9.5.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 110/8


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Bericht über die Wettbewerbspolitik 2004“

(SEK(2005) 805 endg.)

(2006/C 110/02)

Die Europäische Kommission beschloss am 17. Juni 2005, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Bericht über die Wettbewerbspolitik 2004“.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 21. Februar 2006 an. Berichterstatter war Herr MALOSSE.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 425. Plenartagung am 15./16. März 2006 (Sitzung vom 15. März) mit 138 gegen 1 Stimme bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Die Wettbewerbspolitik der Europäischen Union galt lange Zeit als Kernstück der europäischen Integration und als ein Acquis, der nicht in Frage gestellt werden durfte. Anlässlich der Diskussion über den Verfassungsvertrag sind jedoch Fragen hinsichtlich einer Politik laut geworden, die darauf abzielt, einen „freien und unverfälschten Wettbewerb“ zu gewährleisten. Nach der Reform der Instrumente zur Kontrolle von Kartellen und des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen hat die Europäische Kommission mit einem Aktionsplan eine Reform der für staatliche Beihilfen geltenden Regelungen eingeleitet. Die Vorlage des Berichts 2004 bietet dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) Gelegenheit zu einer umfassenden Reflexion über die Ziele und Methoden der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik, insbesondere im Zusammenhang mit

der Globalisierung des Handels;

der EU-Erweiterung und der sich daraus ergebenden Zunahme des Entwicklungsgefälles;

dem immer größeren Wachstums- und Beschäftigungsrückstand der EU im Vergleich zu ihren wichtigsten Konkurrenten in der Weltwirtschaft;

dem legitimen Wunsch der Bürger nach besserem Regiertwerden, einer besseren Legitimation der Politik und einer stärkeren Teilhabe an der Entscheidungsfindung.

1.2

Nach einer „Einleitung der Generaldirektorin für Wettbewerb“, in welcher der politische Rahmen abgesteckt wird, nimmt der Bericht insbesondere Bezug auf die Aktivitäten der Kommission in folgenden Bereichen:

Kartellrecht (Artikel 81 und 82 EGV) — mit ausgewählten Entscheidungen gemeinschaftlicher und nationaler Gerichte;

Fusionen, samt einer sektorspezifischen Bewertung;

Beihilfenkontrollen, einschließlich eines Rechts- und Auslegungsrahmens sowie ausgewählter Entscheidungen europäischer Gerichte;

Erweiterung und bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit auf internationaler Ebene.

Das Jahr 2004 — das Jahr der Erweiterung der EU um zehn neue Mitgliedstaaten — war durch das Inkrafttreten der Reform des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts am 1. Mai gekennzeichnet.

2.   Überlegungen zur Wettbewerbspolitik der Europäischen Union

2.1

In dem Bericht wird der Zusammenhang zwischen Wettbewerbspolitik einerseits und der überarbeiteten Lissabon-Strategie — Wachstum, Beschäftigung und nachhaltiger Entwicklung — andererseits herausgestrichen. Die Kommission möchte damit die Betonung auf die für den Binnenmarkt und die Lissabonner Agenda besonders wichtigen Wirtschaftsbereiche legen und den Abbau der Hemmnisse in den jüngst liberalisierten Wirtschaftsbereichen sowie bestimmten anderen regulierten Sektoren — insbesondere Telekommunikation, Post, Energie und Verkehr — in den Vordergrund stellen. Der Zusammenhang mit der Lissabonner Agenda sollte jedoch besser begründet und erläutert werden.

2.2

Zunächst sollte die Frage gestellt werden, ob eine Wettbewerbspolitik die konjunkturgebundenen politischen Prioritäten widerspiegeln muss oder ihrer eigenen Logik folgen sollte. Der EWSA spricht sich aus den folgenden Gründen für den zweiten Ansatz aus:

2.2.1

Die Unternehmen, die Verbraucher und die wirtschaftlichen und sozialen Akteure benötigen einen stabilen und berechenbaren Rechtsrahmen. Eine Wettbewerbspolitik, die sich nach den jeweiligen Prioritäten des Moments richten soll, schafft rechtliche Instabilität und ist somit wenig investitions- und beschäftigungsfreundlich.

2.2.2

Die Schaffung eines freien und unverfälschten Wettbewerbs ist ein grundlegendes Ziel an sich — und zwar nicht in Relation zu einer konjunkturgebundenen Strategie, sondern zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des einheitlichen europäischen Binnenmarktes. Andernfalls verliert dieser Markt nicht nur seine ganze Bedeutung, sondern kann der europäischen Wirtschaft auch nicht mehr die angestrebten Vorteile verschaffen, nämlich die Ankurbelung der Nachfrage, die Erweiterung des Angebots und die Stärke eines Marktes mit 450 Millionen Verbrauchern.

2.2.3

Heute, in einer erweiterten EU, ist das Gefälle der wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen in den Mitgliedstaaten sehr ausgeprägt. Vor diesem Hintergrund hat die Wettbewerbspolitik daher besondere Brisanz. Mit anderen Worten: Die Schaffung eines wirklich freien und unverfälschten Wettbewerbs ist entscheidend dafür, dass die wirtschaftlichen und sozialen Akteure — sowohl aus den reicheren als auch aus den noch nicht so weit fortgeschrittenen Ländern — die Gewähr der Chancen- und Behandlungsgleichheit erhalten und dass dadurch die Bedingungen gegeben sind, um den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der EU zu verstärken.

2.2.4

Die Eigenständigkeit der Wettbewerbspolitik muss gewahrt und verstärkt werden. Es ist auch erforderlich, dass sie sich an den anderen Politikfeldern der EU orientiert, wie den Maßnahmen zugunsten von Verbraucherschutz, wirtschaftlicher Entwicklung, Innovation, Wachstum, Beschäftigung sowie wirtschaftlichem und sozialem Zusammenhalt. Durch die gegenwärtige Modernisierung und mit künftigen Reformen der Wettbewerbspolitik muss erreicht werden, dass sie diese nach außen gerichtete Sichtweise widerspiegelt; dementsprechend muss sich die Kommission zwangsläufig um ein ständiges Gleichgewicht bemühen, mit dem Verbraucher, Unternehmen und das Allgemeininteresse der EU auf bestmögliche Weise geschützt werden können. Die Ausarbeitung von Leitlinien zur Prüfung von Streitfällen muss daher an bestimmte Vorbedingungen geknüpft sein:

Fortsetzung der strikten Anwendung der Wettbewerbsregeln, insbesondere im Bereich der staatlichen Beihilfen, um Gefälligkeiten zugunsten einzelstaatlicher Maßnahmen zur Unterstützung der Marktführer oder monopolistischer Unternehmen zu vermeiden, die zu einer Unterdrückung des Wettbewerbs auf einzelstaatlicher und europäischer Ebene führen könnten, insbesondere auf Kosten der kleinen und mittleren Unternehmen. Es ist vielmehr eine Unterstützung der staatlichen Bemühungen um Innovation und Forschung erforderlich, um große und einheitsstiftende europäische Projekte zu begünstigen und das Innovationspotenzial der kleinen und mittleren Unternehmen zu unterstützen.

Ebenso sollte der Schwerpunkt der beschäftigungsfördernden Maßnahmen auf Dienstleistungen für die Menschen (lebenslanges Lernen, Kinderbetreuung, Mobilität, Bekämpfung aller Formen der Diskriminierung) anstatt auf Direktbeihilfen für Unternehmen liegen, die zu Wettbewerbsverzerrungen führen würden;

Bekämpfung der neuen „wettbewerbswidrigen Nischen“ wie der „Ersetzung“ öffentlicher durch private Monopole oder der marktbeherrschenden Stellungen einer Wirtschaftstätigkeit (beispielsweise des Handels gegenüber den Erzeugern und umgekehrt). Es ist dadurch eine stärkere Berücksichtigung der Besonderheiten der kleinen und mittleren Unternehmen — Triebkräfte des Wachstums in Europa — erforderlich, deren Gründung bzw. Entwicklung häufig durch sie diskriminierende Praktiken erschwert wird (staatliche Beihilfen, Monopole, marktbeherrschende Stellungen). So sollten insbesondere die Zusammenarbeit zwischen KMU und Gruppierungen dieser Unternehmen gefördert werden, da ihnen häufig kein anderes Mittel zur Verfügung steht, um mit ihren Konkurrenten gleichzuziehen;

Gewährleistung, dass die Verbraucher auch wirklich von Massenproduktionsvorteilen und vom Potenzial des europäischen Binnenmarktes profitieren können.

2.2.5

Dem besonderen Charakter der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse muss insbesondere im Gesundheits-, Sozialschutz- und Bildungssektor Rechnung getragen werden, und zwar unter Achtung der Werte der sozialen Gerechtigkeit und im Einklang mit den einzelstaatlichen Gepflogenheiten und Verfahren. In dem Fall, dass Aufgaben zur Wahrnehmung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen ganz oder teilweise privaten Akteuren übertragen werden, müssen die Wettbewerbsbehörden auf die Gleichbehandlung aller potenziellen Akteure sowie die Effektivität, Kontinuität und Qualität der Dienstleistungen achten. Der Ausschuss würdigt in diesem Zusammenhang die Arbeiten der Kommission, die seit dem Altmark-Urteil darin bestehen, die Regeln für die Finanzierung der Wahrnehmung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen genauer festzulegen, wodurch die Verwaltung der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse transparenter wird.

2.2.6

Generell besteht das Problem der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik darin, dass sie auf der Hypothese eines optimalen Funktionierens des Binnenmarktes beruht: optimale und kostenlose Informationen für die Marktbeteiligten, freier Zu- und Austritt der Unternehmen, ebenso viele Märkte wie mögliche bzw. von den Akteuren gewünschte Gelegenheiten, keine wachsende Skalenerträge und marktbeherrschende Stellungen. Die Realität ist jedoch eine andere, vor allem aufgrund der Verhaltensweisen einiger Mitgliedstaaten, die weiterhin „national“ denken und „nationale Marktführer“ bevorzugen wollen.

2.2.7

Die GD Wettbewerb sollte wirtschaftliche und soziale Bilanzen zur Weiterverfolgung der von ihr untersuchten Fälle erstellen und für ihre wichtigsten Entscheidungen Folgenabschätzungen sowohl im wirtschaftlichen Bereich — auch unter dem Aspekt der globalen Wettbewerbsfähigkeit der EU — als auch auf sozialem Gebiet sowie im Bereich der nachhaltigen Entwicklung durchführen.

3.   Bemerkungen zur Durchführung der Wettbewerbspolitik in der Europäischen Union 2004

3.1

In Bezug auf die Präsentation und im Sinne eines besseren Verständnisses des beschriebenen Systems würde der Bericht noch an Klarheit gewinnen, wenn er ein Verzeichnis der Entscheidungen enthielte, bei denen keine Einwände gegen die Gewährung staatlicher Beihilfen bestanden, und erklärte, weshalb die betreffende Beihilfe in bestimmten Fällen nicht unter den Anwendungsbereich von Artikel 87 Absatz 1 fiel. Dieses Verzeichnis würde den Rahmen für bewährte Praktiken darstellen, nach dem sich die Mitgliedstaaten bei der Vergabe der Beihilfen richten könnten.

3.2

Da das Jahr 2004 zudem durch die EU-Erweiterung gekennzeichnet war, ist es bedauerlich, dass der Bericht nur relativ wenige Hinweise auf die Umsetzung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik durch die neuen Mitgliedstaaten enthält. Der EWSA erhofft sich vom Bericht 2005 daher ausführlichere und aktuellere Informationen.

3.3   Anwendung der Kartellvorschriften

3.3.1

Aus dem Bericht geht hervor, dass die Wirtschaftsanalyse zum integralen Bestandteil der Wettbewerbspolitik geworden ist, was der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss auch immer wieder gefordert hat. In diesem Zusammenhang war die Entwicklung der Vorschriften des Wettbewerbsrechts (Artikel 81 und 82) durch einen besonderen und pragmatischen Vorstoß gekennzeichnet, der darin besteht, den Markt besser zu definieren und das Konzept der horizontalen und vertikalen Vereinbarungen noch weiter auszufeilen.

3.3.1.1

Im Rahmen von Artikel 81 Absatz 3 (Ausnahmen vom Verbot restriktiver Vereinbarungen) lässt sich feststellen, dass die Wirtschaftsanalyse vor allem durch die Berücksichtigung des Effizienzgewinns bereichert worden ist. So können die Unternehmen den Einsatz neuer Technologien, geeignetere Herstellungsmethoden, Synergien aus der Integration von Aktiva sowie Einsparungen aufgrund von Größenvorteilen geltend machen oder aber den technischen und technologischen Fortschritt, beispielsweise über gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen, ins Feld führen.

3.3.2   Kronzeugenregelung

3.3.2.1

Wie es die in dem Bericht aufgeführten Fälle zeigen, ist die Kronzeugenregelung ein voller Erfolg. Zur Erinnerung: Dieser Mechanismus beruht darauf, die an einem Kartell beteiligten Unternehmen dazu zu animieren, dieses Kartell bei den Wettbewerbsbehörden „anzuzeigen“, wodurch ihnen im Gegenzug vollkommene oder teilweise Straffreiheit gewährt wird. Zu diesem Zweck haben die Kommission und einige Mitgliedstaaten Kronzeugenprogramme eingerichtet, mit denen die Bedingungen für die Kronzeugenregelung abgesteckt werden. Diese Programme sind für die Unternehmen von besonderer Bedeutung, da diese — unabhängig von den echten Absprachen — häufig feststellen müssen, dass es zwischen ihren Handelsvertretern und denen anderer Unternehmen über den Austausch von Fax oder E-Mails ohne ihr Wissen zu einer sehr breit angelegten Absprache gekommen ist.

3.3.2.2

In dem Bericht wird jedoch nicht genügend auf eine Reihe latenter Funktionsmängel hingewiesen: Die in der EU existierenden Kronzeugenprogramme sind äußerst uneinheitlich, sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Kronzeugenregelung als auch auf verfahrensrechtlicher Ebene; hinzu kommt, dass bei weitem nicht alle nationalen Wettbewerbsbehörden ein Kronzeugenprogramm eingerichtet haben: Es sind dies lediglich achtzehn Behörden (1) (sowie die Kommission).

3.3.2.3

Darüber hinaus gilt ein an eine bestimmte Wettbewerbsbehörde gerichteter Antrag auf Kronzeugenregelung nicht auch für die anderen Behörden. Unter diesen Umständen ist das betreffende Unternehmen gezwungen, sich an alle zuständigen Wettbewerbsbehörden zu wenden, um einen Geldbußenerlass zu beantragen. Der EWSA ist daher der Auffassung, dass die Regelung im Fall von Mehrfachanträgen von Unternehmen unbedingt optimiert werden muss: Notwendig ist eine Vereinfachung der bestehenden Verfahren, um ein System zur Abstimmung der „Anzeigen“ von Absprachen einzurichten, wodurch jeder Teilnahme an einem Kartell automatisch Einhalt geboten würde.

3.3.3   Europäisches Wettbewerbsnetz (ECN)

3.3.3.1

Dem Bericht zufolge wurden mit dem Europäischen Wettbewerbsnetz (ECN) zufriedenstellende Ergebnisse erzielt. Das Europäische Wettbewerbsnetz fungiert als Bindeglied, über das die Europäische Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden aller EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeiten und sich gegenseitig über neue Fälle und Entscheidungen informieren. Sie koordinieren gegebenenfalls ihre Untersuchungen, indem sie sich Hilfestellung leisten und die Beweise austauschen.

3.3.3.2

Durch diese Zusammenarbeit entsteht ein effizienter Mechanismus zur Ahndung von Unternehmen, die grenzüberschreitende wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen an den Tag legen, und wird zur Ausschaltung jener Unternehmen beigetragen, die die Marktregeln verletzen und dem Wettbewerb und den Verbrauchern erheblich schaden.

3.3.3.3

Eine wesentliche Frage ist die der Vertraulichkeit von Informationen; diese wird über eine spezielle Funktion, den „Authorised Disclosure Officer“ (Offenlegungsbevollmächtigter) gewährleistet, durch die eine oder mehrere Personen zur Teilnahme an der Übertragung vertraulicher Informationen befugt sind. Diese Mechanismen wurden seit dem 1. Mai 2004 in mehreren Fällen, hauptsächlich bei der Kommission, in die Praxis umgesetzt — erfolgreich, wie es scheint.

3.3.3.4

Die Wirtschaftssubjekte ziehen zwar eine sehr positive Bilanz der Funktionsweise des Europäischen Wettbewerbsnetzes; dennoch möchte der EWSA die Kommission darauf aufmerksam machen, dass es infolge der immer zahlreicheren Fälle langfristig womöglich schwierig sein wird, beim Austausch vertraulicher Informationen einen umfassenden Schutz zu gewährleisten.

3.4   Artikel 82 — Missbrauch marktbeherrschender Stellungen

3.4.1

Artikel 82 des Vertrags untersagt die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein Unternehmen (überhöhte Preise, Aufteilung der Märkte durch Exklusivverkaufsabsprachen, Treueprämien, mit denen Anbieter von den Mitbewerbern abgeworben werden sollen usw.). Die Fusionskontrolle unterliegt dieser Vorschrift im Übrigen dann, wenn eine Fusion einen Missbrauch im Sinne der Stärkung der marktbeherrschenden Stellung desjenigen Unternehmens beinhaltet, von dem diese Transaktion ausgeht. Dieser Artikel — wesentlicher Bestandteil der Kartellvorschriften — ist Gegenstand widersprüchlicher Auslegungen, was sich an der Analyse der Verhaltensweisen von Unternehmen und der Auswirkungen ihrer Geschäftspraktiken ablesen lässt. Mit anderen Worten: Das Konzept des „Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen“ ist bislang nicht eindeutig definiert worden, und deshalb ist es für die Unternehmen bisweilen sehr schwer, die Grenzen des erlaubten Handelns herauszufinden. So kann im Falle von missbräuchlichen Preispraktiken wie Kampfpreisen oder Rabatten ein bestimmtes Verhalten unterschiedliche Auswirkungen haben: Einem sehr effizienten Konkurrenten mag es gelingen, in einem Markt zu florieren, in dem das beherrschende Unternehmen bestimmte Preise praktiziert, während ein „weniger effizienter“ Konkurrent vom Markt verdrängt werden kann. Sollte die Wettbewerbspolitik dann Letzteren schützen? Oder sollten nicht eher Regeln ausgearbeitet werden, die auf dem Prinzip beruhen, dass nur die Verdrängung von „leistungsfähigen“ Konkurrenten missbräuchlich ist?

3.4.2

Der EWSA befürwortet, dass die Kommission jüngst einen Entwurf über Leitlinien zur Durchführung von Artikel 82 veröffentlicht hat, um eine Methode zur Bewertung der gängigsten Praktiken festzulegen, wie etwa der Kopplungspraxis oder Rabatten und Preisnachlässen, die die Konkurrenz schwächen können (2). Der EWSA begrüßt die Anstrengungen der Kommission, die größtmöglichen Ressourcen zur Bekämpfung derjenigen Praktiken zu mobilisieren, die den Verbraucher am meisten schädigen können, um dadurch für Klarheit und rechtliche Sicherheit zu sorgen und eindeutig zu definieren, was der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung beinhalten kann. Der EWSA hofft, dass es Unternehmen in einer marktbeherrschenden Stellung mithilfe des in Vorbereitung befindlichen Entwurfs ermöglicht wird, klar einzuschätzen, ob ihr Verhalten rechtmäßig ist, und erinnert daran, dass zum Abschluss der Überlegungen ein Dialog mit den Betroffenen Akteuren (Unternehmen, insbesondere KMU, Verbraucher, Sozialpartner usw.) gewährleistet sein muss.

3.5   Fusionskontrolle

3.5.1

Der EWSA begrüßt, dass sich die Entwicklung im Zeichen des Pragmatismus vollzieht — mit der Einführung einer einzigen Anlaufstelle für die Meldung geplanter Zusammenschlüsse einerseits und der unumgänglich gewordenen Verfeinerung des Markttests andererseits, da dieser wirklichkeitsnäher und mit den in den weltweit wichtigsten Fusionskontrollsystemen geltenden Regeln kompatibler geworden ist. Schließlich ist der Nachweis von durch Fusionen entstehenden Effizienzgewinnen zwar noch immer schwierig, doch darf in diesem verbesserten Zusammenhang wohl davon ausgegangen werden, dass die Fusionskontrolle nachhaltig den Interessen des europäischen Verbrauchers dienen kann.

3.5.2

Was die Beziehungen zwischen den großen Handelsunternehmen und den kleinen Einzelhandelsgeschäften angeht, so sind seit einigen Jahren massive Konzentrationsbewegungen zu beobachten, bei denen der Marktanteil der Kleinen zugunsten der Großen immer weiter zurückgeht. Angesichts der Entwicklung von bisweilen höchst einschränkenden Handelspraktiken, der angewandten Preisstrategien und der je nach Ankaufsvolumen gewährten Preisnachlässe sind die kleinen Einzelhandelsgeschäfte kaum in der Lage, die Preise der großen Handelsunternehmen — mit ihrem erheblichen Spielraum und der daraus entstehenden Anziehungskraft — zu unterbieten. Im selben Zusammenhang sind die Hersteller zudem bisweilen übertriebenem Druck ausgesetzt. Schließlich muss der Anstieg der Zahl der Fusionen unbedingt dazu führen, dass die Ziele der Wettbewerbspolitik mit denen der Verbraucherpolitik in Einklang gebracht werden, damit eine konstante Versorgung der Märkte, eine Vielfalt des Angebots im Sinne von Positionierung und Qualität der Produktauswahl, gewährleistet ist. Gleichzeitig sollte die Zusammenarbeit zwischen kleinen Unternehmen nicht eingeschränkt werden, solange ihr Marktanteil in dem betroffenen Bereich insgesamt nur unerheblich ist.

3.6   Umstrukturierung der GD Wettbewerb

3.6.1

In dem Bericht werden die Auswirkungen der Umstrukturierung der GD Wettbewerb, die als Reaktion auf die Kritik der Öffentlichkeit an der Behandlung bestimmter Fälle (Airtours/First Choice, Tetra Laval/Sidel und Schneider/Legrand) durch die Kommission erfolgt war, positiv bewertet.

3.6.2

Die Schaffung der Stelle eines Chefökonomen, dem mehrere Ökonomen zur Seite stehen, die Benennung einer Gruppe von erfahrenen Beamten, die damit beauftragt sind, die Schlussfolgerungen aus den Untersuchungen der GD Wettbewerb im Falle sensibler Fusionen aus einem unbefangenen Blickwinkel zu betrachten, die Stärkung der Rolle des Anhörungsbeauftragten im Fusionskontrollverfahren — dies alles sind Maßnahmen in Richtung auf das gemeinsame Ziel, das Untersuchungsverfahren im Bereich der Fusionskontrolle stringenter und transparenter zu gestalten. Als solche sind sie eine Antwort auf das wiederholte Ersuchen des EWSA und müssen begrüßt werden.

3.6.3

Der EWSA befürwortet ferner die Benennung eines „Verbindungsbeamten für Verbraucherfragen“ zur Vertretung der Verbraucher vor der GD Wettbewerb; er bedauert jedoch, dass fast ein Jahr nach dessen Benennung immer noch keine präzise Bilanz des tatsächlichen Dialogs mit den europäischen Verbrauchern Eingang in den Bericht gefunden hat. Der EWSA erwartet deshalb vom Bericht 2005 greifbare Elemente, anhand derer die Effektivität und Effizienz dieses Dialogs gemessen werden können. Der EWSA hat ferner eine Initiativstellungnahme zu diesem Thema in Angriff genommen.

3.6.4

In den jüngsten Stellungnahmen des EWSA wurde die Frage der Mittelausstattung der Europäischen Kommission — insbesondere im Bereich der Fusionskontrolle — beleuchtet, die angesichts der von den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern mobilisierten Ressourcen als zu gering erachtet wird. Diese Frage ist nach wie vor offen: Allem Anschein nach mangelt es der GD Wettbewerb an qualifiziertem Personal, um die Fälle aus bestimmten Mitgliedstaaten, insbesondere den neuen, entsprechend bearbeiten zu können. Der EWSA zeigt sich über diesen Mangel an Voraussicht bei der Verwaltung der Humanressourcen der Kommission weiterhin besorgt und befremdet und fordert Dringlichkeitsmaßnahmen, um hier Abhilfe zu schaffen.

3.6.5

Schließlich stellt der EWSA fest, dass es trotz der jüngsten Bemühungen um Transparenz keine Politik der aktiven Konsultation der betroffenen Akteure gibt: Im Zusammenhang mit den von der GD Wettbewerb behandelten Querschnittsfällen kann die ausschließlich über die Website der Kommission erfolgende Information der Öffentlichkeit über Unternehmenskonzentrationen nicht als ausreichende Grundlage erachtet werden, um die fundierte Meinung der Zivilgesellschaft, verschiedener beteiligter Organisationen, im Hinblick auf eine gute Anwendung des Wettbewerbsrechts einzuholen.

3.6.6

In Bezug auf die Veröffentlichung nationaler Urteile auf dem wettbewerbsbezogenen Teil der Website der Kommission muss festgestellt werden, dass die angestrebten Ziele Information und Aufklärung nicht erreicht worden sind (Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003). Zum einen lässt sich beobachten, dass das auf der Website eingeführte System nur teilweise funktioniert. So übermitteln etwa die neuen Mitgliedstaaten keine oder fast keine Kopien von Urteilen ihrer einzelstaatlichen Gerichte. Dieser Umstand erschwert es, eine klare Vorstellung der Anwendung des Wettbewerbsrechts in diesen Ländern zu bekommen, und beeinträchtigt seine erwünschte Harmonisierung. Zum anderen sind diese einzelstaatlichen Urteile nur in der Sprache des Ursprungslandes verfügbar; dadurch wird ihre Lektüre eingeschränkt bzw. unmöglich gemacht, und das, obwohl sie aufgrund der neuen Probleme, die darin angesprochen werden, doch zweifellos erheblichen praktischen Nutzen haben.

3.7   Kontrolle der staatlichen Beihilfen

Der Europäische Rat vom März 2005 erinnerte an das Ziel, auf dem Weg zur Senkung des allgemeinen Niveaus der staatlichen Beihilfen weiter voranzugehen, ließ jedoch Ausnahmen im Fall eventuellen Marktversagens zu.

3.7.1

Die Europäische Kommission legte am 7. Juni 2005 einen Aktionsplan für staatliche Beihilfen vor, zu dem der EWSA eine Stellungnahme (3) erarbeitet hat und auf den hier Bezug genommen wird. Aus der Prüfung des Berichts 2004 ergeben sich jedoch die folgenden Bemerkungen:

3.7.2

Es ist unverzichtbar, dass die Informationen, die individuell begünstigte Unternehmen erhalten, transparenter werden (Datum der Anmeldung, von den Mitgliedstaaten gelieferte Begründung). Diese Transparenz ist umso notwendiger, als das Risiko der Rückforderung rechtswidriger Beihilfen auf den Unternehmen lastet — insbesondere den kleinen und mittleren bzw. sogar den Kleinstunternehmen -, obwohl das Anmeldeverfahren vom Mitgliedstaat durchgeführt wird!

3.7.3

Die nationalen Behörden, die dafür zuständig sind zu bewerten, ob die Beihilfen die erforderlichen Kriterien erfüllen, verfügen nicht immer über die notwendigen Kenntnisse, um im Zusammenhang mit den Anmeldeverfahren die geforderte Wirtschaftsanalyse durchführen zu können; so sind es z.B. häufig die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften, die Beschäftigungs- oder Umweltbeihilfen gewähren, ohne eine umfassende Analyse der Marktanteile vorzunehmen, wodurch auf den Unternehmen eine große finanzielle Ungewissheit lastet, da die Beihilfen leichter für rechtswidrig erklärt werden können.

3.7.4

Bei der Prüfung von Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen ist zu beobachten, dass der Schwerpunkt der Gemeinschaftspolitik verstärkt auf den wirtschaftlichen Folgen für die Wettbewerber des Beihilfebegünstigten und infolgedessen auf den „Ausgleichsleistungen“ liegt. So erlegt die Kommission den begünstigten Unternehmen — in dem Bemühen, das Entstehen von Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern — bestimmte Beschränkungen auf; es handelt sich dabei z.B. um eine Beschränkung der prozentualen Marktanteile in einem bestimmten geografischen Gebiet, wie im Fall von Thomson Multimedia, oder um eine Verpflichtung des Begünstigten, Partnerschaften mit seinen Wettbewerbern einzugehen.

3.7.5

Der EWSA bedauert, dass dadurch ein anderer, ebenso wichtiger Aspekt in den Hintergrund rückt, nämlich die Auswirkungen dieses Handelns auf den Endverbraucher (Kunde und Steuerzahler), da die Kommission nicht eingehend genug untersucht, ob die Beihilfen einem Preisrückgang, einer umfangreicheren Produkt- und Dienstleistungspalette und einer besseren Qualität im Wege stehen. Dabei steht das Interesse der Verbraucher im Zentrum der Wettbewerbspolitik, und die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen muss zwangsläufig denselben Genauigkeitserfordernissen genügen, sprich Langzeitanalysen unterworfen werden, wie es bei Kartellen oder Fusionen der Fall ist.

3.7.6

Der EWSA zeigt sich generell besorgt darüber, dass durch das Gefälle der staatlichen Beihilfen zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten Wettbewerbsverzerrrungen entstehen könnten. Besonderer Anlass zur Sorge ist der in vielen Fällen extrem diskriminierende Charakter der Beihilfen. So machen sich die Mitgliedstaaten häufig für Investitions- und Rettungsmaßnahmen von Großunternehmen stark, vernachlässigen die kleinen und mittleren Unternehmen (die in Wirklichkeit vier von fünf Arbeitsplätzen in der EU schaffen) und bevorzugen bestimmte Sektoren oder Arten von Unternehmen. Diese Situation steht der Entwicklung des Unternehmergeists entgegen und trägt zu einer Erstarrung des Wirtschaftsgefüges bei, das nicht dynamisch genug und für neue Marktbeteiligte kaum aufnahmefähig ist.

4.   Vorschläge für eine Stärkung der Wettbewerbspolitik

Nach dieser eingehenden Analyse spricht der Ausschuss folgende Empfehlungen aus:

4.1   Sachliche Aspekte

4.1.1

Die Kommission sollte den Auswirkungen der Erweiterung in ihren nächsten Berichten besondere Aufmerksamkeit schenken bzw. der Entwicklung der einschlägigen Rechtsetzung und der Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts ein gesondertes Kapitel widmen.

4.1.2

Für mehr Rechtssicherheit scheint eine Vereinfachung der Kronzeugenregelung von vorrangiger Bedeutung zu sein. Angesichts der Vertraulichkeit der zu erteilenden Auskünfte und der Schwierigkeiten, die sich aus dem Zwang ergeben, das gleiche Verfahren bei den einzelnen zuständigen Behörden jeweils neu zu durchlaufen (Kartellbildung mit Auswirkungen in mehreren Mitgliedstaaten), wäre die Einführung der wechselseitigen Anerkennung oder auch einer einzigen Anlaufstelle angezeigt.

4.1.2.1

Darüber hinaus wäre es äußerst wünschenswert, die einzelstaatlichen Kronzeugenprogramme im Wege einer flexiblen und indirekten Harmonisierung — etwa durch die Festlegung „bewährter Verfahren“ — aneinander anzugleichen.

4.1.3

Anlässlich der laufenden Revision der Politik der Kommission hinsichtlich des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung über den Leitlinienentwurf sind einige Fragen zu klären, damit bei der Bewertung eines solchen Missbrauchs künftig auch die den Verbrauchern erwachsenden Nachteile berücksichtigt werden. Die Kommission wird festlegen müssen, was unter einer marktbeherrschenden Stellung zu verstehen ist, vor allem jedoch, was einen Missbrauch darstellt und welche unterschiedlichen Arten es gibt. Ferner wird sie die Trennlinie zwischen legitimem, an der Leistung orientiertem Wettbewerb und unlauterem (verzerrend wirkenden) und somit den Verbraucher schädigenden Wettbewerb genauer ziehen müssen.

4.1.4

Hinsichtlich der Fusionskontrolle sollte die Kommission vielleicht in ihren künftigen Berichten den weiteren Verlauf der betreffenden Vorgänge und deren Auswirkungen auf die Verbraucher untersuchen, um ermessen zu können, was mit der Berücksichtigung der Effizienzgewinne erreicht werden konnte.

4.1.5

Um ein stärkeres Gleichgewicht zwischen Produktion und Handel bzw. innerhalb des Handels selbst (Geschäftssterben in ländlichen, benachteiligten städtischen und spärlich besiedelten Gebieten verhindern) herzustellen, sollte über geeignete wettbewerbs- und handelsrechtliche Instrumente bzw. Fördermaßnahmen für Kleinunternehmen nachgedacht werden, um den Marktzugang für potenzielle Akteure nicht zu versperren und es den KMU zu ermöglichen, in den Genuss staatlicher Beihilfen zu kommen.

4.1.6

Es wäre nützlich, eine Beschreibung der Beziehungen zwischen dem „Verbraucherbeauftragten“ und den Verbraucherverbänden bei der Prüfung der Fälle in die nächsten Berichte aufzunehmen: Konnten diese im Bedarfsfall Stellung nehmen bzw. der Kommission zu Fällen von Zusammenschlüssen, Kartellbildung oder Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung relevante Informationen liefern? Der Nachweis der Effektivität der Zusammenarbeit des Verbraucherbeauftragten mit den Verbrauchern ist von wesentlicher Bedeutung.

4.1.7

Zur Verbesserung der Funktionsweise des Systems zur Veröffentlichung der Urteile einzelstaatlicher Gerichte wäre es zweckmäßig, ein Netzwerk von Korrespondenten einzurichten, die mit der Sammlung von Gerichtsurteilen befasst sind, um so das derzeitige System in Echtzeit effizienter zu machen. Dieses Instrument sollte mit mehr personellen und finanziellen Mitteln ausgestattet werden.

4.2   Politische und wirtschaftliche Aspekte

4.2.1   Verstärkung der Analyse der schwerwiegendsten Wettbewerbsverzerrungen

4.2.1.1

Mit Hilfe der Bewertung der Funktionsweise der Wettbewerbspolitik muss überprüft werden können, ob diese in der EU wirklich einen „freien und unverfälschten Wettbewerb“ fördert, wie wirksam die Bekämpfung der De-facto-Monopole und der Missbräuche marktbeherrschender Stellungen ist und wie sich diese auf Unternehmensgründungen und den Unternehmergeist auswirken. Die Kommission sollte die Vereinbarungen zwischen KMU nicht einschränken, damit sie sich der Konkurrenz der großen integrierten Konzerne entgegenstellen können, und mehr Mittel zur effizienten Bekämpfung der am schwersten wiegenden Wettbewerbsverzerrungen bereitstellen.

4.2.1.2

In Bezug auf die freien Berufe hat die Kommission im Nachgang zu ihrer Mitteilung vom 9. Februar 2004 einen Bericht über den Wettbewerb in diesem Wirtschaftszweig (4) veröffentlicht, in dem die Fortschritte bei der Beseitigung nicht notwendiger Wettbewerbshindernisse, wie verbindlicher Festpreise, Regeln für die Werbung, Berufszugangsbeschränkungen und bestimmter Vorbehaltsaufgaben. Der EWSA fordert die Kommission zur Erfüllung ihrer Verpflichtung auf und bekräftigt so die bereits in seiner Stellungnahme zu dem Bericht über die Wettbewerbspolitik 2003 einstimmig vertretene Position: Dank der Einführung wettbewerbsfördernder Maßnahmen können die freien Berufe Qualität und Angebotspalette ihrer Dienstleistungen steigern, was den Verbrauchern und Unternehmen unmittelbar zugute kommt.

4.2.2   Bekämpfung der Marktaufteilung und Entwicklung der wirtschaftlichen und sozialen Studien

4.2.2.1

Der EWSA vertritt die Auffassung, dass die Wettbewerbsproblematik im Hinblick auf den gesamten Zusammenhalt der EU beurteilt und die Frage gestellt werden sollte, ob nicht noch allzu national ausgerichtete Verhaltensweisen (direkte oder versteckte staatliche Beihilfen für nationale Marktführer, Beihilfen zur Standortverbesserung, diskriminierende Verhaltensweisen, Fortbestehen von De-facto-Monopolen und Missbräuchen marktbeherrschender Stellungen usw.) die Binnenmarktaufteilung aufrechterhalten und die Annäherung zwischen den Wirtschaftsteilnehmern der EU bremsen. Diesbezüglich sollte die Kommission auch wirtschaftliche und soziale Analysen über die Gesamtwirkung ihrer politischen Entscheidungen durchführen sowie den Rat und die Mitgliedstaaten einschalten, um eine Änderung der Verhaltensweisen und marktaufteilenden Verfahren herbeizuführen, die den Interessen der wirtschaftlichen und sozialen Akteure schaden.

4.2.3   Gewährleistung von optimaler Information und Konsultation

4.2.3.1

Der EWSA stellt sich der Kommission zur Verfügung, um darüber nachzudenken, auf welche Weise — innerhalb der Grenzen, die die Respektierung des Wirtschaftslebens gebietet — mehr Transparenz gegenüber den von der Wettbewerbspolitik betroffenen Akteuren, d.h. Unternehmen, Wirtschafts- und Sozialpartnern, Verbrauchern und anderen Akteuren der Zivilgesellschaft, gewährleistet werden kann. So sollten insbesondere bei der Prüfung von Unternehmenskonzentrationen die Möglichkeiten einer aktiveren Teilnahme der betroffenen Parteien erwogen werden, sei es über ein Konsultationsverfahren oder eine Anhörung; dies würde den Bemühungen um eine gute Verwaltungspraxis und partizipative Demokratie zugute kommen. Generell sollte ein Netzwerk für bürgernahe Informationen eingerichtet werden, um die Prioritäten der Wettbewerbspolitik besser bekannt zu machen und Unternehmen und Verbraucher über ihre Rechte und Pflichten unterrichten zu können. Dieses Netzwerk würde auf dem Vorbild des Netzes der Euro-Info-Zentren der GD Unternehmen und sämtlicher Netze von Handels- und Industriekammern und Verbraucherorganisationen basieren. Derartige Bemühungen um kontinuierliche und effiziente Information sind gerade in den neuen Mitgliedstaaten und den Kandidatenländern unerlässlich.

4.2.4   Gewährleistung einer Gesamtkohärenz zwischen Wettbewerbspolitik und anderen Politikfeldern der EU

4.2.4.1

Die Wettbewerbspolitik ist eine grundlegende Voraussetzung, um das effektive Funktionieren des europäischen Binnenmarktes gewährleisten zu können. Ihre Funktionsmängel sind ein Indikator für die unabdingbare Notwendigkeit, die Vollendung des Binnenmarktes sicherzustellen und den Praktiken, die systematisch darauf abzielen, ihn einzuschränken, Einhalt zu gebieten. Doch diese Politik allein kann ohne eine Koordination aller Politikbereiche der EU in dem Bemühen um den Erfolg der überarbeiteten Lissabon-Strategie und der Wirksamkeit der Verbraucherschutzpolitik nicht genügen. Es ist auf jeden Fall dringend geboten, ein wirtschaftliches und soziales Vorhaben des Zusammenhalts für die Union zu entwerfen, in dessen Rahmen die Wettbewerbspolitik ihre spezifische Rolle beibehalten und eine neue Legitimation finden kann: die Gewährleistung der Chancengleichheit aller beim Zugang zum Binnenmarkt, damit die Verbraucher, die Unternehmen und die Arbeitnehmer auch wirklich von den Vorteilen des größten Marktes der Welt profitieren können.

Brüssel, den 15. März 2006

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Polen, Schweden, Slowakei, Tschechische Republik, Ungarn, Vereinigtes Königreich und Zypern.

(2)  Diskussionspapier der GD Wettbewerb über die Anwendung von Artikel 82 EG-Vertrag auf Behinderungsmissbräuche. Öffentliche Konsultation, Dezember 2005.

(3)  ABl. C 65 vom 17.3.2006, Berichterstatter: Herr PEZZINI.

(4)  Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen (KOM(2004) 83 endg. vom 9. Februar 2004, SEK(2005) 1064).