23.12.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 318/38


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung“

KOM(2006) 91 endg. — 2006/0033 (COD)

(2006/C 318/05)

Der Rat beschloss am 27. März 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 159 Absatz 3 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Beratende Kommission für den industriellen Wandel nahm ihre Stellungnahme am 31. August 2006 an. Berichterstatter war Herr van IERSEL, Mitberichterstatter Herr GIBELLIERI.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 429. Plenartagung am 13./14. September 2006 (Sitzung vom 13. September) mit 170 gegen 10 Stimmen bei 15 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung

1.1

Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission, einen Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (im Folgenden als EGF bezeichnet) einzurichten. Er befürwortet die Zielsetzung der EU, mit Mitteln des EGF in Fällen tätig zu werden, in denen schwerwiegende und unvorhergesehene Störungen des Wirtschaftsgeschehens sich unmittelbar und in erheblichem Ausmaß auf die Arbeitnehmer auswirken, so dass soziale Probleme entstehen.

1.2

Der Ausschuss stimmt der Auffassung zu, dass die Verantwortung in erster Linie bei den Mitgliedstaaten selbst liegt, und ist damit einverstanden, dass der EGF ausschließlich auf Ersuchen eines Mitgliedstaats und nach einem entsprechenden Beschluss der Haushaltsbehörde tätig werden soll. Es müssen klare Vorschriften gelten.

1.3

In Zeiten schwerer Störungen sind eine vorausschauende Politik, ein dynamisches Unternehmertum, ein verantwortungsvolles Handeln seitens der Regionen, rechtzeitige Maßnahmen und Zusammenarbeit der Betroffenen — wie Unternehmen, Sozialpartner, Regierung, regionale Behörden u.a. — entscheidend. Der EGF hat als Solidaritätsinstrument der EU eine ergänzende Funktion. Zur Wahrung der Glaubwürdigkeit sollten die Erwartungen jedoch nicht zu hoch angesetzt werden.

1.4

Die spezifischen Maßnahmen, die durch den EGF finanziert werden, müssen mit der Gesamtplanung aller betroffenen Akteure vereinbar sein. Der EGF sollte nicht in Bereiche eingreifen, in denen die Mitgliedstaaten die ausschließliche Zuständigkeit besitzen. Es sollte verdeutlicht werden, dass der Fonds auf die Schaffung besonderer Beschäftigungsmöglichkeiten für Personen, die plötzlich in eine schwierige wirtschaftliche Situation geraten sind, ausgerichtet ist.

1.5

Der Ausschuss fordert die Kommission auf, die aktive Einbindung der Sozialpartner bei der Schaffung von Beschäftigung für entlassene Arbeitnehmer sicherzustellen. Die Umsetzung des Ziels der „schnellen Wiedereingliederung“ entlassener Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt ist gewöhnlich eine komplizierte Aufgabe. Solche Prozesse nehmen nachweislich sehr viel Zeit in Anspruch.

1.6

Es sollte eine konsequente Koordination der verschiedenen vorhandenen Instrumente, insbesondere zwischen dem EGF und den Strukturfonds, sichergestellt werden, um die Effizienz und Kohärenz zu steigern.

2.   Der Kommissionsvorschlag

2.1

Im März 2006 legte die Kommission einen Vorschlag zur Einrichtung eines Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung vor (1). Dieser soll eine spezifische, einmalige Unterstützung bereitstellen, um die Wiedereingliederung von Arbeitnehmern in das Erwerbsleben in Gebieten oder Sektoren zu erleichtern, die schlagartig von den Folgen einer schwerwiegenden Störung der Wirtschaftsentwicklung betroffen werden.

2.2

Schwerwiegende wirtschaftliche Störungen können durch Standortverlagerungen in Drittländer, eine massive Zunahme von Einfuhren oder einen allmählichen Rückgang des Marktanteils der EU in einem bestimmten Sektor entstehen. Als Hauptkriterium für den EGF wird eine Anzahl von mindestens 1.000 Entlassungen in einem Unternehmen oder einer Unternehmensgruppe in Regionen mit überdurchschnittlicher Arbeitslosenquote festgelegt.

2.3

Die im Rahmen des EGF zuschussfähigen Maßnahmen sollen die notwendigen Voraussetzungen für eine schnelle Wiedereingliederung von arbeitslos gewordenen Arbeitnehmern in den Arbeitsmarkt schaffen. Die Unterstützung ist ergänzend zu nationalen Vorhaben oder zielgerichteten regionalen Programmen vorgesehen. Zu den Maßnahmen sollen gehören: Umschulung, Umzugsbeihilfen, Zuschüsse für Unternehmensneugründungen und Lohnergänzungsleistungen.

2.4

Der EGF wird ausschließlich auf Ersuchen eines Mitgliedstaats tätig. Der von der EU zu zahlende Betrag darf jeweils 50 % der von einem Mitgliedstaat für ein Maßnahmenbündel veranschlagten Gesamtkosten nicht überschreiten.

2.5

In der Finanziellen Vorausschau sind keine besonderen Finanzierungsbestimmungen für den Fonds vorgesehen. Er soll durch Minderausgaben und aus Mitteln finanziert werden, bei denen die Mittelbindung aufgehoben wurde. Jeder Mitteleinsatz muss von der Haushaltsbehörde beschlossen werden, d.h. der Rat und das Europäische Parlament sind uneingeschränkt verantwortlich.

2.6

Es ist ein detailliertes Haushaltsverfahren vorgesehen. Die Mitgliedstaaten sollen die Verantwortung für die Verwaltung der durch den EGF unterstützten Maßnahmen übernehmen. Der Kommission wird die Überwachungsaufgabe übertragen. Für nicht ausgeschöpfte Beträge soll eine Rückerstattung erfolgen.

2.7

Die Kommission soll eine laufende Evaluierung der Ergebnisse, Kriterien und Wirksamkeit der Verordnung sowie eine Ex-post-Evaluierung durchführen. Ab dem Jahr 2008 legt die Kommission einen jährlichen Bericht über die im Rahmen des Fonds durchgeführten Maßnahmen einschließlich der Bewertungen vor.

3.   Hintergrund des EGF

3.1

Der Vorschlag, der die Solidarität der EU mit Arbeitnehmern demonstrieren soll, die aufgrund von plötzlichen Veränderungen im Welthandelsgefüge arbeitslos geworden sind, stützt sich auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Dezember 2005. Als Kompromisslösung ist er Teil der Einigung über die Finanzielle Vorausschau. Eine Folgenabschätzung, die insbesondere entsprechende Informationen über den Inhalt und Umfang des EGF enthält, ist durchgeführt worden (2).

3.2

Der EGF soll von den Strukturfonds getrennt sein und als eines der Instrumente der EU zur Förderung der Anpassung und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft eingerichtet werden (3).

3.3

Während die Strukturfonds auf langfristig angelegte, mehrjährige Maßnahmen abzielen, ist der EGF nicht für Umstrukturierungen vorgesehen. Vielmehr soll er konkret für Personen in Regionen Abhilfe schaffen, die von schwerwiegenden Störungen im Welthandelsgefüge betroffen sind. Solche seltenen, jedoch kritischen Situationen können eine einmalige, zeitlich begrenzte individuelle Unterstützung erfordern. Einige Ziele des EGF werden nicht durch die Strukturfonds abgedeckt.

3.4

In gewissem Maße hat das im Jahre 1962 aufgelegte „Trade Adjustment Assistance“-Programm (TAA) als Vorbild gedient. Das TAA ist auf die Korrektur von Asymmetrien gerichtet, die sich daraus ergeben, dass den allgemeinen Vorteilen einer Öffnung des Handels und einer internationalen Liberalisierung in spezifischen Einzelfällen oder Regionen negative Auswirkungen gegenüber stehen. Dennoch ist ein Vergleich zwischen dem TAA und dem EGF aufgrund der Kulturunterschiede zwischen den USA und der EU und aufgrund der unterschiedlichen Kriterien nicht einfach.

3.5

Der EGF sollte im Einklang mit den von der OECD als vorbildlich anerkannten Verfahren arbeiten, bei denen die Gruppen der durch die Handelsentwicklung verdrängten Arbeitnehmer genau festgelegt werden müssen und die Unterstützung gemäß den Grundsätzen Kostenwirksamkeit, Transparenz und Rechenschaftspflicht zu gewähren und zeitlich zu begrenzen ist.

3.6

Der EGF soll zur Entwicklung des so genannten Flexicurity-Ansatzes in der Union, d.h. eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Flexibilität und Beschäftigungssicherheit, beitragen und die mehrjährigen strategischen Prioritäten und Politikbereiche der Strukturfonds ergänzen.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Die Verordnung geht davon aus, dass die Globalisierung allgemein positive Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung in der EU hat. Der Ausschuss merkt jedoch an, dass gleichzeitig in einzelnen Branchen und auf regionaler Ebene durchaus spürbare, ungünstige Auswirkungen möglich sind. Der EGF soll ein spezielles Instrument sein, um Wiederbeschäftigungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmer zu fördern, die von schwerwiegenden Störungen des Wirtschaftsgeschehens betroffen sind. Es ist jedoch zu bedauern, dass in der Folgenabschätzung (4) keine Analyse konkreter Fälle vorgenommen wurde.

4.2

Infolge des im vierten Erwägungsgrund der Verordnung aufgeführten Erfordernisses, dass die Aktionen des EGF „schlüssig und mit den anderen Politikbereichen der Gemeinschaft vereinbar sein und mit dem Acquis Communautaire übereinstimmen“ sollen, dürfte eine eingehende Überprüfung der Vorschläge durch mehrere politische Entscheidungsträger der Kommission, insbesondere durch die GD Wettbewerb, notwendig sein, um jeglicher Unterstellung nicht gerechtfertigter staatlicher Beihilfen den Boden zu entziehen.

4.3

Die Einrichtung des EGF ist ein konkreter Schritt der Europäischen Union zur Bewältigung der Folgen schwerwiegender Störungen des Außenhandels und des Weltmarkts. Für die Zukunft könnte ein ähnliches Instrument zur Abmilderung negativer Auswirkungen des Binnenhandels und des EU-Binnenmarkts erwogen werden (z.B. Betriebsverlagerungen innerhalb der EU, Steuerpolitik).

4.4   Interventionskriterien

4.4.1

Es sind präzise Interventionskriterien notwendig. Das in Artikel 1 genannte Kriterium, „Unterstützung für Arbeitnehmer, die aufgrund weit reichender Veränderungen im Welthandelsgefüge arbeitslos geworden sind, in den Fällen bereitzustellen, in denen diese Entlassungen eine beträchtliche negative Auswirkung auf die regionale oder lokale Wirtschaftsentwicklung haben“, ist sehr ungenau. Für die Beantragung eines Beitrags aus dem Fonds sind in erster Linie die Mitgliedstaaten verantwortlich. Die Kommission sollte sicherstellen, dass die Kriterien in allen Fällen und für alle Mitgliedstaaten einheitlich angewendet werden.

4.4.2

Den Nachweis, dass ein Antrag begründet ist, müssen die Mitgliedstaaten führen. Seitens der Kommission erfolgt die Prüfung und strenge Überwachung eines Antrags auf der Grundlage von Leitlinien, und die Haushaltsbehörde entscheidet von Fall zu Fall über die Zuweisung finanzieller Unterstützung. Die Kommission, die Mitgliedstaaten und die Haushaltsbehörde müssen sich auf einen Prozess des Learning by doing und des Lernens aus konkreter praktischer Erfahrung einlassen. Unklarheiten sind aber zu vermeiden, d.h. in der gesamten Union müssen dieselben Vorschriften und Ansätze gelten und angewendet werden.

4.4.3

Hinsichtlich der vorausgesetzten Mindestzahl von Entlassungen in den betreffenden Regionen sind in Artikel 2 die Interventionskriterien klar definiert. Das Kriterium „1 000 Beschäftigte“ ist nicht auf ein Unternehmen begrenzt, sondern umfasst auch die vorgeschaltete und nachgeschaltete Produktion.

4.4.4

Gewöhnlich werden die Gründe für die Herabsetzung der Beschäftigtenzahl Ergebnis einer ganzen Reihe von Umständen sein, wie Modernisierung, Rationalisierung, Änderung der Produktionsmethoden und auch internationale Handelsströme. In den seltensten Fällen wird ein besonderer Umstand das Feld beherrschen.

4.4.5

Das amerikanische TAA-Programm wurde zum Vorbild genommen. In der Beschreibung der Kommission zur Funktionsweise des TAA ist jedoch der Zusammenhang zwischen Veränderungen der Handelsströme und Maßnahmen der Regierung zur Abschwächung ihrer Auswirkungen auf entlassene Arbeitnehmer nicht gut nachvollziehbar. Darüber hinaus unterscheiden sich die Kriterien und die Geschichte der Anwendung des TAA erheblich von den Vorstellungen in der EU.

4.4.6

Der EGF soll bei drastischen und unvorhergesehenen Störungen des Wirtschaftsgeschehens in Anspruch genommen werden. Gewöhnlich sind Tendenzen eines Wandels jedoch bereits sichtbar, bevor die Auswirkung der Veränderung spürbar wird. Verantwortungsvolles Unternehmensmanagement bedeutet, bereits zu gegebener Zeit mit vorausgreifenden Maßnahmen zu beginnen.

4.4.7

Dies bedeutet, dass bei jeglicher Planung von Unterstützungsmaßnahmen auf nationaler und EU-Ebene zu berücksichtigen ist, wie die Unternehmen und Sozialpartner den Veränderungen vorgegriffen haben. Wie soll man zum Beispiel zu Unterstützungsmaßnahmen stehen, wenn Unternehmen und Sozialpartner es versäumt haben, rechtzeitig Entwicklungen zu erkennen, die Märkte und/oder Arbeitsplätze gefährden könnten?

4.5   Die Definition zuschussfähiger Maßnahmen

4.5.1

Es besteht in dreierlei Hinsicht ein Unterschied zwischen den Strukturfonds und dem EGF: a) unterschiedliche Finanzausstattung: 44 Mrd. EUR gegenüber 500 Mio. EUR jährlich für den neuen Programmplanungszeitraum 2007-2013, b) unterschiedlicher Ansatz: langfristige und vorausgreifende Maßnahmen für eine umfangreiche Modernisierung gegenüber kurzfristigen und auf eine schnelle Wiedereingliederung der Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt gerichteten Maßnahmen; c) aufgrund ihres Finanzvolumens und Anwendungsbereichs sind die Strukturfonds meist mit mehr Bürokratie verbunden, während beim EGF ein unbürokratischer Ansatz angestrebt wird.

4.5.2

Die Strukturfonds und der EGF müssen klar voneinander abgegrenzt werden. Der EGF ist definitionsgemäß kurzfristig und zeitlich begrenzt angelegt sowie auf spezielle Fälle ausgerichtet. Für einen längeren Zeitraum können im Rahmen eines breiteren regionalen Kontextes zusätzliche Mittel aus den Strukturfonds vorgesehen werden. Wenn sich die Maßnahmen ergänzen, ist die unterschiedliche Philosophie und Struktur eines jeden Fonds zu berücksichtigen.

4.5.3

Es wird nicht einfach werden, die Voraussetzungen für eine „schnelle“ Wiedereingliederung entlassener Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt zu schaffen, wenn der Rahmen und die Umstände nicht günstig sind, wie zum Beispiel in hauptsächlich durch eine industrielle Tätigkeit geprägten Regionen, zurückgebliebenen Regionen, bei einem Mangel an Ausbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten vor Ort u.Ä. Besondere Aufmerksamkeit sollte dem mittleren und höheren Management gewidmet werden, um die Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte ins Ausland, einen „Brain Drain“, zu vermeiden. In solchen speziellen Fällen sind wahrscheinlich eine Kombination der Mittel des EGF und der Strukturfonds sowie die bestmögliche Nutzung des EURES-Netzwerks erforderlich, um Mobilitätsmöglichkeiten in ganz Europa bekannt zu machen. Erfolgt hier keine effiziente Koordination, können Probleme entstehen. In dieser Hinsicht ist die Bestimmung von Artikel 5 Absatz 3 besonders zu beachten.

4.5.4

Die in Artikel 3 genannten zuschussfähigen Maßnahmen sind in Verbindung mit den Bestimmungen von Artikel 5 und 6 zu sehen, insbesondere was den Zusammenhang und die Wechselwirkungen zwischen den Maßnahmen auf regionaler, nationaler und EU-Ebene betrifft. Da die Maßnahmen der Europäischen Union ergänzend zu regionalen und nationalen Maßnahmen erfolgen, könnten Erfahrungen, die früher in der EU — z.B. im Rahmen von RESIDER, RECHAR und RETEX — oder in anderen Situationen gewonnen wurden, unter der Berücksichtigung, dass der EGF nicht für Umstrukturierungen gedacht ist, hilfreich sein.

4.5.5

In besonderen Fällen kann der branchenspezifische Ansatz der modernen Industriepolitik bei der Überprüfung von Analysen und Festlegung der anzuwendenden Instrumente nützlich sein.

4.5.6

Eine Reihe von Mitgliedstaaten legen besonderen Wert darauf, dass einkommensbezogene Maßnahmen und die Arbeitsmarktpolitik in nationaler Zuständigkeit verbleiben und die Kommission nicht in nationale Verfahren eingreifen kann. Bei allen Maßnahmen, die ein Mitgliedstaat zur Bewältigung einer besonderen Krise ergreift, muss der Beitrag der EU folglich ausdrücklich auf die einzelnen Menschen und die Förderung der Wiedereingliederung entlassener Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt gerichtet sein. Der Ausschuss verweist auf die Anwendungskriterien des ehemaligen sozialen Kapitels der Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die bei der Vermeidung von Überschneidungen und Konflikten zwischen den zuständigen Institutionen hilfreich sein können.

4.6

Der Haushaltsbehörde kommt eine äußerst wichtige Rolle zu. Der Ausschuss begrüßt, dass die Verordnung ordnungsgemäß und ausführlich die einzuhaltenden Finanzierungsverfahren vorschreibt.

4.7

Die Verordnung ist für spezielle Notfälle gedacht, die in der Regel schnelle und wirksame Maßnahmen erfordern. Dies bedeutet, dass bei der Anwendung der Vorschriften der bürokratische Aufwand selbstverständlich so gering wie möglich gehalten werden muss, während gleichzeitig Umsicht geboten ist. Ziel sollte sein, in kürzestmöglicher Zeit eine wirksame Unterstützung bereitzustellen.

4.8

In der (jüngsten) Vergangenheit wurde in etlichen, z.T. sogar komplizierten Fällen eine erfolgreiche Umstrukturierung durchgeführt. Obwohl konkrete Fälle immer einzigartig sind, zeigt das breite Spektrum der Umstrukturierungen, dass konzentrierte regionale Anstrengungen aller Betroffenen, die oft durch die Regierungen unterstützt wurden und gezielt auf die Schaffung der Voraussetzungen für die Neugründung oder Stärkung von Industrie- oder Dienstleistungsunternehmen und die Umsetzung von Personal gerichtet waren, zum Erfolg beigetragen haben.

4.9

In den meisten Fällen wurden die Wirtschafts- und Sozialpläne in enger Zusammenarbeit der nationalen Regierungen, regionalen Behörden und Sozialpartner erarbeitet, die in der Regel Diskussionsforen organisiert und alle Beteiligten der Region einbezogen haben.

4.10

Bezüglich des neuen EGF müssen ähnliche Verfahren vorgesehen und umgesetzt werden, damit der Fonds erfolgreich eingesetzt werden kann. Im Hinblick darauf muss vorgeschrieben werden, dass Vertreter der Kommission direkt an solchen Zusammenkünften und Sitzungen auf regionaler und lokaler Ebene teilnehmen.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1

Zwar wurde die Ausstattung des EGF mit Mitteln in Höhe von 500 Mio. EUR jährlich von der Kommission auf der Grundlage statistischer Simulationen von konkreten Fällen festgelegt, doch sollte der Betrag jedes Jahr neu bewertet und im Lichte der Situationsentwicklung sowie des realen Feedback der Anwendung des Fonds ggf. angepasst werden.

5.2

In Artikel 2 werden schwerwiegende Störungen der Wirtschaft als Grund für Maßnahmen mit EGF-Finanzierung genannt. Der Ausschuss fordert den Rat auf, vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung die Definitionen der in dem einführenden Absatz dieses Artikels genannten Umstände zu erörtern. Zu breite Definitionen können später wirksame Entscheidungen der Haushaltsbehörde erschweren. Zu enge Definitionen wiederum können zu demselben Effekt führen. Eine Aussprache im Rat kann zur Klärung dieses Dilemmas beitragen und dazu führen, dass der richtige Mittelweg gefunden wird. Eine solche Aussprache kann auch nützliche Anhaltspunkte für die Leitlinien der Kommission bieten.

5.3

Die Gründe für die Intervention des EGF müssen deutlich dargestellt werden. Vorausgreifende Maßnahmen der Unternehmen selbst sowie der Sozialpartner und anderen Betroffenen sollten berücksichtigt werden. Dies könnte auch in den Leitlinien der Kommission angesprochen werden.

5.4

Im Rahmen des Jahresberichts und im Hinblick auf mögliche Änderungen gemäß Artikel 20 sollte eine Bewertung der Interventionskriterien aus Artikel 2 (Anzahl der betroffenen Beschäftigten, territoriale Dimension, Beschäftigungsindikatoren) erwogen werden, um die Interventionskriterien so flexibel gestalten zu können, dass die Vielfalt der potenziell betroffenen Regionen, insbesondere in kleinen Ländern mit überwiegend kleinen und mittelständischen Unternehmen, berücksichtigt werden kann.

5.5

In Artikel 3 werden unter den Buchstaben a) und b) die im Rahmen des EGF zuschussfähigen Maßnahmen genannt. Der Ausschuss stellt fest, dass für einkommensbezogene Bereiche wie Rentenansprüche und Sozialleistungen ausschließlich die Mitgliedstaaten zuständig sind. Der EGF sollte sich auf die Finanzierung verschiedener Aus- und Weiterbildungseinrichtungen sowie Rahmenbedingungen beschränken. Unter besonderen Umständen kann dies auch Lohnergänzungsleistungen für Personen umfassen, die eine Arbeitstelle haben bzw. suchen.

5.6

In Artikel 10 Absatz 1 wird der Höchstbetrag, den der EGF bereitstellen darf, auf 50 % der jeweiligen Gesamtkosten eines durch den Mitgliedstaat geplanten Maßnahmenbündels festgelegt. Der Ausschuss möchte die Höhe dieses Prozentsatzes nicht in Frage stellen. Er verweist jedoch auf die Tatsache, dass ein Zusammenhang zwischen dem Niveau der finanziellen Beteiligung des EGF und der Anzahl und dem Umfang der Fälle, mit denen er sich befasst, besteht.

5.7

Zu Artikel 12 schlägt der Ausschuss vor, Absatz 1 Buchstabe b) wie folgt zu formulieren: „den Nachweis, dass die Kriterien gemäß Artikel 2 und die Anforderungen von Artikel 6 erfüllt sind“.

5.8

Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die Sozialpartner und andere Akteure in den Regionen in jedes Stadium des Verfahrens zur Bewilligung von Mitteln aus dem EGF einbezogen werden müssen. Auch der EWSA und der Ausschuss der Regionen sollten von der Kommission informiert werden.

5.9

Ab 2008 wird die Kommission Jahresberichte über den EGF vorlegen. Solch eine Ex-post-Evaluierung könnte Gegenstand einer Debatte im Rat sein. In Artikel 20 ist eine formale Überprüfung der Verordnung bis zum Dezember 2013 vorgesehen. Der Ausschuss empfiehlt der Kommission, auch in ihr 2009 zu erstellendes Weißbuch zur Vorbereitung der Halbzeitdebatte über den EU-Haushalt eine Bewertung des EGF einzubeziehen.

Brüssel, den 13. September 2006

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Vorschlag zur Einrichtung des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung, März 2006, KOM(2006) 91 endg. — 2006/0033 (COD).

(2)  Folgenabschätzung die genannte Verordnung betreffend, SEK(2006) 274/2.

(3)  EU Competitiveness and Industrial Location, Bureau of European Policy Advisors to the Commission, BEPA (2005), 26. Oktober 2005.

(4)  SEK(2006) 274.