18.8.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 195/109


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates zu Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen“

KOM(2005) 548 endg. — 2005/0221 (COD)

(2006/C 195/26)

Der Rat beschloss am 28. November 2005, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 3. Mai 2006 an. Berichterstatterin war Frau HERCZOG.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 427. Plenartagung am 17./18. Mai 2006 (Sitzung vom 18. Mai) mit 124 gegen 2 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss unterstützt ausdrücklich die Empfehlungen der Kommission zu Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen, die voll und ganz mit der auf eine Wissensgesellschaft abzielenden Lissabon-Strategie und den beschäftigungspolitischen Leitlinien für 2005-2008 im Einklang stehen.

1.2

Der EWSA ist der Ansicht, dass der Vorschlag — falls er umgesetzt wird — die aktuellen Probleme auf dem Arbeitsmarkt mildern und insbesondere die Kluft zwischen der Vorbereitung der verfügbaren Arbeitskräfte und den Anforderungen der Wirtschaft verringern kann.

1.3

Der Vorrang für die Definition von Schlüsselkompetenzen in der Bildung kann zur Erreichung des wesentlichen gemeinsamen Ziels beitragen, dafür zu sorgen, dass junge Menschen am Ende ihrer allgemeinen und beruflichen Bildung (Erstausbildung) entsprechende Schlüsselkompetenzen erworben haben, dass sie für das Erwachsenenleben und für eine erfolgreiche Teilnahme am Arbeitsmarkt — als Arbeitnehmer oder als Arbeitgeber — gerüstet sind, und dass Erwachsene auf der Grundlage einer soliden Allgemeinbildung — einer der Schlüssel für die permanente Anpassungsfähigkeit — diese Kompetenzen ihr ganzes Leben lang ausbauen und auffrischen können.

1.4

Unter den Instrumenten zur Verwirklichung dieses Ziels hält der EWSA die Vorbereitung der Lehrkräfte für besonders wichtig, damit sie im Rahmen der allgemeinen und beruflichen Bildung (Erstausbildung) sowie der Erwachsenenbildung imstande sind, den Lernenden beim Erwerb von Schlüsselkompetenzen wirklich zu helfen und sich zugleich die für ihre eigene berufliche Tätigkeit notwendigen Schlüsselkompetenzen anzueignen und kontinuierlich auszubauen.

1.5

Der EWSA unterstützt die allgemeinen Ziele und sieht es dabei als wesentlich an, dass junge Schulabbrecher die Möglichkeit haben, im Rahmen informeller Bildungsprogramme beim Erwerb der in dem Vorschlag genannten Schlüsselkompetenzen unterstützt zu werden.

1.6

In Anbetracht der alternden Bevölkerung ist es notwendig, ältere Arbeitnehmer länger auf dem Arbeitsmarkt zu halten. Aus diesem Grund hält es der EWSA für sehr wichtig, dass ältere Arbeitnehmer sich in den Mitgliedstaaten ebenfalls die fehlenden Kompetenzen aneignen können und dass die Mitgliedstaaten eine Bildungsinfrastruktur schaffen, welche die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung bereits erworbener Kompetenzen ermöglicht.

1.7

Der EWSA erkennt die maßgebliche Rolle der Sozialpartner als Hauptakteure auf dem Arbeitsmarkt sowie bei der Umsetzung und Überwachung der festgesetzten Ziele an. Die gemeinsamen Aktivitäten der europäischen Sozialpartner auf dem Gebiet des lebenslangen Lernens im Rahmen ihres ersten mehrjährigen Arbeitsprogramms 2003-2005 münden in den Aktionsrahmen für den lebensbegleitenden Erwerb beruflicher Fähigkeiten und Qualifikationen ein (Framework of Actions for Lifelong Development of Competences and Qualifications) und werden mit den Folgeaktivitäten auch zum nächsten Mehrjahresprogramm 2006-2008 gehören, in dessen Rahmen die europäischen Sozialpartner die Möglichkeit einer freiwilligen Vereinbarung auf diesem Gebiet erörtern werden.

1.8

Der EWSA ruft auch zur aktiveren Teilnahme der NRO an dem Prozess insgesamt auf und empfiehlt, den Dialog mit der Zivilgesellschaft zu intensivieren.

1.9

Es ist von grundlegender Bedeutung, dass verlässliche statistische Daten für die Begleitung und Bewertung der Verwirklichung der Ziele für lebenslanges Lernen zur Verfügung stehen. Aus diesem Grunde unterstützt der EWSA den Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission bezüglich der Erhebung statistischer Daten über lebenslanges Lernen. In der Verordnung wird ein Rahmen geschaffen, der in den Mitgliedstaaten die Harmonisierung, ja Vereinheitlichung der Datenerhebungsmethoden sowie eine größere Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit der Daten gewährleistet. Es ist dafür zu sorgen, dass diese Erhebungen kontinuierlich aktualisierte, verlässliche Daten für die Analysen der wichtigsten Punkte der gemeinschaftspolitischen Ziele liefern können.

2.   Einleitung (1)

2.1

Nach langjährigen Untersuchungen, vorbereitenden Arbeiten und Konsultationen hat die Kommission ihren Vorschlag für ein „Integriertes Aktionsprogramm im Bereich des lebenslangen Lernens“ vorgelegt. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss bekundet seine Genugtuung darüber und macht darauf aufmerksam, dass die in dieser Stellungnahme zum Ausdruck gebrachten Ideen darauf abzielen, den konkreten Vorschlag der Europäischen Kommission möglichst funktionell und effizient zu gestalten.

2.2

Unter Berücksichtigung vorstehender Bemerkungen spielen in den Standpunkt des Ausschusses zum Kommissionsvorschlag hauptsächlich seine Kenntnisse und Erfahrungen bezüglich folgender Faktoren hinein:

2.3

den Rückstand bei der Annäherung an die Lissabon-Ziele,

2.4

den Rückstand bei der Übereinstimmung von allgemeiner und beruflicher Bildung und Produktivität (2),

2.5

die demografische Situation in Europa und

2.6

die Schwierigkeiten, die bei der Suche nach Lösungswegen für die genannten Probleme in letzter Zeit auf europäischer und internationaler Ebene auftraten (3).

3.   Erläuterung des Kommissionsvorschlags

3.1

Die 2001 im Rahmen des Arbeitsprogramms „Allgemeine und berufliche Bildung 2010“ eingesetzte Arbeitsgruppe „Grundfertigkeiten“ (4) hat einen Referenzrahmen für die in einer wissensbasierten Gesellschaft notwendigen Schlüsselkompetenzen erarbeitet und zahlreiche Empfehlungen abgegeben, die jedem Bürger den Erwerb dieser Kompetenzen ermöglichen sollen (5).

3.2

Das wichtigste gemeinsame Ziel ist, dafür zu sorgen, dass junge Menschen am Ende der allgemeinen und beruflichen Bildung (Erstausbildung) entsprechende Schlüsselkompetenzen erworben haben, dass sie für das Erwachsenenleben gerüstet sind, und dass Erwachsene diese Kompetenzen ihr Leben lang ausbauen und auffrischen können.

3.3

In der Empfehlung werden folgende Schlüsselkompetenzen genannt: 1. Muttersprachliche Kompetenz, 2. Fremdsprachliche Kompetenz, 3. Mathematische Kompetenz und grundlegende naturwissenschaftlich-technische Kompetenz, 4. Computerkompetenz, 5. Lernkompetenz, 6. Interpersonelle, interkulturelle und soziale Kompetenz und Bürgerkompetenz, 7. Unternehmerische Kompetenz, 8. Kulturelle Kompetenz. Kompetenz wird in der Empfehlung als eine Kombination aus Wissen, Fähigkeiten und kontextabhängigen Einstellungen definiert.

3.4

Die Arbeiten zum Thema Schlüsselkompetenzen sind eng mit zahlreichen anderen Initiativen und aktuellen Maßnahmen verbunden, beispielsweise mit den laufenden Arbeiten zur Schaffung eines europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) oder den Anstrengungen für eine größere Transparenz der Qualifikationssysteme (zum Beispiel Anerkennung der durch informelles Lernen erworbenen Kenntnisse).

3.5

Der Vorschlag bietet ein Referenzinstrument zur Ermittlung der von allen benötigten Schlüsselkompetenzen und unterstützt so die Mitgliedstaaten in ihren Bemühungen, Schlüsselkompetenzen in ihren Strategien für lebenslanges Lernen zu berücksichtigen.

3.6

Es handelt sich um ein Referenzinstrument, das die politischen Entscheidungsträger, Dienstleister im Bildungswesen, Arbeitgeber und Lernenden selbst dabei unterstützen soll, die gemeinsamen Ziele auf einzelstaatlicher und europäischer Ebene zu verwirklichen.

3.7

In der Empfehlung werden die in einer wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft von jedem Bürger benötigten Schlüsselkompetenzen definiert, und außerdem wird anerkannt, dass Entscheidungen hinsichtlich der Umsetzung auf einzelstaatlicher, regionaler und lokaler Ebene zu treffen sind. Ferner werden die Mitgliedstaaten in der Empfehlung aufgerufen, dafür zu sorgen, dass alle Menschen am Ende der allgemeinen und beruflichen Bildung (Erstausbildung) Schlüsselkompetenzen erworben haben, sowie Bildungsbenachteiligungen — unter Berücksichtigung der europäischen Referenzkriterien — zu bekämpfen.

3.8

Hinsichtlich der Erwachsenen wird in der Empfehlung dazu aufgefordert, unter Einbeziehung der Sozialpartner eine umfassende Infrastruktur zu schaffen, die älteren Bürgern den Zugang zu Instrumenten für den Kompetenzausbau gewährleistet.

3.9

Schließlich wird die Kommission in der Empfehlung zu Impulsen für einzelstaatliche Reformen aufgerufen — durch Peer-Lernen, den Austausch bewährter Verfahren und die systematische Beobachtung der bei der Verwirklichung der Ziele erzielten Fortschritte.

3.10

Die Empfehlung enthält keine Angaben zum Gemeinschaftshaushalt.

4.   Allgemeine Bemerkungen des EWSA

4.1

Ziel der Empfehlung ist, die Bemühungen der Mitgliedstaaten um die Weiterentwicklung ihrer Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung (Erstausbildung), das Bildungs- und Ausbildungsangebot für Erwachsene sowie das gesamte System des lebenslangen Lernens zu unterstützen, indem ein Referenzinstrument für Schlüsselkompetenzen konzipiert wird. Für eine genaue inhaltliche Definition der Kompetenzen sind Diskussionen von Fachleuten auch in Zukunft berechtigt (und unerlässlich), doch wird in der Empfehlung insgesamt deutlich, welche inhaltliche Ausrichtung für die Entwicklung der schulischen Grundbildung und des Lernens im Erwachsenenalter notwendig und wünschenswert sind.

4.2

In einer früheren Stellungnahme über den Zusammenhang zwischen beruflicher Bildung und Produktivität (6) hat der EWSA bemängelt, dass es in sämtlichen Mitgliedstaaten an einer ausreichenden Koordinierung und einer Abstimmung der Ausbildungssysteme fehlt. Dieser Kritik zufolge sind die einzelnen Systeme der beruflichen Weiterbildung vom restlichen Bildungssystem isoliert und mit ihrem wirtschaftlichen und sozialen Umfeld nur unzureichend verbunden. Der Ausbildungsinhalt orientiert sich meistens allzu direkt an einem kurzfristigen Bedarf und kann längerfristig zu einer schlechten Ausrichtung führen. Aufgrund dieser Erkenntnisse ist der Ausschuss der Ansicht, dass die Empfehlungen zu Schlüsselkompetenzen als gemeinsame, allgemeine Orientierungspunkte für die verschiedenen Bildungsprogramme und eine mögliche Richtschnur für ein harmonischeres Funktionieren der einzelnen Untersysteme des Bildungswesens dienen können.

4.3

Auch die Bewertung der Umsetzung der Gemeinschaftsstrategie verdeutlicht, dass die „Schlüsselkompetenzen“ vielfältig interpretiert werden und die einzelnen praktischen Programme daher divergieren. Seit vielen Jahren wird — innerhalb und außerhalb der EU — über eine zugleich wissenschaftliche und konkrete Definition des Kompetenzbegriffes diskutiert. So hat die OECD im Rahmen des unabhängigen Projekts DeSeCo (Definition and Selection of Competencies) die als am wichtigsten erachteten Schlüsselkompetenzen (die nur teilweise mit den in dem Vorschlag genannten übereinstimmen) definiert.

4.4

Die Aneignung von Wissen, das Vorteile auf dem Arbeitsmarkt verschafft und sozialen Erfolg garantiert, findet — der grundlegenden Logik der „Wissensgesellschaft“ folgend — in einem Wettstreit (Konkurrenzkampf) der verschiedenen Gruppen und Einzelpersonen der Gesellschaft statt. Eines der Ziele staatlichen Handelns sowie der strategischen Bildungsprogramme der Regierungen sollte gerade der gleichberechtigte Zugang und die Chancengleichheit für alle sein.

4.5

In Übereinstimmung mit dem Wortlaut der Empfehlung ist hinsichtlich des lebenslangen Lernens und der Kompetenzen zu betonen, dass der Schwerpunkt nicht nur auf dem Erwerb verschiedener Kompetenzen liegen darf, sondern auch die Erhaltung bereits erworbener Kompetenzen — mit Hilfe spezieller Programme — zu fördern ist.

4.6

Die Umsetzung der Empfehlungen zu Schlüsselkompetenzen ist eine große Herausforderung für die Bildungssysteme der Mitgliedstaaten. Ihre Berücksichtigung — vor allem in der Grundbildung und insbesondere in den Bildungssystemen, die sich noch nicht von einem starren, fächerbasierten Aufbau des Bildungswesens verabschieden konnten, — erfordert einen grundlegend neuen Ansatz.

4.7

Die Empfehlung ist eine mindestens ebenso große Herausforderung, was die Änderung der Vorgehensweise und die Vorbereitung der im Bildungssystem tätigen Lehrkräfte angeht. Aus diesem Grund hält der EWSA die Vorbereitung der Lehrkräfte für besonders wichtig, damit sie im Rahmen der allgemeinen und beruflichen Bildung (Erstausbildung) sowie der Erwachsenenbildung imstande sind, den Lernenden beim Erwerb von Schlüsselkompetenzen wirklich zu helfen, und zugleich sich die für ihre eigene berufliche Tätigkeit notwendigen Schlüsselkompetenzen anzueignen und kontinuierlich auszubauen.

4.8

Dem Vorschlag zufolge besteht eine wichtige Frage des sozialen Zusammenhalts darin, ältere Menschen (7) beim Erwerb nützlicher Kompetenzen zu unterstützen. Im Rahmen der Verwirklichung des Beschäftigungswachstums als vorrangiges Ziel der EU konzentrieren die Mitgliedstaaten ihre Aufmerksamkeit und ihre Bildungsmittel auf die Teilnehmer an der Erstausbildung und auf die erwerbstätige Bevölkerung. Allerdings wirft der Kompetenzmangel älterer Altersklassen zu Recht viele Fragen auf. In bestimmten Bereichen wie etwa der eLiteracy tritt die Kluft zwischen den Generationen bereits deutlich zutage. Darüber hinaus setzen sich die meisten Mitgliedstaaten nationale strategische Ziele — beispielsweise die elektronische Verwaltung oder die elektronische Verfügbarkeit der für die Bürger wichtigen Informationen und Dienste. Dabei wird die Beherrschung von Schlüsselkompetenzen (z.B. grundlegender EDV-Kenntnisse) zur Voraussetzung für die Wahrnehmung des Rechts auf Information sowie für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Verfolgung dieser Ziele kann sich somit negativ auf den sozialen Zusammenhalt auswirken, weil ältere Menschen — und andere benachteiligte Gruppen — von Programmen zur Förderung des Erwerbs wesentlicher Kompetenzen ausgeschlossen sind.

4.9

Da die Verwirklichung einer kompetenzbasierten Bildung ausgesprochen komplexe Auswirkungen auf die Bildungspolitik hat, wäre es äußerst wichtig, EU-weit einen ständigen Dialog zwischen Fachleuten auf diesem Gebiet einzurichten und die Schlussfolgerungen dieses Austausches einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Angesichts der Komplexität dieses Vorhabens sollte die Kommission — unter Achtung der im EG-Vertrag zugewiesenen Zuständigkeiten und des Subsidiaritätsprinzips — die bildungspolitischen Experten der Mitgliedstaaten unterstützen — nicht nur bei der Festlegung der Ziele, sondern auch bei der Ermittlung einzelner Vorgehensweisen, möglicher Instrumente für deren Konkretisierung und etwaiger Stolpersteine (Neben der Förderung der Beispiele vorbildlicher Verfahren sollte es der Erfahrungsaustausch auch ermöglichen, Lehren aus der Analyse von Misserfolgen zu ziehen).

5.   Erhebung statistischer Daten über lebenslanges Lernen

5.1

In diesem Punkt ist das Thema lebenslanges Lernen eng mit dem Verordnungsentwurf bezüglich Statistiken über Bildung und lebenslanges Lernen (8) verknüpft.

5.2

In dem Verordnungsentwurf heißt es, dass vergleichbare Statistiken und Indikatoren über allgemeine und berufliche Bildung sowie lebenslanges Lernen von wachsender Bedeutung für die Europäische Union sind, damit die offene Methode der Koordinierung in der allgemeinen und beruflichen Bildung zum Tragen kommen kann.

5.2.1

Gegenwärtig beruhen die Zusammenarbeit und der Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten auf einem sogenannten Gentlemen's Agreement. Mit dem Verordnungsentwurf soll eine Rechtsgrundlage für die Entwicklung eines nachhaltigen Systems zur Produktion bildungsbezogener Daten geschaffen werden, das als Ausgangspunkt für einschlägige politische Diskussionen — in den verschiedenen Bereichen auf Gemeinschaftsebene — dienen kann.

5.2.2

Das Ziel ist die Einrichtung eines Rahmens, der sich auf alle bestehenden und geplanten Maßnahmen für Statistiken über lebenslanges Lernen mit Ausnahme der innerbetrieblichen Bildung erstreckt; diese wird von der Erhebung zur beruflichen Weiterbildung (CVTS) des Europäischen Statistikamtes Eurostat erfasst, die Gegenstand einer separaten, kürzlich verabschiedeten Verordnung ist.

5.2.3

Der Vorschlag bezieht sich lediglich auf Statistiken über die allgemeine und berufliche Bildung sowie lebenslanges Lernen, die der Kommission zur Verfügung gestellt werden müssen, um die Erstellung von Gemeinschaftsstatistiken zu ermöglichen.

5.2.4

Das Hauptziel dieser Verordnung ist die Schaffung gemeinsamer statistischer Standards für die Produktion harmonisierter Daten und somit die Errichtung eines gemeinsamen Rahmens für die systematische Erstellung von Gemeinschaftsstatistiken über lebenslanges Lernen.

5.3

Es ist außerordentlich wichtig, dass ein realistischer Gesamtüberblick über die einschlägigen Prozesse die Grundlage für die Formulierung der strategischen Ziele der Europäischen Union bildet. Mindestens genauso wichtig ist, dass die Bewertungen, die bei der Umsetzung der Strategien als angemessen gelten, auf methodisch verlässlichen, regelmäßigen Datenerhebungen und Datenserien sowie auf den daraus gezogenen Schlussfolgerungen basieren. Es müssen Daten und Indikatoren für internationale Vergleiche zur Verfügung stehen.

5.3.1

In der Praxis sind die Bildungsressourcen äußerst ungleich verteilt; darüber hinaus werden bestehende Ungleichheiten in der Erwachsenenbildung zumeist nicht ausgeglichen, sondern noch verstärkt (wie die einschlägigen Datensammlungen belegen). Die Beobachtung und Bewertung dieses Aspekts können durch eine regelmäßige, auf einheitlichen Grundsätzen und einheitlichen methodischen Grundlagen beruhende Datenermittlung unterstützt werden.

5.4

Gegenwärtig beziehen sich mehrere parallel und großenteils unabhängig voneinander durchgeführte statistische Erhebungen auf die verschiedenen Bereiche der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie der Erwachsenenbildung. Allein können die Datenerhebungssysteme der Europäischen Union nicht den gesamten Themenkreis abdecken — auch nicht mit Hilfe der neuen statistischen Erhebungen, deren Durchführung jetzt beginnt. Angesichts der Merkmale von Eurostat besteht ein gewisser Unterschied — in Inhalt und Ausrichtung — zwischen seinen eigenen statistischen Erhebungen und denen anderer Datenerhebungsstellen.

5.5

Damit die Ressourcen effizienter genutzt werden können, sollte es im Rahmen einer regelmäßigen Datenerhebung keine fachlich ungerechtfertigten Überschneidungen geben; zugleich ist systematisch dafür zu sorgen, dass die Ergebnisse der einzelnen Erhebungen sich in irgendeiner Weise aufeinander beziehen können. Nur eine enge fachliche Zusammenarbeit mit Spezialeinrichtungen in Drittländern (OECD, die Internationale Vereinigung für die Bewertung der Bildungsleistung International Association for the Evaluation of Educational Achievement — IEA) und eine Interrelationalität mit deren statistischen Erhebungen können die Verwirklichung des Ziels gewährleisten.

5.6

In der gegenwärtigen Lage ist die enge fachliche Zusammenarbeit mit Organisationen in Drittländern wesentlich, da das Messen von Schlüsselkompetenzen momentan nicht in den Zuständigkeitsbereich von Eurostat fällt (Die Erhebungen der OECD, insbesondere die PISA-Studie und das in Arbeit befindliche Programm zur internationalen Bewertung der Kompetenzen von Erwachsenen PIAAC, dürften eine wichtige Rolle beim Messen von Kompetenzen spielen).

5.7

Es herrscht ein erheblicher Bedarf an Statistiken, die für die Entwicklung politischer Maßnahmen nützlich sind, sowie an Daten, die zur Bewertung der erzielten Fortschritte beitragen, und der Bedarf an aktuellen Statistiken steigt noch deutlich an. Entscheidend ist, dass die Mitgliedstaaten ähnliche Methoden für die Datenerhebung verwenden und dass die Zuverlässigkeit und Vergleichbarkeit dieser Angaben Vorrang haben.

6.   Besondere Bemerkungen

6.1

Der Betrieb von Datenerhebungssystemen ist besonders kostspielig. Der EWSA ist sich dieses Problems bewusst und hält es — falls die Mitgliedstaaten diese Last schultern können, — für berechtigt, langfristig eine Verkürzung der Fünfjahreszyklen für die Erfassung von Daten über lebenslanges Lernen zu erwägen, d.h. die Erhebungen öfter durchzuführen. Hinsichtlich der Datenerfassung könnte die Ergänzung großer statistischer Erhebungen über die politisch relevantesten Themen durch häufigere, gar jährliche gezielte Studien und durch kleinere Erhebungen eine kurzfristige Lösung darstellen. Solche gezielten Erhebungen und die auf ihren Schlussfolgerungen basierenden Analysen können die Beobachtung der politisch wichtigsten Prozesse und die Bewertung der Verwirklichung der Gemeinschaftsziele für lebenslanges Lernen ermöglichen.

6.2

Es scheint gerechtfertigt, dass die Erhebung von Daten über die innerbetriebliche Aus- und Fortbildung ebenfalls in den Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Verordnung fällt, betreffen sie doch einen wichtigen Baustein des lebenslangen Lernens. Ein Teil dieser Bildungsmaßnahmen (in Unternehmen mit zehn oder mehr Mitarbeitern) wird gegenwärtig von der alle fünf Jahre durchgeführten Erhebung zur beruflichen Weiterbildung (CVTS) erfasst, die jedoch keine Daten über Bildungsmaßnahmen in Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern umfasst.

Brüssel, den 18. Mai 2006

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts-und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Stellungnahme des EWSA zu dem „Integrierten Aktionsprogramm im Bereich des lebenslangen Lernens“ – SOC/176 – Berichterstatter: Herr KORYFIDIS – ABl. C 221 vom 8.9.2005.

(2)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Ausbildung und Produktivität“ (SOC/183) vom 28. Oktober 2004, Berichterstatter: Herr KORYFIDIS (ABl. C 120 vom 20.5.2005)

(3)  vgl. hierzu den Kok-Bericht über die Halbzeitbewertung der Lissabon-Strategie im März 2005: http://europa.eu.int/comm/lisbon_strategy/pdf/2004-1866-DE-complet.pdf.

(4)  Die Arbeitsgruppe hat den Begriff „Kompetenz“ - eine Kombination aus Kenntnissen, Fähigkeiten und Einstellungen – bevorzugt und ferner die „Schlüsselkompetenz“ zur Bezeichnung der von allen benötigten Kompetenzen benutzt. Dieser Begriff umfasst somit die Grundfähigkeiten, reicht jedoch auch über diese hinaus.

(5)  Arbeitsgruppe „Grundfertigkeiten“, Fortschrittsberichte 2003 und 2004: http://europa.eu.int/comm/education/policies/2010/objectives_en.html - basic.

(6)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Ausbildung und Produktivität“ (SOC/183) vom 28. Oktober 2004, Berichterstatter: Herr KORYFIDIS - ABl. C 120 vom 20.5.2005.

(7)  Definition der Zielgruppe „ältere Menschen“: Menschen, die nicht erwerbstätig sind und/oder endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind.

(8)  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Erstellung und den Ausbau von Statistiken über Bildung und lebenslanges Lernen, KOM(2005) 625 endg. – 2005/0248 (COD).