten eines handelsüblichen Waschmittels sollte sich der Benutzer aller Kleidungsstücke entledigen und sie mit dem gleichen Waschmittel waschen“), bringt man damit lediglich das System und alle, die es anwenden, in Misskredit. Jedenfalls erreicht man so nicht das höchste Schutzniveau in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit und Umwelt. Wichtig ist dabei die behutsame Verwendung der in Artikel 30 Absatz 1 vorgesehenen Ausnahmen, wonach „Sicherheitshinweise, ... die eindeutig unnötig sind, ... nicht in das Kennzeichnungsschild aufgenommen“ werden.

5.4

Probleme bereitet auch die in manchen Staaten verbreitete Praxis der Überklassifizierung, die für eine Begrenzung der Haftpflicht der Hersteller sorgen soll, aber einem ordnungsgemäßen Arbeits- oder Verbraucherschutz nicht förderlich ist. Konkret unterscheidet der vorgeschlagene Rechtsakt nicht hinreichend zwischen Produkten, die möglicherweise eine „reizende“ Wirkung entfalten (d.h. in bestimmten Fällen eine zeitweilige und reversible Rötung oder Schwellung der Haut bewirken können), und solchen, die „ätzend“ wirken (d.h. eine dauerhafte und gegebenenfalls irreversible Abtragung von Haut verursachen, etwa durch eine starke Säure bzw. Base oder durch die Einwirkung von Sauerstoff). Ein möglicher „Augenschaden“ ist dabei speziell zu berücksichtigen, denn er kann gravierende Folgen haben, die bis zur Erblindung reichen, so dass darauf unbedingt durch ein geeignetes und leicht erkennbares Symbol hingewiesen werden sollte. Erschwert wird das Ganze durch vorgeschriebene oder freiwillige Einschränkungen von Tierversuchen bei der Prüfung von Produkten, die fast einen revidierten Endpunkt erreicht haben und bei denen die Kennzeichnung und Verpackung als Konsumartikel von der vorgenommenen Einstufung abhängt. Da solche Produkte eher die Ausnahme als die Regel darstellen, würden kurzzeitige Sonderregelungen ermöglichen, dass der gesamte Vorschlag ohne Zeitverzug zum Tragen kommt.

5.5

Eine Überkennzeichnung hat auch unerwünschte Folgewirkungen für die Verpackung, denn kindersichere Verschlüsse sind auch von älteren oder gebrechlichen Menschen kaum zu öffnen. Ratschläge zur sorgsamen Handhabung und Lagerung von Produkten im Alltagsleben sind im Allgemeinen wertvoller als Vorrichtungen, die eine Nutzung verhindern oder dazu führen, dass die Behälter offen bleiben oder der Inhalt in weniger sichere Behälter umgefüllt wird. Die Verbraucher wissen, gestützt auf eine hilfreiche Kennzeichnung, den gesunden Menschenverstand und tägliches Achtgeben, sehr wohl, dass Erzeugnisse wie Herd- und Abflussreiniger mit großer Vorsicht zu behandeln sind. Auch sind sie in den meisten Fällen durchaus in der Lage, mit Waschmitteln oder Geschirrspüler-Tabs umzugehen, ohne sich zu verletzen. All diese Erzeugnisse als „ätzend“ zu kennzeichnen und mit dem Signalwort „GEFAHR“ zu versehen, schießt über das Ziel hinaus und gefährdet das gesamte Vorhaben.

5.6

Die genannten Beispiele werfen auch die Frage auf, inwieweit untersucht wurde, wie die verschiedenen neuen (und alten) Piktogramme, Signalwörter und Hinweise weltweit von verschiedenen Zielgruppen wahrgenommen werden. Auch wenn es zu spät ist, die GHS-Vorschläge der UN zu ändern, könnten sich einige zusätzliche Wörter als hilfreich erweisen oder Änderungen vorgeschlagen werden, um für mehr Klarheit zu sorgen. Besonders zu bedauern ist der Verzicht auf das weithin bekannte Andreaskreuz-Symbol (schwarz auf orangefarbenem Untergrund). Es wird geraume Zeit dauern, bis die neuen Symbole auf Anhieb erkannt werden, und insbesondere die Verbraucher werden einem erhöhten Risiko ausgesetzt sein, bis sich die neuen Symbole vollständig durchgesetzt haben. Deshalb sollten in den Verkaufsstellen möglichst bald Kommunikationsmaßnahmen durchgeführt (und zentral finanziert) werden, um all jenen eine Orientierungshilfe zu bieten, die regelmäßig Käufe in Einzelhandelseinrichtungen tätigen. Die Erfordernisse des Online-Handels, bei dem der Kunde im Moment des Kaufs nur selten eine Kennzeichnung zu sehen bekommt, bedürfen weiterer Untersuchungen.

5.7

Was die Angaben zu den Bestandteilen einer Zubereitung oder eines Gemischs anbelangt, wird im vorgeschlagenen Rechtsakt vernünftigerweise die Verwendung von CAS-Nummern (diese umfassen derzeit über 32 Millionen organische und anorganische Stoffe mit teilweise oder vollständig definierter Struktur, von denen etwa 13 Millionen als im Handel erhältlich eingestuft sind, vielfach in sehr kleinen Mengen) und ergänzend dazu von IUPAC, CAS- oder sonstigen Bezeichnungen verlangt. Es gilt aber darauf hinzuweisen, dass diese Bezeichnungen dazu gedacht sind, Strukturen zu bestimmen, und nicht dazu dienen, Gefahren oder Risiken zu benennen. Für Notfall- und Sicherheitspersonal und für toxikologische Zentren sind sie nur selten von Nutzen, da spezifische Gegenmittel in der Regel nicht vorhanden sind. Dabei ist die Entscheidung zwischen dem Auslösen von Erbrechen und dem Neutralisieren des Gifts im Magen unter Umständen entscheidend für die Notfallversorgung. Für eine konkrete Beratung dürfte auch der anschließende Kontakt zum Hersteller, der an jedem Tag rund um die Uhr erreichbar sein sollte, von ausschlaggebender Bedeutung sein. Als Orientierung für Notfälle sollten diese Angaben und nicht die formale chemische Bezeichnung und die Molekularstruktur eines oder mehrerer Bestandteile eines komplexen Gemischs auf dem Kennzeichnungsschild erscheinen.

5.8

In Fällen, in denen die Benennung eines spezifischen Bestandteils bis hin zur Offenlegung der absoluten chemischen Struktur nur für einen Wettbewerber von Vorteil ist und der Originalhersteller um geistige Eigentumsrechte gebracht wird, sollten folglich die in der jetzigen Zubereitungs-Richtlinie enthaltenen Schutzklauseln beibehalten werden. Im Allgemeinen betrifft dieses Problem nur die „Performance fluids“ wie Schmieröle und andere High-Tech-Zubereitungen, bei denen eine Exposition der Verbraucher in der Regel nur in geringem Maße stattfindet und die allgemeinen Gefahren unabhängig von der konkreten Zusammensetzung auf der Hand liegen.

5.9

Damit im Zusammenhang stehen die Probleme, die sich aus der vorgeschlagenen Verwendung des Wortes „Gemisch“ ergeben, das sich nur auf ein System von Stoffen beziehen sollte, die mit physikalischen Mitteln getrennt werden können — anders als eine „Verbindung“ oder ein „Stoff“ (die sich nicht auf diese Weise trennen lassen). Bei dieser Definition werden anscheinend ganz unterschiedliche materielle Systeme (natürlich vorkommende Erze, Mineralien, Konzentrate und Pflanzenextrakte) mit „Zubereitungen“ in einen Topf geworfen, bei denen es sich um ein absichtlich herbeigeführtes Gemisch bekannter Bestandteile handelt, aus denen sich die Gefährlichkeit des Endprodukts durchaus ableiten lässt. Legierungen (und Gläser) zählen zu keiner der genannten Kategorien und bedürfen sowohl hier als auch bei REACH einer gesonderten und sachgerechteren Regelung. Auch ist nicht erkennbar, warum Abfallströme als Kategorie ausgenommen werden, obwohl sie im EINECS-Verzeichnis manchmal unter „Schleime“ und „Schlämme“ als „Stoffe“ erscheinen. Dies legt den Schluss nahe, dass ein Erzgemisch in seinem natürlichen Zustand der Einstufung bedarf (ohne erkennbaren Sinn, da es kaum mit Verbrauchern in Berührung kommen dürfte und keine Substitutionsmöglichkeit besteht), während Schrott oder gemischte Papierabfälle, die bei einer kontinuierlichen Verarbeitung und Verwertung „wie besehen“ behandelt werden müssen, herausfallen. In all diesen Fällen ist eine sichere Handhabung am Arbeitsplatz erforderlich, doch ist dies nicht das primäre Anliegen der Einstufung, und gekennzeichnet oder verpackt werden diese Produkte so gut wie nie. Eine branchen- oder arbeitsplatzspezifische Gesetzgebung bietet in der Regel einen besseren Schutz.

5.10

Die Begriffsbestimmungen sollten unbedingt vollständig in den Vorschlag aufgenommen werden, ohne dass eine bloße Übernahme aus dem GHS erfolgt oder auf andere Dokumente verwiesen wird. Es würde sich hier eine gute Gelegenheit ergeben, das Wort „chemical“ in seiner Bedeutung als Substantiv und Adjektiv erstmals zu definieren. Wenn es gleichbedeutend mit „Stoff“ ist, was vermutlich zutrifft, sollte dies deutlich gemacht werden. So käme es auch zu einer Präzisierung des Geltungsbereichs dieser und anderer Richtlinien und Verordnungen, die sich keineswegs nur auf die Produkte der recht genau definierten „chemischen“ Industrie beziehen. Zudem würde deutlich werden, dass die Wiedergabe des Substantivs „chemical“ mit „chemischer Stoff“ in Sprachen, die über kein einzelnes Wort als Äquivalent verfügen, nicht das Vorhandensein von alternativen (und vermutlich nichttoxischen) „nichtchemischen Stoffen“ impliziert. Hoffentlich hat dies auch zur Folge, dass wohlgemeinte, aber bedeutungslose Hinweise wie „die meisten Artikel enthalten Chemikalien“ (1) (was enthalten die übrigen?) oder „Chemikalien kommen in fast jedem Betrieb zur Anwendung“ (2) (was verwendet man in den anderen Betrieben?) möglichst unterbleiben. Der EWSA ist sich natürlich darüber im Klaren, dass in allen Rechtsvorschriften einheitliche Begriffsbestimmungen vonnöten sind. Er ist aber nicht damit einverstanden, dass einzelne Rechtsakte „fundamentaler“ sind als andere (wenn doch, dann wohl am ehesten dieser Vorschlag) und dass alle Beteiligten die gesamten einschlägigen Rechtsvorschriften durchlesen müssen, um herauszufinden, was ein bestimmtes Wort bedeutet oder nicht bedeutet. Dies wird immer wichtiger, da die Übersetzung in verschiedene Sprachen zu unterschiedlichen Bedeutungsnuancen führt, die es in der Ausgangsfassung nicht gibt — oder Unterscheidungen verwischt, die wichtig waren. So wird hier zum Beispiel der Ausdruck „Produkt“ in einem neutralen Sinn für alle Güter verwendet, die von einem Betrieb oder einem Verbraucher erworben oder verwendet werden könnten. Er ist keineswegs als Synonym zu dem Ausdruck „Artikel“ zu sehen, der im EU-Recht und in anderen Rechtsvorschriften eine spezielle Bedeutung hat. Im Englischen ist dieser Bedeutungsunterschied klar, in anderen Sprachen aber vielleicht weniger. Unabhängig von den Gegebenheiten jeder Sprache muss diese Unterscheidung deutlich herauskommen. Auch andere sprachliche oder kulturelle Grauzonen sind zu ermitteln und zu vermeiden. So könnte man zum Beispiel bei „substance-free environment“ in Europa an eine „chemiefreie Zone“ oder, wenn man „substance-free“ als „materiefrei“ übersetzt, sogar an den Weltraum denken, während in den USA damit eine Schule gemeint ist, an der Alkoholgenuss und Rauchen verboten sind. In der Regenbogenpresse vieler Kulturkreise gilt jemand, der an seinen Händen oder seiner Kleidung Spuren von „chemischen Stoffen“ trägt, schon als Terrorist.

5.11

Jedenfalls muss für jeden, auch für den Laien, klar ersichtlich sein, welche konkrete Bedeutung die einzelnen Wörter vermitteln sollen. Ein Verwendungsverbot für das Wort „Gefahr“ in Verbindung mit dem Wort „Warnung“ mag für Personen, die beruflich mit Kennzeichnung zu tun haben, von Interesse sein, doch werden diese beiden Wörter in anderen Hinweisen auf Risiken häufig zusammen verwendet. Im Englischen ist es schwierig, zwischen „dangerous“ und „hazardous“ einen Bedeutungsunterschied zu erkennen. Wenn in allen Sprachen der EU (und ihrer Handelspartner) ein solcher Unterschied besteht, sollte er deutlich gemacht werden. Zu vermeiden ist die Verwendung von Abkürzungen wie „m-Faktor“, die nur einen Sinn ergeben, wenn die jeweilige Entsprechung für „multiplying“ in der Landessprache auch mit dem Buchstaben „M“ beginnt. (Die Tatsache, dass in den geltenden Rechtsvorschriften ständig von R-Sätzen und S-Sätzen die Rede ist, die für Risiko bzw. Sicherheit stehen, zeigt ganz einfach, dass die Texte in Englisch abgefasst wurden und man wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer Sprachen nahm.)

5.12

Um einen Damm gegen die Flut der Daten zu Millionen von Stoffen, die in kleinen oder gar winzigen Mengen weitergegeben werden, zu errichten, wäre angesichts des Erfassungsbereichs dieses Vorschlags ein Schwellenwert hilfreich, der auf dem Jahresumsatz, der Verpackungsgröße, dem Verpackungsgewicht oder der bekannten Toxizität beruht. Außerdem wäre es sinnvoll, den derzeitig verfügbaren Kennzeichnungen eine weitere hinzuzufügen, die für die zumeist zwischen Laboratorien erfolgende Weitergabe sehr kleiner Mengen als Proben für FuE-Arbeiten gilt und zum Ausdruck bringt, dass das „Produkt nicht geprüft oder eingestuft wurde“ und „nur für fachliche Zwecke geeignet“ ist. (Der Vorschlag, „Stoffe und Gemische für wissenschaftliche Forschung und Entwicklung“ auszuklammern, aber nur wenn sie als „krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend“ gelten, ist unangebracht und sollte zurückgezogen werden. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, wonach die Gefahren im Labor eine vorrangige Behandlung erfordern oder dass im Labor tätige Personen entgegen allen Erwartungen unter Informationsdefiziten leiden. Sollte dies nachweislich der Fall sein, wären Änderungen der EU-Vorschriften zur guten Laborpraxis wohl der bessere Weg.)

5.13

Zudem sollte sichergestellt werden, dass das vorgeschlagene Einstufungs- und Kennzeichnungsverfahren auch künftig die inhärenten gefährlichen Eigenschaften der einzelnen Stoffe und Zubereitungen oder Gemische, die auf den Markt gelangen, in vollem Umfang zum Ausdruck bringt. Jegliche Ausweitung auf informelle oder unregulierte Mini-Risikobewertungen von Herstellern oder Lieferanten, um künftige oder voraussichtliche Einsatzmöglichkeiten zu berücksichtigen, ist zu vermeiden, da sie weder mit dem geltenden EU-Recht noch mit dem GHS-Vorschlag der UN im Einklang steht.

5.14

Im Hinblick auf die Durchführung, die Berichterstattung und die Sanktionen bei Verstößen sieht der Vorschlag vernünftigerweise vor, dass dafür die Mitgliedstaaten verantwortlich sind, aber mit der Maßgabe, dass die vorgesehenen Sanktionen „wirksam, angemessen und abschreckend“ sind und dass sie spätestens 18 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung der Kommission mitgeteilt werden. Der EWSA stellt aber dazu fest, dass der Vorschlag ebenso wie die geltenden Rechtsvorschriften darauf abzielt, die bei der Einstufung verwendeten Kriterien und Verfahren zu harmonisieren, nicht aber die Ergebnisse der Einstufung. Die Sanktionen dürften daher in puncto Höhe, Wirkung und Durchsetzbarkeit eher gering sein gemessen am Bestreben der Hersteller, die Arbeitnehmer und Verbraucher, von denen ihre geschäftliche Existenz abhängt, umfassend und sachgemäß zu schützen. Deshalb kommt es darauf an, dass sich der Vorschlag insgesamt im Zusammenwirken mit anderen Rechtsvorschriften wie REACH als praktikabel erweist.

5.15

Abschließend sei auf die Notwendigkeit verwiesen, die Qualität der in verschiedenen Staaten erhobenen Daten zu bewerten, damit sie vergleichbar sind und für die Ermittlung der Gefahren taugen, die mit neuen und komplexen Stoffen verbunden sind, darunter solchen mit „unbekannter oder veränderlicher Zusammensetzung“. Klassifizierungssysteme dafür sind vorhanden, beispielsweise bei der Society of Chemical Hazard Communications. Darüber hinaus sind extern begutachtete Daten im Register of Toxic Effects of Chemical Substances gespeichert. Es hat den Anschein, dass noch keine vollständige Klarheit über das richtige Procedere -vermutlich im Rahmen der UN — besteht oder die Ressourcen und Haushaltsmittel noch nicht bereitstehen.

Brüssel, den 12. März 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Aus den Antworten der Kommission auf „Häufig gestellte Fragen“ zu REACH.

(2)  Aus den Orientierungshilfen des britischen Ministeriums für Umwelt, Ernährung und ländliche Gebiete (DEFRA) für MdEPs zu diesem Vorschlag.