16.5.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 120/89


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Thema „Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Republik Moldau: Welche Rolle kommt der organisierten Zivilgesellschaft zu?“

(2008/C 120/19)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 15. Februar 2007 gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Stellungnahme zu folgender Vorlage zu erarbeiten:

„Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Republik Moldau: Welche Rolle kommt der organisierten Zivilgesellschaft zu?“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 15. November 2007 an. Berichterstatterin war Frau PICHENOT.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 440. Plenartagung am 12./13. Dezember 2007 (Sitzung vom 12. Dezember) mit 117 gegen 2 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Förderung der Rolle der Zivilgesellschaft in den Beziehungen EU/Moldau

1.1.1

Das Jahr 2005 war ein Wendepunkt in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Republik Moldau. Nach der Annahme des Aktionsplans EU/Moldau (2005-2008), der Eröffnung einer EU-Delegation in der Hauptstadt Chisinau und der Ernennung eines hochrangigen Vertreters in den Verhandlungen zur Lösung des Transnistrien-Konflikts haben sich die Rahmenbedingungen für die Umsetzung des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens deutlich verbessert. Vor diesem Hintergrund soll die erste Stellungnahme des EWSA zu der Zusammenarbeit EU/Moldau die Rolle der Zivilgesellschaft hervorheben, um diese Entwicklung zu stärken und eine gemeinsame Agenda mit Schritten, die in nächster Zeit unternommen werden sollen, auf den Weg zu bringen.

1.1.2

Eine engere Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der Republik Moldau muss auf einem von beiden Seiten anerkannten Grundstock gemeinsamer Werte, insbesondere im Bereich der Achtung der Grundfreiheiten, des Eintretens für eine demokratische, allen offen stehende Gesellschaft und der grundsätzlichen Anerkennung eines Dialogs, der sich auf die Unabhängigkeit der Partner der Zivilgesellschaft gründet, aufbauen. Die Zivilgesellschaft wird das prägende Element für das künftige Selbstverständnis Moldaus sein. Sie erwächst aus dem menschlichen Reichtum eines Gebietes, in dem kulturelle und sprachliche Einflüsse zusammenströmen und sich mischen. Diese Vielfalt macht den Reichtum dieses Gebiets aus.

1.1.3

Festzustellen ist, dass es, ebenso wie in anderen Ländern der GUS mit gleicher Geschichtserfahrung, keine Tradition und keinen Erfahrungsschatz unabhängiger Organisationen der Zivilgesellschaft gibt. Angesichts der neueren Entwicklungen hält es der Ausschuss jedoch für unabdingbar, Kontakte herzustellen und Partner zu finden, die offen für einen Schritt in die Zukunft unter Achtung dieser gemeinsamen Werte sind.

1.1.4

Der EWSA kann nur mit Nachdruck betonen, wie stark der Erfolg des Aktionsplans EU/Moldau (1) im Rahmen der Nachbarschaftspolitik von der Einbindung und Teilhabe der Organisationen der Zivilgesellschaft in die Umsetzung dieses Plans abhängt. Es wäre daher wünschenswert, dass die Kommission ein klares Zeichen setzt, indem sie Kriterien, Verfahrenswege und Instrumente vorschlägt, die eine bessere Einbeziehung der Zivilgesellschaft erlauben. Der EWSA begrüßt in dieser Hinsicht durchaus die Arbeit der EU-Delegation in Chisinau, die sich um Kontakte zur moldauischen Zivilgesellschaft bemüht. Das ist eine gute Ausgangsbasis für die offizielle Einbindung von Vertretern der Zivilgesellschaft in die Bewertung des Aktionsplans im April 2008 und in die nächsten Phasen einer engeren Zusammenarbeit.

1.1.5

Der EWSA spricht sich für ein auf Kontinuität bauendes Verhältnis zur moldauischen Zivilgesellschaft aus, das zukunftsgerichtet ist. Den Anfang dazu sollte eine Strukturierung unserer Beziehungen bilden. Dazu wäre es sachdienlich, 2008 eine Konferenz zu organisieren, die durch eine Sondierungsmission vorbereitet wird, um Partner zu finden, die in ihrer Arbeitsweise den Willen zur Transparenz erkennen lassen. Auf dieser Konferenz, an der auch lokale und regionale Akteure teilnehmen werden, soll ausgehend von folgenden Vorschlägen gemeinsam ein Arbeitsplan erstellt werden:

Bewertung von Informations- und Konsultationsinstrumenten, die sowohl von staatlicher als auch von europäischer Seite in Moldau eingesetzt werden, einschließlich des Berichts über die Umsetzung des Aktionsplans 2005-2008;

Vorbereitung und Aufstellung der Zivilgesellschaft mit Blick auf die Fortsetzung der Partnerschaft nach 2008;

Aneignung von Mechanismen des EU-Finanzinstruments durch die moldauischen Organisationen.

Dieser Arbeitsplan erfordert Zusagen zur Finanzierung von Initiativen der Zivilgesellschaft durch die Programme der Europäischen Union.

1.1.6

Wenn die Bilanz über die Konferenz 2008 mit der moldauischen Zivilgesellschaft vorliegt, sollten die nächsten Schritte eingeleitet und die Beziehungen in der Gruppe „Nachbarschaft“ des Ausschusses auf der Grundlage eines fortschrittsorientierten Ansatzes weiter gepflegt werden, bei dem den Grundsätzen in den Beziehungen EU/Moldau Rechnung getragen wird, die den Kern einer verantwortungsvollen Staatsführung und einer nachhaltigen Entwicklung bilden. Dieser auf Motivierung bauende Ansatz wird sich im Wesentlichen auf die folgenden Prinzipien stützen, die bereits im APS-Plus-Abkommen enthalten sind:

die 16 wichtigsten Übereinkommen der UNO und der ILO (2) in Bezug auf die Menschenrechte und die Rechte der Arbeitnehmer;

die 11 wichtigsten Übereinkommen betreffend den Schutz der Umwelt und die Grundsätze einer verantwortungsvollen Staatsführung (3).

1.1.7

Die Europäische Union wird die Aufgabe haben, den Organisationen der moldauischen Zivilgesellschaft unter die Arme zu greifen, damit sie dazu beitragen können, europäische Standards in Bezug auf Unabhängigkeit, Repräsentativität und Transparenz zu erreichen. Die Kommission sollte in jedem Zwischenbericht über den Aktionsplan einen eigenen Abschnitt der Achtung der Grundrechte, u. a. der Vereinigungs- und der Meinungsfreiheit, widmen und auch die Achtung des Betätigungsrechts der Gewerkschaften prüfen.

1.1.8

Aus Sicht des EWSA muss es in erster Linie darum gehen, dass sich die Moldauer selbst nach und nach die Instrumente und Sachkenntnisse zu eigen machen, die ihnen von internationalen oder europäischen Institutionen zur Verfügung gestellt werden. Der Ausschuss hält es für richtig, dass der Europarat die Zivilgesellschaft zur Mitwirkung bei der Bekämpfung der Korruption auffordert (einer der Grundsätze der GRECO (4)). Der EWSA ruft zu einer grenzübergreifenden Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Großkriminalität auf.

1.1.9

Der EWSA unterstützt das Vorhaben europäischer und internationaler Geber, sich zusammenzusetzen, um ihre Aktionen aufeinander abzustimmen. Er spricht sich für vordringliche Maßnahmen zur Verbesserung grundlegender Sozialdienste in den Programmen zur Armutsbekämpfung aus und hebt insbesondere die Notwendigkeit hervor, die Lebensbedingungen in den Waisenheimen zu verbessern, Medikamente gegen Retroviren zu verbilligen und Opfern des Menschenhandels bei der Wiedereingliederung zu helfen.

1.1.10

Die lang anhaltende Trockenheit im Sommer 2007 hat das Land durch Missernten, auf die Konkurse und Überschuldung folgten, in eine schwierige Lage gebracht. Die Regierung hat um internationale Nahrungsmittelhilfe und um technische Unterstützung durch die FAO gebeten. Für den Ausschuss ist es in dieser Situation besonders wichtig, Kontakte zu Organisationen der Zivilgesellschaft zu knüpfen, die im Bereich der Agrar- und Ernährungswirtschaft tätig sind. Die Europäische Kommission hat den ländlichen Gebieten der am meisten hilfsbedürftigen Länder kurzfristig 3 Mio. Euro an humanitärer Hilfe bewilligt.

1.1.11

Von höchster Wichtigkeit ist nach Auffassung des Ausschusses das Vorhandensein von Netzen und gemeinsamen Projekten unter Beteiligung aller Moldauer, einschließlich der Organisationen der Einwohner Transnistriens. Der Ausschuss ersucht die EU, sich weiterhin um eine Lösung dieses Konfliktes zu bemühen, die der Wahrung der territorialen Einheit dient, und die Grenzhilfemission (EUBAM) fortzuführen.

1.1.12

Der EWSA empfiehlt, den Austausch über demokratische Gepflogenheiten zwischen Organisationen der Zivilgesellschaft dadurch zu fördern, dass unsere moldauischen Partner Zugang zu den im Internet verfügbaren Veröffentlichungen des EWSA (insbesondere in rumänischer Sprache) und zu den Arbeiten der nationalen WSR durch CES Link erhalten. Der EWSA ersucht die nationalen WSR der Mitgliedstaaten (vor allem Rumäniens und Bulgariens) und die AICESIS (5), mit den Mitteln und Praktiken der europäischen Zivilgesellschaft gemeinsame Bemühungen zur Annäherung der moldauischen Gesellschaft zu unternehmen.

1.1.13

Der EWSA würde eine stärkere Beteiligung der moldauischen Zivilgesellschaft am Dialog mit den westlichen Balkanstaaten und am regionalen Dialog der Schwarzmeerstaaten begrüßen, insbesondere durch die regionale und grenzübergreifende Zusammenarbeit rund um diesen für die nahe Zukunft so wichtigen strategischen Raum. Die Zusammenarbeit der Europäischen Union mit der Republik Moldau gehört in den Rahmen einer festen Zusammenarbeit mit den Ländern der Region und insbesondere mit Russland.

1.2   Gezielte Unterstützung der für die Zukunft und die Aussöhnung des Landes wichtigen Organisationen

1.2.1   Aufbau eines konstruktiven sozialen Dialogs

Angesichts des unterentwickelten Verhältnisses zwischen den Sozialpartnern erinnert der EWSA daran, dass sich Moldau nicht nur zu den ILO-Übereinkommen bekennt, sondern auch zur Sozialcharta des Europarats und zur Inanspruchnahme des darin vorgesehenen Klagemechanismus. Der Ausschuss regt an, dass die ILO eine fachliche Hilfe anbieten sollte, um Arbeitskonflikte vor den zuständigen Gerichten zu regeln.

1.2.2   Förderung der Kontakte zur europäischen Gesellschaft

Der EWSA spricht sich entschieden für den Abschluss eines Visum- und Rückübernahmeabkommens aus, das eine Regelung zur Erleichterung der Visumserteilung enthält, um einen Austausch insbesondere der Gruppen von Bürgern zu fördern, die für die Zukunft des Landes wichtig sind, wie Studenten und Lehrkräfte, Forscher, Journalisten und Vertreter der Zivilgesellschaft. Er empfiehlt eine stärkere Öffnung der Gemeinschaftsprogramme insbesondere für junge Leute durch Erasmus Mundus. Die im Oktober 2007 (6) unterzeichneten Vereinbarungen über Visumserleichterungen und Rückübernahmen könnten somit dazu beitragen, das Problem der stark zunehmenden Zahl von Anträgen moldauischer Bürger zu lösen, die sich um die Zuerkennung der rumänischen Staatsbürgerschaft bemühen.

Der EWSA fordert die moldauische Regierung auf, der Zivilgesellschaft die Teilnahme an Veranstaltungen auf europäischer und internationaler Bühne (WTO, OSZE, Europarat und Französischsprachige Gemeinschaft) zu ermöglichen. Die Mitgliedstaaten fordert er auf, Kontakte und Austauschmöglichkeiten mit der moldauischen Zivilgesellschaft zu sondieren und zu finanzieren (Hochschulstipendien, Partnerschaften, grenzübergreifende Zusammenarbeit).

1.2.3   Berücksichtigung von Umweltaspekten

Der EWSA spricht sich für die Unterstützung von Umweltorganisationen aus, die sich für die Vernichtung von Waffenbeständen und nicht transportfähiger Munition, die Entsorgung militärischer Abfälle und industrieller Verunreinigungen und die Sanierung verschmutzter Gewässer einsetzen.

2.   Hauptmerkmale der wirtschaftlich-sozialen Situation Moldaus

2.1

Mit einem Pro-Kopf-BIP von rund 1 000 Dollar ist Moldau das ärmste Land Europas und das einzige europäische Land auf der von der Weltbank geführten Liste von Niedrigeinkommensländern. Die Bevölkerungszahl (weniger als 4 Millionen Einwohner 2004) ist infolge einer Zunahme der Sterblichkeit (insbesondere der Männer), eines Rückgangs der Geburtenrate und einer erheblichen Abwanderung rückläufig.

2.2

Die Armut, die in den Jahren 1999-2005 auf einem erschreckend hohen Niveau war, ist zwar zurückgegangen, ist aber heute mit durchschnittlich fast 30 % immer noch sehr verbreitet. Von der Besserung profitieren nicht alle Bereiche gleichermaßen, so dass es Nischen absoluter Armut gibt (2 Dollar/Tag), von denen in hohem Maße Kinder und Ältere betroffen sind. Auf dem Land und in kleinen Städten leben noch rund 40-50 % der Bevölkerung in Armut.

2.3

Allzuviele Kinder sind potenziell von Ausbeutung bedroht, weil sie kein festes Zuhause haben, Kinderarbeit leisten oder in illegalen Handel und Prostitution hineingezogen werden. Dieses Maß an Armut hat auch erheblich dazu beigetragen, dass es immer mehr „Sozialwaisen“ gibt, also Kinder, die von ihren Eltern in einem Waisenheim untergebracht werden, weil ihnen die Mittel zum Großziehen der Kinder fehlen.

2.4

Frauen werden durch die verschlechterte soziale Lage besonders diskriminiert. Sie sind stark von Arbeitslosigkeit betroffen, ihre Arbeit wird gering geschätzt, sie erhalten geringe Löhne und arbeiten als Saisonkräfte in der Landwirtschaft. Sie sind in höherem Maße als die Männer dem Armutsrisiko ausgesetzt, vor allem aufgrund der Verringerung von Sozialleistungen (in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Familie) und hinsichtlich der Höhe der Rente. Diese Situation bringt Frauen, auch Mütter, dazu, sich auf ungesetzliche oder gefährliche Angebote einzulassen, durch die sie in die Fänge von Menschenhändlern geraten können. Die meisten dieser Opfer sind junge Frauen auf der Suche nach Arbeit.

2.5

2004 hat Moldau ein Wachstums- und Armutsbekämpfungsprogramm beschlossen, das von der Weltbank, dem UNDP und anderen Gebern unterstützt wird. Im Dezember 2006 haben die Geber unterschiedlicher Finanzinstitutionen und die EU eine Koordinierung vereinbart, um in beispielhafter Weise die mit der Mittelvergabe verbundenen Auflagen im Sinne einer Wirkungssteigerung aufeinander abzustimmen; für die nächsten vier Jahre haben sie Finanzhilfen und Darlehen in Höhe von einer Milliarde Euro zugesagt.

2.6   Ein schwierigerer Arbeitsmarkt

2.6.1

Die Lage auf dem moldauischen Arbeitsmarkt hat sich in den 1990er Jahren parallel zum Zusammenbruch der Wirtschaft deutlich verschlechtert. Im Zuge der russischen Krise im August 1998 sank die Beschäftigung drastisch. Erst ab 2003 fand sie wieder zu einem positiven Wachstum zurück. Die Arbeitslosenquote sank von 11 % im Jahr 1999 auf etwa 7,4 % der erfassten Erwerbsbevölkerung Ende 2006. Rund 35 % der arbeitenden Bevölkerung üben eine informelle Tätigkeit aus (7).

2.6.2

Die Realeinkommen sind zwar weiterhin gestiegen, doch ist das Durchschnittsniveau immer noch sehr niedrig und entsprach 2006 129 Dollar (8). Allerdings gibt es noch andere Einkommensquellen: Zum einen erhielt eine hohe Zahl von Familien Devisen von einem Familienmitglied aus dem Ausland. Zum anderen sind nicht angemeldete Erwerbstätigkeiten weit verbreitet: Nach Angaben des Statistischen Amtes sind mehr als 200 000 Arbeitnehmer (d. h. 15 % der Erwerbsbevölkerung) in nicht angemeldeten Unternehmen beschäftigt, und 35 % der Belegschaft eingetragener Unternehmen werden von ihren Arbeitgebern nicht gemeldet (vor allem im Baugewerbe und in der Land- und Forstwirtschaft).

2.6.3

Viele Moldauer haben ihr Land verlassen, um im Ausland zu arbeiten, die meisten davon illegal. Dieser zum Teil saisonale Exodus von schätzungsweise bis zu 1 Mio. Arbeitskräften macht etwa 30 % der gesamten Arbeitnehmerschaft aus. Negative Folgen dieser Migrationswelle sind u. a. ein Verlust an Humankapital und Ausfälle in der Finanzierung der Kranken- und Sozialversicherung. Angesichts des Armutsniveaus ist im Übrigen davon auszugehen, dass die Arbeitsmigration auch in den kommenden Jahren die moldauische Realität prägen wird.

2.7   Der schwierige Zustand der moldauischen Wirtschaft

2.7.1   Eine Volkswirtschaft im russischen Einflussbereich

2.7.2

Der besorgniserregende Verfall des moldauischen BIP in den 90er Jahren war das Ergebnis exogener Ursachen, wie Verlust von Märkten, Abhängigkeit in der Energieversorgung, Auswanderung qualifizierter Kräfte und Abtrennung Transnistriens mit seiner Industrie.

2.7.3

Trotz eines spürbaren Wiederanziehens des Wachstums seit 2000 (mit jährlichen Wachstumsraten von 6-8 %) ist die wirtschaftliche Lage nach wie vor sehr instabil (4 % Wachstum 2006), und die Konjunktur droht 2007 weiter abzuflauen. Hauptgrund für diese Abschwächung ist die Verdopplung des Gaspreises durch den Lieferanten Gazprom 2006.

2.7.4

Durch den proeuropäischen Kurs des moldauischen Präsidenten verstimmt, hat Russland als politisches Druckmittel ein Importverbot für moldauischen Wein verhängt. 2006 bedeutete dies für Moldau den Wegfall einer der Haupteinnahmequellen aus dem Export (Wein hat einen Anteil von 35 % an den Ausfuhren Moldaus, und 85 % davon sind für den russischen Markt bestimmt).

2.8   Die dominierende Rolle der Agrar- und Nahrungsmittelwirtschaft

2.8.1

Moldau ist immer noch stark landwirtschaftlich geprägt. Die Land- und Nahrungsmittelwirtschaft erzeugt mehr als 30 % des BIP (9) und einen erheblichen Teil der Ausfuhren (65 %). Landwirtschaftliche Familienbetriebe sichern den Menschen in den Städten und auf dem Land ein hohes Maß an Selbstversorgung. Die Nahrungsmittelindustrie nimmt ebenfalls einen wichtigen Platz in der Wirtschaft ein. Qualität und Quantität der Ernte haben Einfluss auf vor- und nachgelagerte Zweige der Leichtindustrie (Kunstdünger, Flaschen, Verpackungen).

2.9   Die Wichtigkeit der Überweisungen von Auslandsmoldauern an ihre Familie

2.9.1

Nach der schweren Rezession ist festzustellen, dass die wenigen positiven wirtschaftlichen Signale nicht dem Neuaufbau der Wirtschaft, sondern dem massiven Devisenzufluss (30 % des moldauischen BIP) durch die im Ausland arbeitenden Moldauer geschuldet sind, von denen zwischen 600 000 und einer Million in Westeuropa (19 % in Italien) oder in Russland (60 %) arbeiten. Sie haben 2006 rund eine Milliarde Euro in ihr Heimatland überwiesen.

2.9.2

In Ermangelung eines investitionsfreundlichen Umfelds wird dieser Kapitalimport nicht zur Finanzierung neuer Wirtschaftstätigkeiten genutzt. Der Kapitalzufluss bewirkt eine Verteuerung am Immobilienmarkt, eine starke Nachfrage nach Importgütern und heizt letztlich die Inflation an.

3.   Demokratie, Achtung der Menschenrechte und gute Staatsführung

3.1   Menschliche Entwicklung

3.1.1

Die Republik Moldau nahm 2006 den 114. Platz im UNDP-Index der menschlichen Entwicklung ein und schneidet in dieser Kategorie unter den europäischen Staaten am schlechtesten ab, aber auch unter den Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion steht das Land damit auf einem der letzten Plätze.

3.1.2

Die fehlende Unabhängigkeit der Medien, die unzureichende Achtung der Menschenrechte und die Probleme im Funktionieren des Justizsystems wirken hemmend auf Initiativen der moldauischen Bürger und die Organisationsfähigkeit der Zivilgesellschaft.

3.1.3

Die Unabhängigkeit der Medien ist einer der Hauptproblembereiche, die im kürzlich veröffentlichten Bericht des Europarates (September 2007) hervorgehoben werden (10). Zwar wurden die Rechtsvorschriften betreffend das Recht auf freie Meinungsäußerung neu gefasst, doch reicht diese Reform nicht aus, um die Meinungsfreiheit in der Praxis zu gewährleisten. Unparteilichkeit und Berufsethos sind ebenfalls Voraussetzungen, die für den Beruf des Journalisten notwendig sind. Das impliziert, dass sie keinem Druck von Seiten staatlicher Organe ausgesetzt sind, insbesondere in Rundfunk und Fernsehen.

3.2   Verbreitete Korruption

3.2.1

Die organisierte Kriminalität ist ein schwerwiegendes Sicherheitsproblem, das Institutionen und Investitionen hemmt. Die kriminellen Aktivitäten richten großen Schaden an: Ermutigung zur Steuerflucht, Erleichtern des Schmuggels, Korruption. Auf dem von Transparency International aufgestellten Weltkorruptionsindex 2006 steht Moldau auf dem 81. Platz und erhält die Note 3,2 auf einer Skala bis 10, womit es genauso abschneidet wie als sehr korrupt geltende Staaten. Ein leichtes Aufsteigen in diesem Index ist als Ausdruck des Willens der Regierung und der Zivilgesellschaft zu deuten, die Korruption zu bekämpfen.

3.3   Fragile demokratische Strukturen und traditionell autoritäre Staatsführung

3.3.1

Der EWSA ersucht die moldauischen Behörden, den Schlussfolgerungen internationaler Beobachter (einer starken, rund hundertköpfigen Gruppe von Wahlbeobachtern der OSZE) anlässlich der Kommunalwahlen vom Juni 2007 Rechnung zu tragen und alle Mängel abzustellen, die im Hinblick auf Wahlen nach europäischen Standards beanstandet wurden, damit die Parlamentswahlen 2009 unter demokratischeren Bedingungen ablaufen.

3.3.2

Der Europarat ermuntert Moldau in seinen Berichten, die Bemühungen fortzusetzen, insbesondere zur Sicherung der Unabhängigkeit und Leistungsfähigkeit der Justiz, zur Wahrung des Pluralismus in den Medien und zur Festigung der lokalen Demokratie. Moldau hat im Rahmen von Regionalprojekten im Zeitraum 2002-2004 und wieder seit 2007 Hilfe durch die Europäische Initiative für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) erhalten. Die EIDHR hat Initiativen der Zivilgesellschaft zur Förderung der Demokratie und der Menschenrechte unterstützt.

3.4   Transnistrien — ein geopolitisches Problem in der Region

3.4.1

Transnistrien, das sich auf die Hilfe Russlands und die Präsenz russischer Truppen stützt, bleibt ein Spannungs- und Unsicherheitsherd an der EU-Außengrenze und bildet ein Stück im geopolitischen Puzzle der Region.

3.4.2

Die Suche nach einer politischen Lösung in der Frage der Abspaltung Transnistriens ist ebenfalls eines der vornehmlichen Ziele des EU-Aktionsplans. Mit dem Beitritt Rumäniens und Bulgariens, durch den Moldau nun direkt an die EU grenzt, gewinnt diese Auseinandersetzung an Bedeutung für die EU, die ihr Engagement in dieser Hinsicht 2005 durch die Ernennung eines Sonderbeauftragten verstärkt hat (seit März 2007 Kalman Miszei), der in den sog. „5+2“-Verhandlungen den Status eines Beobachters hat. Die Verhandlungen befinden sich momentan in einer Sackgasse.

3.4.3

Darüber hinaus gilt dieses Gebiet als Drehscheibe der organisierten Kriminalität (Handel mit Waffen und strategischem Material, Geldwäsche, Drogenschmuggel und Menschenhandel), deren Nutznießer sowohl örtliche kriminelle Organisationen, aber auch Banden in Russland, der Ukraine und anderen Ländern sind.

3.5   EU-Hilfsmission zur Sicherung der moldauisch-ukrainischen Grenze (EUBAM)

3.5.1

Das von ukrainischem Territorium umgebene Land hat ein kompliziertes Verhältnis zur Ukraine aufgrund des Transnistrien-Konflikts und der Beziehungen EU/Russland, so dass man von einem „moldauischen Knoten“ sprechen kann. Moldau war zugleich ein Durchgangsland und ein Ausgangspunkt für illegalen Handel, denn die Grenzen des Landes waren sehr durchlässig und eröffnen über den Hafen von Odessa einen Zugang zum Schwarzen Meer.

3.5.2

Die Hilfsmission zur Grenzsicherung und -überwachung (EU Border Assistance Mission, EUBAM), die auf das gemeinsame Ersuchen des ukrainischen und des moldauischen Staatspräsidenten hin im Dezember 2005 von der EU eingeleitet wurde, ist ein wichtiger Schritt für die Stabilisierung des Landes und die Bekämpfung des Schmuggels gewesen. Knapp einhundert Zoll- und Grenzschutzbeamte aus 17 EU-Mitgliedstaaten nehmen Beobachtungsaufgaben wahr und helfen ihren moldauischen und ukrainischen Kollegen bei der Arbeit; sie üben dadurch einen spürbaren Druck auf die selbsternannte Regierung Transnistriens aus. Die Mission konzentriert sich auf verdächtige Personen und Gebiete und hat einige konkrete Erfolge vorzuweisen.

3.5.3

Im November 2006 wurde die Mission um ein automatisches Informationsaustauschsystem ergänzt, das die Grenzkontrolle wirkungsvoller machen soll. Die Mission wurde gerade erst bis November 2009 verlängert. Der EWSA spricht sich dafür aus, eine dauerhafte Form zur Sicherung dieser Grenze zu finden.

4.   Überblick über die moldauische Zivilgesellschaft und ihre Aktivitäten

4.1   Hauptschlussfolgerungen aus dem Besuch des EWSA 2004

4.1.1

Die schwierigen politischen und wirtschaftlichen Zustände haben die Entfaltung der Zivilgesellschaft nicht eben erleichtert. Es gibt immer weniger Männer und Frauen, die bereit sind, eine Aufgabe in einer zivilgesellschaftlichen Organisation zu übernehmen, sei es auf Landesebene oder auf örtlicher Ebene; Grund ist insbesondere die Emigration, vor allem unter den jungen Erwachsenen mit guter Schulbildung. Die staatlichen Organisationen unterhalten nur sporadische Kontakte zu ihnen. Die Zentralisierung der Verwaltungsstrukturen hemmt die Entwicklung sozialer Bewegungen. Das paternalistische Bevormundungsdenken, das in der Gesellschaft tief verwurzelt ist, überlässt dem Staat die Hauptverantwortung für das Wohl der Bevölkerung. Die Stellung des Präsidenten verkörpert deutlich den Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung, von einem starken Mann geführt zu werden.

4.1.2

Abgesehen vom Statut der politischen Parteien enthält die Verfassung keine Bezugnahme auf Organisationen der Zivilgesellschaft oder auf die Versammlungsfreiheit. Das Recht, „Gewerkschaften zu bilden und ihnen beizutreten“ (Artikel 42), und die Anerkennung der Vereinigungsfreiheit (Artikel 40) sind darin jedoch verankert. Die Bedingungen für die Gründung nichtstaatlicher Organisationen haben sich mit dem „Gesetz über öffentliche Organe und Stiftungen“ (1997) gebessert. In der Praxis konnten Überschneidungen zwischen den Persönlichkeiten, die Ämter im Staatsapparat und in den Regierungsparteien innehaben, und Organisationen, die wirtschaftliche oder politische Interessen vertreten, festgestellt werden.

4.1.3

Nach Ansicht von Beobachtern, insbesondere des Europarats (11), wurde die Gesetzgebung betreffend das Gerichtswesen reformiert, um die Rechtsdurchsetzung allgemein und insbesondere die Wahrung zivilgesellschaftlicher Rechte zu gewährleisten. Allerdings unterliegt Moldau noch dem Monitoring-Verfahren des Europarats, vor allem im Hinblick auf die Wahrung der Unabhängigkeit des Justizapparats.

4.2   Aktuelle Situation der Zivilgesellschaft 2007 laut Fachstudien (12)

4.2.1

Verschiedene Quellen belegen eine erstaunliche Zunahme der Gesamtzahl nichtstaatlicher Organisationen (NGO). Von rund 3 000 im Jahr 2004 (Schätzung in einer Studie des EWSA) ist ihre Zahl 2007 auf mehr als 7 000 gestiegen (13). In der Studie wird jedoch auch festgehalten, dass „in 54 % aller Fälle kein Kontakt zu diesen Organisationen herzustellen ist“. Von diesen NGO können gegenwärtig höchstens 20 % als aktiv eingeschätzt werden. Im Übrigen ist eine deutliche Zunahme von NGO auf lokaler und regionaler Ebene festzustellen, auch im Gebiet von Transnistrien.

4.2.2

Der überwiegende Teil der NGO konzentriert sich räumlich nach wie vor auf das Umland der Hauptstadt Chisinau, wenn auch im Vergleich zu früher weniger ausgeprägt: „In den vergangenen vier Jahren haben sich 67 % der registrierten NGO auf der nationalen und 82 % auf der lokalen Ebene angesiedelt“  (14). Die NGO sind in allen Bereichen der moldauischen Gesellschaft aktiv, doch werden ihre Schwerpunkttätigkeiten oft von ausländischen Geldgebern gelenkt.

4.2.3

Offenbar gibt es bisher nur wenige Kontakte zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen und den NGO verschiedener Interessenbereiche. Man begegnet sich mit gegenseitigem Unwissen und Misstrauen. Eine Ausnahme ist aus Transnistrien zu melden, wo sich Beziehungen zwischen einigen NGO und einer Gruppe von Geschäftsleuten herausbilden.

4.2.4

Das Inkrafttreten des Aktionsplans zwischen der EU und der Republik Moldau 2005 hat der Zivilgesellschaft, vor allen Dingen im Bereich der Vereinigungen, einen neuen Impuls zur Umsetzung unterschiedlicher Projekte gegeben, auch wenn es zuvor keine Konsultation zu dem Plan gegeben hat.

5.   Verlauf der Strukturierung der Sozialpartner

5.1   Arbeitgeberorganisationen

5.1.1

Die Industrie- und Handelskammer ist seit 1999 in Verbindung mit Eurochambre die wichtigste Unternehmensvertretung. Sie repräsentiert mehr als 1 500 Unternehmen aller Wirtschaftsbereiche. Die moldauische IHK stellt nicht mehr die Ursprungsbescheinigungen für in der GUS vermarktete Erzeugnisse aus und kontrolliert nicht mehr die Ausfuhren in die EU, die nunmehr den Zollbehörden obliegt, um am APS teilnehmen zu können. Sie ist heute vor allem eine Handelskammer im Dienst der Unternehmen. Die IHK ist insbesondere bei der Ausfuhr moldauischer Produkte und beim Aufbau von Joint Ventures mit ausländischen Unternehmen behilflich. Sie bietet den Unternehmen vielfältige Serviceleistungen (15). Sie wirkt an der offiziellen Vertretung in der ILO mit und beherbergt ein EU-Informationszentrum. Der seit 2001 amtierende Ministerpräsident Tarlev bekleidete zuvor wichtige Funktionen in der moldauischen IHK. Die Klein- und Mittelbetriebe mit bis zu 30 Beschäftigten haben sich in einem eigenen Verband zusammengeschlossen, der finanziell und organisatorisch eng mit der IHK verflochten ist.

5.1.2

Es gibt mittlerweile auch einen „Nationalen Arbeitgeberverband“, der ebenfalls an der Vertretung Moldaus in internationalen Konferenzen der ILO mitwirkt und die Arbeitgeberseite in sozialpolitischen Zusammenkünften vertritt, die von der moldauischen Staatsführung einberufen werden. 2006 reagierte die Regierung entgegenkommend auf eine Klage vor der ILO und erlaubte die steuerliche Absetzbarkeit der Beiträge zu Arbeitgeberorganisationen.

5.1.3

Die Sozialpartner haben drei neue Tarifverträge auf Landesebene und elf branchen- und gebietsbezogene Kollektivvereinbarungen geschlossen. Ihre tatsächliche Wirkung im Rahmen des sozialen Dialogs ist jedoch begrenzt, da die IHK, auch wenn sie von der IOE anerkannt ist, in erster Linie immer noch eine Handelskammer im Dienste der Unternehmen ist.

5.2   Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung

5.2.1

Bis 2000 war die „Allgemeine Vereinigung der Gewerkschaften der Republik Moldau“ (FGSRM) die Vertretung der moldauischen Arbeitnehmer, eine Einheitsgewerkschaft, die 1990 nach dem organisatorischen Muster sowjetischer Gewerkschaften gebildet worden war. Im Jahr 2000 benannte sie sich in „Bund der Gewerkschaften der Republik Moldau“ (CSRM) um. Innerhalb dieses Gewerkschaftsbundes traten Spannungen auf, bei denen sich Landwirte, Industrie und Dienstleistungssektor, die moldauisch- und die russischsprachige Bevölkerung und die nationalkonservative Rechte und die Kommunistische Partei gegenüberstanden. Im Jahr 2000 traten einige berufsständische Verbände — aus 14 Industriesparten sowie aus dem Kulturbereich und dem Öffentlichen Dienst — aus dem CSRM aus und gründeten einen neuen Gewerkschaftsbund, den „CSL Solidaritatea“ („Bund freier Gewerkschaften Solidarität“). Nach dem Rücktritt des Vorsitzenden übernahm mit Petru Chiriac ein neuer Mann die Führung des CSRM. Der Versuch einer Wiederzusammenführung scheiterte trotz der Vermittlungsbemühungen des Internationalen Gewerkschaftsbundes (früher: IBFG), dem der CSRM seit 1997 angehörte. Gründe: persönliche Zwistigkeiten, aber auch Streit über die Aufteilung des Gewerkschaftsvermögens und vor allem politisch unterlegte Differenzen zwischen dem CSRM, der den moldauischsprachigen Parteien, der Rechten, den Christdemokraten und Demokraten näher steht, und der Solidaritatea, die sich von Anfang an als der Kommunistischen Partei nahe stehend und überwiegend russischsprachig ausgerichtet erwies.

5.2.2

Eine neue Wendung nahm die Spaltung der Gewerkschaftsbewegung ab 2001 durch den Wahlsieg der Kommunistischen Partei und die Wahl des KP-Vorsitzenden Wladimir Woronin zum Präsidenten der Republik. Dass Solidaritatea mit Blick auf die Festigung sozialer Fortschritte auf Kooperationskurs ging, während der CSRM eine kritischere, reformfreudigere Haltung an den Tag legte, brachte Risse in das Verhältnis zwischen dem Staat und den beiden Gewerkschaftsverbänden. Die Regierung, gestützt auf ihre Verbindungsleute in der Kommunistischen Partei und in der Verwaltung, ist dazu übergegangen, Solidaritatea systematisch zu begünstigen und den CSRM zu schwächen.

5.2.3

Die wiederholte, systematische Einmischung staatlicher Organe hat den CSRM im Januar 2004 veranlasst, mit Unterstützung durch den früheren IBFG und durch die Berufsverbände IUL und IÖD Klage beim Ausschuss für Vereinigungsfreiheit (CFA) der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) wegen Verletzung der Vereinigungsfreiheit einzureichen. In seinem Zwischenbericht 2006 hat sich der CFA für eine unabhängige Untersuchung der einzelnen, von den Klägern aufgeführten Übergriffe ausgesprochen; er stellte darüber hinaus fest, dass die Republik Moldau über keine wirkungsvollen Sanktionsmittel gegen Verletzungen der Gewerkschaftsrechte verfüge und daher die Einhaltung internationaler Normen in diesem Bereich nicht gewährleisten könne. 2005 unternahm der ILO-Verwaltungsrat eine Besuchsreise. Der IBFG machte die Europäische Kommission auf die Lage im Land aufmerksam und legte 2005 im Rahmen des APS, dem die Moldau angeschlossen ist, einen kritischen Bericht vor. Die moldauische Regierung hat bis dato nichts unternommen, um die Gesetzgebung anzupassen oder den Empfehlungen des CFA nachzukommen. Für die moldauischen Behörden ging es hier ungeachtet der verschiedenen Fakten, die in der Klage vor dem CFA genannt wurden, um nichts weiter als um eine Rivalität zwischen zwei Gewerkschaftsverbänden.

5.2.4

In der Praxis haben die Behörden immer offener — in der Rede von Präsident Woronin auf dem Solidaritatea-Kongress 2005 — dazu aufgerufen, wieder eine Einheitsgewerkschaft zu bilden. Seit 2005/06 hat sich das Kräfteverhältnis der beiden Organisationen allmählich umgekehrt: Hatte der CSRM 2001 rund 450 000 Mitglieder und Solidaritatea rund 200 000, so ist seit 2006 eindeutig Solidaritatea mitgliederstärker. Auf einem Kongress im Juni 2007 wurde der Wiederzusammenschluss der beiden Organisationen vollzogen. Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) hat bereits wissen lassen, dass er die Mitgliedschaft des CSRM nicht auf den neuen „wiedervereinten“ Gewerkschaftsbund zu übertragen gedenke. Dieser müsse zuerst seine Unabhängigkeit von staatlichen Stellen beweisen und unmissverständlich für die Grundsätze der Vereinigungsfreiheit und der Freiheit der Kollektivverhandlungen eintreten.

6.   Bildung von Vereinigungen und NGO

6.1   Wichtigste Ergebnisse der Studie des EWSA von 2004

6.1.1

Offiziell wurden in der Moldau seit der Unabhängigkeit 1991 rund 2 800 NGO auf Landes- und auf örtlicher Ebene registriert. Eine ganze Reihe der im staatlichen Register eingetragenen NGO, insbesondere die durch Wirtschaftsakteure oder die Behörden eingerichteten, hatte nur eine zeitweilige Aufgabe zu Beginn des Übergangsprozesses. Sie können daher nicht als unabhängige Akteure der Zivilgesellschaft angesehen werden. Ebenfalls Rechnung zu tragen ist den Organisationen, die sich seit 2001 gemeinsam mit der Opposition an Großdemonstrationen gegen die kommunistische Regierung beteiligt haben.

Wie auch in anderen Ländern, die sich im Umbruch befinden, konzentrieren die NGO ihre Arbeit auf die Hauptstadt und versuchen, Einfluss auf die dortigen Machthaber zu nehmen. Politisch sind die NGO immer mehr Schikanen ausgesetzt, insbesondere in ihren neuen Tätigkeitsfeldern Jugendpolitik sowie Verbraucher- und Umweltschutz. In Transnistrien ist ihre Tätigkeit durch eine drückende politische Kontrolle eingeschränkt.

6.1.2

Einige große Geldgeber (Soros, US AID, Eurasia, Hebo, British Peace Building), sind in den Bereichen Bildung, Kultur und Menschenrechte tätig.

6.1.3

Die Jugendverbände, deren Rekrutierungsbasis wegen der zunehmenden Emigration im Schwinden begriffen ist, fordern von der Regierung eine proeuropäische Politik, die über bloße Bekundungen hinausgeht. Sie wollen, dass die EU ihnen die Möglichkeit zur Teilnahme an Austauschprogrammen gibt. Die meisten Vertreter der Zivilgesellschaft sind der Ansicht, dass die künftigen gemeinschaftlichen Hilfsprogramme nicht allein mit der Regierung ausgehandelt und mit dieser durchgeführt werden sollten (wie es beim TACIS-Programm der Fall war), sondern auch die Vertreter aktiver NGO darin einbezogen werden sollten.

6.2   Bemerkungen zur jüngsten Entwicklung im Bereich zivilgesellschaftlicher Organisationen laut Fachstudien

6.2.1

Bei den letzten Wahlen 2005 haben rund 200 nichtstaatliche Organisationen erstmals ein geschlossenes, unabhängiges Bündnis gebildet, das eine Wahlbeobachtungskampagne im Land durchgeführt hat. Diese „Staatsbürgerliche Koalition 2005“ (16), die große Aufmerksamkeit auf sich gezogen und viel Widerhall in den Medien gehabt hat, hat sich bei den Wahlen 2007 abermals hervorgetan und viel für eine bessere Glaubwürdigkeit der NGO in der Bevölkerung geleistet.

6.2.2

Die NGO in der Moldau lassen sich grob drei Kategorien zuordnen: Zur ersten gehören die großen, gut ausgestatteten und bekannten Organisationen mit Sitz in der Hauptstadt, die sich einem internationalen Netzwerk angeschlossen haben (17). Zur zweiten Gruppe gehört die große Zahl weniger etablierter Organisationen, die oft nur als „Einmannbetrieb“ geführt werden, begrenzte Handlungsfähigkeit haben und immer auf der Suche nach Finanzierungsquellen sind. Eine dritte Gruppe bilden die „GONGOs“ (government-operated non-governmental organizations), also vollkommen staatlich gelenkte und finanzierte NGOs, wie es sie auch in anderen Ländern gibt und hinter denen die jeweilige Regierung steht.

6.2.3

In Transnistrien ist die Gruppe der „Gongos“ allgegenwärtig, denn das Regime Smirnow ist ständig um Verbündete in der Zivilgesellschaft bemüht, die seine Politik mittragen und ihm beim Machterhalt dienlich sind. In einer neueren Untersuchung tschechischen Ursprungs, die von einer NGO durchgeführt wurde (18), werden darüber hinaus unter den 900 nichtstaatlichen Organisationen in Transnistrien noch zwei weitere Kategorien ausgemacht: traditionelle Vereinigungen, wie Arbeitnehmer-, Frauen- und Jugendorganisationen, und kleine NGO, die offen für Kontakte mit Chisinau und mit internationalen Netzen sind. Einige davon lassen sich bei moldauischen Behörden registrieren und erlangen so Zugang zu EU-Hilfen.

6.3   Aktuelle Wege der Konsultation der Zivilgesellschaft und der Verhandlung mit den Sozialpartnern

6.3.1

Seit 2005 haben verschiedene moldauische Ministerien in folgender Form einen Dialog mit Teilen der Zivilgesellschaft geführt oder verstärkt: eine monatliche Konsultationssitzung im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und europäische Integration und eine nationale Konferenz im April 2006, die 18 Schlussfolgerungen zur „Verbesserung des Zusammenwirkens zwischen der Regierung und der Zivilgesellschaft“ formulierte. Gleichzeitig stehen andere Ministerien, insbesondere das Justiz-, das Landwirtschafts- und das Finanzministerium, in ständiger Verbindung mit Teilen der Zivilgesellschaft. Zur Zeit laufen verschiedene Projekte, vor allem mit dem UNDP, durch die Registrierungsschritte vereinfacht und die miserable Finanzlage vieler NGO verbessert werden sollen.

6.3.2

Das moldauische Parlament verfolgt auf Initiative von Marian Lupu seit 2006 einen „Plan zur Zusammenarbeit zwischen dem Parlament und der Zivilgesellschaft“, der recht ehrgeizige Ziele enthält und in dem verschiedene Mechanismen und Formen der Kooperation angeregt werden, wie z. B. eine „ständige Online-Konsultation“, Ad-hoc-Sitzungen oder öffentliche Anhörungen vor Parlamentsausschüssen sowie eine jährliche Konferenz.

6.3.3

Seit zwei Jahren bemühen sich zahlreiche NGO konkret um Mitwirkung an der Durchführung des EU-Aktionsplans in seinen verschiedenen Tätigkeitsfeldern und lassen sich dabei vor allem von den positiven Erfahrungen der Nachbarländer Rumänien und Ukraine leiten. Ermuntert werden sie in diesem Bestreben auch vom Europäischen Parlament, das im Mai 2007 einen Bericht angenommen hat.

6.3.4

In den Arbeitsbeziehungen ist es nicht verwunderlich, dass der soziale Dialog in der Moldau noch nicht richtig eingespielt ist. Es gab eine „Republikanische Kommission für Kollektivverhandlungen“, die aber mehr ein Ort der Bekanntmachung anderweitig gefasster Beschlüsse als ein wahrer Raum der Konsultation und des Dialogs war. Die Partnerorganisationen hatten keinen Einfluss auf die Tagesordnung dieser Kommission, und folglich war es auch nicht möglich, die Klage oder das weitere Vorgehen im Anschluss an die CFA-Empfehlungen zu erörtern. Die Kommission hat kein eigenes Sekretariat und verfügt auch nicht über dezentrale Strukturen auf regionaler oder Branchenebene. Ergänzend ist zu bemerken, dass der FGSRM, unterstützt vom vormaligen IBFG und europäischen Gewerkschaftsorganisationen, verschiedene Kooperationsprogramme mit dem transnistrischen Dachverband eingeleitet hat.

6.3.5

2006 wurde ein Gesetz über die Organisation und die Funktionsweise einer nationalen Kommission für Kollektivvereinbarungen mit gebiets- und branchenbezogenen Ausschüssen erlassen. Diese nationale Kommission hat 18 Mitglieder, darunter 12 Vertreter, die von den Sozialpartnern benannt werden.

Unterm Strich ist es noch viel zu früh für eine Beurteilung der neuen Konsultations- und Verhandlungsmechanismen und der tatsächlichen Wirkung dieser von der Regierung eingeleiteten Zusammenarbeit. Eine solche Bewertung wird nur auf längere Sicht auf der Grundlage klar definierter Grundsätzen und Modalitäten möglich sein.

Angesichts der gegenwärtigen Entwicklungen in den Beziehungen EU/Moldau und ausgehend von den Anfängen, die diese neuen Formen des sozialen und zivilen Dialogs bilden, möchte der EWSA Kontakte zur moldauischen Zivilgesellschaft aufbauen.

Der Ausschuss spricht sich dafür aus, bereits 2008 eine Konferenz zu organisieren, denn dann würde die Einleitung eines Dialogs unter den Zivilgesellschaften zeitlich mit den Arbeiten an einem neuen Rahmen für die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Republik Moldau zusammenfallen.

Brüssel, den 12. Dezember 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Siehe Anhang B.

(2)  Stellungnahme des EWSA zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates über ein Schema allgemeiner Zollpräferenzen“ für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2008, verabschiedet am 9./10. Februar 2005, Berichterstatter: Herr Pezzini (ABl. C 221/15 vom 8. September 2005).

(3)  Siehe Anhang.

(4)  Europarat: Groupe d'Etats contre la corruption (Gruppe der Staaten gegen Korruption).

(5)  AICESIS = Association internationale des Conseils économiques et sociaux et institutions similaires (Internationale Vereinigung der Wirtschafts- und Sozialräte und vergleichbarer Einrichtungen).

(6)  Die Ratifizierung dieser Verträge erfolgt voraussichtlich noch vor Ende 2007.

(7)  Laut statistischen Angaben amtlicher moldauischer Stellen.

(8)  Laut statistischen Angaben amtlicher moldauischer Stellen.

(9)  Laut statistischen Angaben amtlicher moldauischer Stellen.

(10)  Bericht des Europaratsausschusses für die Einhaltung der von Moldau eingegangenen Pflichten und Verpflichtungen, September 2007.

(11)  Europarat, 14. September 2007, „Einhaltung der von Moldau eingegangenen Pflichten und Verpflichtungen“.

(12)  Studien zur moldauischen Zivilgesellschaft: Die Europäische Union und die Zivilgesellschaft in der Republik Moldau, Schlussfolgerungen der Konferenz von AETI und ECAS im Juni 2006; Stärkung des Dialogs zwischen der moldauischen Regierung und der moldauischen Zivilgesellschaft über die Umsetzung des Aktionsplans EU/Moldau, Schlussfolgerungen der Konferenz der Eurasia-Stiftung, moldauisches Außenministerium und US AID, April 2006; Stärkung des nichtstaatlichen Sektors in der Konfliktzone der Republik Moldau, IMAC, Februar 2007; Studie über die Entwicklung nichtstaatlicher Organisationen in Moldau für die Geberkonferenz, UNDP-Projekt, Mai 2007; Umfrage unter den im sozialen Bereich in der Republik Moldau aktiven NGO, EU-Projekt, TRANSTEC, Mai-Juni 2006; Verbesserung der finanziellen Dauerhaftigkeit moldauischer Organisationen der Zivilgesellschaft, UNDP & SOROS 2005; Rundfrage über die Entwicklung nichtstaatlicher Organisationen in der Republik Moldau; Monitoring-Bericht des Europarates, September 2007; Staaten im Übergang 2007: Moldau, CEPS, George Dura und Nio Popescu 2007; Die Situation in Transnistrien, People in Need (CZ), November 2006.

(13)  Studie des UNDP, Mai 2007.

(14)  UNDP-Studie, 2007, S. 3.

(15)  Informationsschrift der moldauischen IHK, Mai 2007.

(16)  Bewertungsbericht der Stiftung Eurasia, Oktober 2005.

(17)  Siehe Beispiele in dem Bericht „NGO Scores for Moldova“, veröffentlicht von US AID, 2005.

(18)  Ondrej Soukop, Organisation „People in Need“, Prag, 2007.