27.10.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 256/108


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Flexicurity (die Dimension der internen Flexibilität — Tarifverhandlungen und Sozialer Dialog als Instrumente der Arbeitsmarktregulierung und -reform)“

(2007/C 256/20)

Mit Schreiben vom 13. Februar 2007 ersuchte der portugiesische Ratsvorsitz den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 18. Juni 2007 an. Berichterstatter war Herr JANSON.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 437. Plenartagung am 11./12. Juli 2007 (Sitzung vom 11. Juli) mit 163 gegen 2 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt das Ersuchen des portugiesischen Ratsvorsitzes um Erarbeitung einer Stellungnahme zum Thema „Flexicurity“, da es in der einschlägigen Debatte bisher fast ausschließlich um die Erhöhung der externen Flexibilität und um die Möglichkeiten, durch den Ausbau von Arbeitsmarktmaßnahmen bzw. Sozialschutzbestimmungen einen Ausgleich dafür zu schaffen, gegangen ist. Das Augenmerk sollte aber auf andere Aspekte gerichtet werden, damit letztlich Situationen entstehen können, die für alle Beteiligten von Vorteil sind.

1.2

Der EWSA weist nachdrücklich darauf hin, dass die Rolle der Sozialpartner aufgewertet werden muss. Die Sozialpartner sollten die Hauptakteure in jeglicher Flexicurity-Debatte und vorrangige Konsultationspartner der Europäischen Kommission sein. Die Kommission hätte Anhörungen — insbesondere der europäischen Sozialpartner bezüglich der europäischen Definition des Flexicurity-Konzepts — mehr Bedeutung beimessen sollen.

1.3

Die Stärkung des Systems der Beziehungen zwischen den Sozialpartnern auf europäischer und einzelstaatlicher Ebene ist für jegliche Diskussion über Flexicurity erforderlich. Es bedarf eines starken und lebendigen Sozialen Dialogs, an dem die Sozialpartner aktiv beteiligt sind und in dessen Rahmen sie über die Konzipierung und Gestaltung der Flexicurity verhandeln, sie beeinflussen und verantworten sowie die Umsetzung bewerten können.

1.4

Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten bestrebt sein, die Diskussionen über mögliche Reformen, die auf der Grundlage des Flexicurity-Konzepts durchgeführt werden, mit einer Stärkung und Modernisierung der Arbeitsbeziehungen auf allen Ebenen zu verbinden. Der EWSA fordert deshalb eine engere Verknüpfung zwischen der Flexicurity-Debatte und dem Ausbau des Sozialen Dialogs auf allen Ebenen sowie den Tarifverhandlungen auf den jeweiligen Ebenen, wobei die Vielfalt der Systeme der Arbeitsbeziehungen in den Mitgliedstaaten zu achten ist. Das Konzept der Flexicurity sollte für eine ausgewogene Förderung sowohl der Flexibilität als auch der Sicherheit sorgen. Das Flexicurity-Konzept steht nicht für eine einseitige und ungerechtfertigte Beschneidung der Arbeitnehmerrechte, die vom EWSA abgelehnt wird.

1.5

Der EWSA stellt fest, dass diese Debatte aufgrund der zentralen Rolle der Sozialpartner bei der schrittweisen Ausgestaltung der Flexicurity-Politik auf europäischer Ebene weder vom Inhalt des europäischen Sozialen Dialogs noch von der weiteren Entwicklung des Sozialen Dialogs selbst getrennt werden kann.

1.6

Der EWSA hebt hervor, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten der Gleichstellung von Frauen und Männern und der Solidarität zwischen den Generationen im Bereich der Flexicurity größere Aufmerksamkeit schenken sollten. Frauen, ältere Arbeitnehmer und Jugendliche sind auf dem Arbeitsmarkt in puncto Flexibilität und Sicherheit oft im Nachteil — ein Aufschließen dieser Gruppen muss daher angestrebt werden.

1.7

Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf zu prüfen, wie die Anpassungsfähigkeit im Wege der internen Flexibilität verbessert werden kann, sodass diese zu einer entwicklungsfähigen und akzeptablen Dimension der Flexicurity ausgestaltet werden kann. Interne Flexibilität kann ausschlaggebend für die Verbesserung von Produktivität, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit sein und somit zum Erreichen der Ziele der Lissabon-Strategie beitragen. Für die Arbeitnehmer kann sie überdies ganz wesentlich zur besseren Vereinbarkeit von Arbeit und sonstigen Tätigkeiten oder Aufgaben beitragen und die Qualität ihrer Beschäftigungsverhältnisse verbessern. Eine Voraussetzung für all dies ist ein Rahmen von Rechtsvorschriften zur Gewährleistung des Beschäftigungs- und Gesundheitsschutzes sowie der Stabilität und Sicherheit für die Arbeitnehmer. Ein mit effizienten Wiedereingliederungs- und aktiven Arbeitsmarktmaßnahmen verbundener Beschäftigungsschutz ist für die Anpassungsfähigkeit und Sicherheit sowohl der Unternehmen als auch der Arbeitnehmer von entscheidender Bedeutung.

1.8

Nach Auffassung des EWSA sollte ein Ausgleich zwischen Arbeitszeitflexibilität und Arbeitnehmerschutz angestrebt werden; dies kann am besten durch Bestimmungen bewerkstelligt werden, die in Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern und nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten festgelegt werden. Verhandlungen über die Arbeitszeitflexibilität müssen sich auf ein solides Rechtsumfeld, gut funktionierende soziale Einrichtungen und beschäftigungsfreundliche soziale Sicherungssysteme stützen können.

1.9

„Funktionale Flexibilität“ ist ein Schlüsselthema für Tarifverhandlungen zwischen den Sozialpartnern. Im Wege dieser Verhandlungen kann ein Ausgleich zwischen den Bedürfnissen der Unternehmer und der Arbeitnehmer gefunden, eine Feinabstimmung vorgenommen und ein angemessener Ausgleich für verbesserte Qualifikationen festgelegt werden.

1.10

Die funktionale Flexibilität erfordert eine ständige Verbesserung der fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, die sich auf eine gut funktionierende Bildungs- und Ausbildungsinfrastruktur stützen muss. Auch wenn sich in der Vergangenheit zahlreiche Verantwortliche zum Konzept des lebenslangen Lernens bekannt haben, bleibt in der Praxis noch viel zu tun.

2.   Hintergrund

2.1

Der portugiesische Ratsvorsitz hat den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um die Erarbeitung einer Sondierungsstellungnahme zum Thema „Flexicurity“ ersucht, in der Folgendes behandelt werden sollte:

1)

die Dimension der internen Flexibilität;

2)

die Tarifverhandlungen und die Rolle des Sozialen Dialogs als Instrumente der Arbeitsmarktregulierung und -reform.

2.2

Mehrere beschäftigungspolitische Leitlinien (2005-2008) könnten als Grundlage für die Flexicurity-Debatte dienen. Auf der Frühjahrstagung des Europäischen Rates 2006 erging ein Appell an die Mitgliedstaaten, sich des entscheidenden Problems der Flexicurity (des Gleichgewichts zwischen Flexibilität und Beschäftigungssicherheit) anzunehmen. Die Mitgliedstaaten wurden aufgerufen — entsprechend ihrer jeweiligen Arbeitsmarktlage — bei ihren Reformen des Arbeitsmarkts und der Sozialpolitik ein integriertes Konzept des Gleichgewichts zwischen Flexibilität und Beschäftigungssicherheit zu verfolgen.

2.3

Auf zwei Sozialgipfeln im Zusammenhang mit den Tagungen des Europäischen Rates im Dezember 2006 und im März 2007 wurde das Thema „Flexicurity“ erörtert.

2.4

Die Kommission hat eine Sachverständigengruppe eingesetzt, die Wege zur Flexicurity, d.h. bestimmte Dimensionen der Flexibilität und der Sicherheit im Arbeitsleben vorschlagen soll. Ausgehend von dieser Grundlage legt die Kommission im Juni 2007 eine Mitteilung zur Flexicurity — einschließlich einer Reihe allgemeiner Grundsätze — vor. Im Dezember 2007 sollen die allgemeinen Prinzipien in die neuen Beschäftigungsleitlinien für 2008 aufgenommen werden. Das Grünbuch „Ein moderneres Arbeitsrecht für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“ (1), dessen Empfehlungen an anderer Stelle wiedergegeben werden, behandelt auch das Thema Flexicurity unter dem besonderen Blickwinkel des Arbeitsvertrags.

2.5

Der EWSA möchte auch die einschlägige wichtige Arbeit der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Dubliner Stiftung) hervorheben, die zentrale Merkmale der Flexicurity definiert hat.

3.   Dimensionen der Flexicurity-Strategien

3.1

a)

Mit „Flexicurity-Strategien“ sind Strategien gemeint, durch die verschiedene Formen der Arbeitsmarktflexibilität und -sicherheit miteinander in Einklang gebracht werden sollen; dadurch sollen die Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer und Unternehmen verbessert, gleichzeitig aber auch Stabilität und Schutz vor Risiken gewährleistet werden. Es folgen einige Beispiele für Formen der Flexibilität und der Sicherheit:

Beispiele für Formen der Flexibilität

Externe numerische Flexibilität

Anpassung des Beschäftigungsvolumens durch einen Austausch mit dem externen Arbeitsmarkt, einschließlich Entlassungen, Zeitarbeit und befristeter Arbeitsverträge

Interne numerische Flexibilität

Zeitweilige Anpassung des Arbeitspensums innerhalb eines Unternehmens, einschließlich atypischer Arbeitszeiten und Zeitkonten

Interne funktionale Flexibilität

Organisation der Flexibilität in einem Unternehmen durch Ausbildung, Multifunktionalität (multi-tasking) und Arbeitsplatzrotation (job-rotation), die auf der Fähigkeit der Arbeitnehmer beruhen, mehrere Aufgaben und Tätigkeiten zu übernehmen

Finanzielle Flexibilität

Abstufung des Grund- und Zusatzlohns entsprechend der Leistung des Arbeitnehmers bzw. des Unternehmens

Beispiele für Formen der Sicherheit

Arbeitsplatzsicherheit

Sicherheit aufgrund von Beschäftigungsschutzvorschriften usw., die willkürliche Kündigungen durch den Arbeitgeber untersagen

Beschäftigungssicherheit

Angemessene Beschäftigungsmöglichkeiten durch hohe Beschäftigungsfähigkeit z.B. durch Aus- und Weiterbildung

Einkommenssicherheit

Gewährleistung angemessener und stabiler Einkommen

Kombinationssicherheit

Möglichkeit eines Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin, seinen/ihren Beruf mit unentgeltlichen Tätigkeiten oder Aufgaben zu vereinbaren

b)

Aus der Debatte auszuklammern ist die Rechtssicherheit des Arbeitsvertrags, dessen Klauseln wegen seiner Rechtsnatur vor Gericht einklagbar sind. Diese Sicherheit beinhaltet das Fortbestehen des ebenfalls zum Wesenskern des Vertrags gehörenden Beschäftigungsverhältnisses mit all dem, was es für den Arbeitnehmer im Hinblick auf Wahrung und Anwendung aller Sozialschutzrechte mit sich bringt.

3.2

Entsprechend den Vorgaben der Kommission sowie angeregt durch bestimmte Aspekte des dänischen Beispiels drehte sich die europäische Flexicurity-Debatte bisher vornehmlich um die Erhöhung der externen Flexibilität sowie die Möglichkeit, durch verstärkte Arbeitsmarktmaßnahmen bzw. Sozialschutzbestimmungen einen Ausgleich für eine solche Steigerung zu schaffen. Nutzen und Nachteile der externen Flexibilität sind ein Thema, an dem die Auffassungen von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden oft auseinander gehen. Wie die OECD (2) unlängst feststellte, wirken sich Beschäftigungsschutzvorschriften nur unerheblich auf die Gesamtbeschäftigungsrate aus. Zudem hat die ILO nachgewiesen, dass eine positive Korrelation zwischen Beschäftigungsdauer und Produktivität (siehe Anhang) besteht.

3.3

Mit dieser Stellungnahme soll die Flexicurity-Debatte in dreierlei Hinsicht ausgeweitet werden. Erstens soll in der Stellungnahme darauf hingewiesen werden, dass die Rolle der Sozialpartner in dieser Debatte und bei den Arbeitsmarktreformen im Allgemeinen aufgewertet werden muss. Zweitens drängt der Ausschuss darauf, in der Flexicurity-Debatte die auf dem Arbeitsmarkt zwischen Frauen und Männern bestehenden Unterschiede und dabei die Gruppe der jungen Menschen stärker zu berücksichtigen, da die Frage der Gleichstellung bisher weitgehend ausgespart worden ist. Obwohl die meisten Frauen und Männer mehr Flexibilität durch Teilzeitarbeit wegen der Erleichterung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben befürworten, sind Frauen auf dem Arbeitsmarkt in puncto Flexibilität und Arbeitsplatzsicherheit oft im Nachteil — daher muss eine Aufwärtskonvergenz mit Männern angestrebt werden (3). Drittens hält es der EWSA für wichtig, eine derartige Ausweitung durch die Ermittlung alternativer Wege zur Erzielung der Anpassungsfähigkeit, zur Erleichterung des lebenslangen Lernens, zur Produktivitätsverbesserung und zur Innovationsförderung — wesentliche Aspekte des Lissabon-Prozesses — zu erreichen. Diese Themen hat der Ausschuss bereits in seiner Stellungnahme über die Beschäftigungsleitlinien (4) aufgegriffen. Daher wird in dieser Stellungnahme das Thema der externen Flexibilität nicht erörtert, vielmehr wird der Schwerpunkt auf die Verbesserung der Anpassungsfähigkeit durch interne Flexibilität gelegt.

3.4

Flexicurity ist für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) angesichts ihrer Relevanz für die Beschäftigung von besonderer Bedeutung. Folglich müssen künftige Politiken der Mitgliedstaaten im Bereich der Flexicurity Bestimmungen enthalten, die den Bedürfnissen der KMU und ihrer Arbeitnehmer Rechnung tragen.

3.5

Der EWSA betont, dass die Grundlage aller Flexicurity-Modelle durch einen Sozialstaat, der ein hohes Sozialschutzniveau garantieren kann, eine Kostenübernahme durch mit ausreichenden Mitteln ausgestattete öffentliche Dienste sowie einen stabilen Rechtsrahmen für Tarifverhandlungen und den Sozialen Dialog gebildet wird. Allgemeine Sozialsysteme können die Mobilität verbessern, indem sie gewährleisten, dass Arbeitnehmer durch Veränderungen, die ihren Arbeitsplatz betreffen, nicht schlechter gestellt werden. Ein stabiler Rechtsrahmen für Tarifverhandlungen und den Sozialen Dialog bietet starken Sozialpartnern die Möglichkeit, in wesentlichen Arbeitsmarktfragen zu einer Einigung zu gelangen.

4.   Flexicurity und Sozialpartner

4.1

Flexicurity führt zu Festlegung des Gleichgewichts zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Bezug auf ihre Rechte und Pflichten. Der Soziale Dialog und Tarifverhandlungen sind Kerninstrumente bei der Gestaltung und Umsetzung jeglicher Arbeitsmarktreform, d.h. auch des Flexicurity-Konzepts. Deshalb unterstreicht der EWSA, dass die Sozialpartner Protagonisten einer jeden Flexicurity-Debatte auf allen Ebenen sind. Die Sozialpartner sollten bei der Bestimmung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Flexibilität und Sicherheit immer häufiger eine entscheidende Rolle spielen und dadurch zur Verbesserung und Legitimierung der Regeln des Arbeitsmarkts beitragen.

4.2

Was die europäische Ebene betrifft, so erkennt der EWSA die Tatsache an, dass die Kommission die Sozialpartner über ihre Pläne hinsichtlich dieser Debatte informiert hat. Er ist jedoch der Auffassung, dass die Kommission in diesem Fall insbesondere der Anhörung der europäischen Sozialpartner bezüglich der europäischen Definition des Flexicurity-Konzepts mehr Bedeutung hätte beimessen sollen. Ohne die enge Einbeziehung und das Engagement der Sozialpartner wird es schwierig sein, jede wie auch immer geartete Flexicurity-Strategie umzusetzen.

4.3

In seiner Stellungnahme zum dänischen Flexicurity-System (5) äußerte der EWSA folgende Ansicht: „An der Gestaltung des dänischen Flexicurity-Systems konnten die Sozialpartner an zentraler Stelle mitwirken; sie wurden sowohl in die Entscheidungsprozesse als auch in die Umsetzung der Berufsbildungspolitik und die Umsetzung der Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt miteinbezogen. […] Die Rolle der Sozialpartner ist […] auf die historische Entwicklung zurückzuführen […] Eine größere Partizipation und Mitsprache der Sozialpartner kann sich somit bei den Bemühungen um Wettbewerbs- und Anpassungsfähigkeit als gesellschaftlich nutzbringend erweisen.“

4.4

In seiner Stellungnahme zum europäischen Sozialmodell (6) stellte der EWSA fest: „Was die Grundarchitektur des europäischen Sozialmodells betrifft, lässt sich die tragende Rolle der Sozialpartner in der Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht hoch genug einschätzen. Ein besonderer Stellenwert kommt dabei der Regulierungsfunktion der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände im Rahmen von Kollektiv- und Tarifverträgen zu.“

4.5

Die Flexicurity-Agenda sollte deshalb nicht „von oben herab“ festgelegt — also von der Kommission definiert und von den Regierungen der Mitgliedstaaten diskutiert — werden. Die Sozialpartner müssen über die Konzipierung und Gestaltung der Flexicurity verhandeln, sie beeinflussen und verantworten sowie die Umsetzung bewerten können. Da Flexicurity mit dem Sozialen Dialog und den Tarifverhandlungen in engem Zusammenhang steht, verdeutlicht die Flexicurity-Debatte auch diesbezügliche Mängel. Diese Mängel sollten zeitgleich mit der Vorlage der Flexicurity-Agenda angegangen werden. Der EWSA fordert somit eine engere Verknüpfung zwischen der Flexicurity-Debatte und dem Ausbau des Sozialen Dialogs auf allen Ebenen sowie der Tarifverhandlungen auf den entsprechenden Ebenen, wobei die Vielfalt der Systeme der Arbeitsbeziehungen in den Mitgliedstaaten zu achten ist.

4.6

Der Soziale Dialog auf EU-Ebene ist einzigartig in der Welt, da er den Sozialpartnern im sozialen Bereich das Recht auf die Vereinbarung von Rechtsvorschriften einräumt. In den letzten Jahren hat der Soziale Dialog an Autonomie gewonnen. Die Sozialpartner haben das Recht, Themen von allgemeinem Interesse, die für ein besseres Funktionieren des europäischen Arbeitsmarkts relevant sind, aufzugreifen. Der EWSA stellt fest, dass diese Diskussion — aufgrund der wesentlichen Rolle der Sozialpartner bei der schrittweisen Ausgestaltung der Flexicurity-Politik auf europäischer Ebene — weder vom Inhalt des europäischen Sozialen Dialogs noch von der weiteren Entwicklung des Sozialen Dialogs selbst getrennt werden kann. Die Sozialpartner haben in ihrem mehrjährigen Arbeitsprogramm vereinbart, nicht nur bestimmte Aspekte der Flexicurity zu untersuchen, sondern auch auf eine Verständigung über die Instrumente des europäischen Sozialen Dialogs hinzuwirken (7). Zu diesem Punkt äußert sich der EWSA in der Stellungnahme zum Thema „Beschäftigungsfähigkeit und Unternehmergeist — die Rolle der Zivilgesellschaft, der Sozialpartner und der regionalen und lokalen Einrichtungen unter Berücksichtigung des Gender Mainstreamings“ (8).

4.7

In den Mitgliedstaaten gibt es auf allen Ebenen zahllose Beispiele für die Schlüsselrolle der Sozialpartner bei der Steigerung der Flexibilität wie auch der Sicherheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Tarifverhandlungen an sich sind nicht nur ein Sicherheitsfaktor für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern ermöglichen auch ein vereinbartes Maß an Flexibilität. In einem Umfeld, das durch zunehmenden Wettbewerbsdruck gekennzeichnet ist, finden Aspekte wie erhöhte interne Flexibilität, verbesserte Aufstiegsmöglichkeiten und verstärkte Rechte im Bereich des lebenslangen Lernens immer häufiger Berücksichtigung. In den Mitgliedstaaten, in denen der Soziale Dialog aufgrund schwacher Arbeitsbeziehungen unzureichend ist, sind die Arbeitnehmer zu sehr den Marktkräften auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt und es besteht oftmals zu wenig Schutz. Der Ausbau und die Modernisierung der Systeme der Arbeitsbeziehungen in den Mitgliedstaaten sollte in diesen Ländern deshalb Hand in Hand mit einer Diskussion über Flexicurity einhergehen.

4.8

Der EWSA möchte in diesem Zusammenhang eine Reihe von Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern herausstellen:

Dänemark: Tarifvereinbarungen, durch die obligatorische Kündigungsfristen eingeführt wurden, um Arbeitnehmern eine bessere Vorbereitung auf eine neue Arbeitsstelle zu ermöglichen;

Schweden: Tarifvereinbarungen auf Branchenebene, durch die von den Unternehmen finanzierte und von den Sozialpartnern gemeinsam verwaltete Fonds für „berufliche Übergangsphasen“ geschaffen wurden. Diese Fonds ermöglichen Arbeitnehmern, die die Kündigung erhalten haben, die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen, erteilen Berufsberatung oder verschaffen bezahlte Praktika in anderen Firmen — selbst dann, wenn die Arbeitnehmer formal noch bei dem Unternehmen, das die Kündigung ausgesprochen hat, angestellt sind;

Spanien: Eine dreiseitige Vereinbarung über die Einschränkung des Einsatzes befristeter Arbeitsverträge, die auf dem Grundsatz beruht, dass ein zu hoher Anteil befristeter Arbeitsverträge nicht im gemeinsamen Interesse von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ist;

Deutschland: Tarifvereinbarungen mit der Möglichkeit zur flexiblen Gestaltung der Arbeitszeit- und Arbeitsorganisation in einem begrenzten Rahmen, ausgefüllt und umgesetzt unter Mitbestimmung der betrieblichen Interessenvertretungen.

Der EWSA ist auch der Auffassung, dass die von den europäischen Sozialpartnern geschlossenen Vereinbarungen über befristete Arbeitsverträge, Elternurlaub, Teilzeit- und Telearbeit usw. Teil eines Flexicurity-Konzepts sind, das zur Sicherheit und Flexibilität von Arbeitnehmern und Arbeitgebern beiträgt.

4.9

Damit die Sozialpartner im Hinblick auf die Erreichung eines sozial akzeptablen Gleichgewichts zwischen Flexibilität und Sicherheit über zentrale Arbeitsmarktfragen verhandeln können, muss es einen einzelstaatlichen Rechtsrahmen geben, der die Sozialpartner motiviert, eigene Beiträge zu leisten und Flexicurity-Fragen effektiv anzugehen. Beschäftigungsschutzvorschriften und ein solider Rechtsrahmen können es den Sozialpartnern ermöglichen, Abkommen zur Förderung des Engagements von Arbeitnehmern, ihrer Mitarbeit und ihrer Bereitschaft zur Weiterbildung auszuhandeln, was sich auf die Gesamtbeschäftigung und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit positiv auswirkt. Die Beiträge der Sozialpartner gewährleisten, dass sowohl die Interessen der Unternehmen als auch die Interessen der Arbeitnehmer Beachtung finden. Ein mit effizienten Wiedereingliederungs- und aktiven Arbeitsmarktmaßnahmen verbundener Beschäftigungsschutz ist für die Anpassungsfähigkeit und Sicherheit sowohl der Unternehmen als auch der Arbeitnehmer von entscheidender Bedeutung.

4.10

Die Sozialpartner könnten dazu beitragen, die geregelte Mobilität zu fördern und den Arbeitsplatzwechsel attraktiv zu gestalten. Sie können an der Organisation der kollektiven und vereinbarten Kontrolle der beruflichen Chancen und Rechte mitwirken. Dies würde nach Auffassung des EWSA Aufsplitterungstendenzen entgegenwirken und die Eingliederung verbessern.

5.   Gleichheit der Geschlechter, Solidarität zwischen den Generationen und Flexicurity

5.1

Arbeitsmarktflexibilität und Sicherheit betreffen Männer und Frauen auf unterschiedliche Weise. Frauen befinden sich häufiger in einer prekären und unsicheren, von übermäßiger Flexibilität geprägten Arbeitssituation. Übermäßige Flexibilität, die in manchen Fällen das Risiko prekärer und unsicherer Arbeitsplätze birgt, muss durch eine geeignete Form der Sicherheit ausgeglichen werden. Außerdem haben Frauen aufgrund des Fortbestehens traditioneller Geschlechterrollen mehr Aufgaben im Bereich der Betreuung von Kindern und älteren Menschen sowie mehr Schwierigkeiten, berufliche und außerberufliche Tätigkeiten unter einen Hut zu bringen. Hinzu kommt, dass es trotz Antidiskriminierungsgesetzen weiterhin ein Lohngefälle zwischen Frauen und Männern gibt und Frauen oft einen geringeren Anspruch auf Sozialleistungen (einschließlich Rentenzahlungen) haben. Kurzum: Frauen sind häufiger von den negativen Seiten der Flexibilität betroffen.

5.2

Der EWSA betont, dass die Debatte über Flexicurity eine wichtige geschlechterspezifische Dimension umfassen muss — ein Aspekt, der in der bisherigen Diskussion weitgehend außer Acht gelassen wurde. Es ist wichtig, die Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt durch die Prüfung von Flexibilitäts- und Sicherheitsaspekten zu verbessern und sichere Arbeitsplätze zu fördern, Frauen in die Systeme der sozialen Sicherheit aufzunehmen und Einrichtungen besser zu unterstützen, die die Vereinbarkeit beruflicher und außerberuflicher Tätigkeiten möglich machen. Ein weiterer diskussionswürdiger Aspekt ist die Verteilung der Betreuungs- und Haushaltsaufgaben zwischen Frauen und Männern. In seiner Stellungnahme zum Thema „Die Rolle der Sozialpartner im Bereich der Vereinbarung von Beruf, Familie und Privatleben“ hat der EWSA seine Position zu diesen Fragen im Hinblick auf den portugiesischen Ratsvorsitz weiterentwickelt (9).

5.3

Flexicurity hat nicht nur eine geschlechtsbezogene, sondern auch eine generationenbezogene Dimension. Die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer ist niedriger als die der Erwerbsbevölkerung im Allgemeinen. Darüber hinaus sind junge Menschen in vielen Mitgliedstaaten mit einer unsicheren Beschäftigungssituation konfrontiert, die sich durch hohe Arbeitslosigkeit, befristete Arbeitsverträge, ungenügende soziale Absicherung und Arbeit unter dem Qualifikationsniveau auszeichnet.

5.4

Der EWSA (10) hat bereits betont, dass jeder Mensch eine seiner Ausbildung und seinen Berufserfahrungen entsprechende Arbeit ohne Diskriminierung aufgrund des Alters ausüben können sollte und dass die Mitgliedstaaten die Richtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (2000/78/EG) umsetzen und anwenden müssen. Der EWSA hat auch eine Politik zur Förderung hochwertiger Arbeitsplätze gefordert, um mehreren Generationen von Bürgerinnen und Bürgern während ihres gesamten Arbeitslebens Orientierungshilfen und Ausbildungsmaßnahmen zu bieten. Das impliziert eine proaktive Rolle der Sozialpartner und aller relevanten wirtschaftlichen und sozialen Akteure auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene.

5.5

Die europäischen Sozialpartner haben einen Aktionsrahmen für die Gleichstellung von Frauen und Männern festgelegt, der auch in der Flexicurity-Debatte herangezogen werden kann. Dieser Aktionsrahmen sieht vier Prioritäten vor: Umgang mit Geschlechterrollen, Förderung von Frauen als Entscheidungsträgerinnen, Förderung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben und Beseitigung des geschlechterspezifischen Lohngefälles.

5.6

Bei den im vorhergehenden Abschnitt dargelegten Erwägungen wie auch im Dialog zwischen den Sozialpartnern sollte dem Problem von Arbeitnehmern mit Behinderungen und jungen Studierenden die gleiche Bedeutung beigemessen werden.

6.   Flexicurity und interne Flexibilität

6.1

Interne Flexibilität ist in der Flexicurity-Debatte ein bisher kaum berücksichtigtes Thema. Die interne Flexibilität umfasst die Aspekte Arbeitszeitflexibilität und funktionale Flexibilität und verbessert die Anpassungsfähigkeit. Dies ist eine der Fragen, bei denen die Sozialpartner über umfangreiche Erfahrungen mit der Aushandlung von Tarifverträgen, die zu positiven Ergebnissen geführt haben, verfügen. Die interne Flexibilität ist ein Schlüsselfaktor bei der Förderung von Produktivität, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit und kann damit zur Verwirklichung der Lissabon-Ziele beitragen. Sie ist auch ein möglicher wichtiger Faktor, der es Arbeitnehmern erlaubt, ihren Beruf mit anderen Tätigkeiten und Aufgaben besser unter einen Hut zu bringen, und der zu einer besseren Qualität ihrer Arbeit beiträgt. In beiden Fällen kann sie Stabilität und Planungssicherheit schaffen. Die interne Flexibilität kann jedoch auch ausufern, was dann zu schlechten Arbeitsbedingungen und unsicheren Arbeitsverhältnissen führt, ein Gleichgewicht zwischen beruflichen und außerberuflichen Tätigkeiten erschwert oder sogar negative Folgen für die Qualität von Waren und die Erbringung von Dienstleistungen für die Verbraucher hat. Deshalb ist diese Form der Flexibilität nur wünschenswert, wenn sie das Ergebnis von Tarifverhandlungen ist und im Rahmen von Rechtsvorschriften zur Gewährleistung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie der Stabilität und Sicherheit für die Arbeitnehmer ausgestaltet wird. Die Umsetzung einer am Verhandlungstisch vereinbarten internen Flexibilität innerhalb eines solchen Rechtsrahmens ist ein praktischer Ansatz, der zum Ziel hat, die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit mit der Verbesserung der Qualität der Beschäftigung und des Arbeitslebens zu verbinden.

6.2   Arbeitszeitflexibilität

6.2.1

„Arbeitszeitflexibilität“ bezieht sich auf die Verteilung der in Tarifvereinbarungen und/oder gesetzlich festgelegten normalen Wochenarbeitszeit über einen längeren Zeitraum. Sie kann Unternehmen dadurch zugute kommen, dass sie Möglichkeiten eröffnet, Nachfrage- oder Personalschwankungen auszugleichen und Kapitalinvestitionen uneingeschränkt zu nutzen, z.B. durch den Einsatz von Überstunden, Gleitzeit in festgelegten Zeitabschnitten oder Schichtarbeit. Auf diese Weise kann die Arbeitszeitflexibilität die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit fördern.

6.2.2

Arbeitszeitflexibilität kann sich auch auf die Verteilung der Arbeitszeit während des gesamten Berufslebens einer Person und auf die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben (nicht aber auf die Länge der Standard-Arbeitswoche) beziehen. Arbeitnehmer können auch von solchen Formen der Arbeitszeitflexibilität profitieren, indem ihnen die Möglichkeit eingeräumt wird, berufliche und außerberufliche Tätigkeiten und Aufgaben auf positive Weise zu verbinden, z.B. mittels Gleitzeitsystemen, Arbeitszeitkonten, Eltern- oder Bildungsurlaub, eines Wechsels zwischen Vollzeit- und Teilzeitarbeit.

6.2.3

Nach Auffassung des EWSA sollte es vermieden werden, die Arbeitszeitflexibilität allein zum Nutzen der Unternehmen auszuweiten und dabei den notwendigen Schutz der Arbeitnehmer außer Acht zu lassen (11). So sollten Arbeitszeitmodelle „[…] auch den Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an mehr Zeitsouveränität und insbesondere auch der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie entgegen[kommen]. Außerdem ermöglichen sie die Achtung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der von wesentlicher Bedeutung ist.“ (12)

6.2.4

Zu diesem Zweck sollte nach Einschätzung des EWSA ein Gleichgewicht zwischen Arbeitszeitflexibilität und Arbeitnehmerschutz angestrebt werden, und zwar am besten durch Regeln, die in Tarifverhandlungen festgelegt wurden. In diesem Sinne hat sich der EWSA bereits in einer früheren Stellungnahme geäußert: „Deshalb ist die Ausgestaltung der Arbeitzeitregeln in Tarifverträgen von grundlegendem Interesse für die Sozialpartner, die in diesen Fragen große Sachkenntnis und Erfahrung besitzen.“ (13)

6.2.5

Derartige Verhandlungen über die Arbeitszeitflexibilität erfordern einen angemessenen Verhandlungsrahmen sowie einen soliden Rahmen an Rechten und die Unterstützung durch soziale Einrichtungen. Dazu gehören Rechtsvorschriften, die Stabilität und Schutz für Arbeitnehmer und Sozialschutz für Teilzeitkräfte gewährleisten sowie Elternurlaubsregelungen und die Schaffung von Kinder- und Altenbetreuungseinrichtungen erleichtern. Es ist wichtig, dass die Rechtssetzung flexibel und neutral ist und es den Sozialpartnern dadurch ermöglicht, angemessene Lösungen zu finden.

6.3   Funktionale Flexibilität

6.3.1

Unter „funktionaler Flexibilität“ wird die optimale Nutzung der Fähigkeit der Arbeitnehmer zur Wahrnehmung unterschiedlicher Arbeitsaufgaben verstanden, die durch Arbeitsplatzrotation (job rotation), Arbeitserweiterung (job enlargement) und Arbeitsbereicherung (job enrichment) erreicht werden kann. Die funktionale Flexibilität kann im Interesse der Unternehmen sein, da sie es diesen ermöglicht, die Tätigkeit der Arbeitnehmer den Nachfrage- und Personalschwankungen anzupassen sowie die Humanressourcen und Kapitalinvestitionen produktiver einzusetzen. Sie kann aber auch im Interesse der Arbeitnehmer sein, da sie deren Möglichkeiten der persönlichen Entwicklung, des Lernens und der Beschäftigungsfähigkeit, ihre Arbeitszufriedenheit und ihre Einkommenssituation verbessert.

6.3.2

Die funktionale Flexibilität kann ein wichtiger Faktor bei der Verwirklichung der Lissabon-Ziele der Verbesserung von Produktivität, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit sein. Wie u.a. die Dubliner Stiftung nachgewiesen hat, wirkt sich die funktionale Flexibilität positiv auf die Entwicklung und den Erhalt von Kompetenzen aus, was wiederum einen positiven Einfluss auf die Produktivität hat (14).

6.3.3

Die funktionale Flexibilität erfordert jedoch sichere Beschäftigungsverhältnisse, menschenwürdige Arbeitsbedingungen, Mitsprache und Formen der Zusammenarbeit. Der EWSA vertrat bereits in einer früheren Stellungnahme die Auffassung, dass „sichere Arbeitsplätze und gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen sowie Formen der Arbeitsorganisation, die den Beschäftigten mehr Handlungsspielräume bei der Arbeit einräumen, ein wichtiger Faktor zur Steigerung von Produktivität und damit der Innovationsfähigkeit [sind] […]“ (15). In derselben Stellungnahme stellte er auch fest: „Kooperative Arbeitsformen mit flachen Hierarchien und größerer Arbeitsautonomie wie Gruppen- und Teamarbeit ermöglichen es, die Kenntnisse und Fähigkeiten der Menschen umfassend zu nutzen und tragen zugleich den gestiegenen Flexibilitätsanforderungen in der Wirtschaft Rechnung. Gute Arbeitsbedingungen und Formen der Arbeitsorganisation, die Handlungsspielräume und Beteiligungsmöglichkeiten eröffnen, sind zugleich eine wesentliche Voraussetzung zur Verbesserung der Arbeitsproduktivität und Stärkung der Innovationsfähigkeit der Unternehmen“ (16).

6.3.4

Die Dubliner Stiftung hat allerdings auch darauf hingewiesen, dass die funktionale Flexibilität zu mehr Arbeitsdruck und Stress führen kann. Sie betont deshalb, dass ein Gleichgewicht zwischen Anforderungen und Kontrolle am Arbeitsplatz gefunden werden muss, um einer chronischen Erschöpfung der Arbeitnehmer vorzubeugen (17).

6.3.5

Ein Grundelement der Strategie zur Förderung der funktionalen und der internen Flexibilität im Allgemeinen sollte das lebenslange Lernen sein. Die Bedeutung des lebenslangen Lernens für die Verbesserung der Kompetenzen, der Karrieremöglichkeiten und der Produktivität von Arbeitnehmern wird in einer Reihe kürzlich verabschiedeter Stellungnahmen des EWSA herausgestellt (18). Die funktionale Flexibilität erfordert eine ständige Verbesserung der fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, die sich auf eine gut funktionierende Bildungs- und Ausbildungsinfrastruktur stützen muss. Auch wenn sich in der Vergangenheit zahlreiche Verantwortliche zum Konzept des lebenslangen Lernens bekannt haben, bleibt in der Praxis noch viel zu tun.

6.3.6

Auch funktionale Flexibilität ist ein zentrales Thema für Tarifverhandlungen zwischen den Sozialpartnern. Im Rahmen solcher Verhandlungen können die Bedürfnisse der Unternehmen und der Arbeitnehmer ausbalanciert und eine Feinabstimmung vorgenommen sowie ein angemessener Ausgleich für verbesserte Qualifikationen festgelegt werden.

Brüssel, den 11. Juli 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  KOM(2006) 708 endg., Grünbuch „Ein moderneres Arbeitsrecht für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“ und Stellungnahme des EWSA vom 30.5.2007 zum Thema „Modernisierung des Arbeitsrechts“, SOC/246, Berichterstatter: Herr Retureau, ABl C 175 vom 27.7.2007.

(2)  „OECD-Beschäftigungsausblick 2006: Mehr Arbeitsplätze, höhere Einkommen“.

(3)  Derzeit erarbeitete Stellungnahmen zum Thema „Rolle der Sozialpartner/Vereinbarung von Beruf, Familie und Privatleben“, SOC/271, Berichterstatter: Herr Clever, und zum Thema „Beschäftigungsfähigkeit und Unternehmergeist — die Rolle der Zivilgesellschaft, der Sozialpartner und der regionalen und lokalen Einrichtungen unter Berücksichtigung des Gender Mainstreamings“, SOC/273, Berichterstatter: Herr Pariza Castaños.

(4)  Stellungnahme des EWSA vom 31.5.2005 zum Thema „Beschäftigungspolitische Leitlinien 2005-2008“, Berichterstatter: Herr Malosse, ABl. C 286 vom 17.11.2005.

(5)  Stellungnahme des EWSA vom 17.5.2006 zum Thema „Flexicurity nach dänischem Muster“, Berichterstatterin: Frau Vium, ABl. C 195 vom 18.8.2006.

(6)  Stellungnahme des EWSA vom 6.7.2006 zum Thema „Sozialer Zusammenhalt: Ein europäisches Sozialmodell mit Inhalt füllen“, Berichterstatter: Herr Ehnmark (ABl. C 309 vom 16.12.2006).

(7)  Das mehrjährige Arbeitsprogramm der Sozialpartner 2006-2008 umfasst eine gemeinsame Untersuchung der widrigsten Herausforderungen für die europäischen Beschäftigungsmärkte.

(8)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Beschäftigungsfähigkeit und Unternehmergeist — die Rolle der Zivilgesellschaft, der Sozialpartner und der regionalen und lokalen Einrichtungen unter Berücksichtigung des Gender Mainstreamings“, SOC/273, Berichterstatter: Herr Pariza Castaños.

(9)  Derzeit erarbeitete Stellungnahme zum Thema „Rolle der Sozialpartner/Vereinbarung von Beruf, Familie und Privatleben“, Berichterstatter: Herr Clever.

(10)  Stellungnahme des EWSA vom 14.3.2007 zum Thema „Überalterung der Bevölkerung: Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Haushalte“ ECO/186, (Berichterstatterin: Frau Florio), ABl. C 161 vom 13.7.2007.

(11)  Vgl. Stellungnahme des EWSA vom 11.5.2005 zu der Änderung der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, Ziffer 3.4, Berichterstatterin: Frau Engelen-Kefer, ABl. C 267 vom 27.10.2005.

(12)  Ebd., 3.6.

(13)  Stellungnahme des EWSA vom 1.7.2004 zum Thema „Überprüfung der Richtlinie 93/104/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung“, Ziffer 2.2.6, Berichterstatter: Herr Hahr, ABl. C 302 vom 7.12.2004.

(14)  http://eurofound.europa.eu/ewco/2004/02/NL0402NU03.htm.

(15)  Stellungnahme des EWSA vom 13.9.2006 zum Thema „Qualität des Arbeitslebens, Produktivität und Beschäftigung im Kontext von Globalisierung und demographischem Wandel“, Ziffer 1.3, Berichterstatterin: Frau Engelen-Kefer, ABl. C 318 vom 23.12.2006.

(16)  Ebd., Ziffer 1.4.

(17)  http://eurofound.europa.eu/ewco/2004/02/NL0402NU03.htm.

(18)  Stellungnahme des EWSA zum „Vorschlag für eine Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates zu Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen“, Berichterstatterin: Frau Herczog, ABl. C 195 vom 18.8.2006 und Stellungnahme des EWSA zum Thema „Ausbildung und Produktivität“ (Sondierungsstellungnahme), Berichterstatter: Herr Koryfidis, ABl. C 120 vom 20.5.2005.