52007DC0609

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Überwachung der Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts {SEK(2007)1323} /* KOM/2007/0609 endg. */


DE

Brüssel, den 18.10.2007

KOM(2007) 609 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT

über die Überwachung der Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts

{SEK(2007)1323}

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT

über die Überwachung der Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts

I. Einleitung

1. Der Schienenverkehr in der Europäischen Union war in den letzten Jahren tief greifenden Veränderungen unterworfen, die zu einem großen Teil durch Maßnahmen der Gemeinschaft ausgelöst wurden. Im Jahr 2001 wurden drei Maßnahmenpakete mit dem Ziel beschlossen, den Schienenverkehr schrittweise zu liberalisieren und auf den Gebieten der Eisenbahninteroperabilität und Eisenbahnsicherheit die technische und betriebliche Harmonisierung im Hinblick auf einen integrierten europäischen Eisenbahnraum voranzutreiben (siehe Anhang 1 [1]).

2. In dem im Mai 2006 vorgelegten Bericht der Kommission [2] werden der mit dem ersten dieser Pakete geschaffene ordnungspolitische und institutionelle Rahmen und dessen Auswirkungen auf den Schienenverkehrsmarkt genau beschrieben. Dieser weiteren Bewertung der Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts liegen die Ergebnisse jenes Berichts zugrunde.

3. Eine kontinuierliche Überwachung des Schienenverkehrsmarkts ist notwendig, damit beurteilt werden kann, inwieweit die vielfältigen Maßnahmen der EU-Politik sich auf diesen Markt auswirken, und um mit neuen Maßnahmen den aktuellen und künftigen Erfordernissen des Eisenbahnsektors Rechung zu tragen.

4. Bereits in den Gemeinschaftsvorschriften für den Eisenbahnsektor [3] von 2001 war die Forderung enthalten, dass die Kommission die technischen und wirtschaftlichen Bedingungen auf dem europäischen Schienenverkehrsmarkt überwacht. Ferner wurde die Kommission verpflichtet, dem Europäischen Parlament und dem Rat u. a. über die Entwicklung des Binnenmarkts für Eisenbahndienste, die Rahmenbedingungen, den Zustand der Infrastruktur und die Anwendung der Zugangsrechte Bericht zu erstatten.

5. Auch in der Halbzeitbilanz zum Verkehrsweißbuch der Europäischen Kommission von 2006 [4] wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, den Schienenverkehrsmarkt mittels eines Anzeigers (Scoreboard) für die wichtigsten Indikatoren zum Eisenbahnbinnenmarkt, insbesondere zu dessen schrittweisen Öffnung für den nationalen und internationalen Wettbewerb, zu überwachen.

6. Mit der vorliegenden Mitteilung über die Überwachung der Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts wird dieser Notwendigkeit entsprochen. Sie enthält eine erste statistische Analyse der Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts und bildet die Grundlage für eine regelmäßige Berichterstattung.

II. Überwachungssystem für den Schienenverkehrsmarkt

7. Um die Überwachungsanforderungen zu erfüllen, schuf die Kommission 2001 das Überwachungssystem für den Schienenverkehrsmarkt (Rail Market Monitoring Scheme, RMMS), über das auf der Internetseite der Generaldirektion Energie und Verkehr [5] Informationen über verschiedene Aspekte der Eisenbahnmärkte veröffentlicht werden. Diese Informationen werden regelmäßig aktualisiert und ergänzt, um eine noch größere Vielfalt an Marktentwicklungsindikatoren zu erhalten.

8. Bei ihrer Überwachungstätigkeit wird die Kommission von einer Arbeitsgruppe unterstützt, der Vertreter der nationalen Ministerien und der Eisenbahnindustrie angehören. Zwischen 2001 und 2007 fanden 18 Sitzungen der RMMS-Arbeitsgruppe statt.

9. Die vorliegende Bewertung stützt sich auf die Analyse der RMMS-Arbeitsgruppe sowie auf statistische Quellen, die der Kommission zur Verfügung stehen, aktuelle Studien [6] und den Bericht über die Durchführung des ersten Eisenbahnpakets (siehe oben).

10. Folgende Aspekte stehen dabei im Mittelpunkt:

– der im Hinblick auf die Liberalisierung des Schienenverkehrsmarkts und die Stärkung der Eisenbahn als sicheres und umweltverträgliches Verkehrsmittel geschaffene ordnungspolitische und institutionelle Rahmen;

– die Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts unter Berücksichtigung der Leistungen im Personen- und Güterverkehr, Vergleiche mit anderen Verkehrsträgern und Marktöffnungsindikatoren;

– die Finanzkraft des Sektors, einschließlich Angaben zur Kapazität, zur aktuellen Situation sowie zur Auslastung der Schieneninfrastruktur und zur Entwicklung der Zulieferindustrie.

11. Allerdings können in dieser Marktbewertung wegen mangelnder quantitativer Daten bestimmte Aspekte der Eisenbahnmärkte nicht berücksichtigt werden, beispielsweise der Vermögensbestand der Eisenbahnunternehmen (Fahrzeuge) und so genannte weiche Faktoren wie die Aus- und Weiterbildung des Personals.

III. Anwendung des rechtlichen und institutionellen Rahmens

12. Alle Mitgliedstaaten, die über ein Eisenbahnnetz verfügen, haben die Richtlinien des ersten Eisenbahnpakets formell umgesetzt (siehe Anhänge 2a und 2c). Wegen Verzögerungen war die Kommission allerdings gezwungen, 56 Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, von denen 12 zu Gerichtsurteilen führten (siehe Anhang 3a). Derzeit werden die nationalen Durchführungsmaßnahmen zu einer Reihe wesentlicher Bestimmungen des Pakets untersucht [7].

13. Da einige Mitgliedstaaten das zweite Eisenbahnpaket nur zum Teil in innerstaatliches Recht umgesetzt haben (siehe Anhänge 2b und 2c), eröffnete die Kommission weitere 55 Vertragsverletzungsverfahren, wobei in 18 Fällen der Gerichtshof angerufen wurde. Fünf dieser Verfahren wurden nach endgültiger Notifizierung der Umsetzungsmaßnahmen inzwischen eingestellt, während die übrigen 13 Verfahren noch anhängig sind (siehe Anhang 3b).

14. Sämtliche der im ersten und im zweiten Eisenbahnpaket vorgesehenen Stellen sind in den Mitgliedstaaten eingerichtet worden. Dazu gehören nationale Unternehmen und Einrichtungen für die Kapazitätszuweisung, Stellen für die Erteilung von Genehmigungen, Regulierungsbehörden, nationale Sicherheitsbehörden, Untersuchungsstellen sowie benannte Stellen (siehe Anhänge 4, 5, 6 und 7).

15. Im Fall der Regulierungsbehörden ist anzumerken, dass angesichts der Zahl der mit Regulierungsfragen beschäftigten Bediensteten und der Menge der 2005 behandelten Beschwerden gewisse Zweifel an ihrer Verwaltungskapazität bestehen.

16. Die Umsetzung der Rechtsvorschriften über die Eisenbahninteroperabilität und Eisenbahnsicherheit wird derzeit eingehend analysiert. Den ersten Ergebnissen zufolge wenden einige Staaten die Richtlinien über die Sicherheit im Eisenbahnverkehr und die Eisenbahninteroperabilität, obwohl sie sie bereits formell umgesetzt haben, nur unvollständig an. Darüber hinaus führen Verzögerungen in der Umsetzung des zweiten Eisenbahnpakets zu mangelnder Rechtssicherheit für die Akteure des Schienenverkehrsmarkts. Die in dem Paket vorgesehenen Stellen sind in den betroffenen Ländern zwar bereits eingerichtet worden, doch scheint die fehlende Rechtsgrundlage für ihre Tätigkeiten ein erhebliches Hindernis für ein reibungsloses Funktionieren des Eisenbahnmarkts darzustellen.

IV. Leistungsfähigkeit des Schienenverkehrsmarkts in der EU

IV.1. Situation des Schienenverkehrs im Vergleich zu anderen Verkehrsarten

17. Der Marktanteil der Eisenbahn am gesamten Güterverkehr ist seit 1970 kontinuierlich gesunken, nämlich von 20 % (EU-15) auf 8 % (EU-15) im Jahr 2003 bzw. 10 % (EU-25) im Jahr 2005 (in Tonnenkilometern). Mit einem Rückgang von lediglich 2 % zwischen 1995 und 2005 hat sich dieser Abwärtstrend im vergangenen Jahrzehnt abgeschwächt (siehe Anhang 8a).

18. Im landgebundenen Verkehr lag der Anteil der Schiene am EU-Güterverkehrsmarkt 2005 bei 17,4 %, wobei der Wert in den „neuen“ Mitgliedstaaten mehr als doppelt so groß war wie in der EU-15, nämlich 30,9 % gegenüber 14 % (siehe Abbildung 1 und Anhang 8c).

Abbildung 1: Marktanteil der Schiene im landgebundenen Güterverkehr in der EU-25, EU-15 und EU-10 (1995-2005)

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Quelle: Eurostat, UIC, „EU Energy and Transport in Figures Statistical Pocketbook 2006“, Schätzungen der GD TREN und nationale Statistiken.

19. Auch bei der Personenbeförderung wurde in den vergangenen drei Jahrzehnten ein Rückgang verzeichnet, wenngleich weniger dramatisch als im Güterverkehr. Der Marktanteil der Eisenbahn am gesamten Personenverkehr ging von 10,2 % im Jahr 1970 auf 6,3 % im Jahr 2003 (EU-15) zurück (in Personenkilometern). Für die EU-25 lag der Wert 2004 bei 5,8 % (siehe Anhang 8b).

20. Berücksichtigt man nur den landgebundenen Verkehr, so lag 2004 der Marktanteil der Schiene am Personenverkehr in der EU bei 6,5 %. Damit betrug in der EU-15 der Marktanteil der Eisenbahn in den letzten zehn Jahren stets mehr als 6 %. Dagegen ist er in der EU-10 drastisch zurückgegangen, nämlich von 11,2 % im Jahr 1995 auf 7,4 % im Jahr 2004 (siehe Abbildung 2 und Anhang 8d).

Abbildung 2: Marktanteil der Schiene im landgebundenen Personenverkehr in der EU-25, EU-15 und EU-10 (1995-2004)

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Quelle: Eurostat, UIC, Schätzungen der GD TREN und nationale Statistiken.

21. Bei der Analyse der Marktanteile der Schiene im Güterverkehr wird die Tatsache außer Acht gelassen, dass die Eisenbahn aufgrund ihrer Beschaffenheit keine Tür-zu-Tür-Kurzstreckendienste bieten kann. Die aktuellen Verfahren zur Messung des Beitrags der einzelnen Verkehrsträger zu den verschiedenen Verkehrsdiensten geben somit hinsichtlich des Marktanteils der Schiene nur ein unvollständiges Bild. Die Kommission prüft gegenwärtig die Möglichkeit, Daten über die Leistung der einzelnen Verkehrsarten in bestimmten Entfernungskategorien zu sammeln.

22. Einer Pilotstudie der Gemeinschaft Europäischer Bahnen (GEB) und des Internationalen Eisenbahnverbands (UIC) von 2006 zufolge, bei der anhand einer Gruppe von Eisenbahnunternehmen mit einem Marktanteil von 20 % die Leistung des Schienengüterverkehrs in bestimmten Entfernungskategorien untersucht wurde, nimmt der Anteil der Schiene auf langen Strecken im Vergleich zur Straße erheblich zu (> 150 km = 22 %, > 300/325 km = 26 % und > 500 km = 30 % gegenüber 19 % insgesamt). Bei Entfernungen über 150 km sind die durchschnittlichen Beförderungskosten im Schienenverkehr normalerweise geringer als im Straßenverkehr (vgl. Anhang 22e).

IV.2. Volumen- und Leistungstrends im Schienenverkehr [8]

23. Nach Jahren kontinuierlichen Rückgangs fand der Abwärtstrend im Schienengüterverkehr 2003 ein Ende (siehe Abbildung 3) [9]. In jenem Jahr wurde die erste Stufe der Liberalisierung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs wirksam.

Abbildung 3: Leistungstrends im Schienengüterverkehr in der EU-25, EU-15 und EU-10 (1970-2005)

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Quelle: „EU Energy and Transport in Figures Statistical Pocketbook 2006“, Tabelle 3.2.5, Eurostat.

24. Zwischen 2000 und 2005 verzeichnete der Schienengüterverkehr in den Mitgliedstaaten, in denen die nicht etablierten Eisenbahnunternehmen die größten Marktanteile hatten, erhebliche Zuwächse (siehe Anhang 9 und Abbildung 4, in der diese Länder dunkel dargestellt sind).

Abbildung 4: Entwicklung der Schienengüterverkehrsleistung 2000-2005

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Quelle: „EU Energy and Transport in Figures Statistical Pocketbook 2006“, Tabelle 3.2.5, Eurostat.

25. Im Jahr 2005 wurden (nach Tonnenkilometern) überwiegend feste mineralische Brennstoffe (meist durch Eisenbahnunternehmen der EU-15), Metalle und Erdölerzeugnisse (insbesondere durch Unternehmen der EU-10) per Schiene befördert.

26. Im Jahr 2006 hat die Schienengüterverkehrsleistung in der EU-25 um 3,7 % zugenommen, bedingt durch den Anstieg in den „alten“ Mitgliedstaaten (im Mittel 5,7 %), vor allem in Finnland, Luxemburg und Deutschland, die alle Zuwachsraten über 10 % verzeichneten. Verglichen mit dem jeweiligen Vorjahreszeitraum war der Anstieg im ersten Quartal 2006 (nach Tonnenkilometern) am stärksten. In der EU-10 hat die Verkehrsleistung 2006 insgesamt um 0,5 % abgenommen. Allerdings nahm in Ungarn (13,3 %) und der Slowakischen Republik (7,3 %) der Schienengüterverkehr einen dynamischen Entwicklungsverlauf (siehe Anhang 10).

27. Im Personenverkehr stieg die Leistung zwischen 1970 und 1990 kontinuierlich an. Im darauf folgenden Jahrzehnt (1990-2000) verzeichnete die EU-15 dann einen drastischen Anstieg und die EU-10 gleichzeitig einen starken Rückgang (siehe Abbildung 5). Seitdem hat sich die Personenverkehrsleistung in der EU-10 stabilisiert, während sie in der EU-15 langsam, aber beständig ansteigt.

Abbildung 5: Leistungstrends im Schienenpersonenverkehr in der EU-25, EU-15 und EU-10 (1970-2005)

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Quelle: „EU Energy and Transport in Figures Statistical Pocketbook 2006“, Tabelle 3.3.7, Eurostat.

28. Zwischen 2000 und 2005 verzeichneten Lettland (29 %), Irland (29 %) und Belgien (20 %) die größten Zuwächse im Schienenpersonenverkehr. Die stärksten Rückgänge wurden in Litauen (-33 %), Estland (-33 %), Bulgarien (-31 %) und Rumänien (-31 %) beobachtet.

29. Im Jahr 2006 verlief die Entwicklung der Personenverkehrsleistung in der EU-15 und der EU-10 ähnlich positiv und lag im Durchschnitt bei 3,3 % für die gesamte EU. Verglichen mit dem jeweiligen Vorjahreszeitraum wurden im zweiten Quartal 2006 die besten Ergebnisse erzielt. Die größten Zuwächse im Schienenpersonenverkehr verzeichneten 2006 Lettland (10,8 %), Luxemburg (9,2 %) und Schweden (7,3 %). Dagegen ging die Leistung in Litauen (-4,3 %) und Griechenland (-1,8 %) zurück (siehe Anhang 10).

30. Der Anteil der grenzüberschreitenden Beförderungen am gesamten Güterverkehrsaufkommen (nach Tonnenkilometern) war 2005 in Estland (93%), Lettland (88 %) und der Slowakischen Republik (86,5 %) am höchsten. Im Schienenpersonenverkehr war der Anteil der grenzüberschreitenden Fahrten in Luxemburg (24 % der Personenkilometer), Österreich (17 %) und Belgien (15 %) am höchsten (siehe Anhang 12b, der auch Angaben über die Entwicklung der Verkehrsleistung im innerstaatlichen und im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr für den Zeitraum 2003-2005 enthält).

V. Öffnung des Schienenverkehrsmarkts

31. In der EU sind mehr als 700 zugelassene Eisenbahnunternehmen tätig, davon rund die Hälfte in Deutschland (355), gefolgt von Polen (62) und dem Vereinigten Königreich (56). Anhang 14 enthält einen Überblick über die Zahl der gültigen Genehmigungen und Sicherheitsbescheinigungen je Mitgliedstaat.

32. Abbildung 6 zeigt den Gesamtmarktanteil der nicht etablierten Unternehmen im Schienengüterverkehr. Die höchsten Anteile (in Tonnenkilometern) verzeichneten die neuen Marktakteure in Schweden (32,5 %), Estland (30,6 %), Rumänien (26,7 %), den Niederlanden (18 %), Polen (16,9 %) und Deutschland (16,4 %). Im Personenverkehr waren ihre Marktanteile in Estland (40 %), Schweden (35,8 %) und Lettland (10,1 %)* am größten. In Anhang 13 ist dargestellt, wie die Marktanteile in der EU-27 auf die einzelnen Unternehmen verteilt sind.

Abbildung 6: Gesamtmarktanteile der nicht etablierten Unternehmen im Schienengüterverkehr 2006

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* Für CZ, DK, FR und UK sind keine Daten verfügbar; die Daten für ES und PT stammen von 2005, die für NL von 2003.

Quelle: Antworten der Mitgliedstaaten auf den RMMS-Fragebogen von Mai/Juni 2007.

33. Als Näherungswert zur Messung der Marktöffnung dient der Herfindahl-Hirschman-Index (HHI) [10], der die Marktkonzentration und den Wettbewerbsgrad in einem Wirtschaftszweig angibt. Diese Kennzahl kann sich zwischen null (viele Unternehmen und wirksamer Wettbewerb) und eins (im Fall eines Monopolisten) bewegen.

34. Abbildung 7 zeigt den HHI für den Schienengüter- und den Schienenpersonenverkehrsmarkt in den EU-Mitgliedstaaten. Im Schienengüterverkehr besteht der größte Wettbewerb in Estland (0,53), Rumänien (0,55), Polen (0,7) und Lettland (0,8)*. Monopole bestehen weiterhin in Griechenland, Finnland, Frankreich, Litauen, Luxemburg, Portugal und Slowenien. Wegen fehlender Daten konnte der HHI u. a. für Schweden, die Niederlande und Deutschland (wo der Marktanteil der nicht etablierten Schienenverkehrsunternehmen hoch ist) nicht errechnet werden. Im Schienenpersonenverkehr sind die Märkte in Estland (0,48), Lettland (0,82), Polen (0,83) und Portugal (0,84) am stärksten für den Wettbewerb geöffnet.

Abbildung 7: Herfindahl-Hirschman-Index für die innerstaatlichen Schienenverkehrsmärkte

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* Für CZ, DE, DK, FR, IT, NL, SE und UK sind keine Daten verfügbar.

Quelle: Antworten der Mitgliedstaaten auf den RMMS-Fragebogen von Mai/Juni 2007.

VI. Leistungsfähigkeit der Eisenbahnunternehmen

35. Unter der Leitung der RMMS-Arbeitsgruppe hat die Gemeinschaft Europäischer Bahnen (GEB) eine Untersuchung über ihre 17 Mitglieder [11] durchgeführt, aus der hervorgeht, dass die Zahl der Beschäftigten in den Eisenbahnunternehmen zwischen 1995 und 2004 kontinuierlich gesunken ist, während die Produktivität gleichzeitig zunahm. In den letzten Jahren allerdings hat sich die Geschwindigkeit des Beschäftigungsabbaus im Eisenbahnsektor verlangsamt. Der Stellenabbau in den alteingesessenen Eisenbahngesellschaften wurde zum Teil durch die Schaffung von Arbeitsplätzen in den neuen Schienenverkehrsunternehmen ausgeglichen, wenngleich im Moment noch keine Informationen über die Qualität der neuen Stellen vorliegen [12]. Anhang 15 zeigt die Zahl der Mitarbeiter, die 2006 bei den einzelnen Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreibern in der EU beschäftigt waren.

36. Die Untersuchung der GEB hat außerdem gezeigt, dass die Eisenbahnunternehmen in der EU-15 und der EU-10 sich in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich voneinander unterscheiden. In den „alten“ Mitgliedstaaten ist seit 1995 das durchschnittliche Verhältnis des Fremdkapitals zum Eigenkapital in den Eisenbahnunternehmen unter 1 gefallen, d. h. die Vermögenswerte werden überwiegend durch Eigenmittel und nicht über Schulden finanziert. In der EU-10 dagegen ist das durchschnittliche Verhältnis Fremdkapital/Eigenkapital von ca. 0,11 auf 2,52 drastisch angestiegen. Die finanzielle Schwäche der Eisenbahnunternehmen in den „neuen“ Mitgliedstaaten liegt in erster Linie am unzureichenden Ausgleich für gemeinwirtschaftliche Dienste, fortbestehenden Verpflichtungen der Unternehmen gegenüber dem Staat sowie an den von einigen Betreibern in den letzten Jahren getätigten Investitionen, die sich als wirtschaftlich nicht tragfähig erwiesen.

37. Einer anderen Studie [13] zufolge, die im Auftrag der Kommission über die finanzielle Leistungsfähigkeit von Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreibern durchgeführt wurde, deren Jahresumsatz mindestens 50 Mio. € beträgt, lag 2004 bei 61 % der 74 untersuchten Eisenbahnunternehmen [14] der Wirtschaftlichkeitsgrad über 1, so dass ihre Aktivitäten grundsätzlich profitabel waren. 24 % der Unternehmen hatten eine negative Eigenkapitalrendite, erwirtschafteten bei ihren Tätigkeiten also Verluste. Bei fünf der zehn untersuchten Infrastrukturbetreibern lag der Wirtschaftlichkeitsgrad über 1, während die anderen fünf eine negative Eigenkapitalrendite aufwiesen (siehe Anhang 16).

38. Die Dienstleistungsqualität lässt nach wie vor zu wünschen übrig, insbesondere im intermodalen Verkehr. Nach Statistiken der Internationalen Vereinigung der Gesellschaften für den kombinierten Verkehr Schiene-Straße (UIRR) ist der Pünktlichkeitsgrad im kombinierten Schienengüterverkehr entlang den europäischen Hauptkorridoren in den letzten Jahren gering (2006 erreichten nur 53 % der Züge mit weniger als 30 Minuten Verspätung ihr Ziel) und instabil (siehe Anhang 17).

VII. Schieneninfrastruktur: Kapazität, Finanzierung und Zulieferwirtschaft

39. Das Schienennetz in der EU ist insgesamt etwa 215 000 km lang [15]. Über die größten Schienennetze verfügen Deutschland (34 122 km), Frankreich (29 246 km) [16] und Polen (22 156 km). Die kleinsten Netze bestehen in Luxemburg (275 km) und Estland (971 km öffentliches Schienennetz) (siehe Anhang 18). Malta und Zypern verfügen über kein Eisenbahnnetz. Die größte Streckendichte ist in Belgien und Luxemburg (122 m/km² und 106 m/km²) anzutreffen.

40. Die intensivste Nutzung für den Güterverkehr (in Tonnenkilometern je Kilometer Eisenbahnnetz) wurde in den baltischen Ländern verzeichnet (10,8 in Estland, 7,4 in Lettland und 7,3 in Litauen). Für den Personenverkehr wurde das Netz in den Niederlanden (5,3), dem Vereinigten Königreich (3,0) und Belgien (2,8) am intensivsten genutzt (siehe Anhang 18).

41. Im Jahr 2006 umfasste das europäische Schienennetz 4 919 km Hochgeschwindigkeitsstrecken in Italien, Frankreich, Spanien, Deutschland, Belgien und dem Vereinigten Königreich. Bis 2009 kommen in der EU weitere 1 485 km an neuen Strecken hinzu, die mit mehr als 250 km/h befahren werden können (siehe Anhang 19).

42. Die Ausgaben für die Infrastrukturinstandhaltung (in Euro je Kilometer) waren 2006 in den Niederlanden (446 000), Luxemburg (173 000) und dem Vereinigten Königreich (108 000) am größten. Die Erneuerung der Infrastruktur wurde im Vereinigten Königreich (260 000), in Luxemburg (159 000) und in Deutschland (117 000) am intensivsten betrieben. Die größten Investitionen in den Streckenneubau wurden in den Niederlanden (464 000), Belgien (259 000), Luxemburg (245 000) und Griechenland (124 000) getätigt. Generell sind in diesen Ländern auch für den Zeitraum 2007-2010 umfangreiche Investitionen geplant (siehe Anhang 20).

43. Die Erhebung von Entgelten für die Nutzung der Schieneninfrastruktur wird je nach Mitgliedstaat sehr unterschiedlich gehandhabt. Der Anteil der durch Entgelte abgedeckten Infrastrukturkosten bewegt sich zwischen 5 % in Schweden und 100 % in den baltischen Staaten (siehe Anhang 22). Dies hängt meist von den für die Bereitstellung der Infrastruktur geleisteten Zahlungen des Staates und der Effizienz der Infrastrukturbetreiber ab. Auch die Vielschichtigkeit und Intensität der Infrastrukturnutzung spielen eine große Rolle. Der Beitrag der öffentlichen Hand zu Betrieb, Instandhaltung, Erneuerung und Bau von Infrastruktur betrug 2006 in der EU-25 insgesamt 14 Mrd. €, von denen nur 3,6 % auf die Länder der EU-10 entfielen (siehe Anhang 21).

44. Einige Systeme zur Erhebung von Entgelten für die Infrastrukturnutzung sind so beschaffen, dass sie, beispielsweise indem sie Querfinanzierungen des Personenverkehrs ermöglichen, die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs gefährden. Das Problem der Querfinanzierung ist in einigen der „neuen“ Mitgliedstaaten besonders dringend, da dort hohe Zugangsentgelte mit einer geringen Infrastrukturqualität einhergehen.

45. Der aktuelle Marktwert der Eisenbahnzulieferbranche in West- und in Osteuropa [17] beträgt rund 40 Mrd. € (siehe Anhang 23). Dabei werden 75 % des Bedarfs nicht ausschließlich durch betriebseigene Zulieferer abgedeckt, so dass dieser Markt auch externen Anbietern zugänglich ist. Besonders eingeschränkt ist der Marktzugang in Osteuropa in den Bereichen Dienstleistungen und Instandhaltung (51 %) sowie Infrastrukturbereitstellung (58 %). Dagegen haben externe Zulieferer in den Bereichen Zugsteuerung/Zugsicherung und Fahrzeuge uneingeschränkten Marktzugang (100 %).

46. In Osteuropa dürfte der Fahrzeugmarkt im nächsten Jahrzehnt eine dynamische Entwicklung nehmen (jährlich +8,2 % bis 2015). In Westeuropa ist die Infrastrukturinstandhaltung der Bereich mit dem größten Wachstumspotenzial (jährlich 2,6 % in demselben Zeitraum) (siehe Anhang 23).

VIII. Fazit

47. In diesem Bericht werden die wesentlichen Trends beschrieben, die in den letzten Jahren auf dem Schienenverkehrsmarkt der EU zu beobachten waren. Die Umstrukturierung des europäischen Eisenbahnsektors hat bislang zu gemischten Ergebnissen geführt. Der Bericht bestätigt allerdings, dass die Bemühungen, den Schienenverkehr durch die Schaffung eines europäischen Eisenbahnraums wiederzubeleben, sowie der zunehmende Wettbewerb auf dem Markt positive Auswirkungen haben.

48. Die Gemeinschaftsvorschriften im Bereich des Eisenbahnverkehrs sind fast vollständig umgesetzt worden. Die in diesen Vorschriften vorgesehenen Stellen wurden in den Mitgliedstaaten inzwischen eingerichtet. Der Abwärtstrend im Schienengüterverkehr nahm 2003 ein Ende, und die Verkehrsleistung bewegt sich seitdem auf relativ stabilem Niveau. Die jüngsten Daten (2006) versprechen gute Zukunftsperspektiven. Die Analyse von Leistungstrends im Schienenverkehr der letzten sechs Jahre hat ergeben, dass die Länder mit der größten Marktöffnung erheblich bessere Ergebnisse vorweisen können als Länder, in denen die alteingesessenen Eisenbahnunternehmen marktbeherrschend sind. Die herkömmlichen Daten über die Verkehrsträgeranteile weisen zwar noch einen leichten Rückgang des Marktanteils der Schiene am Güterverkehr aus, doch lassen erste Schätzungen erkennen, dass die Eisenbahn im Güterverkehr auf mittleren und Fernstrecken über ein großes Potenzial verfügt. Durch den Reformprozess entstehen auch neue Beschäftigungsmöglichkeiten, so dass dem stetigen Stellenabbau in den Eisenbahnunternehmen entgegengewirkt werden kann. Angesichts der großen Fahrzeugnachfrage, die für die osteuropäischen Länder für die kommenden zehn Jahre prognostiziert wird, sind nicht zuletzt auch für die Zulieferindustrie die Aussichten positiv.

49. Andererseits stehen noch immer eine Reihe von Hindernissen der Entwicklung des Schienenverkehrs in der EU im Wege. Die Durchführung der Rechtsvorschriften ist in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr uneinheitlich. Bestimmte Einrichtungen haben ihre Arbeit noch nicht vollständig aufgenommen. Dies kann, wie im Fall der nationalen Sicherheitsbehörden, am mangelnden Personal liegen oder daran, dass für ihre Tätigkeiten bis zur Umsetzung des zweiten Eisenbahnpakets keine Rechtsgrundlage besteht.

50. Der Wettbewerb auf dem europäischen Schienenverkehrsmarkt ist zwar noch immer unzureichend, wird sich aber in dem Maße intensivieren, in dem die Rechtsvorschriften über den diskriminierungsfreien Zugang zur Infrastruktur und die Liberalisierung des innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Güterverkehrs weiterentwickelt werden. Dennoch wird die Integration der Märkte auf europäischer Ebene noch erheblich behindert. Dies liegt insbesondere daran, dass die technische Interoperabilität der europäischen Eisenbahnnetze noch nicht vollständig realisiert ist und kein gemeinsames Konzept über die Eisenbahnsicherheit besteht. Weitere Faktoren sind die relative Finanzschwäche der Eisenbahnunternehmen, besonders in den „neuen“ Mitgliedstaaten, und die erheblichen Markteintrittskosten angesichts der hohen Fixkosten für das Marktgeschäft und der hohen Verwaltungsausgaben für die Anerkennung von Fahrzeugen, Zulassungsverfahren usw. Darüber hinaus investieren einige Mitgliedstaaten nur unzureichend in den Eisenbahnsektor, insbesondere in die Instandhaltung und Erneuerung der Schieneninfrastruktur. Da fast alle Schienenverkehrsmärkte in der EU bis vor wenigen Jahren noch von nationalen Monopolen beherrscht wurden, sind bislang noch nicht genügend Anreize geschaffen worden, um die Qualität der Schienenverkehrsdienste entscheidend zu verbessern.

51. Durch die regelmäßige Aktualisierung dieses Berichts würde nach Ansicht der Kommission die Möglichkeit geschaffen, den Schienenverkehrsmarkt anhand vergleichbarer Daten kontinuierlich zu überwachen. Auf eine Reihe von Fragen, die in diesem Bericht nicht ausreichend behandelt werden, wird in künftigen Fassungen eingegangen. Die Eisenbahnindustrie und die nationalen Behörden müssen durch die Bereitstellung von Daten noch stärkere Unterstützung leisten, damit die Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts so umfassend wie möglich analysiert werden kann.

[1] Zu dieser Mitteilung über die Überwachung der Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts gehört ein Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen mit 23 Anhängen.

[2] KOM(2006) 189 endg. vom 3 Mai 2006.

[3] Abschnitt Va der Richtlinie 2001/12/EG.

[4] KOM(2006) 314 endg. vom 22. Juni 2006.

[5] http://ec.europa.eu/transport/rail/market/index_de.htm.

[6] Diese Studien sind auf folgender Internetseite zu finden:

- http://ec.europa.eu/transport/rail/studies/index_de.htm.

[7] Diese Prüfungen werden unter anderem die Grundlage für die Neufassung der Richtlinien des ersten Eisenbahnpakets bilden, die für 2008 vorgesehen ist.

[8] Leistung wird hier in Tonnen- bzw. in Personenkilometern ausgedrückt.

[9] Da Zypern und Malta über kein Eisenbahnnetz verfügen, gelten sämtliche Bezugnahmen auf die EU-10 oder die „neuen“ Mitgliedstaaten in den Kapiteln IVa-VIII mit Ausnahme dieser beiden Länder.

[10] Der HHI ist definiert als die Summe der Quadrate der Marktanteile der einzelnen Unternehmen einer Branche.

[11] CFL, CIE, CP, DB, FS, NSB, ÖBB, SNCF, VR, SBB (außer ATOC/EWS und ASTOC), BDZ, CFR, CD, LG, MAV, PKP und SZ.

[12] Anhänge zu dem Bericht KOM(2006) 189 endg. vom 3. Mai 2006, S. 91.

[13] ECORYS-Studie: „Analysis of the financial situation of railway undertakings in the European Union“, Februar 2006, http://ec.europa.eu/transport/rail/studies/index_de.htm.

[14] Einschließlich etablierter Eisenbahnunternehmen, die auch die Infrastruktur betreiben.

[15] Sowohl eingleisige als auch zweigleisige Strecken.

[16] Die Daten für Frankreich stammen von 2004, für die anderen Länder von 2006.

[17] Westeuropa: Österreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Niederlande, Spanien, Schweden, Schweiz und Vereinigtes Königreich; Osteuropa: Tschechische Republik, Ungarn, Polen, Rumänien, Türkei (UNIFE-Studie 2007, vgl. Anhang 23).

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