18.8.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 195/37


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung und Bekämpfung von Hochwasser“

KOM(2006) 15 endg. — 2006/0005 (COD)

(2006/C 195/09)

Der Rat beschloss am 13. Februar 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 175 Absatz 1 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 26. April 2006 an. Berichterstatterin war Frau SÁNCHEZ MIGUEL.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 427. Plenartagung am 17./18. Mai 2006 (Sitzung vom 17. Mai) mit 141 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt es, dass die Kommission einen Entwurf für eine Richtlinie zur Bekämpfung von Hochwasser vorgelegt hat, wie er sie in seiner Stellungnahme (1) zu der vorausgehenden Mitteilung gefordert hatte, und insbesondere, dass sich dieser Entwurf in die Methodik und das Instrumentarium der Wasserrahmenrichtlinie einfügt. Mit der Einfügung der Hochwasserrisikokarten und -pläne in den Flusseinzugsgebietsplan werden sämtliche Aspekte der Bewirtschaftung der kontinentalen Gewässer und der mit den Wassereinzugsgebieten zusammenhängenden Küstengebiete geregelt

1.2

Ausgangspunkt für eine wirksame Umsetzung der Richtlinie ist eine vorausschauende Bewertung der Wassereinzugs- und Küstengebiete in Form einer gründlichen Diagnose der gegenwärtigen Situation, vor allen in Gebieten mit hohem Hochwasserrisiko aufgrund der menschlichen Eingriffe und des Klimawandels.

1.3

Ferner müssen nachdrücklich vorbeugende Maßnahmen gegen die Schadensfolgen von Hochwasser gefordert werden, indem bei allen Maßnahmen die Bevölkerung mittels Informationskampagnen und Mitwirkungsmöglichkeiten angesprochen wird. Deshalb ersucht der EWSA die Kommission, besonders darauf zu achten, dass die Vorschriften, die in Artikel 14 der Wasserrahmenrichtlinie und in diesem Vorschlag für eine Richtlinie aufgestellt werden, auch in die Pläne für die Einzugsgebiete Eingang finden.

1.4

Die Hochwassermanagementpläne und -risikokarten, wie sie in dem Richtlinienvorschlag dargestellt werden, müssen weiter gefasst werden. Die Klassifizierung der Einzugsgebiete mit hohem Risiko muss sowohl prioritäre Handlungsvorschriften mit angemessener Finanzierung als auch die für eine Minimierung der Kosten anzuwendenden Kriterien bei gleichzeitiger Erhöhung des Nutzens für die Bevölkerung umfassen. Das Ergebnis muss eine nachhaltige und integrierte Entwicklung der potenziellen Hochwassergebiete sein.

1.5

Im Hinblick auf die Tätigkeiten der Gemeinschaft im Bereich der multidisziplinären Forschung und Koordination ist schließlich noch zu betonen, dass alle Politiken zugunsten der europäischen Gewässer ausgebaut werden müssen.

2.   Vorüberlegungen

2.1

Bei der Ausarbeitung der Richtlinie 2000/60/EG oder „Wasserrahmenrichtlinie“ war eine Leerstelle übrig geblieben: die Festlegung von Zielgrößen für Vermeidungs-, Schutz- und Minderungsmaßnahmen bei Hochwasser. Tatsächlich gab es auf dem Gebiet der EU in den vergangenen zehn Jahren mehr als 100 Überschwemmungen mit zahlreichen Toten und erheblichen wirtschaftlichen Schäden. Die Kommission legte eine Mitteilung (2) mit einer Analyse der Lage vor, in der sie eine konzertierte Aktion in der Europäischen Union vorschlug. Der gegenwärtige Richtlinienvorschlag ist ein Bestandteil dieser Aktion.

2.2

Sowohl in der Mitteilung als auch in dem Richtlinienvorschlag wird Nachdruck darauf gelegt, dass alle Maßnahmen der Wasserpolitik mit den übrigen vorhandenen Gemeinschaftspolitiken im Bereich der Schutz- und Minderungsmaßnahmen bei Hochwasser koordiniert werden. Die Forschungspolitik mit Vorhaben wie FLOODsite trägt zu einer Verbesserung des integrierten Analyseverfahrens und Hochwasserrisikomanagements bei; die Regionalpolitik bildet unter Anwendung der Strukturfonds, insbesondere des Europäischen Fonds für die Regionalentwicklung und der Gemeinsamen Agrarpolitik, und mit den Instrumenten der Entkopplung und Auflagenbindung (3) ein umfassendes Paket, das bessere Ergebnisse als einzelne wasserwirtschaftliche Maßnahmen ermöglicht.

2.3

Ziel des Richtlinienvorschlags ist die Minderung und das Management der Hochwasserrisiken, die Leben und Gesundheit von Menschen, ihre Vermögenswerte und auch die Natur und Umwelt gefährden. Die Einbettung dieses Vorschlags in die Wasserrahmenrichtlinie gestattet eine Vereinfachung der organisatorischen und administrativen Schritte, zumal er sich auf die vorhandenen Flussgebietseinheiten gemäß den Vorschriften der Wasserrahmenrichtlinie bezieht. Dies heißt, dass sämtliche Maßnahmen, die zur Vermeidung und Minderung der Hochwasserrisiken getroffen werden, im Rahmen der Pläne für die Wassereinzugsgebiete der einzelnen Flüsse erfolgen müssen und dass die eingesetzten Behörden in beiden Fällen dieselben sind, die lediglich diese neue Zuständigkeit erhalten. Im übrigen sei darauf hingewiesen, dass sich die Effizienz verbessern würde, wenn die Fristen für die vorgeschlagene neue Richtlinie mit denjenigen für die Wasserrahmenrichtlinie übereinstimmten.

2.4

Der EWSA ist mit dem Richtlinienvorschlag einverstanden. Bei der inhaltlichen Prüfung konnte er feststellen, dass viele seiner Bemerkungen aus seiner Stellungnahme zur Mitteilung von 2004 aufgegriffen worden waren (4). Diesbezüglich bleibt ihm also nur, die Kommission nachdrücklich zur Wahrnehmung ihrer Aufgabe zu drängen; ihre Rolle für die Umsetzung des Inhalts der Wasserrahmenrichtlinie und aller ihrer Bestimmungen für die Entwicklung sind die Gewähr für eine korrekte Anwendung der Rechtsvorschriften durch die Behörden der Mitgliedstaaten, ohne die Vorteile aus den Augen zu verlieren, die sich für Drittstaaten ergeben können, mit denen Wassereinzugsgebiete auf dem europäischen Kontinent geteilt werden.

3.   Zusammenfassung des Vorschlags

3.1

Der Richtlinienvorschlag gliedert sich in sieben Kapitel:

Kapitel I enthält allgemeine Bestimmungen, die den Gegenstand regeln und Begriffsbestimmungen für „Hochwasser“ und „Hochwasserrisiko“ umfassen; sie werden durch Bestimmungen aus Artikel 2 der Wasserrahmenrichtlinie ergänzt.

Kapitel II handelt von der vorausschauenden Bewertung des Hochwasserrisikos für die einzelnen Wassereinzugsgebiete, die gemäß Artikel 4 Absatz 2 bestimmte Mindestbedingungen erfüllen muss. Aufgrund dieser Bewertung werden die Einzugsgebiete in zwei Kategorien unterteilt: solche, für die kein potenziell signifikantes Hochwasserrisiko festgestellt wurde, und solche, die ein signifikantes Risiko aufweisen. Die Bewertung muss spätestens drei Jahre nach dem Datum des Inkrafttretens der Richtlinie abgeschlossen sein.

In Kapitel III wird die Erstellung von Hochwasserrisikokarten geregelt, die sich nicht nur auf die Einzugsgebiete von Flüssen erstrecken, sondern auch auf die Küstenabschnitte, die sich in den Flussgebietseinheiten befinden. Diese Karten werden nach der Überflutungswahrscheinlichkeit jedes geografischen Gebiets in der Weise erstellt, dass die Folgen für die Bevölkerung, die Wirtschaft der Region und die Umwelt bewertet werden können.

Die Pläne für das Hochwasserrisikomanagement werden in Artikel 9 und folgende — dies entspricht Kapitel IV — behandelt. Die Mitgliedstaaten erstellen auf der Ebene der Flussgebietseinheiten und in Einklang mit der Klassifizierung gemäß der vorausschauenden Bewertung Pläne für das Hochwasserrisikomanagement in der Form, dass die Wahrscheinlichkeit von Überschwemmungen und ihre Folgeschäden verringert wird. Sie müssen also in die Wasserwirtschaft, Bodennutzung, Raumordnung und Flächennutzung eingreifen. In keinem Fall aber darf eine Maßnahme Schäden in Nachbarstaaten nach sich ziehen.

Die Unterrichtung und Einbeziehung der Öffentlichkeit sind das Thema des Kapitels V, das die Bestimmung aus Artikel 14 der Wasserrahmenrichtlinie übernimmt, wonach die Information und Einbeziehung sowohl bei der vorausschauenden Bewertung als auch bei den Managementplänen vorzunehmen ist.

Kapitel VI handelt von dem in Artikel 21 der Wasserrahmenrichtlinie genannten Ausschuss, der die Kommission unterstützt.

Schließlich werden in Kapitel VII die Fristen für die Vorlage der Berichte der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat festgelegt (im Jahr 2018), wie auch für die Mitgliedstaaten, die der Kommission innerhalb von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten der Richtlinie die Rechtsvorschriften für deren Umsetzung mitteilen.

4.   Bemerkungen zu dem Kommissionsvorschlag

4.1

Der EWSA stellt fest, dass durch die Einfügung dieses Richtlinienvorschlags in die Methodik der Wasserrahmenrichtlinie die Einbeziehung der Pläne für das Hochwasserrisikomanagement in die Pläne für die Einzugsgebiete begünstigt wird, so dass die erforderliche Planung für Maßnahmen für jeweils das gesamte Flusseinzugsgebiet gewährleistet ist, und die Maßnahmen der verschiedenen (lokalen, staatlichen, überstaatlichen) Ebenen aufeinander abgestimmt und alle zuständigen Stellen koordiniert werden.

4.2

Ferner wird durch die Einordnung des Hochwasserrisikomanagements in die Wasserrahmenrichtlinie die Begriffsbestimmung von „Hochwasser“ als eines natürlichen und normalen Bestandteils der Fluss- und Küstengewässerdynamik eingeführt. Die Begriffsbestimmung für „Hochwasserrisiko“ erfolgt in Bezug auf die Schadensfolgen für die menschliche Gesundheit, die Umwelt und die wirtschaftlichen Tätigkeiten und folglich auch für die Wasserkörper, wie sie Gegenstand der Wasserrahmenrichtlinie sind.

4.3

Dass eine vorausschauende Bewertung des Hochwasserrisikos erfolgen müsse, war eine der wichtigsten Schlussfolgerungen aus der Stellungnahme des EWSA (5); insofern erleichtert der Richtlinienvorschlag, der inhaltlich in Artikel 4 und Artikel 5 zum Ausdruck kommt, wissenschaftlichen Kriterien entsprechende Pläne für das Hochwasserrisikomanagement. Es sei auf einige Vorschriften dafür hingewiesen:

Beschreibung von aufgetretenen Hochwasserereignissen

Beschreibung von Hochwasserprozessen und ihrer Empfindlichkeit gegenüber Veränderungen

Beschreibung von Entwicklungsplänen, die zu Änderungen der Flächennutzung, der Verteilung der Bevölkerung oder der wirtschaftlichen Tätigkeiten führen und dadurch eine Zunahme des Hochwasserrisikos bewirken würden.

4.4

Bemerkenswert ist auch die Klassifizierung der Flusseinzugs- und Küstengebiete in solche mit bzw. ohne Hochwasserrisiko. Der EWSA ist mit dem Ziel des Hochwasserrisikomanagements einverstanden, die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Auswirkungen von Hochwasserereignissen zu verringern; zu diesem Zweck sind Einteilungen der in Frage kommenden Verfahrensweisen und Maßnahmen sowie Kriterien für eine sinnvolle Auswahl für jeden einzelnen Fall erforderlich.

4.5

Der EWSA schlägt der Kommission vor, in Artikel 9 und im Anhang (Pläne für das Hochwasserrisikomanagement, Buchstabe A) folgende Grundsätze und Maßnahmen aufzunehmen:

Die Renaturierung von Fluss- und Küstengewässern durch die Wiederherstellung der Flächen und Elemente, die für die natürlichen Regulierungsmechanismen der Wassereinzugsgebiete wesentlich sind (Wiederaufforstung in Berggebieten, Schutz von Feuchtgebieten und dort angesiedelten Ökosystemen, Überwachung von Erosion und Sedimentation in Flussläufen, Programme für alternative Flächennutzung usw.);

Umsetzung des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung der Überschwemmungsgebiete durch

die Schätzung des wirtschaftlichen Flächennutzungspotenzials im Einklang mit natürlichen Hochwasserzyklen;

die Integration dieser Modelle in die verschiedenen Planungsbereiche, insbesondere die Raumplanung.

4.6

Für eine stärkere Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Maßnahmen zur Vermeidung der Hochwasserrisiken und –schäden ist in allen Mitgliedstaaten ein System der Information und Einbeziehung der Öffentlichkeit zu schaffen, wie es bereits in Artikel 14 der Wasserrahmenrichtlinie strukturiert wurde. Die Einbeziehung muss sowohl bei den Plänen für das Risikomanagement als auch bei der vorausschauenden Bewertung erfolgen.

Brüssel, den 17. Mai 2006

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Stellungnahme CESE 125/2005, ABl. C 221 vom 8. September 2005.

(2)  Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Hochwasserrisikomanagement, Vermeidungs-, Schutz- und Minderungsmaßnahmen. KOM(2004) 472 endg. vom 12.7.2004.

(3)  Verordnung Nr. 1698/2005 zur ländlichen Entwicklung; Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes ELER.

(4)  Stellungnahme CESE 125/2005 (siehe Fußnote 1). ABl. C 221 vom 8.9.2005.

(5)  Siehe Stellungnahme CESE 125/2005, Ziffern 3.2 und 3.3. ABl. C 221 vom 8.9.2005