[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN | Brüssel, den 23.12.2005 SEK(2005) 1767 ARBEITSDOKUMENT DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN Anhang zum GRÜNBUCH über Kompetenzkonflikte und den Grundsatz ne bis in idem in Strafverfahren {COM(2005) 696 final} INHALTSVERZEICHNIS TEIL I: Einführung – Zielsetzung 4 1. Einführung 4 2. Zielsetzung 6 TEIL II: Prävention und Lösung von Kompetenzkonflikten 9 3. Frühere Versuche 9 4. Notwendige Ergänzungen des bestehenden Rechtsrahmens 10 5. Verfahren zur Bestimmung der zuständigen Gerichtsbarkeit 14 5.1. Voraussetzungen 14 5.2. Einführung einer „Informationspflicht“ 19 5.3. Einführung einer „Pflicht zur Gesprächsaufnahme“ 21 5.4. Beschreibung der vorgeschlagenen Regelung und der einzelnen Verfahrensschritte 22 5.5. Die Rechtswirkung einer Verweisung 28 6. Stellung der Betroffenen und gerichtliche Nachprüfung 29 7. Konzentration der Strafverfolgung in einem Mitgliedstaat 34 8. Drittländer 37 9. Zuständigkeitskriterien 38 9.1. Territorialität 40 9.2. Auf den Beschuldigten abstellende Kriterien 41 9.3. Interessen der Opfer 42 9.4. Auf das Staatsinteresse abstellende Kriterien 43 9.5. Auf die Effizienz und Dauer des Verfahrens abstellende Kriterien 44 9.6. Nicht als relevant anzusehende Faktoren 45 10. Rangfolge der Kriterien, Ermessen und gerichtliche Nachprüfung 46 TEIL III: KLARERE FASSUNG DES BESTEHENDEN RECHTLICHEN RAHMENS FÜR DEN GRUNDSATZ NE BIS IN IDEM 49 11. Analyse der bestehenden Vorschriften über den Grundsatz ne bis in idem 49 11.1. Internationale Übereinkünfte und Grundrechtscharta der Europäischen Union 49 11.2. Der länderübergreifende Grundsatz ne bis in idem der Europäischen Union 50 11.3. Die Rechtsprechung des EuGH zum Grundsatz ne bis in idem 54 11.4. Frühere Versuche einer Änderung 56 11.5. Möglichkeiten für eine Änderung des bestehenden rechtlichen Rahmens für den unionsweit geltenden Grundsatz ne bis in idem 57 11.6. Drittstaaten 69 TEIL IV: WEITERE OPTIONEN UND SCHLUSSFOLGERUNGEN 71 12. Weitere mögliche Massnahmen 71 12.1. Überprüfung der Gründe für die Ablehnung der Vollstreckung in anderen Übereinkünften über gegenseitige Anerkennung 71 12.2. Das anzuwendende Strafrecht 72 13. Abschliessende Bemerkungen 73 ANNEX TEIL V: Appendix with relevant provisions from EU and International Instruments – Initiatives 75 A. Provisions on ne bis in idem in International and eu instruments 75 B. EU Provisions on conflicts of jurisdiction (Including Pending Initiatives) 81 C. eu and international rules on coordination of prosecutions 99 TEIL I: Einführung – Zielsetzung EINFÜHRUNG Gemäß Artikel 31 Absatz 1 Buchstabe d des Vertrags über die Europäische Union (EUV) schließt das gemeinsame Vorgehen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen „die Vermeidung von Kompetenzkonflikten zwischen Mitgliedstaaten“ ein. Ziel dieses Grünbuchs ist es, eine EU-weite Konsultation zu der Frage einzuleiten, wie Kompetenzkonflikte in Strafverfahren in einem neuen Rechtsinstrument auf EU-Ebene geregelt werden sollten. Unter ‚Kompetenzkonflikt’ ist hier der Fall zu verstehen, dass in zwei oder mehr Mitgliedstaaten wegen derselben Straftat Strafverfolgungsmaßnahmen eingeleitet worden sind oder vermutlich eingeleitet werden. Diese so genannten positiven Kompetenzkonflikte unterscheiden sich von den Fällen, in denen kein Mitgliedstaat ausdrücklich zuständig ist bzw. bereit ist, von seiner Zuständigkeit Gebrauch zu machen („negative Kompetenzkonflikte“). Positive Kompetenzkonflikte fanden bisher nur wenig Beachtung und sollen deshalb jetzt in diesem Grünbuch eingehend behandelt werden. Es sei darauf hingewiesen, dass ‚Strafverfahren’ im weiteren Sinne zu verstehen ist und alle Verfahrensabschnitte in einer Strafsache einschließt, d. h. Ermittlungsverfahren, Zwischenverfahren und Hauptverfahren. Das Problem der parallelen Strafverfolgung wird in diesem Grünbuch allerdings erst ab Anklageerhebung untersucht. Parallele Ermittlungen im Vorfeld bleiben hier somit unberücksichtigt. Derzeit gibt es auf EU-Ebene keine verbindlichen Regeln, um Kompetenzkonflikte in Strafsachen adäquat zu lösen. Nach den geltenden EU-Bestimmungen für Kompetenzkonflikte sind die Mitgliedstaaten weder verpflichtet, konkrete Schritte zu unternehmen, um Kompetenzkonflikte zu vermeiden/lösen, noch ist ein entsprechendes Verfahren vorgesehen. Diesen Bestimmungen zufolge sollen die Mitgliedstaaten lediglich gemeinsam entscheiden, wer von ihnen die Strafverfolgung übernimmt, wenn mehr als ein Mitgliedstaat zuständig ist. Auch gelten diese Vorschriften nur für bestimmte Strafrechtsbereiche. Wenn demnach mehrere Mitgliedstaaten für die strafrechtliche Verfolgung einer Tat zuständig sind, steht es ihren Behörden frei, die Strafverfolgung einzuleiten. Dies steht im Widerspruch zum einzelstaatlichen Strafrecht, das eine parallele Strafverfolgung wegen ein und derselben Tat in der Regel untersagt. Die Mehrfachverfolgung derselben Straftat kann sich auf die Effizienz und Dauer der einzelnen Verfahren auswirken. Ein Doppelaufwand ist fast unvermeidbar. Auch aus Effizienzgründen ist eine Mehrfachverfolgung abzulehnen, selbst wenn die zuständigen nationalen Behörden ihre Arbeit gut koordinieren. Mehrfachverfahren können zudem dem Einzelnen erhebliche zusätzliche Lasten aufbürden. Beschuldigte, Opfer und/oder Zeugen müssen unter Umständen mehrfach geladen und gehört werden. Hieraus können sich für die Betroffenen unverhältnismäßige Beschränkungen ergeben, da sie durch parallele oder Mehrfachverfahren in ihrer Freizügigkeit eingeschränkt und in ihren Rechten und Interessen geschädigt werden können. Auch die Verteidigung ist dadurch unter Umständen mit einem höheren Aufwand und höheren Kosten und nicht zuletzt auch mit einer stärkeren psychischen Belastung verbunden. Den einzelstaatlichen Behörden steht es derzeit, wie bereits erwähnt, frei, in einem bestimmten Fall parallel zu den Strafverfolgungsmaßnahmen anderer Behörden ein eigenes Verfahren einzuleiten. Die einzige rechtliche Schranke ist das Verbot der doppelten Strafverfolgung (ne bis in idem) in den Artikeln 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens. Dieser Grundsatz verhindert jedoch keine Kompetenzkonflikte, wenn in zwei oder mehr Mitgliedstaaten gleichzeitig Strafverfolgungsmaßnahmen in derselben Sache laufen. Er kommt nur dann zum Tragen, wenn ein Strafverfahren in einem Mitgliedstaat mit einer rechtskräftigen Entscheidung beendet wurde. Eine zweite Strafverfolgung wegen derselben Tat ist dann ausgeschlossen. Zu bedenken ist auch, dass der Grundsatz ne bis in idem ohne eine Zuständigkeitsregelung, auf deren Grundlage einem geeigneten Gericht die Zuständigkeit für einen bestimmten Fall übertragen wird, zu zufälligen oder gar willkürlichen Ergebnissen führen kann. Wenn das Gericht den Vorzug erhält, das als erstes in der Lage ist, eine rechtskräftige Entscheidung zu erlassen, läuft der Grundsatz im Ergebnis darauf hinaus, dass nach dem Motto „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ verfahren wird. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts erfolgt derzeit eher zufällig, und das ist wohl auch der Grund, warum das Verbot der doppelten Strafverfolgung nach wie vor diversen Ausnahmen unterliegt. Da die Frage, welcher Mitgliedstaat das Strafverfahren betreibt, eindeutig die Rechte und Interessen der Betroffenen (Beschuldigten und Opfer) wie auch die Effizienz des Verfahrens beeinflusst, sollte ihre Beantwortung nicht dem Zufall überlassen bleiben. Dies ist deshalb so wichtig, weil das Gericht, das einen bestimmten Fall behandelt, nach der so genannten lex-fori-Regel des internationalen Strafrechts nicht nur sein eigenes Verfahrensrecht, sondern auch sein materielles Strafrecht auf den Fall anwendet[1]. In Anbetracht dessen lässt sich durchaus der Standpunkt vertreten, dass es im europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Artikel 2 und 29 EUV) sowohl wünschenswert als auch angemessen ist, Mehrfachverfahren zu beschränken. In diesem Grünbuch wird die derzeitige Rechtslage bei so genannten positiven Kompetenzkonflikten analysiert, und es werden Wege aufgezeigt, wie dem Auftrag des Artikels 31 Absatz 1 Buchstabe d EUV nachgekommen werden kann. Die Kommission beabsichtigt, auf dieser Grundlage eine EU-weite Konsultation zu den Maßnahmen einzuleiten, die auf EU-Ebene getroffen werden können, um zu verhindern, dass dieselbe Straftat in mehreren Mitgliedstaaten gleichzeitig verfolgt wird. In erster Linie geht es dabei um die Einführung eines geeigneten Verfahrens und materiellrechtlicher Kriterien, die eine ausgewogene Zuständigkeitsregelung in einem gemeinsamen europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ermöglichen. Die Kommission prüft dabei insbesondere, welche Möglichkeiten für die Einführung eines Verfahrens bestehen, mit dem sich leichter bestimmen ließe, welche Gerichtsbarkeit sich am besten zur Verfolgung eines Falles eignet, bei dem Kompetenzkonflikte auftreten. Hierzu zählen u. a. Informationsaustausch und Konsultation in Bezug auf nationale Verfahren sowie Kriterien und Modalitäten für die Konzentration der Strafverfolgung auf einen einzigen Mitgliedstaat (Verfahrensstaat). Ausgangspunkt ist dabei die Überlegung, dass nicht mehr auf den Grundsatz ne bis in idem zurückgegriffen werden müsste, wenn es ein effizientes Verfahren gäbe, mit dem sich die zuständige Gerichtsbarkeit bestimmen ließe, noch bevor eine rechtskräftige Entscheidung ergeht. Das Verbot der doppelten Strafverfolgung käme nur dann zum Tragen, wenn es mit Hilfe dieses Verfahrens nicht gelingt, die Strafverfolgung auf einen einzigen Mitgliedstaat zu konzentrieren. Darüber hinaus enthält dieses Grünbuch mehrere Vorschläge, wie das geltende Recht in Bezug auf die Anwendbarkeit und Tragweite des EU-weit geltenden Prinzips ne bis in idem , das in den Artikeln 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens verankert ist, klarer gefasst werden kann. Mit diesen Bestimmungen fand in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ein Ne-bis-in-idem-Grundsatz Eingang, der eine zweite Strafverfolgung untersagt, wenn in einem anderen Mitgliedstaat eine Verurteilung, ein Freispruch oder eine andere rechtskräftige Entscheidung ergangen ist. Die Kommission setzt damit ihre Überlegungen aus dem Wiener Aktionsplan vom 3.12.1998,[2] aus ihrer Mitteilung über die gegenseitige Anerkennung von Endentscheidungen in Strafsachen vom 26.7.2000[3] und aus dem Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen vom 29.11.2000[4] fort. Im Maßnahmenprogramm heißt es unter 2.3, dass die Lösung positiver Kompetenzkonflikte innerhalb der Union erleichtert und die gleichzeitige Strafverfolgung in verschiedenen Staaten nach Möglichkeit vermieden werden sollte. In Maßnahme Nr. 11 wird die Ausarbeitung eines Instruments angeregt, das die Möglichkeit der Übertragung von Strafverfahren auf andere Mitgliedstaaten vorsieht, sowie die Festlegung von Kriterien, die die Bestimmung der Zuständigkeiten erleichtern. In Maßnahme Nr. 1 wird eine Überprüfung der Artikel 54 bis 57 des Schengener Durchführungsübereinkommens empfohlen[5]. ZIELSETZUNG Die hier vorgeschlagenen Maßnahmen sollen insgesamt zur Weiterentwicklung der Union in ihrer Ausgestaltung als gemeinsamer Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts unter folgenden drei Aspekten beitragen: Erstens sollen die aus der Mehrfachverfolgung resultierenden Einschränkungen und Belastungen für den Einzelnen verringert werden. Wie bereits erwähnt, kann eine mehrfache Strafverfolgung wegen derselben Tat zu einer übermäßigen Einschränkung der Rechte des Einzelnen führen, z. B. wenn sich der Betroffene bei verschiedenen Justizbehörden melden oder dort erscheinen muss. Aus europäischer Sicht könnte diese Mehrfachbelastung als unverhältnismäßig betrachtet werden. Zweitens würde mit den vorgeschlagenen Maßnahmen ein Beitrag zur Stärkung des Vertrauens der mitgliedstaatlichen Justizbehörden untereinander geleistet. Vertrauen ist ganz eindeutig eine Grundvoraussetzung für die korrekte Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen, der als Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bezeichnet wurde[6]. Viel ist seit dem Europäischen Rat von Tampere 1999 erreicht worden[7], doch die Erfahrung zeigt, dass es in manchen Bereichen weiterer vertrauensbildender Maßnahmen im Wege der EU-Gesetzgebung bedarf. Für die einzelstaatlichen Behörden wäre es leichter, Entscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen und zu vollstrecken, wenn es ein Verfahren gäbe, mit dem gewährleistet wäre, dass das am besten geeignete Gericht über die Sache entschieden hat, und wenn die Behörden ihre Interessen und/oder Erkenntnisse in einem bestimmten Fall einbringen könnten. Ein gutes Beispiel ist hierfür der Grundsatz ne bis in idem , der als logische Folge des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung verstanden werden sollte[8]. Einem Mitgliedstaat wird es mitunter schwer fallen zu akzeptieren, dass er einen Fall nicht verfolgen darf, wenn in einem anderen Mitgliedstaat bereits eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist, in der seine nationalen Interessen nicht berücksichtigt wurden. Dies ist wohl einer der Hauptgründe, warum zahlreiche Mitgliedstaaten nach wie vor darauf bestehen, Ausnahmen vom Verbot der doppelten Strafverfolgung vorzusehen. Als weiteres Beispiel sei auf die Gründe für die Ablehnung der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls verwiesen[9]. Auf einige dieser Ablehnungsgründe könnte vielleicht verzichtet werden, wenn es eine Zuständigkeitsregelung gäbe, mit der sich die für einen bestimmten Fall am besten geeignete Gerichtsbarkeit bestimmen ließe. Mit einer solchen Zuständigkeitsregelung könnte der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung umfassender und homogener angewandt werden. Drittens sollen die Grünbuchvorschläge dazu beitragen, dass in Fällen, die von zwei oder mehr Mitgliedstaaten strafrechtlich verfolgt werden könnten, auf nationaler Ebene effizienter und schneller ermittelt und Anklage erhoben wird. Wenn die Strafverfolgung bei Straftaten mit Auslandsberührung auf einen Mitgliedstaat konzentriert würde, könnten die zuständigen nationalen Behörden ihre Ressourcen effizienter einsetzen. Nach der jetzigen Regelung, die eine parallele Strafverfolgung zulässt (zumindest über einen relativ langen Zeitraum), dürfte sich eine Überschneidung ihrer Tätigkeiten kaum vermeiden lassen, wenn sie in der gleichen Sache ermitteln. Dies kann auch bei einer effizienten zwischenstaatlichen Koordinierung zu Doppelarbeit führen. Wichtiger ist allerdings der Aspekt, dass es den Mitgliedstaaten bei einer unzulänglichen oder gar nicht vorhandenen Koordinierung schwerer fallen oder gar unmöglich würde, alle an einer grenzübergreifenden Straftat Beteiligten tatsächlich zu bestrafen. TEIL II: Prävention und Lösung von Kompetenzkonflikten FRÜHERE VERSUCHE In ihrer Mitteilung über die gegenseitige Anerkennung von Endentscheidungen in Strafsachen[10] hatte die Kommission angeregt, Zuständigkeitsregeln zu formulieren, aufgrund deren ein einziger Mitgliedstaat für einen bestimmten Fall zuständig wäre. Die Durchführbarkeit dieses Vorstoßes wurde auf einer Sachverständigensitzung vom 3.12.2001 anhand der Stellungnahmen zu einem Diskussionspapier erörtert, das sich an Vertreter der Rechtsberufe und Sachverständige einschließlich Eurojust richtete. Die Einführung einer solchen Regelung wurde von der breiten Mehrheit skeptisch beurteilt, die auf die Notwendigkeit einer flexiblen Handhabung und die Gewissheit für die zuständigen nationalen Behörden hinwies, dass diesen die Möglichkeit belassen werden muss, bei der Bestimmung des am besten geeigneten Gerichts die besonderen Umstände jedes Einzelfalls würdigen zu können. Damit ist als erster Schluss vorläufig festzuhalten, dass es kaum machbar erscheint, eine strenge Rangfolge von Zuständigkeitskriterien aufzustellen, anhand deren sich „automatisch“ der Mitgliedstaat bestimmen ließe, der am besten für die strafrechtliche Verfolgung einer Tat geeignet wäre, sondern dass vielmehr auf den Einzelfall abzustellen ist. Diese Feststellung wurde sowohl im Rahmen eines Projekts aus dem Programm Gropius[11] als auch bei einem von Eurojust im November 2003 veranstalteten Seminar bestätigt, bei dem es um die Befugnis von Eurojust ging, in Fragen der zuständigen Gerichtsbarkeit zu vermitteln. Hierzu sei auf die Leitlinien verwiesen, die im Nachgang zu dem von Eurojust veranstalteten Seminar[12], auf dem ein breites Spektrum an Rechtssystemen vertreten war, formuliert wurden: „Jeder Fall ist einzigartig und folglich muss auch jede Entscheidung über die am besten für die Strafverfolgung positionierte Gerichtsbarkeit auf den Fakten und sachlichen Gegebenheiten des Einzelfalles basieren. Hierbei sind alle als relevant erachtete Faktoren zu berücksichtigen.“ Aufmerksamkeit erregte auch eine Initiative der Hellenischen Republik vom Februar 2003, die einen Rahmenbeschluss zum Ne-bis-in-idem-Prinzip betraf [13] . In dem Entwurf war ein Artikel zur Rechtshängigkeit vorgesehen. Nach Artikel 3 des Entwurfs „können die zuständigen Behörden [der zuständigen Mitgliedstaaten] nach gegenseitiger Konsultation […] den Mitgliedstaat bestimmen, dessen Gericht vorrangig zuständig ist“. Dies hat zur Folge, dass die in anderen Mitgliedstaaten anhängigen Verfahren eingestellt werden. Der Vorschlag enthielt darüber hinaus auch eine Reihe von Zuständigkeitskriterien. Dabei handelte es sich um die gleichen Kriterien wie in Artikel 9 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung, ohne jedoch, wie in dem genannten Rahmenbeschluss oder in dem Rahmenbeschluss über Angriffe auf Informationssysteme[14], eine Rangfolge aufzustellen. Die griechische Initiative bot insgesamt eine gute Diskussionsgrundlage für die Ausgestaltung einer künftigen Regelung. Die Mitgliedstaaten konnten sich jedoch nicht auf die Vorgehensweise zur Bestimmung der Zuständigkeit und die Zuständigkeitskriterien einigen, ohne die sich die Einstellung/Aussetzung paralleler Verfahren in anderen Mitgliedstaaten nicht regeln lässt. Bestimmt sich die für die Strafverfolgung am besten geeignete Gerichtsbarkeit nach der Devise „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“, werden die Mitgliedstaaten nach Auffassung der Kommission dazu tendieren, sich ihr Recht auf strafrechtliche Verfolgung desselben Falles vorzubehalten, da die Zuständigkeit nicht in transparenter Weise bestimmt wird, sondern als zufällig oder manipuliert („Forum Shopping“) wahrgenommen werden könnte. Unter diesen Voraussetzungen dürfte es für einen Mitgliedstaat inakzeptabel sein, auf sein Recht zur Strafverfolgung zu verzichten. Bevor daher Überlegungen angestellt werden, wie bei der Aussetzung/Einstellung paralleler Verfahren vorzugehen ist, muss zunächst darüber nachgedacht werden, wie konkret zu verfahren ist, um eine ausgewogene Zuständigkeitszuweisung in Fällen, bei denen Kompetenzkonflikte auftreten, zu erreichen. NOTWENDIGE ERGÄNZUNGEN DES BESTEHENDEN RECHTSRAHMENS Mit dem geplanten Verfahren/Vorgehen sollten Konflikte nicht nur dann angegangen werden, wenn sie auftreten, sondern sie sollten möglichst schon im Vorfeld ausgeräumt werden, so dass es gar nicht erst zu konkurrierenden Zuständigkeiten kommt. So könnte erwogen werden, die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten auf das Territorialitäts- und/oder das Personalitätsprinzip zu beschränken, um auf diese Weise die weitere Berufung auf nationale Zuständigkeitsregeln zu unterbinden. Die Gefahr ist jedoch groß, dass damit Schlupflöcher oder straffreie Räume für Kriminelle geschaffen werden. Ein solcher Ansatz liefe überdies vielen EU-Rechtsakten zuwider, die darauf abzielen, negative Kompetenzkonflikte auszuschließen. Viele EU-Rechtsakte, die sich mit bestimmten Straftatbeständen befassen, verlangen von den Mitgliedstaaten, dass sie ihre Zuständigkeit für diese Straftaten nicht allein nach dem Territorialitätsprinzip begründen. Die einschlägigen Bestimmungen sollen lediglich eine Mindestzuständigkeit gewährleisten und beschränken nicht die strafrechtlichen Befugnisse der Mitgliedstaaten. Dies gilt insbesondere für das Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 26. Juli 1995 (Artikel 4) und das Zusatzprotokoll vom 27. September 1996 (Artikel 6)[15], das Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung vom 26. Mai 1997 (Artikel 7)[16] und die Rahmenbeschlüsse - über den Schutz des Euro vor Fälschung (Artikel 7)[17] - zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln (Artikel 9)[18] - zur Terrorismusbekämpfung (Artikel 9)[19] - zur Bekämpfung des Menschenhandels (Artikel 6)[20] - betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur illegalen Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt[21] - zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (Artikel 7)[22] - zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie (Artikel 8)[23] - zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (Artikel 9)[24] - über Angriffe auf Informationssysteme[25]. Mit diesen Bestimmungen sollen negative Kompetenzkonflikte vermieden werden; die Prävention und Lösung positiver Kompetenzkonflikte ist hingegen kaum geregelt (einschlägige Vorschriften sind im Anhang aufgeführt). Zu nennen wäre zuerst das vom Europarat ausgearbeitete Europäische Übereinkommen über die Übertragung der Strafverfolgung vom 15. Mai 1972, wonach ein Vertragsstaat einen anderen Vertragsstaat unter bestimmten Voraussetzungen um die Verfolgung einer Straftat ersuchen kann (Artikel 6 ff.)[26]. Wurde einem Übertragungsersuchen stattgegeben, darf der ersuchende Staat die Tat nicht weiter verfolgen (Artikel 21). In den Artikeln 30 ff. sind darüber hinaus Konsultationen bei Straftaten vorgesehen, die weder politischen noch rein militärischen Charakter aufweisen: Hat ein Vertragsstaat davon Kenntnis, dass in einem anderen Vertragsstaat ein Verfahren gegen dieselbe Person wegen derselben Handlung anhängig ist, „so prüft er, ob er auf sein Verfahren verzichten, es aussetzen oder dem anderen Staat übertragen kann“ (Artikel 30); andernfalls setzt er die Entscheidung in der Sache für längstens 30 Tage aus (Artikel 31). Dieses Übereinkommen ist allerdings erst in 11 Mitgliedstaaten in Kraft getreten. Mehr als 30 Jahre nach seiner Auflegung zur Unterzeichnung erscheint es nicht sehr wahrscheinlich, dass es in nächster Zeit von allen Mitgliedstaaten ratifiziert werden wird. Zudem ist im Übereinkommen kein gemeinsames multilaterales Verfahren zur Bestimmung der zuständigen Gerichtsbarkeit vorgesehen. Die Strafverfolgung kann nur dann übertragen werden, wenn ein Vertragsstaat auf sein Recht auf Strafverfolgung verzichtet und ein zweiter Staat bereit ist, den Fall zu übernehmen. Überdies ist das Übertragungsverfahren (das in 24 Artikeln geregelt ist) recht aufwändig und eignet sich u. U. nicht für den gemeinsamen Rechtsraum der EU. Zwar wäre es hilfreich, wenn alle Mitgliedstaaten das Übereinkommen ratifizieren würden, aber dies kann nach Auffassung der Kommission nur ein Teilschritt zur Prävention und Lösung von Kompetenzkonflikten sein. Ein zweites relevantes Rechtsinstrument ist der Beschluss des Rates über die Errichtung von Eurojust [27]. Nach Artikel 7 Buchstabe a kann Eurojust die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ersuchen, „i) zu bestimmten Tatbeständen Ermittlungen zu führen oder die Strafverfolgung aufzunehmen; ii) sich damit einverstanden zu erklären, dass eine andere zuständige Behörde gegebenenfalls besser in der Lage ist, zu bestimmten Tatbeständen Ermittlungen zu führen oder die Strafverfolgung aufzunehmen“. Artikel 7 richtet sich an das Eurojust-Kollegium insgesamt, aber auch die nationalen Eurojust-Mitglieder können die zuständigen Behörden ersuchen, solche Maßnahmen „in Erwägung zu ziehen“ (Artikel 6 Buchstabe a). Geben die zuständigen Behörden einem begründeten Ersuchen des Kollegiums nicht statt, müssen sie dies grundsätzlich begründen (Artikel 8). Diese Vorschriften könnten die Bestimmung der zuständigen Gerichtsbarkeit erleichtern und beschleunigen und erforderlichenfalls zur Beilegung von positiven wie auch negativen Kompetenzkonflikten beitragen. Der Eurojust-Beschluss könnte somit zu einem wichtigen Bestandteil einer Zuständigkeitsregelung werden. Wie der Vertrag über eine Verfassung für Europa zeigt, ist die politische Bereitschaft vorhanden, Eurojust bei der Lösung von Kompetenzkonflikten sogar eine noch wichtigere Rolle zu übertragen. Artikel III-273 Absatz 1 Buchstabe c besagt, dass zu den Aufgaben von Eurojust auch die „Beilegung von Kompetenzkonflikten“ gehören kann. Auf dieser Grundlage könnte Eurojust in die Beilegung von Kompetenzkonflikten im Wege von Verfahren nach Artikel III-270 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über eine Verfassung für Europa einbezogen werden. Nach dem geltenden Rechtsrahmen könnte Eurojust jedoch nicht bei allen Arten von Kompetenzkonflikten zwischen den Mitgliedstaaten tätig werden. Artikel 4 Absatz 1 des Ratsbeschlusses über die Errichtung von Eurojust beschränkt dessen Zuständigkeit auf schwere Straftaten und bestimmte Kriminalitätsformen. Die Kapazitäten von Eurojust müssten demnach deutlich aufgestockt werden, wenn jeder Kompetenzkonflikt an diese Stelle verwiesen würde. Unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips wäre vielleicht eher eine dezentrale Lösung zu erwägen, vor allem in Fällen, in denen die „EU-Dimension“ nicht sehr stark ausgeprägt ist (sowohl hinsichtlich der Schwere der Tat als auch hinsichtlich der Zahl der beteiligten Mitgliedstaaten). Die Mitgliedstaaten und ihre Behörden sind nach EU-Strafrecht verpflichtet, bei bestimmten Kriminalitätsformen zusammenzuarbeiten, um gemeinsam zu entscheiden, welche Gerichtsbarkeit für die Behandlung eines konkreten Falls am besten geeignet ist. Die einschlägigen Bestimmungen finden sich in Artikel 6 Absatz 2 des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften und Artikel 9 Absatz 2 des EU-Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung[28], Artikel 4 Absatz 2 der Gemeinsamen Maßnahme betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung[29], Artikel 7 Absatz 3 des Rahmenbeschlusses betreffend die Fälschung des Euro, Artikel 9 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung und Artikel 10 Absatz 4 des Rahmenbeschlusses über Angriffe auf Informationssysteme[30]. Diesen Bestimmungen zufolge „arbeiten die betreffenden Mitgliedstaaten zusammen, um darüber zu entscheiden, welcher von ihnen die Straftäter verfolgt, um die Strafverfolgung nach Möglichkeit in einem einzigen Mitgliedstaat zu konzentrieren“[31]. Interessant sind in diesem Zusammenhang zwei gleich lautende Bestimmungen im Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung und im Rahmenbeschluss über Angriffe auf Informationssysteme, wonach sich die Mitgliedstaaten jeder Stelle oder jedes Mechanismus bedienen können, die in der Europäischen Union zu dem Zweck eingerichtet wurden, die Zusammenarbeit zwischen ihren Justizbehörden und die Koordinierung ihres Vorgehens zu erleichtern, um die Strafverfolgung auf einen Mitgliedstaat zu konzentrieren. Bei Straftaten dieser Art wird somit der Einsatz von EU-Stellen wie Eurojust nachdrücklich empfohlen. In Artikel 3 des Ratsbeschlusses vom 19.12.2002 wird in Bezug auf terroristische Straftaten eine besondere Verbindung zwischen den nationalen Anlaufstellen für Terrorismusfragen und Eurojust hergestellt[32]. Die vorhandenen Einzelvorschriften sehen jedoch insgesamt kein allgemeines Verfahren zur Vermeidung und erforderlichenfalls Beilegung von Kompetenzkonflikten vor. Sie erscheinen aus zwei Gründen als unzureichend: Die meisten dieser Vorschriften sind eher allgemein und abstrakt gehalten, so dass es fraglich ist, inwieweit sie in der Praxis tatsächlich angewandt werden[33]. Sie gelten außerdem nur für bestimmte Straftaten, was die Arbeit der Justiz erschweren kann. Hier sollte deshalb einem ganzheitlichen Ansatz der Vorzug gegeben werden. VERFAHREN ZUR BESTIMMUNG DER ZUSTÄNDIGEN GERICHTSBARKEIT Dieser Teil enthält Vorschläge, wie ein effizientes Verfahren zur Bestimmung der geeigneten Gerichtsbarkeit im Einzelnen aussehen kann. Insbesondere wird auf die einzelnen Verfahrensschritte wie Feststellung der anderen potenziell interessierten Mitgliedstaaten und deren Information, Konsultation/Diskussion und Streitbeilegung/Mediation eingegangen. Auf die Zuständigkeitsregelung, die durch Artikel 85 EG-Vertrag und die Verordnung (EG) Nr. 1/2003[34] geschaffen wurde, wonach die Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden parallel für die Anwendung der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag zuständig sind, wird in diesem Grünbuch nicht eingegangen. Nach dieser Regelung kann die Kommission im Einklang mit der Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte[35] jederzeit Einzelentscheidungen auf der Grundlage der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag erlassen, auch wenn die betreffende Vereinbarung oder Verhaltensweise bereits Gegenstand einer Entscheidung eines einzelstaatlichen Gerichts war. Bei den Kriterien für die Zuweisung der Fälle an die einzelnen Wettbewerbsbehörden kann es sich nur um flexible Kriterien der Arbeitsteilung handeln. Mehrfachverfahren spielen im Wettbewerbsrecht allerdings nur eine untergeordnete Rolle, da die Verfahren eher auf Großunternehmen ausgerichtet sind. In der Verordnung ist zudem bereits ein Informationsaustausch[36] und ein Streitbeilegungsverfahren[37] vorgesehen. Mit diesem Bereich wird sich das Grünbuch daher nicht befassen. Voraussetzungen a) Informationsaustausch Grundvoraussetzung für die korrekte Anwendung einer Zuständigkeitsregelung und die kohärente Anwendung des Grundsatzes ne bis in idem ist, dass die zuständigen Behörden Kenntnis von den Verfahren und/oder diesbezüglichen Entscheidungen in anderen Rechtskreisen erlangen: Sie sollten einschlägige Informationen austauschen können oder vielleicht sogar zu einem solchen Austausch verpflichtet werden. Eine solche Regelung kann mithin nur dann funktionieren, wenn die zuständigen Behörden umgehend von laufenden Verfahren in anderen Mitgliedstaaten informiert werden, die dort zu einer Anklageerhebung führen oder geführt haben und Taten betreffen, die eine enge Verbindung zu ihrem Zuständigkeitsbereich aufweisen. Eine solche Information ist derzeit aber nicht gewährleistet. Es kommt vor, dass Ermittler und Staatsanwälte ihre Kollegen in anderen Mitgliedstaaten von sich aus oder auf Anweisung ihrer Behörden über solche Fälle unterrichten. Häufig erfolgt ein solcher Informationsaustausch aber nur, wenn die Mitwirkung eines anderen Mitgliedstaats erforderlich ist, z. B. bei der Beweiserhebung. Im Folgenden werden daher Maßnahmen zur Verbesserung des Austauschs von Informationen über parallele Verfahren und/oder divergierende Entscheidungen vorgeschlagen. Die nachstehenden Optionen können langfristig auch zur Erreichung anderer Ziele beitragen, die über dieses Grünbuch hinausgehen: Wenn beispielsweise Staatsanwälte und Richter einander über Verfahren und Entscheidungen informieren, können in anderen Mitgliedstaaten begangene Straftaten bei der Strafzumessung – z. B. als Rückfall - berücksichtigt werden[38]. Letzterer ist Gegenstand eines Kommissionsvorschlags für einen Rahmenbeschluss zur Berücksichtigung von in anderen Mitgliedstaaten ergangenen strafrechtlichen Verurteilungen[39]. Ein verbesserter Austausch von Informationen über Strafverfahren gehört ebenfalls zu den Arbeiten, die auf eine Verbesserung des Informationsflusses für Strafverfolgungszwecke gerichtet sind. Die Kommission hat hier bereits mehrere Vorschläge vorgelegt, die u. a. den Einsatz computergestützter Kommunikationsmittel und den Schutz personenbezogener Daten betrafen[40]. Darüber hinaus liegt eine entsprechende mitgliedstaatliche Initiative vor[41]. aa) Informationen über rechtskräftige Entscheidungen (einschließlich Strafregisterauszüge) Nach Artikel 57 des Schengener Durchführungsübereinkommens ersuchen die zuständigen Behörden, „sofern sie es für erforderlich erachten“, um sachdienliche Auskünfte, wenn sie „Grund zu der Annahme haben“, dass die Anschuldigung dieselbe Tat betrifft, die Gegenstand einer rechtskräftigen, zum Strafklageverbrauch führenden Entscheidung war. Die erbetenen Auskünfte sind so bald wie möglich zu erteilen und bei der Entscheidung über eine Fortsetzung des Verfahrens zu berücksichtigen. Abgesehen davon, dass diese Vorschrift in der Praxis nicht immer beachtet wird (wie Beschwerden und Presseberichten zu entnehmen ist), reicht sie auch nicht aus, um Mehrfach- oder Parallelverfahren auszuschließen, da sie nur dann greift, wenn konkrete Gründe für ein solches Auskunftsersuchen vorliegen. Solche Auskünfte werden häufig von den Strafverfolgungsbehörden auf Betreiben der Angeklagten oder ihrer Verteidiger angefordert, wobei Letztere selbst mitunter zögern, von sich aus auf frühere Entscheidungen hinzuweisen. Auch kann es vorkommen, dass dem Betroffenen die Entscheidung als solche oder ihr Inhalt nicht bekannt ist, weil sie in seiner Abwesenheit ergangen ist. Um sicherzustellen, dass die Informationen nicht nur in eine Richtung fließen, wäre u. U. eine Verpflichtung zu aktiverer und systematischerer Information auf beiden Seiten erforderlich. bb) Informationen über strafrechtliche Verurteilungen Im Rahmen der herkömmlichen Rechtshilfe teilen die Vertragsparteien gemäß Artikel 13 und Artikel 22 des von allen Mitgliedstaaten ratifizierten Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen[42] aus dem Jahr 1959 auf Antrag strafrechtliche Verurteilungen mit und benachrichtigen andere Vertragsparteien über Verurteilungen, die deren Staatsangehörige betreffen. Maßnahme Nr. 3 des Programms zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung vom 29.11.2000 sieht ein Standardformular für Auskünfte über Vorstrafen vor, das sich an das im Rahmen der Schengen-Gremien erstellte Formular anlehnen sollte. Auf seinem Sondergipfel vom 25./26. März 2004 hat der Europäische Rat als Teil seiner Strategie zur Bekämpfung des Terrorismus[43] die Einführung eines Europäischen Registers für Vorstrafen und Rechtsverluste befürwortet. Unterstützt wurde dieser Vorschlag auf der Tagung des Rates ‚Justiz und Inneres’ vom 19. Juli 2004. Am 13. Oktober 2004 nahm die Kommission einen Vorschlag für einen Beschluss zur Verbesserung des Austauschs von Informationen aus dem Strafregister an und schloss damit den ersten Teil der Arbeiten ab[44]. Mit diesem Beschluss soll der bestehende Austausch von Strafregisterdaten, der noch auf das Rechtshilfeübereinkommen von 1959 zurückgeht, rasch verbessert werden. Der Vorschlag soll dazu beitragen, den Informationsfluss zwischen den nationalen Registern zu beschleunigen. Der Mitgliedstaat, in dem ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats verurteilt worden ist, muss danach diesen anderen Mitgliedstaat unverzüglich von der Verurteilung in Kenntnis setzen. Vorgesehen ist auch eine Verpflichtung, Auskunftsersuchen innerhalb von fünf Tagen zu beantworten, und Standardformulare für Ersuchen und Auskünfte zu verwenden, um die Verständlichkeit der erteilten Auskünfte zu gewährleisten. Die Kommission wird hierzu weiter reichende Vorschläge zur EU-weiten Einführung eines elektronischen Datenaustauschs über strafrechtliche Verurteilungen vorlegen[45]. cc) Informationen über andere rechtskräftige, zum Strafklageverbrauch führende Entscheidungen Freisprüche, staatsanwaltliche Vergleiche oder vergleichbare Entscheidungen, mit denen die Strafverfolgung beendet wird, werden in den meisten Mitgliedstaaten nicht ins Strafregister eingetragen. Die Aufnahme von Freisprüchen ins Strafregister dürfte in manchen Mitgliedstaaten auf Widerstand stoßen, da sich die betreffende Person auf den Standpunkt stellen könnte, dass ihr Freispruch dadurch in seinem Wert gemindert würde. Es ist jedoch nur schwer vorstellbar, wie die Beachtung des Ne-bis-in-idem-Grundsatzes in vollem Umfang gewährleistet werden kann, wenn es keine Regelung gibt, die sicherstellt, dass diese Informationen den Gerichten und Strafverfolgungsbehörden in der EU zugänglich sind. In diese Richtung zielt die unter 2.3 des Maßnahmenprogramms angeregte Machbarkeitsstudie über die Einrichtung eines zentralen Verfahrensregisters (dabei soll es sich aber nicht um ein Strafregister handeln), “das es ermöglichen würde, Anklagen zu vermeiden, die wegen des Grundsatzes des Verbots der doppelten Strafverfolgung verworfen würden, und das ebenfalls nützliche Angaben über Ermittlungen in Straftaten liefern könnte, an denen die gleiche Person beteiligt ist”. Dabei wären auch Datenschutz- und Sicherheitsfragen sowie der Zugang zu einem solchen Register sorgfältig zu prüfen. Die Kommission beabsichtigt zurzeit nicht, ein zentrales Verfahrensregister einzurichten. In Frage käme u. U. eine Verknüpfung der bestehenden einzelstaatlichen Register, aber der Nutzen wäre begrenzt, solange nicht alle Mitgliedstaaten über ein solches Register verfügen (oder es nicht wenigstens regionale Register gibt, die vernetzt werden könnten). dd) Informationen über laufende Verfahren und Zwischenentscheidungen Um Kompetenzkonflikte in den Griff zu bekommen, muss zudem ein Informationsaustausch über laufende Verfahren in Betracht gezogen werden. Nur wenn die zuständigen Behörden Kenntnis von Verfahren in anderen Mitgliedstaaten erlangen, werden sie miteinander Kontakt aufnehmen können, um sich auf die für die Strafverfolgung am besten geeignete Gerichtsbarkeit zu verständigen. Hierzu sei wiederum auf das Maßnahmenprogramm unter 2.3 verwiesen sowie auf den Wiener Aktionsplan unter Rdnr. 49 e), wo angeregt wird, “die Möglichkeit zu prüfen zu registrieren, ob in verschiedenen Mitgliedstaaten gegen ein und dieselbe Person aus demselben Grund ein Verfahren läuft”. Die Erfahrungen, die aus einem verbesserten Austausch von Strafregisterauszügen gewonnen werden können, könnten von Nutzen sein, wenn es darum geht zu entscheiden, welche Art von Informationsaustausch bei laufenden Verfahren geeignet und machbar wäre. Ziel sollte es sein, den Behörden die Feststellung zu ermöglichen, ob sich ihr Verfahren mit Verfahren in anderen Mitgliedstaaten deckt oder überschneidet. Dies könnte bedeuten, dass die Strafverfolgungsbehörden zur Anforderung und Entgegennahme von Daten über die Identität des Beschuldigten oder Angeklagten, über Zeitpunkt, Ort und Gegenstand der mutmaßlichen Straftat und u. U. auch von Informationen über damit zusammenhängende Fakten berechtigt wären. Zu überlegen wäre, ob weitere Daten wie Aliasnamen und Kontaktadressen von Beschuldigten ebenfalls weiterzugeben wären sowie bestimmte Angaben über betroffene juristische Personen und Opfer, um Querverbindungen zu anderen Ermittlungen herstellen zu können. Dies geht jedoch, wie bereits festgestellt, über die Zielsetzung dieses Grünbuchs hinaus. Hier geht es nicht darum, Strategien zur Verbesserung von Fahndungs- oder Ermittlungstechniken vorzuschlagen, sondern darum, Mehrfachverfahren zu vermeiden. Zu überlegen ist auch, ob die zuständigen Behörden für ihre Entscheidung über die für die Strafverfolgung am besten geeignete Gerichtsbarkeit nicht auch Informationen über Fälle benötigen, in denen das Verfahren endgültig oder vorläufig eingestellt worden ist („Zwischenentscheidung“). Ist anders gesagt die Erteilung von Auskünften auch in Fällen nötig, in denen eine Entscheidung die Möglichkeit einer weiteren Strafverfolgung nicht definitiv unterbindet? Für solche Entscheidungen gibt es im innerstaatlichen Recht eine ganze Reihe von Gründen, z. B. wegen unzureichender Beweise, in dubio pro reo[46] oder weil die betreffende Person bereits wegen anderer Delikte mit einer Strafe zu rechnen hat und deshalb auf eine weitere Strafe verzichtet werden kann[47]. Es ist möglich, dass sich der Mitgliedstaat, in dem eine solche Entscheidung ergangen ist, nach Berücksichtigung von Informationen aus anderen Mitgliedstaaten als für die Strafverfolgung am besten geeignet erweist und somit die Möglichkeit, die Sache weiter zu betreiben, prüfen wird. In Fällen, in denen die Strafverfolgung aus Mangel an Beweisen eingestellt wurde, wäre ein Informationsaustausch vermutlich besonders nützlich, weil auf diese Weise ein vollständigeres Bild von der Tat entstünde. b) Möglichkeit zur Aussetzung/Einstellung des Verfahrens Sobald die Behörden eines Mitgliedstaats Kenntnis von Verfahren in anderen Mitgliedstaaten erlangen, sollten die Strafverfolgungsbehörden des Mitgliedstaats allein, weil bereits ein anderer Mitgliedstaat denselben Fall strafrechtlich verfolgt, die Möglichkeit haben, von der Einleitung der Strafverfolgung abzusehen oder eine bereits laufende Strafverfolgung auszusetzen. Der Verzicht auf Einleitung der Strafverfolgung (oder die Aussetzung einer bereits laufenden Strafverfolgung) könnte in Mitgliedstaaten Probleme aufwerfen, die nach dem Legalitätsprinzip verfahren, demzufolge die Behörden zur Verfolgung aller Straftaten verpflichtet sind, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen. Besonders problematisch ist es, wenn das Legalitätsprinzip in der Verfassung festgeschrieben ist. Zwar sehen alle Mitgliedstaaten, die das Legalitätsprinzip anwenden, in ihrem innerstaatlichen Recht gewisse Ausnahmen vor, doch ist die Möglichkeit, ein Verfahren allein deswegen auszusetzen, weil derselbe Fall bereits in einem anderen Mitgliedstaat verfolgt wird, der dazu ebenso gut oder besser geeignet ist, derzeit anscheinend nicht in sehr vielen Staaten (ausdrücklich) geregelt. Auch in Rechtsordnungen, die nach dem Opportunitätsprinzip anhand von Anweisungen der Staatsanwaltschaft und/oder anderen übergeordneten Behörden verfahren, ist nicht immer eindeutig festgelegt, dass Verfahren allein aus diesem Grund ausgesetzt werden können. Es reicht nicht aus, wenn ein Verfahren nur wegen Straftaten ausgesetzt werden kann, die außerhalb des eigenen Hoheitsgebiets begangen worden sind oder die Gegenstand eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten (Europäischen) Haftbefehls sind, da ein und dieselbe Straftat durchaus im Hoheitsgebiet mehrerer Mitgliedstaaten begangen worden sein kann und es in manchen Fällen auch angemessen sein mag, die Strafverfolgung auf einen Mitgliedstaat zu konzentrieren, in dem (noch) kein Haftbefehl ergangen ist. Es ist daher notwendig, auf EU-Ebene die Einführung einer Regelung vorzusehen, die es der Behörde eines Mitgliedstaats gestatten würde, die Strafverfolgung auszusetzen oder einzustellen, weil bereits eine Behörde in einem anderen Mitgliedstaat mit dem Fall befasst ist oder befasst war. Artikel 3 des Übereinkommens über die Übertragung der Strafverfolgung könnte hier als Vorbild dienen. Im Hinblick auf die Koordinierung der Verfahren und die etwaige Nutzung von Synergien käme auch ein Vorgehen analog zu Artikel 28 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 in Betracht, wonach die zuständigen Behörden, wenn in verschiedenen Mitgliedstaaten Klagen, die im Zusammenhang stehen , anhängig sind[48], das Verfahren aussetzen und den Behörden eines anderen Mitgliedstaats übertragen und/oder mit dort laufenden, im Zusammenhang stehenden Verfahren verbinden können. Hier ließe sich durchaus der Standpunkt vertreten, dass dem Legalitätsprinzip in einem gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts Genüge getan wird, wenn ein anderer Mitgliedstaat die Strafverfolgung übernimmt. Frage 1: Bedarf es einer EU-Regelung, wonach das innerstaatliche Recht die Aussetzung eines Verfahrens zulassen muss, weil bereits Verfahren in anderen Mitgliedstaaten laufen? Einführung einer „Informationspflicht“ Während die Einführung eines Europäischen Verfahrensregisters derzeit nur theoretisch möglich erscheint, ließe sich eine EU-weite Benachrichtigungspflicht für mitgliedstaatliche Behörden gegenüber ihren Kollegen in anderen Mitgliedstaaten durchaus realisieren. Um verfrühte Entscheidungen und/oder Maßnahmen zu vermeiden, die durch unzureichende Kenntnis der Situation in anderen Mitgliedstaaten bedingt sind, sollte der Austausch von Informationen und Einschätzungen über den für die Strafverfolgung am besten geeigneten Ort so früh wie möglich einsetzen[49]. Als Zeitpunkt würde sich hier die (formale) Einleitung der Strafverfolgung anbieten. Unter bestimmten Umständen – z. B. in Fällen extraterritorialer Zuständigkeit – könnte ein Informationsaustausch bereits zu dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem eine Behörde die Einleitung der Strafverfolgung erwägt; dies ist beispielsweise in einer (rechtlich nicht verbindlichen) Vereinbarung der Staatsanwälte der nordischen Staaten vorgesehen[50]. Auch nachdem Einvernehmen über die Gerichtsbarkeit erzielt wurde, kann ein Informationsaustausch über verfahrensrelevante Aspekte, z. B. über wichtige Verfahrensabschnitte (erste Vernehmung oder Aussage des Beschuldigten, Anklageerhebung, Verzicht auf die Einleitung des Verfahrens oder Aussetzung des Verfahrens), erforderlich sein. Um einen angemessenen Schutz personenbezogener Daten und die Effizienz der Strafverfolgung zu gewährleisten, darf diese Informationspflicht nicht über das hinausgehen, was notwendig ist, um die zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten in die Lage zu versetzen, ihren Standpunkt darzulegen und einen konkreten Beitrag zur Problemlösung zu leisten. Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden arbeiten häufig unter hohem Zeitdruck und hoher Arbeitsbelastung. Diese Belastung sollte nicht erhöht werden, wenn dies nicht absolut notwendig ist. Durch den Informationsaustausch dürfen keine Maßnahmen blockiert werden, die vielleicht dringend sind. Der Informationsaustausch sollte so unkompliziert und einfach wie möglich sein. Wird die Einführung einer Informationspflicht als notwendig angesehen, sollten die zeitlichen und inhaltlichen Vorgaben für den Informationsaustausch mithin hinreichend flexibel sein. Eine Möglichkeit bestünde darin, die Informationspflicht auf Fälle zu beschränken, in denen ein Mitgliedstaat die Strafverfolgung wegen einer Tat beschließt, die enge Verbindungen zu einem anderen Mitgliedstaat aufweist. Die Informationspflicht sollte nicht allein durch die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats ausgelöst werden: Erstens liefe dies darauf hinaus, von den Inlandsbehörden zu verlangen, dass sie die Zuständigkeit nach dem Recht anderer Mitgliedstaaten prüfen, und zweitens ist die Zuständigkeit einiger Mitgliedstaaten sehr weit gefasst und folgt in manchen Fällen sogar dem Universalitätsprinzip. Auch sollte die Informationspflicht nicht schon durch die Einleitung von Ermittlungen ausgelöst werden. Ein späterer Zeitpunkt im strafrechtlichen Verfahren erscheint hier eher geeignet. Wenn eine Behörde es allerdings für notwendig hält, andere schon in einem früheren Stadium über einen Fall zu informieren, sollte dies ebenfalls erlaubt sein. Notwendig erscheint hier die Einführung einer EU-weiten Regelung, wonach die mitgliedstaatlichen Behörden die Behörden anderer Mitgliedstaaten kontaktieren müssen, wenn sie mit einem Fall befasst sind, bei dem konkret die Möglichkeit besteht, dass andere Mitgliedstaaten ebenfalls an der Verfolgung des Falles interessiert sein könnten. Ein solches potenzielles Interesse wäre objektiv gegeben, wenn der Fall eine enge Verbindung zu einer anderen Gerichtsbarkeit aufweist. Eine solche Regelung könnte die einzelstaatlichen Behörden mithin verpflichten, die zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten von ihrer Absicht in Kenntnis zu setzen, die Strafverfolgung einzuleiten (oder sie über die bereits erfolgte Einleitung der Strafverfolgung zu informieren), wenn der Fall enge Verbindungen zu einem anderen Mitgliedstaat aufweist. Alternativ dazu ließe sich die Auffassung vertreten, dass das Interesse eines anderen Mitgliedstaats an der Verfolgung desselben Falles objektiv gegeben ist, wenn dieser Fall von dem betreffenden Mitgliedstaat strafrechtlich ebenso „wirksam“ verfolgt werden kann. In diesem Zusammenhang sei auf Artikel 7 des Rahmenbeschlusses über die Verstärkung des mit strafrechtlichen und anderen Sanktionen bewehrten Schutzes gegen Geldfälschung im Hinblick auf die Einführung des Euro verwiesen, in dem es heißt: „Steht mehreren Mitgliedstaaten die Gerichtsbarkeit zu und haben sie die Möglichkeit, eine Straftat, die auf denselben Tatsachen beruht, wirksam zu verfolgen, so arbeiten die betreffenden Mitgliedstaaten zusammen, um darüber zu entscheiden, welcher von ihnen den oder die Straftäter verfolgt“[51]. Die ‚Möglichkeit einer wirksamen Strafverfolgung’ könnte sich jedoch in der Praxis als recht vage Formulierung erweisen, die eine einheitliche Anwendung der Regelung erschweren könnte. Außerdem ist zweifelhaft, ob eine Strafverfolgungsbehörde diese Frage objektiv an eine andere Behörde richten könnte. Schließlich ließe sich auch argumentieren, dass mit den verfügbaren Rechtshilfeinstrumenten mehr und mehr Mitgliedstaaten eine wirksame Strafverfolgung leisten können, wenn sie diese Rechtshilfe tatsächlich erhalten. Das Kriterium der wirksamen Strafverfolgung erscheint daher als zu weit gefasst und könnte in zu vielen Fällen eine Informationspflicht begründen. Eine objektivere Feststellung des potenziellen Strafverfolgungsinteresses dürfte hingegen das Kriterium der „engen Verbindung“ ermöglichen, dessen einheitliche Anwendung in der Praxis überdies leichter zu bewerkstelligen wäre. Als geeigneter Verfahrensabschnitt, ab dem die Informationspflicht einsetzen könnte, wird der Zeitpunkt vorgeschlagen, zu dem die Behörden beschließen, das Verfahren über die Ermittlungsphase hinaus fortzusetzen, oder zudem sie konkret Anklage erheben. Wie bereits gesagt, kann ein solcher Informationsaustausch auch früher erfolgen, wenn dies im konkreten Fall ratsam erscheint. Die Kommunikation könnte über bestehende Einrichtungen laufen wie das Europäische Justizielle Netz (EJN), Eurojust (möglicherweise auf der Basis von Europol-Informationen) oder – in der Zukunft – über den Austausch von Strafregisterauszügen. Die Übertragung sensibler Informationen muss in jedem Fall streng vertraulich unter Beachtung der geltenden Datenschutzbestimmungen[52] über sichere Kommunikationskanäle[53] erfolgen. Frage 2: Sollte eine Pflicht zur Unterrichtung anderer Mitgliedstaaten über eine laufende oder bevorstehende Strafverfolgung bestehen, wenn die Tat eine enge Verbindung zu diesen anderen Mitgliedstaaten aufweist? Wie sollen Informationen über laufende Verfahren, rechtskräftige Entscheidungen und andere damit zusammenhängende Entscheidungen ausgetauscht werden? Einführung einer „Pflicht zur Gesprächsaufnahme“ Die Informationspflicht sollte mit effektiven Konsultationen/Gesprächen der betreffenden mitgliedstaatlichen Behörden verknüpft werden. Konsultationen sollten als Bestandteil der geplanten Regelung zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten vorgesehen werden. Die zuständigen Behörden sollten bestrebt sein, unter Abwägung der jeweiligen Standpunkte die für das weitere Verfahren am besten geeignete Gerichtsbarkeit zu ermitteln. Anzustreben ist eine einvernehmliche Lösung bereits in einem frühen Verfahrensstadium im Wege bilateraler Gespräche zwischen den betroffenen Mitgliedstaaten. Um zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen, bedarf es, wie die Kommission bereits in ihrer Mitteilung zur Computerkriminalität vom 26.1.2000[54] ausgeführt hat, einer effizienten bilateralen und multilateralen Konsultation. Nur im Wege der Konsultation kann ein gerechter Ausgleich zwischen den Rechten und Interessen der betroffenen Personen (Opfer und Täter) und Staaten gefunden werden. Die betreffenden Behörden sollten im Wege eines Verfahrens, das einen offenen Informationsaustausch garantiert, in die Lage versetzt werden, ihren Standpunkt rasch in die Diskussion einzubringen und gegebenenfalls weitere Fakten beizutragen. Wie kann sichergestellt werden, dass dieser Konsultations-/Diskussionsprozess effizient abläuft? Ein Möglichkeit bestünde darin, eine Pflicht zur Gesprächsaufnahme vorzusehen, um sicherzustellen, dass die Positionen anderer Mitgliedstaaten berücksichtigt oder zumindest zur Kenntnis gebracht werden. Die vorstehenden Ausführungen zur Informationspflicht gelten auch für die Konsultationsphase: Unverhältnismäßige Auflagen und Formalitäten können den Strafverfolgungs- und Justizbehörden die Arbeit erschweren und die Strafverfolgung behindern. Übermäßiger Verwaltungsaufwand muss vermieden werden. Erforderlich sind hingegen flexible, direkte und rasche Konsultationen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen in der Lage sein, Dringlichkeitsmaßnahmen zu veranlassen, ohne auf die Stellungnahme einer anderen Behörde warten zu müssen. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Überlegungen käme folgende Vorgehensweise in Betracht. Beschreibung der vorgeschlagenen Regelung und der einzelnen Verfahrensschritte 1. Schritt 1: Feststellung des Strafverfolgungsinteresses anderer Mitgliedstaaten und Information dieser Mitgliedstaaten Als ersten Schritt müssen die zuständigen nationalen Behörden, die eine Strafverfolgung einleiten wollen oder bereits eingeleitet haben („Staat der Strafverfolgung“), in einem Fall, der einen Sachverhalt mit Auslandsberührung betrifft, prüfen, ob dieser Sachverhalt so wichtig ist, dass ein anderer Mitgliedstaat ebenfalls an der Verfolgung dieses Falls interessiert sein könnte. Die zuständigen Behörden des Staats der Strafverfolgung könnten dann entsprechend dazu verpflichtet werden, die Behörden anderer Mitgliedstaaten, die ebenfalls an einer Strafverfolgung interessiert sein könnten, von der Einleitung der Strafverfolgung in ihrem Staat (oder ihrer diesbezüglichen Absicht) in Kenntnis zu setzen. Eine solche Verpflichtung könnte Strafverfolgungsbehörden und/oder anderen Justizbehörden je nach Ausgestaltung der jeweiligen mitgliedstaatlichen Strafjustizsysteme auferlegt werden. Eine entsprechende Informationspflicht könnte auch den Behörden eines Mitgliedstaats auferlegt werden, die mit Fällen befasst sind, deren Verbindung zur Gerichtsbarkeit eines anderen Mitgliedstaats anfangs nicht ersichtlich war, sondern erst im Laufe des Verfahrens zutage getreten ist. Darüber hinaus könnte eine Informationspflicht in Fällen ausgelöst werden, in denen die Behörden des Verfahrensstaats, dem die Strafverfolgung nach Maßgabe des Verweisungsverfahrens übertragen worden ist, zu einem späteren Zeitpunkt ein wichtiges Tatsachenelement entdecken (das zu Beginn des Verweisungsverfahrens nicht bekannt war), das das Interesse eines anderen Mitgliedstaats an der Strafverfolgung begründen könnte. Die Mitgliedstaaten, die über die Einleitung der Strafverfolgung in einem Fall informiert werden, der eine Verbindung zu ihrer eigenen Gerichtsbarkeit aufweist, könnten ihrerseits ihr Interesse an der Verfolgung desselben Falls bekunden. Hier könnte eine Bestimmung vorgesehen werden, wonach diese Interessenbekundung innerhalb einer bestimmten Frist zu erfolgen hat. Die Frist für eine solche Interessenbekundung könnte mit Eingang der betreffenden Mitteilung des Strafverfolgungsstaats beginnen. In Ausnahmefällen könnte den Mitgliedstaaten auch gestattet werden, nach Ablauf der Frist zu reagieren, wenn sich das Interesse eines Mitgliedstaats an der Strafverfolgung erst zu einem späteren Zeitpunkt ergibt. Fairerweise sollten die Strafverfolgungsbehörden, die das Konsultationsverfahren einleiten, jedweden Mitgliedstaat informieren. In der Praxis erscheint es jedoch sinnvoll, das Konsultationsverfahren prinzipiell auf jene Mitgliedstaaten zu beschränken, bei denen der Verfahrensstaat aufgrund der zu ihrer Gerichtsbarkeit bestehenden Verbindung ein potenzielles Interesse an der Strafverfolgung festgestellt hat. Um die Effizienz dieses Verfahrens sicherzustellen, könnte überdies vorgesehen werden, dass der Verfahrensstaat die Strafverfolgung nach seinem innerstaatlichen Recht fortsetzen kann, wenn keiner der ursprünglich informierten Mitgliedstaaten Einwände erhebt. Hier ist allerdings wiederum darauf hinzuweisen, dass die spätere Feststellung eines neuen Tatsachenelements, das das Interesse eines anderen Mitgliedstaats an der Strafverfolgung begründen könnte, erneut eine Informationspflicht zur Folge hat (möglicherweise ebenfalls mit einer Antwortfrist). In jedem Fall sollten die Behörden, die ihr Interesse an der Verfolgung des Falls bekunden, in engem Kontakt mit dem Verfahrensstaat bleiben und sich gegenseitig über wichtige Entscheidungen im Rahmen ihres innerstaatlichen Verfahrens informieren. Dies sollte insbesondere für rechtskräftige Entscheidungen gelten, die zum Strafklageverbrauch führen, aber u. U. auch für eine Anklageerhebung, ein Urteil oder eine Entscheidung zur Aussetzung und/oder Einstellung des Verfahrens. 2. Schritt 2: Konsultation/Diskussion Anschließend ist zu prüfen, wo der in Rede stehende Fall strafrechtlich am besten zu verfolgen ist (unter Berücksichtigung der unter 9. dargelegten inhaltlichen Kriterien). Ein direkter Kontakt zwischen den zuständigen Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten dürfte sich zumindest für einen ersten Meinungsaustausch am besten eignen. Zudem könnten die Behörden erforderlichenfalls Eurojust um Unterstützung bitten, da diese Stelle über eine geeignete Ausstattung (Sitzungsräume, ein sicheres Kommunikationsnetz) und einschlägige Erfahrung verfügt. Die Einschaltung von Eurojust mag allerdings nicht in allen Fällen machbar und sachdienlich sein[55]. Die Mitgliedstaaten sollten sich insbesondere bei schweren Straftaten und/oder Straftaten mit Bezug zu mehreren Gerichtsbarkeiten, namentlich im Bereich der organisierten Kriminalität[56], sowie in besonders komplexen Fällen an Eurojust wenden. Im Idealfall führt Schritt 2 frühzeitig zu einem Einvernehmen über die für die Strafverfolgung am besten geeignete Gerichtsbarkeit. In der Praxis würde dies bedeuten, dass eine Behörde freiwillig auf die Einleitung einer eigenen Strafverfolgung verzichtet oder eine bereits eingeleitete Strafverfolgung einstellt, so dass eine andere Behörde den Fall übernehmen kann. Auf diese Weise könnten die betreffenden Behörden einfach nach ihrem innerstaatlichen Recht verfahren. Eine Formalisierung des so zustande gekommenen Konsenses erscheint grundsätzlich nicht erforderlich. Es sollte vielmehr genügend Spielraum für eine spätere Abänderung der Vereinbarungen geben, um bei neuen Erkenntnissen entsprechend reagieren zu können. In manchen Fällen könnte es sich allerdings als hilfreich erweisen, auf geeignete Regelungen für verbindliche Vereinbarungen zurückgreifen zu können. Um Rechtssicherheit zu gewährleisten und eine erneute Diskussion über Zuständigkeitsfragen zu vermeiden, sollten die nationalen Behörden verbindliche Vereinbarungen eingehen können, wenn sie dies für angezeigt halten. Für solche förmlichen Vereinbarungen könnte ihnen ein EU-Muster vorgegeben werden. Darüber hinaus könnte eine gerichtliche Nachprüfung auf Antrag des Beschuldigten und eventuell auch des Opfers erwogen werden. In der betreffenden EU-Mustervereinbarung bzw. EU-Regelung könnte auch festgelegt werden, unter welchen Voraussetzungen eine solche Vereinbarung gekündigt werden kann. Übernimmt ein Mitgliedstaat die Strafverfolgung, während andere zurücktreten (indem sie entweder ihr bereits laufendes Verfahren einstellen oder ihre Absicht bekunden, von der Einleitung einer parallelen Strafverfolgung abzusehen), so sollten letztere dennoch weiterhin aktiv an der Strafverfolgung mitwirken, indem sie dem Verfahrensstaat Informationen und Beweismittel liefern oder Unterstützung in anderer Form leisten. Hierzu könnte in einer künftigen Regelung vorgesehen werden, dass die Einstellung eines Verfahrens in einem Mitgliedstaat wegen Verweisung des Falls an eine besser platzierte Gerichtsbarkeit ohne Sanktion oder Entscheidung in der Sache der Leistung von Rechtshilfe an den Mitgliedstaat, der die Strafverfolgung fortführt, nicht entgegensteht. Auf diese Weise ließen sich innerhalb der Union Situationen wie im Fall Miraglia[57] vermeiden, bei dem nach Einstellung des Verfahrens ein Rechtshilfeersuchen allein deshalb abgelehnt wurde, weil ein Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat anhängig war (siehe unten 11.3). Kann auf dieser zweiten Stufe kein Einvernehmen erzielt werden, tritt das vorgeschlagene Verweisungsverfahren in die dritte Phase. Frage 3: Sollten nationale Behörden zur Aufnahme von Kontakten mit Mitgliedstaaten verpflichtet sein, zu denen die Tat eine enge Verbindung aufweist? Frage 4: Besteht Bedarf an einem EU-Muster für verbindliche Vereinbarungen zwischen den zuständigen Behörden? 3. Schritt 3: Streitbeilegung/Mediation Für den Fall, dass sich die zuständigen Behörden nicht ohne weiteres über die am besten geeignete Gerichtsbarkeit einigen können, sollte im Verweisungsverfahren eine weitere Stufe vorgesehen werden. Hierzu bedarf es eines raschen und flexiblen Streitschlichtungs-/Mediationsverfahrens. Eine geeignete Lösung wäre die Einschaltung einer EU-Einrichtung als Mediator . Handelt es sich nicht einfach nur um ein vorübergehendes Informationsdefizit, sondern um einen „echten“ Streit, sollte im Rahmen des Verweisungsverfahrens selbst und aktiv durch die beteiligten Behörden eine Streitbeilegung in die Wege geleitet werden. Mehrere Möglichkeiten kommen in Frage. Eurojust würde sich hier gut als Mediator eignen und könnte auf Antrag einer der beteiligten Behörden tätig werden. Bis zu einem gewissen Grad besteht diese Möglichkeit bereits auf der Grundlage des Ratsbeschlusses über die Errichtung von Eurojust. Nach Artikel 6 Buchstabe a, Artikel 7 Buchstabe a und Artikel 8 kann Eurojust die zuständigen Behörden ersuchen, „sich damit einverstanden zu erklären, dass eine andere zuständige Behörde gegebenenfalls besser in der Lage ist, zu bestimmten Tatbeständen Ermittlungen zu führen oder die Strafverfolgung aufzunehmen“. Darüber hinaus kann Eurojust auch zur Vermeidung negativer Kompetenzkonflikte beitragen, d. h. wenn keine Behörde zur Strafverfolgung bereit ist. Alternativ dazu wäre auch die Einführung eines neuen Streitbeilegungsverfahrens denkbar. Es könnte beispielsweise ein Gremium aus drei oder vier hochrangigen Staatsanwälten oder Richtern eingesetzt werden, die den beteiligten Behörden im Wege eines nicht verbindlichen Gutachtens die am besten geeignete Gerichtsbarkeit vorschlagen. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Vereinbarung zwischen den Generalstaatsanwälten der deutschen Bundesländer, wonach drei Generalstaatsanwälte bei mehreren gleichzeitig laufenden Verfahren über die geeignete Gerichtsbarkeit entscheiden[58]. Zwar stellt sich die Lage auf europäischer Ebene anders dar, doch könnte EU-weit ein ähnliches Verfahren eingeführt werden. Festzulegen wäre u. a. die Zusammensetzung eines solchen Gremiums, d. h. ob es sich um eine ständige Einrichtung handelt oder ad hoc zusammentritt, ob Vertreter der betroffenen Mitgliedstaaten zuzulassen sind oder nicht. Eine neue Regelung sollte jedenfalls nicht in die Kompetenzen von Eurojust, insbesondere nicht in den Bereichen Terrorismus, schwere und organisierte Kriminalität, eingreifen. Der dritte Schritt des Verweisungsverfahrens, d. h. die Streitbeilegung/Mediation, könnte auf Antrag eines Mitgliedstaats eingeleitet werden, der ein Interesse an der strafrechtlichen Verfolgung eines Falls bekundet, der Kompetenzkonflikte aufwirft. Jeder Mitgliedstaat in dieser Lage wäre berechtigt, den Fall vor eine Streitschlichtungsstelle zu bringen. Wenn in Schritt 2 (Diskussion/Konsultation) eine gewisse Zeit ergebnislos verstrichen ist, könnte ein Streitschlichtungsverfahren auch automatisch eingeleitet werden, um sicherzustellen, dass Fälle, die sich wegen erheblicher Meinungsverschiedenheiten nicht ohne weiteres einer bestimmten Gerichtsbarkeit zuweisen lassen, zügig zur nächsten auf EU-Ebene angesiedelten Stufe des Verweisungsverfahrens gelangen. Der obligatorische Übergang zur dritten Stufe könnte gleichzeitig die Bereitschaft aller Beteiligten erhöhen, schon in einem früheren Stadium eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. Die vorstehenden Ausführungen zu Schritt 2 in den Fällen, in denen eine Einigung problemlos erzielt werden kann, gelten auch für die Phase der Streitbeilegung/Mediation. Die zuständigen Behörden könnten aus freien Stücken beschließen, dass eine von ihnen die Strafverfolgung weiter betreibt, während die anderen das eigene Verfahren einstellen (oder auf die Einleitung der Strafverfolgung verzichten). Alternativ dazu könnten sie beschließen, ihre Einigung schriftlich festzuhalten und eine verbindliche Vereinbarung nach einem vorgeschlagenen EU-Muster einzugehen. Auf dieser Stufe des Verweisungsverfahrens sollte die Beilegung aller „echten“ Kompetenzkonflikte zwischen den Mitgliedstaaten aktiv betrieben werden. Letztendlich soll mit dieser Verfahrensstufe erreicht werden, dass der Grundsatz ne bis in idem in der Praxis weniger häufig zur Anwendung gelangt. Sofern die nationalen Behörden Fälle, die echte Kompetenzkonflikte aufwerfen, rasch feststellen und eine Einigung über die zuständige Gerichtsbarkeit erzielen, dürfte es spätestens auf dieser letzten Stufe des Verweisungsverfahrens kaum noch Fälle geben, in denen die Mitgliedstaaten rechtskräftige strafrechtliche Entscheidungen erlassen, ohne die Interessen anderer Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Wie immer auch diese Verfahrensstufe ausgestaltet wird (Einschaltung von Eurojust als Vermittler oder Einsetzung einer besonderen Streitschlichtungs-/Mediationsstelle), in jedem Fall sollte den Betroffenen ein strukturierter Dialog geboten werden, der eine objektive Prüfung der Interessenlage ermöglicht. Langfristig könnte auf diese Weise überdies eine einheitliche Vorgehensweise für die Lösung ähnlicher Konflikte erarbeitet werden. Frage 5: Sollte ein Streitschlichtungs-/Mediationsverfahren eingeleitet werden, wenn im direkten Kontakt kein Einvernehmen erzielt wird? Welche Einrichtung erscheint als Streitschlichtungs- oder Mediationsstelle bei Kompetenzkonflikten am besten geeignet? 4. Möglicher zusätzlicher Schritt: verbindliche Entscheidung durch eine EU-Einrichtung? Mit der ordnungsgemäßen Befolgung dieses Drei-Stufen-Verfahrens, den Kriterien für die Bestimmung der zuständigen Gerichtsbarkeit und der weiter unten beschriebenen Vorrangregel dürfte sich in vielen, wenn nicht gar den meisten Fällen eine Einigung herbeiführen lassen. Ein solches Verfahren erscheint realistisch und könnte vorerst ausreichen, bis weitere Erfahrungen weitere Schritte erforderlich machen. Da ein solches Erfordernis noch nicht besteht, könnte man sich durchaus mit einem flexiblen Verfahren begnügen, das bei Schritt 3 endet. In den Fällen, in denen im Wege der Mediation keine Einigung erzielt werden kann, müsste eine Mehrfachverfolgung derselben Straftat vorübergehend akzeptiert werden, bis der Grundsatz ne bis in idem wieder ins Spiel kommt. Langfristig wäre zu erwägen, als weiteren Schritt die Einschaltung einer Einrichtung auf EU-Ebene vorzusehen, die verbindlich darüber entscheidet, welche Behörde zur Verfolgung des Falls am besten geeignet ist. Dieser zusätzliche Schritt dürfte allerdings schwer zu realisieren sein. Das Hauptanliegen sollte ohnehin eine einvernehmliche Lösung sein. Die Möglichkeit einer verbindlichen Entscheidung sollte nur als letztes Mittel in Betracht kommen, wenn eine Schlichtung gescheitert ist. Das Verweisungsverfahren sollte insgesamt so einfach wie möglich sein. Der Schlichter und/oder eine der zuständigen Behörden könnte die Streitbeilegungs-/Mediationsphase nach Ablauf einer bestimmten Frist mit der Feststellung beenden, dass der Versuch, zu einer gütlichen Einigung zu gelangen, gescheitert ist. Die Art und Weise, wie ein Beschluss zustande kommt, würde von der Zusammensetzung des betreffenden Gremiums abhängen, aber im Interesse der Effizienz sollten Beschlüsse mehrheitlich (gegebenenfalls mit qualifizierter Mehrheit) gefasst werden. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass die Rolle eines Mediators und die einer verbindlich entscheidenden Stelle nicht miteinander kompatibel sind. Es müsste daher auf EU-Ebene eine zusätzliche neue Stelle geschaffen werden, wenn sich langfristig die Aufnahme einer weiteren Verfahrensstufe als erforderlich erweist. Wenn Eurojust als Mediator fungiert, müsste für verbindliche Entscheidungen über nicht einvernehmlich beigelegte Streitigkeiten ein anderes Gremium geschaffen werden. Würde Eurojust hingegen ermächtigt, verbindliche Entscheidungen zu treffen[59], was den Charakter dieser Einrichtung erheblich verändern würde, müsste eine andere Stelle die Aufgabe des Mediators übernehmen. Eine noch größere Hürde wäre die Frage der gerichtlichen Nachprüfung einer auf EU-Ebene getroffenen verbindlichen Zuständigkeitsentscheidung. Auf die Möglichkeit zur gerichtlichen Nachprüfung kann bei einer verbindlichen Entscheidung nicht verzichtet werden. Es wäre jedoch unangemessen und derzeit rechtlich auch nicht möglich, nationale Gerichte mit der Nachprüfung von Entscheidungen zu betrauen, die auf EU-Ebene erlassen worden sind, und für den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften findet sich für eine solche Befugnis keine Grundlage in den Gemeinschaftsverträgen. Frage 6: Besteht über die Streitschlichtung/Mediation hinaus langfristig Bedarf an einer weitergehenden Regelung, z. B. in Form einer Entscheidung durch ein Gremium auf EU-Ebene? Die Rechtswirkung einer Verweisung Die Rechtswirkung einer erfolgreichen Verweisung an die am besten geeignete Gerichtsbarkeit im Wege des oben vorgestellten Drei-Stufen-Verfahrens ist ein anderer wichtiger praktischer Gesichtspunkt, den es zu berücksichtigen gilt. Bevor Vorschläge im Hinblick auf die Geltung und/oder die Verbindlichkeit solcher Zuständigkeitszuweisungen formuliert werden, wird zunächst auf die diversen möglichen Endergebnisse für die Fälle eingegangen, die die einzelnen Stufen des Verweisungsverfahrens durchlaufen. Wie oben bereits ausgeführt, sollte der Verfahrensstaat den Fall nach seinem innerstaatlichen Recht strafrechtlich verfolgen, wenn potenziell an einer Strafverfolgung interessierte Mitgliedstaaten kein Interesse an einer solchen Strafverfolgung bekunden, nachdem ihnen der Verfahrensmitgliedstaat mitgeteilt hat, dass er die Einleitung der Strafverfolgung beabsichtigt (oder bereits mit der Strafverfolgung begonnen hat). Hat hingegen ein Mitgliedstaat Interesse an der Strafverfolgung bekundet, sind folgende Szenarien möglich: a) Nach kurzen direkten Kontakten (Schritt 2) oder nach der Streitschlichtung/Mediation (Schritt 3) stellen die betroffenen Staaten ihre laufenden Verfahren in derselben Sache aus freien Stücken ein oder beschließen, auf eine Strafverfolgung zu verzichten, wenn ein anderer Mitgliedstaat den Fall weiter verfolgen will. b) Nach kurzer Diskussion (Schritt 2) oder nach der Streitschlichtung/Mediation (Schritt 3) legen die betroffenen Mitgliedstaaten die für die Strafverfolgung zuständige Gerichtsbarkeit einvernehmlich im Wege einer verbindlichen Vereinbarung fest. Auf EU-Ebene könnte für solche verbindlichen Vereinbarungen ein Muster und eine geeignete rechtliche Regelung geschaffen werden. Die freiwilligen Vereinbarungen unter a) müssen nicht in rechtlich verbindlicher Form geschlossen werden. Ähnliche freiwillige Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten gibt es bereits im Rahmen der geltenden Bestimmungen. Auf diese Weise könnten die betreffenden Behörden einfach nach ihrem innerstaatlichen Recht verfahren. Auch nach einer solchen freiwilligen Vereinbarung sollte es den betreffenden Mitgliedstaaten gestattet sein, das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt wieder in Form neuer Gespräche/Konsultationen aufzunehmen, wenn sie dies für erforderlich halten (z. B. weil sich die Lage aufgrund neuer Erkenntnisse geändert hat). Das Recht zu erneuter Konsultation könnte unabhängig von dem hierfür angeführten Grund zugestanden und denselben Regeln wie für die Verfahrensschritte 1-3 unterworfen werden. Bei Szenario b) schließen die zuständigen Behörden eine verbindliche Vereinbarung u. U. auf der Grundlage einer EU-Mustervereinbarung. Die Wiederaufnahme des Verfahrens durch erneute Konsultationen wäre in diesem Fall nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die in der durch EU-Recht geschützten Vereinbarung selbst festzulegen wären. Die Mitgliedstaaten hätten mithin nach Abschluss einer verbindlichen Vereinbarung kein uneingeschränktes Recht auf Wiederaufnahme der Konsultationen. STELLUNG DER BETROFFENEN UND GERICHTLICHE NACHPRÜFUNG Im Mittelpunkt des oben beschriebenen dreistufigen Verfahrens stehen Konsultationen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten, die mit einem bestimmten Fall befasst sind. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es im Ermittlungsverfahren häufig nicht opportun erscheint, mit dem Beschuldigten und/oder seinem Anwalt die gerichtliche Zuständigkeit eingehend zu erörtern, da dabei Fakten zur Sprache kommen können, die das Verfahren oder die Rechte Dritter beeinträchtigen könnten[60]. Ist dies nicht der Fall, sind die zuständigen Behörden in der Regel aufgrund ihres nationalen Rechts verpflichtet, der Verteidigung rechtliches Gehör zu gewähren und erforderlichenfalls Akteneinsicht. Zumindest im Ermittlungsverfahren dürften zusätzliche EU-Vorschriften über das Recht auf Gehör und Akteneinsicht entbehrlich sein. Dessen ungeachtet kann es sinnvoll sein, wenn die zuständigen Behörden nach EU-Recht verpflichtet werden, die Verteidigung frühzeitig in Gespräche einzubeziehen, in denen die für den Fall am besten geeignete Gerichtsbarkeit erörtert wird. Die Einführung einer detaillierten Regelung auf EU-Ebene, die sich mit den verschiedenen Verfahrensarten in den Mitgliedstaaten auseinander setzt, dürfte sich allerdings als schwierig erweisen. Ein EU-weites Konsultationsverfahren darf die Strafverfolgungsbehörden nicht zwingen, der Verteidigung gegenüber Informationen offen zu legen, wenn dies im innerstaatlichen Recht nicht vorgesehen ist. Wenn demnach eine EU-Regelung über die Einbeziehung der Verteidigung in ein solches Verfahren für notwendig erachtet wird, müsste sie den zuständigen Behörden bei der Einbeziehung der Verteidigung in Entscheidungen über Zuständigkeitsfragen während des Ermittlungsverfahrens genügend Spielraum lassen. Die Möglichkeit zur gerichtlichen Nachprüfung von Zuständigkeitsfragen erscheint im Hauptverfahren wichtiger als im Ermittlungsverfahren, auch wenn der Betroffene im Ermittlungsverfahren häufig nur begrenzte Interventionsmöglichkeiten hat. Die Entscheidung über die Zuständigkeit, die in Strafsachen in der Regel gleichzeitig das anwendbare Recht bestimmt, kann erhebliche Auswirkungen auf die Rechte des Betroffenen haben und muss deshalb mit einem wirksamen Rechtsbehelf anfechtbar sein (Artikel 47 der Grundrechtscharta, Artikel II-107 des Vertrags über eine Verfassung für Europa). Dies schließt jedoch nicht aus, dass den zuständigen Behörden ein beträchtlicher Ermessensspielraum eingeräumt wird. Für eine EU-Vorschrift, die die gerichtliche Nachprüfung regelt, bietet es sich an, diese Nachprüfung dem einzelstaatlichen Gericht zu überlassen, bei dem nach erfolgreichem Abschluss des Verweisungsverfahrens Anklage erhoben worden ist, ohne andere im einzelstaatlichen Recht vorhandene Rechtsbehelfe auszuschließen. Die Prüfung der Zulässigkeit einer Klage einschließlich der gerichtlichen Zuständigkeit ist im Prozessrecht aller Mitgliedstaaten vorgesehen. In einigen Mitgliedstaaten gibt es einen Ermittlungsrichter und häufig ist der förmlichen Einleitung des Hauptverfahrens ein Zwischenverfahren vorgeschaltet. Zunächst entscheiden die nationalen Gerichte jedoch in der Regel, ob sie nach innerstaatlichem Recht zuständig sind. Eine gerichtliche Prüfung der Zusatzfrage, welcher der verschiedenen zuständigen Mitgliedstaaten in einem bestimmten Fall Vorrang haben sollte, ist möglicherweise nicht in allen Rechtsordnungen vorgesehen. Lösen ließe sich diese in einem bestimmten Zusammenhang entscheidende Frage u. U. mithilfe etablierter allgemeiner strafprozessrechtlicher Grundsätze, spezieller Regeln oder Leitlinien, die den Verhältnissen in einem gemeinsamen europäischen Rechtsraum angepasst sind und mit denen die Zuweisung der Zuständigkeit an den Verfahrensstaat kontrolliert werden kann. Allgemeine Grundsätze wie das Recht auf ein faires Verfahren und/oder das Recht, von einem rechtlich zuständigen oder „auf Gesetz beruhenden Gericht“ gehört zu werden, könnten hier von Belang sein. Ist ein anderer Mitgliedstaat für denselben Fall zuständig, könnte die Verteidigung beantragen zu prüfen, ob es gerechtfertigt war, die Sache vor ein bestimmtes Gericht zu bringen[61]. Es empfiehlt sich somit, in einer EU-Vorschrift eine gerichtliche Nachprüfung der Zuständigkeit auf Antrag des Betroffenen vorzusehen, zumindest in den Fällen, in denen die Zuständigkeitszuweisung nach EU-Recht verbindlich ist (d. h. wenn sich die fraglichen Mitgliedstaaten verbindlich geeinigt haben, wer von ihnen den Fall verfolgt). Für solche verbindlichen Zuständigkeitszuweisungen könnten gemeinsame Bestimmungen vorgesehen werden, z. B. die Möglichkeit für einen Mitgliedstaat, das Verfahren wiederaufzunehmen oder die Vereinbarung zu kündigen. Da solche verbindlichen Zuständigkeitszuweisungen die Möglichkeit der Mitgliedstaaten einschränken dürften, auf der Grundlage der in ihrem Recht vorhandenen Bestimmungen und Rechtsbehelfen zum Schutz der Interessen ihrer Bürger tätig zu werden, bedarf es einer Regelung, wonach die Betroffenen das Recht auf eine gerichtliche Nachprüfung der Zuständigkeit haben müssen. Ob ein solches Recht auch bei einer einvernehmlichen, d. h. nicht verbindlichen, Zuständigkeitszuweisung bestehen soll, könnte den Mitgliedstaaten und ihrem innerstaatlichen Recht überlassen werden, wie dies derzeit bei einvernehmlichen Vereinbarungen der Fall ist. Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die Gründe, die bei der gerichtlichen Nachprüfung einer (verbindlichen) Zuständigkeitszuweisung angeführt werden können. Die Nachprüfung könnte auf die Feststellung beschränkt werden, ob das Recht auf ein faires Verfahren beachtet wurde und ob der Mitgliedstaat, in dem der Angeklagte abgeurteilt wird, für die Verfolgung des betreffenden Falles zuständig ist. Das zuständige Gericht könnte demnach von der Gerichtswahl abgehen, wenn es feststellt, dass diese Wahl willkürlich ist. Diese Nachprüfung könnte auf der Grundlage einzelstaatlicher Rechtsgrundsätze wie der Lehre vom Verfahrens- oder Ermessensmissbrauch erfolgen. Zu prüfen ist ferner, ob auch den Opfern das Recht zugestanden werden sollte, die Zuständigkeitszuweisung anzufechten. Dies erscheint angesichts der Auswirkungen auf das Tempo des Verfahrens und der Folgen für den Beschuldigten, wenn Zuständigkeitszuweisungen ständig rückgängig gemacht werden, nicht ratsam. Dennoch sollte diese Möglichkeit nicht völlig außer Acht gelassen werden. In Bezug auf die Möglichkeit der Betroffenen, selbst eine gerichtliche Nachprüfung zu beantragen, gibt es Stimmen, die die Einrichtung einer Vorverfahrenskammer – u. U. innerhalb des EuGH - fordern, die auf EU-Ebene die Zuständigkeitsentscheidung nachprüft. Die gerichtliche Kontrolle könnte einem EU-Gericht (oder einem unabhängigen EU-Gremium unter der Kontrolle des EuGH) übertragen werden. Diese Option hätte den Vorteil, dass die Nachprüfung aus einer europäischen Perspektive heraus erfolgen würde und divergierende Entscheidungen nationaler Gerichte vermieden werden könnten. Mitunter wird auch zu bedenken gegeben, dass es die nationalen Gerichte überfordern würde, wenn sie über Fragen zu befinden hätten, die einen Bezug zu mehreren einzelstaatlichen Rechtsordnungen aufweisen. Das letzte Argument erscheint allerdings weniger stichhaltig, da die nationalen Gerichte nur prüfen müssten, ob andere Mitgliedstaaten ebenfalls zuständig sind und die Zuständigkeitszuweisung gerecht, d. h. im Einklang mit dem Recht auf ein faires Verfahren erfolgt ist. Mit dem ausländischen Verfahrensrecht selbst bräuchten sie sich nicht auseinander zu setzen. Die geltenden Gemeinschaftsverträge enthalten keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Einrichtung einer EU-Vorverfahrenskammer oder für die Nachprüfung von Entscheidungen nationaler Behörden im Rahmen strafrechtlicher Verfahren durch den EuGH. Der EuGH verfügt nach den Artikeln 35 und 46 EUV nur über eine begrenzte Zuständigkeit in Strafsachen. Artikel 35 sieht in Absatz 2 ff. eine Vorabentscheidungsbefugnis des EuGH sowie in Absatz 7 die Befugnis zur Entscheidung über mitgliedstaatliche Streitigkeiten vor. Die in diesen Vertragsartikeln vorgesehenen Verfahren betreffen jedoch keine Einzelfallregelungen, sondern nur die Gültigkeit und Auslegung von EU-Rechtsakten. Bei einem Rahmenbeschluss über Kompetenzkonflikte könnte der Gerichtshof über die Gültigkeit und Auslegung dieses Beschlusses entscheiden, aber er hätte nicht die Befugnis, Zuständigkeitszuweisungen im Einzelfall nachzuprüfen. Hierzu bedarf es einer Änderung der Gemeinschaftsverträge. Die Zuständigkeit des Gerichtshofs für Vorabentscheidungen setzt überdies nach Absatz 2 eine entsprechende Erklärung der Mitgliedstaaten voraus, und nicht alle Mitgliedstaaten haben eine solche Erklärung abgegeben. Zwar können nationale Gerichte ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH richten, aber sie sind in einigen Mitgliedstaaten nicht dazu verpflichtet. Schließlich kann der Gerichtshof bei einer Streitigkeit über die Auslegung eines Rahmenbeschlusses (Absatz 7) nur von den Mitgliedstaaten angerufen werden, d. h. weder Einzelne noch die Kommission, noch ein anderes EU-Gremium können eine solche Nachprüfung beantragen. Nach dem derzeit geltenden EU-Vertrag kann eine bestimmte Zuständigkeitszuweisung somit nur von den nationalen Gerichten überprüft werden. Dies bringt uns zurück zu dem längerfristig terminierten Vorschlag, die Entscheidung über die zuständige Gerichtsbarkeit in bestimmten Fällen einer EU-Einrichtung zu übertragen. Da es derzeit keine Möglichkeit für eine gerichtliche Nachprüfung auf EU-Ebene gibt und die nationalen Gerichte EU-Entscheidungen nicht nachprüfen dürfen, besteht kein Zweifel daran, dass die Schaffung einer EU-Einrichtung, die die geeignete Gerichtsbarkeit im Einzelfall festlegt, nicht realisierbar ist. Es besteht somit keine Möglichkeit, verbindliche EU-Zuständigkeitsentscheidungen gerichtlich nachprüfen zu lassen. Umgekehrt ist es nicht angemessen, solche Entscheidungen ohne die Möglichkeit einer gerichtlichen Nachprüfung vorzusehen. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass Artikel III-359 des Vertrags über eine Verfassung für Europa die Einrichtung eines Fachgerichts für Entscheidungen im ersten Rechtszug in bestimmten Rechtsbereichen durch ein Europäisches Gesetz vorsieht. Die Zuständigkeit eines EU-Gerichts für die Nachprüfung von Zuständigkeitsentscheidungen sollte somit in einem neuen Vertragswerk nicht ausgeschlossen werden. Die Bedeutung des Zeitfaktors in strafrechtlichen Verfahren sollte in jedem Fall nicht unterschätzt werden. Insbesondere, wenn sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft befindet, ist Eile geboten. Deshalb könnte in einer künftigen EU-Regelung auch eine Bestimmung aufgenommen werden, die den nationalen Gerichten im Falle einer gerichtlichen Nachprüfung Fristen für den Erlass einer abschließenden Entscheidung vorschreibt. In diesem Bereich bedarf es rascher Entscheidungen sowie besonderer Vorkehrungen im Hinblick auf das Verfahren, die Struktur und die Ressourcen, die benötigt werden, wenn das EuGH mit der gerichtlichen Nachprüfung, insbesondere wenn es um Einzelfallentscheidungen geht, betraut wird. Frage 7: Welche Art gerichtlicher Kontrolle oder Nachprüfung wäre bei einer Zuständigkeitszuweisung notwendig und angemessen? Im nachstehenden Flussdiagramm sind die in Frage kommenden Bestandteile eines Verfahrens zur Bestimmung der zuständigen Gerichtsbarkeit und zur Gewährleistung eines diesbezüglich ausgewogenen Vorgehens aufgeführt. In den Feldern in Fettdruck sind die Hauptelemente des Verfahrens enthalten, während in den gestrichelten Feldern auf eine etwaige gerichtliche Nachprüfung und andere langfristig zu erwägende Ergänzungen hingewiesen wird. [pic] KONZENTRATION DER STRAFVERFOLGUNG IN EINEM MITGLIEDSTAAT Das vorstehend beschriebene Verfahren zielt letzten Endes darauf ab, dass die Strafverfolgung vorrangig einem Mitgliedstaat übertragen wird. Die in einem Fall laufenden Strafverfahren würden somit in einem so genannten Verfahrensmitgliedstaat konzentriert, zumindest nachdem die jeweiligen einzelstaatlichen Verfahren ein bestimmtes Stadium erreicht haben. Eine solche Vorrangregel hätte im Strafrecht eine ähnliche Funktion wie die Rechtshängigkeit im Zivilrecht. Da die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit in Strafsachen in der Regel darauf hinausläuft, dass damit gleichzeitig das anwendbare Recht festgelegt wird, ist eine solche Regel hier noch wichtiger als in Zivilsachen, wo die Gerichte häufig das Recht anderer Mitgliedstaaten anwenden. Eine Vorrangregel (die auf die Konzentration der Strafverfolgung in einem einzigen Staat abzielt) würde in Kombination mit dem oben dargelegten Verfahren und den Kriterien für die Bestimmung der am besten geeigneten Gerichtsbarkeit eine ausgewogene Zuständigkeitsentscheidung ermöglichen (statt einer eher zufälligen Zuständigkeitszuweisung nach dem Motto „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“). Trotz der erheblichen Unterschiede zwischen Zivil- und Strafrecht könnte Artikel 27 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 als Vorbild für eine ähnliche Bestimmung oder einen ähnlichen Grundsatz in Strafverfahren dienen, wenn auch in beiden Absätzen dieses Artikels auf einen Vorrang in zeitlicher Hinsicht abgestellt wird. In Zivilsachen ist dem „zuerst angerufenen Gericht“ Vorrang einzuräumen; andere Gerichte müssen ihr Verfahren „aussetzen“. Wird die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts bestätigt, müssen sich die anderen Gerichte für unzuständig erklären. Hier stellt sich die Frage, ob sich diese Vorgehensweise auf das Strafrecht übertragen lässt. Von grundlegender Bedeutung ist dabei der Aspekt, ob der (ausschließliche) Verweis auf „Gerichte“ auch in Strafsachen angebracht ist. Das Vorverfahren ist in Strafsachen von großer Bedeutung, wenn es auch zwischen den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede in der Ausgestaltung und Funktion gibt. In Zivil- und Handelssachen fehlt ein solches Vorverfahren hingegen in aller Regel. In Strafsachen könnte deshalb eine Bezugnahme auf „Strafverfolgungsbehörden“ statt auf Gerichte erwogen werden (oder sogar Ermittlungsbehörden generell, wenn sie im Rahmen eines Verfahrens, z. B. eines Ermittlungsverfahrens, tätig werden)[62]. Dies würde bedeuten, dass die Vorrangregel im Strafverfahren bereits in einer frühen Phase zur Anwendung gelangen würde. Was die Rechte des Einzelnen anbelangt, z. B. das Recht auf Freizügigkeit, erscheint dies auf den ersten Blick wünschenswert. Im Laufe der Strafverfolgung kann sich jedoch die Einschätzung dessen, was zuerst als die am besten geeignete Gerichtsbarkeit erschien, durch neue Erkenntnisse ändern. Es ist vielleicht deshalb nicht ratsam, den zuständigen Behörden bereits in einer frühen Verfahrensphase eine Entscheidung über die Zuständigkeit abzuverlangen. Zudem könnte die Anwendung der Vorrangregel zu einem solch frühen Zeitpunkt die Frist für die Bestimmung der am besten geeigneten Gerichtsbarkeit erheblich verkürzen und sich negativ auf den Ablauf des in diesem Grünbuch vorgestellten Zuständigkeitsverfahrens auswirken. Parallele Verfahren in zwei oder mehr Mitgliedstaaten (z. B. polizeiliche Ermittlungen) könnten deshalb bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Verfahren vor Gericht beginnt, befürwortet werden, damit die beteiligten Mitgliedstaaten möglichst viele Informationen zusammentragen können, bevor darüber entschieden wird, welcher von ihnen besser platziert ist, um den Fall strafrechtlich weiterzuverfolgen. Ungeachtet des bedeutenden Beitrags paralleler Verfahren zu der Entscheidung der beteiligten Mitgliedstaaten, welcher von ihnen am besten für die Übernahme des Falls geeignet ist, sollten solche Verfahren nicht endlos weiterlaufen dürfen. Sie müssten zeitlich begrenzt oder besser auf einen bestimmten Verfahrensabschnitt beschränkt sein. Der geeignetste Zeitpunkt für die Anwendung der Vorrangregel, die eine Konzentration der Strafverfolgung auf einen einzigen Mitgliedstaat bewirkt, dürfte der Moment sein, in dem Anklage erhoben wird . Bis dahin hätten die Strafverfolgungsbehörden die notwendigen Informationen, um die Zuständigkeit eingehend prüfen zu können. Die Hauptbelastung für den Betroffenen in rechtlicher, finanzieller und psychologischer Hinsicht ergibt sich ohnehin in der Regel nach Anklageerhebung, so dass sich die aus Mehrfachverfahren in diversen Staaten resultierende zusätzliche Belastung für den Betroffenen auch dann noch vermeiden ließe, wenn die Vorrangregel erst zum Zeitpunkt der Anklageerhebung greifen würde. In diesem Zusammenhang wäre ferner zu klären, ob ein Vorrang in zeitlicher Hinsicht im Bereich des Strafrechts angemessen wäre. Wie oben ausgeführt, ließe sich eine zufällige oder gar willkürliche Bestimmung der Zuständigkeit durch fundierte prozessuale und materiellrechtliche Bestimmungen (in Bezug auf Informationsaustausch, Konsultation, Beschlussfassung, gerichtliche Nachprüfung und inhaltliche Kriterien) vermeiden. Im Interesse eines ausgewogenen Vorgehens sollte eine Vorrangregel, die die Aussetzung/Einstellung paralleler Verfahren zugunsten der Gerichtsbarkeit, bei der Anklage erhoben worden ist, verlangt, nicht völlig isoliert bleiben. Im Unterschied zu Zivilsachen, wo sich die Parteien in einer Sache, bei der Kompetenzkonflikte auftreten, unabhängig vom Ort der Zuständigkeit in der Regel nicht ändern, bleibt in Strafsachen nur der Beschuldigte dieselbe Person, nicht aber die Strafverfolgungsbehörde. Es sollte daher vorgesehen werden, dass die Vorrangregel nur so lange Anwendung findet, wie das Verweisungsverfahren ordnungsgemäß befolgt wird, insbesondere was die Unterrichtung der übrigen Mitgliedstaaten anbelangt und die Aufnahme von Gesprächen. Um überdies zu vermeiden, dass die Strafverfolgung in einem Mitgliedstaat, dessen Behörden in Konsultationen mit anderen ausländischen Behörden stehen, die Phase der Anklageerhebung erreicht und der Mitgliedstaat somit unter Berufung auf die Vorrangregel sein einzelstaatliches Verfahren zu Ende führen kann, sollte eine weitere Bestimmung vorgesehen werden, wonach keine Anklage erhoben werden kann, so lange das Konsultations- und/oder Streitbeilegungs-/Mediationsverfahren nicht abgeschlossen ist. Während eines laufenden Konsultations- und/oder Streitbeilegungsverfahrens darf mit anderen Worten bei Gericht keine Anklage erhoben werden. Wenn die vorgeschlagenen Regelungen eingeführt werden, hat dies zur Folge, dass jede Mitteilung, mit der die Einleitung der Strafverfolgung in einem konkreten Fall in Aussicht gestellt wird, und die anschließende Einleitung des Verweisungsverfahrens zumindest vorübergehend eine Anklageerhebung ausschließen, und zwar unabhängig davon, ob der Mitgliedstaat, der diese Absichtsbekundung oder konkrete Einleitung der Strafverfolgung veranlasst hat, dies als erster, zweiter usw. getan hat. Für den Fall, dass das Drei-Stufen-Verfahren (aufgrund neuer Erkenntnisse) erneut eingeleitet wird, sollte in gleicher Weise vorgegangen werden. Wurde jedoch bereits im Einklang mit dem Verweisungsverfahren (z. B. ordnungsgemäße Erfüllung der Informationspflichten) Anklage erhoben, könnte vorgesehen werden, dass es dem Ermessen des zuständigen nationalen Gerichts überlassen wird, ob es aufgrund der neuen Erkenntnisse (in einem späteren Stadium des Gerichtsverfahrens), die das Interesse eines anderen Mitgliedstaats an der Strafverfolgung nahe legen, das Verfahren weiterführt oder aussetzt. Dies ist ein entscheidender Aspekt, um die wiederholte Anklageerhebung vor verschiedenen Gerichten zu vermeiden. Bei der Ausübung seines Ermessens sollte das Gericht alle für den Angeklagten nachteiligen Folgen berücksichtigen. Die Einführung einer Vorrangregel (die, sobald in einem Mitgliedstaat Anklage erhoben worden ist, parallele Verfahren in derselben Sache unterbindet, sofern dieser Mitgliedstaat seiner Informationspflicht nachgekommen ist) soll andere Mitgliedstaaten nicht daran hindern, im Einklang mit ihrem innerstaatlichen Recht Unterstützung in jeder nur möglichen Form im Wege bestehender EU- und internationaler Vereinbarungen zu leisten. Die mitgliedstaatlichen Behörden, die das Strafverfahren im eigenen Land aufgrund der Zuständigkeitsregelung nicht weiter betreiben, sollten, wenn sie weitere sachdienliche Hinweise erhalten, diese an den Verfahrensstaat weiterleiten und sonstigen Beistand leisten. Erforderlichenfalls sollten sie, wie in Artikel 7 des Rechtshilfeübereinkommens vorgesehen, unaufgefordert Informationen mitteilen. Ohne Einwilligung der Behörden des Verfahrensstaats dürfen sie jedoch keine Maßnahmen ergreifen, die sich gegen Beweismittel, Erlöse aus Straftaten, Beschuldigte oder Zeugen richten[63]. Für den außergewöhnlichen Fall, dass die Behörden eines Mitgliedstaats, die einen Fall bearbeiten, in dem bereits Anklage erhoben worden ist , erfahren, dass ein anderer Mitgliedstaat ebenfalls ein Verfahren eingeleitet hat, müssen sie unverzüglich die Behörden dieses anderen Mitgliedstaats informieren[64]. Mit dieser Informationspflicht sollte die Pflicht einhergehen, die Gerichtsverfahren umgehend auszusetzen, damit unverzüglich über die geeignete Gerichtsbarkeit entschieden werden kann. Letztere Pflicht zur Aussetzung des Verfahrens sollte jedoch nur dann greifen, wenn die Behörden des ersten Verfahrensstaats ihrer ursprünglichen Informations- und Konsultationspflicht nicht nachgekommen sind. Sind sie dieser Pflicht nachgekommen, stünde es im Ermessen des Gerichts, bei dem die Anklage zuerst erhoben wurde, ob es das Verfahren einstellt oder nicht. In einem solchen Fall sollte die erste Behörde Vorrang erhalten, es sei denn, sie beschließt, sich mit der anderen Behörde ins Benehmen zu setzen. Ist hingegen bereits in beiden Mitgliedstaaten Anklage erhoben worden (ohne dass ihnen das Verfahren im anderen Staat bekannt war), würde das Gebot der Verfahrensaussetzung in beiden Staaten gelten, bis im Wege des Verweisungsverfahrens über die zuständige Gerichtsbarkeit entschieden worden ist. Diese Regel könnte unabhängig davon angewandt werden, ob einer der Mitgliedstaaten oder beide ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen sind. In den vorstehenden Fällen (Anklageerhebung in mehr als einem Mitgliedstaat oder Anklageerhebung in einem Staat und bereits eingeleitetes paralleles Strafverfahren in einem anderen) könnte in jedem Fall vorgesehen werden, dass ein in einem Mitgliedstaat laufendes Gerichtsverfahren für die Überlegung, auf welchen Staat das Gerichtsverfahren zu konzentrieren ist, ein entscheidungserhebliches Kriterium sein sollte. Eine weitere wichtige Frage betrifft die Definition dessen, was in Strafsachen als ‚dieselbe Tat’ anzusehen ist. Im Vorgriff auf die nachstehenden Ausführungen geht die Kommission mangels anders lautender Stellungnahmen davon aus, dass sowohl bei der Behandlung anhängiger Fälle im Rahmen des Verweisungsverfahrens als auch bei der Auslegung des Grundsatzes ne bis in idem der Begriff der ‚ selben Tat ’ in der gleichen Bedeutung verwendet wird. Würde für anhängige Sachen und rechtskräftige Entscheidungen eine andere Bestimmung gelten, würde dies zu Rechtsunsicherheit und Spannungen zwischen beiden Regelungen führen. Frage 8: Bedarf es einer Regelung oder eines Grundsatzes, die bzw. der die Aussetzung/Beendigung paralleler Verfahren innerhalb der EU gebietet? Wenn ja, ab welchem Verfahrensabschnitt? DRITTLÄNDER In einem internationalen Kontext könnten nur sehr viel bescheidenere Ziele verfolgt werden als in einem gemeinsamen europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Dennoch könnte es hilfreich sein, den Informationsaustausch zu verbessern und vielleicht sogar ein Konsultationsverfahren in Bezug auf bestimmte Drittländer einzuführen, insbesondere jene, die über einen vergleichbaren Grundrechts- und Datenschutz verfügen (z. B. die Vertragsstaaten des Europarats und der EMRK). In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Eurojust ermächtigt ist, mit Zustimmung des Rates Vereinbarungen mit Drittstaaten auszuhandeln. Dies könnte auch den Austausch von Informationen über laufende Verfahren und Verurteilungen einschließen. Auf diese Weise ließe sich der Informationsaustausch insgesamt verbessern, und langfristig könnten Konsultationsverfahren eingeführt werden. Der Informationsaustausch mit Drittländern könnte sich auf rechtskräftige Entscheidungen (Verurteilungen und Freisprüche) konzentrieren, um so die Anwendung des Grundsatzes ne bis in idem zu verbessern. Eine darüber hinausgehende engere Zusammenarbeit scheint mit bestimmten Drittstaaten möglich. Interessant ist auch, dass der Europäische Ausschuss für Strafrechts-Fragen (CDPC) des Europarats Vorschläge aufgegriffen hat, die auf den Aufbau eines gemeinsamen europäischen Rechtsraums („European area of shared justice“) auf der Grundlage vertrauensbildender Maßnahmen abzielen, zu denen auch Regeln zur Bestimmung der zuständigen Gerichtsbarkeit gehören könnten[65]. Die EU könnte gegebenenfalls über die Einführung eines Verweisungsverfahrens in ihrem Rechtsraum hinaus ähnliche Vorhaben in einem größeren Kontext unterstützen und/oder ergänzen. In diesem Zusammenhang wäre zu prüfen, ob solchen Vereinbarungen ein bilaterales (erforderlichenfalls auch multilaterales) Konsultationsverfahren zugrunde liegen sollte – eventuell sogar mit einem Streitbeilegungsverfahren – oder eher das Konzept, das im Übereinkommen über die Übertragung der Strafverfolgung angewandt wurde. Die erste Lösung dürfte für den EU-Rechtsraum vorzuziehen sein, während im internationalen Kontext ein Vorgehen auf der Grundlage von Ersuchen zur Übertragung der Strafverfolgung ausreichend sein könnte. Multilaterale Vereinbarungen wie das der nordischen Staaten vom 25. September 1970[66] zeigen, dass sich auf diese Weise durchaus eine Verfahrensvereinfachung erreichen lässt. Nach dieser Vereinbarung kann ein Land unter bestimmten Voraussetzungen ein anderes Land um die Einleitung eines Strafverfahrens ersuchen. Frage 9: Sollte die Konsultation mit Drittstaaten, insbesondere mit Staaten des Europarats, und/oder die Übertragung der Strafverfolgung an diese Staaten besonders geregelt werden? Wie sollte hier vorgegangen werden? ZUSTÄNDIGKEITSKRITERIEN Als dritter Bestandteil einer umfassenden Strategie zur Verhinderung und Lösung von Kompetenzkonflikten sollte neben dem Verweisungsverfahren und einer Regel, die die Konzentration paralleler Verfahren auf einen Mitgliedstaat vorschreibt, eine Liste materiellrechtlicher Zuständigkeitskriterien aufgestellt werden. Die Kommission geht, wie oben erwähnt, davon aus, dass jeder Fall seine eigenen Besonderheiten aufweist. Folglich muss auch die Entscheidung darüber, welche Gerichtsbarkeit für die Strafverfolgung am besten geeignet ist, auf den Fakten und sachlichen Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls basieren. Bei der Zuständigkeitszuweisung sind alle relevanten Faktoren zu berücksichtigen. Da jeder Fall seine Besonderheiten aufweist, sollte auf eine starre Zuständigkeitsregelung verzichtet werden. Dessen ungeachtet könnten Leitprinzipien und Kriterien für die Zuständigkeitszuweisung ausgearbeitet und gegebenenfalls in einen künftigen Rechtsakt aufgenommen werden. Es gibt bereits Rechtstexte auf EU- und Europaratsebene, auf deren Grundlage ein Gesamtkonzept für den gemeinsamen europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts erörtert werden könnte. In Artikel 8 des Europaratsübereinkommens über die Übertragung der Strafverfolgung[67] sind folgende Kriterien aufgeführt, die erschöpfend die Fälle auflisten, in denen ein Vertragsstaat einen anderen um die Übernahme der Strafverfolgung ersuchen kann: - Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Beschuldigten, Staatsangehörigkeit und „Herkunftsstaat“ des Beschuldigten (Buchstaben a und b) - Ort, an dem der Beschuldigte eine freiheitsentziehende Sanktion verbüßt (Buchstabe c) - laufendes Verfahren gegen den Beschuldigten (Buchstabe d) - Ort, an dem sich die wichtigsten Beweismittel usw. befinden (Buchstabe e) - Möglichkeiten der Vollstreckung und Wiedereingliederung in die Gesellschaft (Buchstaben f und h) - Möglichkeiten, die Anwesenheit des Beschuldigten in der Hauptverhandlung zu gewährleisten (Buchstabe g). Das EU-Recht sieht bestimmte Kriterien vor, die für die Auswahl einer geeigneten Gerichtsbarkeit relevant sind. Die betreffenden Bestimmungen gelten jedoch nur für bestimmte Straftatbestände. Artikel 4 Absatz 2 der Gemeinsame Maßnahme[68] betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung beispielsweise legt fest, dass die Mitgliedstaaten insbesondere die Standorte der einzelnen Teile der kriminellen Vereinigung berücksichtigen. Nach Artikel 9 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung[69] wird nacheinander folgenden Anknüpfungspunkten Rechnung getragen: Mitgliedstaat, in dem die Straftat begangen wurde, Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Täter besitzt oder in dem er ansässig ist, Mitgliedstaat, aus dem die Opfer stammen, und Mitgliedstaat, in dem der Täter ergriffen wurde. Bei der Bestimmung der zuständigen Gerichtsbarkeit können mehrere Faktoren eine Rolle spielen. In seinen Leitlinien zur Lösung von Kompetenzkonflikten schlägt Eurojust folgende nicht erschöpfende Liste relevanter Faktoren für den Ort der Strafverfolgung vor: - Aufenthaltsort des Beschuldigten und Möglichkeiten der Auslieferung oder Überstellung - Möglichkeit der Zusammenfassung oder Aufteilung der Strafverfolgung in komplexen Fällen - Anwesenheit von Zeugen und Zeugenschutz - voraussichtliche Verfahrensdauer - Opferinteressen - Beweisprobleme - rechtliche Anforderungen und Strafbemessungsbefugnisse - Möglichkeit der Verfügungsbeschränkung, Beschlagnahme und/oder Einziehung von Erträgen aus Straftaten - Ressourcen und Kosten der Strafverfolgung. Zusammen mit den Kriterien aus dem oben genannten Europaratsübereinkommen[70] können die Eurojust-Leitlinien als Ausgangspunkt für eine Erörterung der Kriterien dienen, die in eine EU-Regelung aufgenommen werden könnten. In einer solchen Regelung könnten u. U. auch Faktoren aufgeführt werden, die nicht als relevant angesehen werden sollten. Territorialität Auf der Grundlage der in seinem Seminar erarbeiteten Erkenntnissen geht Eurojust davon aus, dass „sofern möglich, eine Strafverfolgung in der Gerichtsbarkeit durchzuführen ist, in der die Straftat schwerpunktmäßig verübt oder der meiste Schaden erlitten wurde“. Dies lässt sich als eine weiter entwickelte Ausprägung des Territorialitätsprinzips (Ort der Straftat) verstehen, bei der berücksichtigt wird, dass der „Schaden“ (oder Verlust) bei vielen, wenn nicht gar den meisten Straftaten ein Tatbestandsmerkmal ist. Das Territorialitätsprinzip wird auch im Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung als erstes und somit wichtigstes Kriterium genannt. Eine ähnliche Bestimmung findet sich im Rahmenbeschluss über Angriffe auf Informationssysteme. Darüber hinaus lassen auch andere EU-Rechtsvorschriften den Schluss zu, dass das Territorialitätsprinzip von den Mitgliedstaaten einhellig als wichtiges Kriterium angesehen wird. Als Beispiel seien hier Artikel 55 Absatz 1 Buchstabe a des Schengener Durchführungsübereinkommens und Artikel 4 Absatz 7 des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl genannt. Das Territorialitätsprinzip ist nicht zuletzt auch ein anerkannter völkerrechtlicher Grundsatz[71]. Das Territorialitätsprinzip ist deshalb nicht nur als ein objektives Kriterium zu betrachten, sondern als ein Kriterium, das weithin anerkannt ist[72]. Das Territorialitätsprinzip verweist auf den Ort der Straftat und gegebenenfalls je nach Art der Straftat auch auf den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist. Die Bestimmung der zuständigen Gerichtsbarkeit anhand des Territorialitätsprinzips impliziert demnach automatisch die Herstellung einer gewissen Verbindung zu den Interessen der Personen, die einen Schaden erlitten haben, d. h. zu den Opfern, und in manchen Fällen zu den betreffenden Staaten. Es wäre ohnehin schwierig, wenn nicht gar unmöglich, eine allgemeine Tatort-Definition zu entwickeln. Bei Straftaten, deren Tatbestandsmerkmale nicht durch EU-Recht harmonisiert worden sind, kann das Territorialitätskriterium zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, umso mehr als die einzelnen Rechtssysteme u. U. unterschiedliche Definitionsansätze verfolgen. Auch wenn der Tatortbegriff EU-weit definiert würde (eventuell differenziert nach bestimmten Straftatkategorien), würde eine rein auf dem Territorialitätsprinzip gründende Zuständigkeitsregelung nicht in allen Fällen eine völlig eindeutige Zuständigkeitszuweisung ergeben. Der Tatort kann in mehr als einem Mitgliedstaat liegen, und die Zahl solcher Fälle dürfte mit der zunehmenden Verbindung zwischen Straftätern, die international operieren, insbesondere in den Bereichen der organisierten Kriminalität, der Finanz-, Wirtschafts-, Umwelt- und Cyberkriminalität, weiter zunehmen. Dennoch ist es auch in komplexen Fällen möglich, einen Schwerpunkt der strafbaren Handlung auszumachen, der sich häufig auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats begrenzen lässt. In diesen Fällen spricht sehr viel dafür, die Straftat in diesem Staat zu verfolgen. Das Territorialitätsprinzip ist deshalb als wichtiges und nützliches Kriterium anzusehen, auch wenn darüber hinaus weitere Kriterien erforderlich sind, die zumindest ergänzend zu berücksichtigen sind. Frage 10: Sollten in einer künftigen Regelung zu Kompetenzkonflikten die Kriterien aufgeführt werden, die bei der Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit heranzuziehen sind? Auf den Beschuldigten abstellende Kriterien Sowohl in den hier angeführten Rechtsinstrumenten als auch in den Eurojust-Leitlinien spielen auf die Person des Beschuldigten bezogene Aspekte ebenfalls eine wichtige Rolle. Dies gilt insbesondere für deren Staatsangehörigkeit und Wohnsitz oder Aufenthalt, den Ort ihrer Festnahme oder Haft, den Umstand, dass in einem Mitgliedstaat andere Verfahren gegen dieselbe Person laufen, und die Aussichten auf eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft, wenn es um den Vollzug einer Strafe geht. Aus all diesen Faktoren sowie aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgt, dass die Person des Beschuldigten betreffende Umstände zu berücksichtigen sind. Die mit einem Strafverfahren einhergehenden Freiheitsbeschränkungen und Belastungen des Beschuldigten (z. B. in Bezug auf Familie, Arbeitsplatz, Sprache, Finanzen und Vermögen) lassen sich minimieren, wenn das Verfahren am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Beschuldigten stattfindet. Dies gilt insbesondere für die Hauptverhandlung. Der gewöhnliche Aufenthalt des Beschuldigten oder der Mehrzahl der Beschuldigten, wenn es sich um mehrere Personen handelt, ist daher im Hinblick auf das Verhältnis- und Angemessenheitsprinzip als geeignetes und wichtiges Kriterium zu betrachten. In manchen Fällen allerdings könnten die Interessen des Beschuldigten mit den Interessen anderer Parteien und Betroffenen, insbesondere der Opfer, und in besonderen Fällen (z. B. bei Staatssicherheitsdelikten) mit staatlichen Interessen oder Interessen anderer Personen (z. B. Zeugen) kollidieren. Mitunter könnten den Interessen des Beschuldigten auch andere Erwägungen vorgehen, die mit der Effizienz des Verfahrens oder anderen praktischen Verfahrensaspekten, z. B. mit dem Ort, an dem sich die Beweismittel befinden, zusammenhängen. Die Interessen des Beschuldigten können daher als eher einseitiges Kriterium gelten (d. h. weniger objektiv als der Ort, an dem die Straftat verübt wurde), das abzuwägen ist gegen andere Kriterien, die die Interessen der anderen Parteien und/oder Beteiligten berücksichtigen. In der Regel wird man den Interessen des Beschuldigten am besten gerecht, wenn das Gerichtsverfahren am Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts abgehalten wird. Ein weiterer wichtiger, wenn auch vielleicht weniger ausschlaggebender Aspekt ist die Staatsangehörigkeit des Beschuldigten, es sei denn, besondere Umstände legen nahe, dass die Person eine engere Beziehung zu dem Staat hat, deren Staatsangehörigkeit sie besitzt, als zu dem Staat, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die zuständigen Behörden sollten solche Umstände und Rechtsbeziehungen auf Antrag des Beschuldigten oder, wenn sie ihnen bekannt sind, von sich aus berücksichtigen. Berücksichtigt werden könnten auch mit einem etwaigen Strafvollzug verbundene Aspekte (z. B. im Hinblick auf die Wiedereingliederung des Straftäters in die Gesellschaft), wobei diese jedoch im Ermittlungsverfahren schwer zu beurteilen sein dürften und mit den EU-Vorschriften zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit vermutlich zunehmend an Bedeutung verlieren werden. Ein Mitgliedstaat kann in jedem Fall, wenn er einen Staatsangehörigen oder Gebietsansässigen überstellt, verlangen, dass die Person zur Verbüßung der Strafe rücküberstellt wird (Artikel 5 Absatz 3 des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl). Was den Ort der Festnahme des Beschuldigten anbelangt, so ist fraglich, ob dieser überhaupt als geeignetes und/oder objektives Kriterium anzusehen ist. Eine allein auf dieses Kriterium gestützte Lösung würde möglicherweise reine Zufallsergebnisse produzieren oder könnte sogar zu einer Art Forum Shopping missbraucht werden. Hier ließe sich argumentieren, dass zu der Zeit, als Artikel 9 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung formuliert wurde (in den Eurojust-Leitlinien hat dieses Kriterium überdies einen geringeren Stellenwert), die Fortschritte bei der Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung, insbesondere beim Europäischen Haftbefehl, noch nicht absehbar waren, so dass dieses Kriterium damals notwendig erschien (weniger im Interesse des Beschuldigten als vielmehr im Interesse eines zügigen und effizienten Verfahrens). Mit der ordnungsgemäßen Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl (was noch nicht in allen Mitgliedstaaten der Fall ist) und weiterer Rechtsakte zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung kann sich die Lage jedoch ändern, so dass auf dieses Kriterium letztlich verzichtet werden kann. Interessen der Opfer Opfer haben ein natürliches und legitimes Interesse daran, an der Hauptverhandlung teilnehmen zu dürfen. Die EU hat dieses Interesse in verschiedenen Rechtsakten berücksichtigt[73]. In manchen Rechtsordnungen existieren Strafverfahren und damit zusammenhängende zivil- oder verwaltungsrechtliche Schadenersatzklagen nebeneinander. Unabhängig davon, ob dies der Fall ist oder nicht, spielt das Strafverfahren für die Opfer in aller Regel eine große Rolle. Die rechtliche, finanzielle, sprachliche und psychologische Belastung, die ein Strafverfahren für die Opfer mit sich bringt, ließe sich erheblich verringern, wenn das Verfahren in demselben Mitgliedstaat stattfände wie die entsprechende zivil- und/oder verwaltungsrechtliche Schadenersatzklage; dies gilt insbesondere dann, wenn sie die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzen oder dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Obwohl die Interessen der Opfer (ebenso wie die der Beschuldigten) völlig legitim sind, sind sie ihrem Wesen nach ebenfalls eher einseitig und müssen gegen die mitunter kollidierenden Interessen der Beschuldigten abgewogen werden. Sie eignen sich zwar ebenfalls nicht als „vorrangiges“ Kriterium, aber sie könnten als zweite oder dritte Priorität eingestuft werden. Was konkret das Verhältnis zwischen „Hauptwohnsitz“ und Staatsangehörigkeit angeht, sollte dem Hauptwohnsitz bzw. ständigen Aufenthalt Vorrang eingeräumt werden; andere Aspekte wie die Staatsangehörigkeit würden zusätzlich berücksichtigt. In den Eurojust-Leitlinien wird in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit der Verfügungsbeschränkung, der Beschlagnahme und/oder Einziehung von Erträgen aus Straftaten genannt. Auch dies ist ein Aspekt, der sowohl die Interessen der Opfer als auch die Effizienz des Verfahrens berührt und von daher zu berücksichtigen ist. Er ist jedoch hier von geringerer Bedeutung, da andere EU-Vorschriften wie u. a. der Rahmenbeschluss über Sicherstellungsentscheidungen, der Rahmenbeschluss über Geldwäsche sowie Ermittlung, Einfrieren, Beschlagnahme und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten[74] oder der Rahmenbeschlussentwurf über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Einziehungsentscheidungen[75] einschlägige Bestimmungen enthalten. Da es zudem in der Hauptverhandlung um die Feststellung von Schuld und Unschuld und gegebenenfalls die Strafzumessung geht, kann die Möglichkeit der Verfügungsbeschränkung, der Beschlagnahme und/oder der Einziehung von Erträgen aus Straftaten als zweitrangig angesehen werden. Auf das Staatsinteresse abstellende Kriterien Abgesehen von dem allgemeinen Interesse, das die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Rechtsdurchsetzung generell an Strafverfahren haben, können in bestimmten Fällen besondere Interessen des Staates involviert sein. Dies gilt vor allem für Delikte, die die Staatssicherheit berühren, und in geringerem Maße auch für Delikte, die von Amtsträgern begangen worden sind. Artikel 55 Absatz 1 Buchstaben b und c des Schengener Durchführungsübereinkommens weist auf diese Faktoren hin und belegt, dass die Mitgliedstaaten das Staatsinteresse als Grund für die Strafverfolgung anerkennen (auch wenn bereits eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist, die ein Strafverfolgungsverbot in einem anderen Mitgliedstaat begründet). In Bezug auf von Amtsträgern begangene strafbare Handlungen sei auf Artikel 7 Absatz 2 des Übereinkommens über die Übertragung der Strafverfolgung verwiesen[76]. Bei diesen besonderen Fällen des Staatsinteresses ist die Lage ähnlich wie bei den Opferinteressen. Wie letztere sind auch sie als legitime Kriterien heranzuziehen. Auf die Effizienz und Dauer des Verfahrens abstellende Kriterien Wie es in den Eurojust-Leitlinien zu Recht heißt, ist „verzögerte Gerechtigkeit verweigerte Gerechtigkeit“. Im Interesse aller Beteiligten muss das Strafverfahren daher so rasch wie möglich abgeschlossen werden. Auch Artikel 6 Absatz 1 EMRK ist hier einschlägig. Die zu erwartende Verfahrensdauer ist mithin unstreitig ein legitimer Faktor, der bei der Zuständigkeitszuweisung berücksichtigt werden kann und sollte. Er sollte jedoch nicht auf subjektiven Annahmen beruhen, sondern auf ganz konkrete Kriterien, anhand deren sich die Dauer und Effizienz des Verfahrens bestimmen lässt. Zudem sollte, wie Eurojust bemerkt, Zeit „nicht das Hauptkriterium bei der Entscheidung über die zuständige Gerichtsbarkeit sein“. Sowohl im Übereinkommen über die Übertragung der Strafverfolgung als auch in den Eurojust-Leitlinien wird besonders auf die Effizienz des Verfahrens abgestellt. Während das Übereinkommen als Anhaltspunkte für den Ort der Strafverfolgung andere Verfahren gegen den Beschuldigten nennt, den Ort, an dem sich die wichtigsten Beweismittel befinden, und die Möglichkeiten, die Anwesenheit des Beschuldigten bei der Hauptverhandlung zu gewährleisten, verweisen die Eurojust-Leitlinien auf die Möglichkeiten zur Auslieferung und Überstellung des Beschuldigten, die Zusammenfassung oder Aufteilung der Strafverfolgung bei komplexen Fällen, die Anwesenheit und den Schutz von Zeugen, Beweisprobleme sowie auf Ressourcen und Kosten der Strafverfolgung. Wie bereits oben ausgeführt, dürften einige dieser Kriterien (z. B. die Möglichkeiten zur Auslieferung und Überstellung, Zeugenschutz und Kosten der Strafverfolgung) im Zuge einer verbesserten justiziellen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten auf der Grundlage der gegenseitigen Anerkennung an Bedeutung verlieren oder gar gegenstandslos werden. Dies könnte angesichts des Kommissionsvorschlags für eine Europäische Beweisanordnung[77] auch für den Ort der Beweiserhebung gelten. Allerdings schließt dieser Vorschlag derzeit die Beweisaufnahme in Form von Vernehmungen und Aussagen aus. Der Aufenthaltsort von Zeugen wird deshalb weiterhin von großer Bedeutung sein und könnte nicht nur als legitimes Kriterium angesehen werden, sondern als Kriterium, dem eine gewisse Priorität zukommt; zumindest bis zur Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Vernehmungen und Aussagen von Zeugen. Frage 11: Welche Kriterien wären außer dem Territorialitätsprinzip aufzunehmen? Sollte eine solche Aufstellung erschöpfend sein? Nicht als relevant anzusehende Faktoren In den Eurojust-Leitlinien heißt es, dass die Strafverfolger bei der Bestimmung der zuständigen Gerichtsbarkeit auch darauf achten müssen, ob „eine realistische Aussicht auf eine erfolgreiche Verurteilung besteht“. Diese Aussage ist sowohl aus der Sicht der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden als auch aus der Sicht der Opfer völlig verständlich. Wie es jedoch gleichfalls in den Leitlinien heißt, muss die Entscheidung angemessen und objektiv sein. Es muss mit anderen Worten eine Interessenabwägung stattfinden, bei der auch die Interessen des Beschuldigten berücksichtigt werden. Es darf nicht dazu kommen, dass sich die Strafverfolgungsbehörden für eine bestimmte Gerichtsbarkeit entscheiden, „weil sich damit die gesetzlichen Pflichten umgehen lassen, die in der einen Gerichtsbarkeit gelten, in der anderen jedoch nicht“. Es stellt sich deshalb die Frage, ob eine Zuständigkeitszuweisung auf der Grundlage der für eine Verurteilung bestehenden Aussichten im Hinblick auf den Grundsatz eines fairen Verfahrens als ausgewogen zu betrachten ist. Ein bestimmtes strafbares Verhalten darf selbstredend nicht mehr in einem Staat verfolgt werden, in dem Verjährung eingetreten ist oder eine Amnestie verkündet wurde[78]. Zu bedenken ist aber auch, dass (ausgenommen bei einer Amnestie) eine Person, deren Verhalten eine strafrechtliche Haftung und Bestrafung in mindestens einem für die Strafverfolgung zuständigen Mitgliedstaat begründet, damit rechnen kann, in diesem Mitgliedstaat strafrechtlich verfolgt zu werden, auch wenn dies in anderen Mitgliedstaaten nicht der Fall wäre. Das grundlegende Prinzip des nullum crimen, nulla poena sine lege (Artikel 7 EMRK, Artikel 49 der Grundrechtscharta und Artikel II-109 des Vertrags über eine Verfassung für Europa) würde hier einer Strafverfolgung nicht entgegenstehen. Es ist jedoch höchst zweifelhaft, ob eine Zuständigkeitszuweisung, die allein auf dem Kriterium der strengsten Strafrechtsordnung basiert, als fair und ausgewogen angesehen werden kann. Gleiches sollte für eine Zuständigkeitszuweisung gelten, die auf der Art des Strafverfahrens, d. h. Strafverfolgung oder Angebot zur anderweitigen Beendigung des Verfahrens, beruht. Ähnliche Überlegungen treffen für die Frage zu, ob die Aussicht auf eine höhere oder niedrigere Strafe ein relevantes Kriterium sein könnte. Während die Strafverfolgungsbehörde zu dem Schluss kommen könnte, dass das Verfahren in der Gerichtsbarkeit mit dem höchsten Mindeststrafmaß stattfinden sollte, würde die Verteidigung das genaue Gegenteil vertreten, dass nämlich die Gerichtsbarkeit mit der niedrigsten Strafe zum Zuge kommen sollte. Bei beiden Standpunkten fehlt es an Ausgewogenheit und Objektivität. Die Aussicht oder Wahrscheinlichkeit einer höheren oder niedrigeren Strafe sollte daher für die Zuständigkeitszuweisung nicht erheblich sein. Möglich wäre es auch, in einer EU-Regelung ausdrücklich vorzusehen, dass solche Faktoren als unerheblich angesehen werden sollten. Frage 12: Sollten in diese Aufstellung auch Faktoren aufgenommen werden, die für die Bestimmung des geeigneten Gerichts als irrelevant angesehen werden? Wenn ja, welche Faktoren? RANGFOLGE DER KRITERIEN, ERMESSEN UND GERICHTLICHE NACHPRÜFUNG Sobald die relevanten Kriterien feststehen, muss logischerweise ihre Rangfolge untereinander festgelegt werden. Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen mehrere Faktoren auf unterschiedliche Gerichtsbarkeiten hinweisen, wobei einige dieser Faktoren auf das Staatsinteresse gestützt sind, andere auf die Interessen des Beschuldigten und wieder andere auf die Interessen Dritter, insbesondere der Opfer. All diese Faktoren können in manchen Fällen auf dieselbe Gerichtsbarkeit hinweisen, in anderen allerdings auf mehrere oder sogar auf einander ausschließende Gerichtsbarkeiten. Kommen auf diese Weise mehrere Gerichtsbarkeiten in Frage, lässt sich die am besten geeignete Gerichtsbarkeit nicht ohne weiteres bestimmen. Obwohl die Aufstellung einer Rangfolge unter den Kriterien in diesen Fällen hilfreich sein könnte und sich ein solcher Ansatz durch eine formalere Struktur auszeichnet, darf gleichzeitig nicht außer Acht gelassen werden, dass bei einer Zuständigkeitsregelung auch Flexibilität geboten ist. In dieser Hinsicht ist ein Verweis auf die Eurojust-Leitlinien hilfreich. Wie dort zu Recht gesagt wird, sollten die zuständigen Behörden alle Faktoren unter Berücksichtigung aller beteiligten Interessen sorgsam und angemessen gegeneinander abwägen. Priorität und Gewichtung jedes einzelnen Faktors sind von Fall zu Fall unterschiedlich. In den Leitlinien wird auch die Anwendung einer so genannten Matrix erwogen, um die einzelnen Faktoren fallbezogen zu gewichten. Eine Matrix erlaubt den direkten Vergleich und die Gewichtung der für die verschiedenen möglichen Gerichtsbarkeiten relevanten Faktoren. Die Aufstellung einer rechtlich verbindlichen Rangfolge unter den Kriterien, die auf jeden Einzelfall anzuwenden wäre, ließe sich allerdings in der Praxis kaum realisieren. Den Strafverfolgungsbehörden muss ein erheblicher Ermessensspielraum bei der fallbezogenen Entscheidung über die am besten geeignete Gerichtsbarkeit zugestanden werden. Sie sollten mit der gebotenen Flexibilität und Schnelligkeit auf dringende Fälle und neue Fakten reagieren können. Die Frage der Zuständigkeit gehört zu den Fragen, die sich im Rahmen einer Ermittlungs- und Strafverfolgungsstrategie stellen. Mitunter geht es dabei auch um die Frage, ob die Ermittlung und Strafverfolgung bei miteinander in Verbindung stehenden Fällen in einer Gerichtsbarkeit oder in mehreren erfolgen soll. Solange das Recht auf ein faires Verfahren garantiert ist, muss deshalb aus Effizienzgründen ein gewisser Spielraum vorhanden sein. Trotz der notwendigen Flexibilität besteht für den EU-Gesetzgeber die Möglichkeit, im Rahmen der Gesamtabwägung aller Faktoren in einem gegebenen Fall einige Grundprinzipien für die Aufstellung einer Rangfolge unter den Kriterien vorzusehen, sollte sich das als erforderlich erweisen. Als Vorbild könnte Artikel 9 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung[79] dienen, wonach das Territorialitätsprinzip als erstes Kriterium zu berücksichtigen ist. Die vorstehenden Ausführungen zu den diversen Faktoren, die in die Zuständigkeitsentscheidung einfließen können, machen deutlich, dass das Territorialitätsprinzip ein weithin anerkannter, objektiver Faktor ist, der sich häufig mit den Interessen der Beschuldigten, Opfer und beteiligten Staaten überschneidet oder diese gar impliziert. Darüber hinaus lässt er eine gewisse Flexibilität zu, da sich der Ort der Straftat nach dem jeweiligen Straftatbestand bestimmt. Es erscheint daher gerechtfertigt, das Territorialitätsprinzip bei der Zuständigkeitsprüfung an oberste Stelle zu setzen. Denkbar wäre sogar eine Bestimmung, nach der die zuständigen Behörden ihre Entscheidungen in erster Linie auf dieses Prinzip zu stützen hätten[80], außer in den Fällen, in denen es nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt. Dem Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung könnte auch hinsichtlich der zweiten und dritten Priorität - Interessen des Beschuldigten und der Opfer - gefolgt werden. Diese Kriterien könnten allerdings präziser formuliert werden, indem der Schwerpunkt eher auf den gewöhnlichen Aufenthalt als die Staatsangehörigkeit des Täters oder den Herkunftsort der Opfer gelegt wird. Im Anschluss daran wären andere Prioritäten zu berücksichtigen, wie das Staatsinteresse, der Ort der wichtigsten Beweismittel und/oder der Zeugenschutz. Der Ort hingegen, an dem der Täter ergriffen wurde, sollte angesichts der Fortschritte bei der Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung und insbesondere der Erleichterung und Beschleunigung der Überstellung im Wege des Europäischen Haftbefehls keine Rolle spielen. Schließlich könnten auch Kriterien oder Prioritäten aufgenommen werden, die als „ irrelevant“ angesehen werden und deshalb nicht zu berücksichtigen sind wie das Strafenspektrum, Fristen und/oder Verfahrensvorschriften. Unabhängig davon, ob unter den Zuständigkeitskriterien eine Rangfolge aufgestellt wird, erscheint es notwendig, dass in einem EU-Rechtsakt zumindest ein Leitprinzip für die Zuständigkeitsentscheidung festgelegt wird. Dieses Leitprinzip könnte beispielsweise auf das Angemessenheitsprinzip und/oder das Recht auf ein faires Verfahren Bezug nehmen. Die zuständigen Behörden sollten – anders gesagt - verpflichtet werden, sich um Ausgewogenheit zu bemühen. Wenn den Strafverfolgungsbehörden ein beträchtliches Ermessen eingeräumt wird, müssen sie verpflichtet werden, den berechtigten Interessen aller Beteiligten umfassend Rechnung zu tragen. Maßstab sollte die Sicherstellung einer fairen Justiz sein auf der Grundlage einer umfassenden Tatsachenwürdigung und einer ausgewogenen Abwägung der relevanten Kriterien erforderlichenfalls im Einklang mit den vom EU-Gesetzgeber festgelegten Prioritäten. Die ordnungsgemäße Anwendung dieses Grundsatzes müsste rechtlich in der Weise gesichert sein, dass der Betroffene in geeigneten Fällen die Möglichkeit zu einer gerichtlichen Nachprüfung erhält. Wie bereits erwähnt, könnte die gerichtliche Nachprüfung auf die Beachtung des Rechts auf ein faires Verfahren, des Angemessenheitsgrundsatzes und der tatsächlichen Begründung der Gerichtsbarkeit des Mitgliedstaates, der als Verfahrensstaat bestimmt wurde, beschränkt werden. Eine Zuständigkeitsentscheidung/-vereinbarung könnte demnach von dem zuständigen Gericht aufgehoben werden, wenn es auf der Grundlage einzelstaatlicher Rechtsgrundsätze wie der Lehre vom Verfahrens- oder Ermessensmissbrauch feststellt, dass die Zuständigkeitszuweisung willkürlich erfolgt ist. Würde zur Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit in einem bestimmten Fall ein eingehender Rechtsvergleich unter Einbeziehung von zwei oder mehr Gerichtsbarkeiten zugelassen, der über eine Prüfung des Angemessenheitsprinzips und des Rechts auf ein faires Verfahren hinausgeht, bestünde konkret die Gefahr, dass sich ein Fallrecht herausbilden könnte, das für bestimmte Fallgestaltungen präzise, nach Priorität gewichtete Zuständigkeitskriterien vorgeben würde, und die vorgeschlagene Zuständigkeitsregelung damit zu unflexibel würde. Dies würde unweigerlich dazu führen, dass diese von der Rechtsprechung entwickelten Zuständigkeitskriterien zu verbindlichen Regeln würden, mit denen „künstlich“ und „automatisch“ ein Mitgliedstaat als die am besten geeignete Gerichtsbarkeit bestimmt würde. Unweigerlich würde dies das Ermessen und den Handlungsspielraum der betreffenden nationalen (Strafverfolgungs-)Behörden bei der Anpassung ihrer Zuständigkeitsentscheidung an die Umstände des Einzelfalls ohne Grund einschränken. Zudem könnte ein eingehender Rechtsvergleich unter Einbeziehung mehrerer zuständiger Gerichtsbarkeiten zu einer Anfechtung derselben Zuständigkeitszuweisung vor mehreren nationalen Gerichten führen. Dies hätte eine übermäßige Verzögerung bei grenzüberschreitenden Strafverfolgungsmaßnahmen zur Folge. Ziel sollte vielmehr die Einführung und Anwendung eines schnellen und effizienten Verfahrens sein, mit dem sich die gerichtliche Zuständigkeit im Einzelfall bestimmen lässt. Gleichzeitig sollten dabei allgemeine oder spezifische Grundsätze für die Gewichtung von Zuständigkeitskriterien entwickelt und eine Kontrolle vorgesehen werden, die sicherstellt, dass es bei der Zuständigkeitszuweisung gerecht zugeht. Frage 13: Ist es notwendig, machbar und angemessen, eine Rangfolge unter den Kriterien aufzustellen, nach denen sich das zuständige Gericht bestimmt? Wenn ja, sollte dem Territorialitätsprinzip Vorrang eingeräumt werden? TEIL III: KLARERE FASSUNG DES BESTEHENDEN RECHTLICHEN RAHMENS FÜR DEN GRUNDSATZ NE BIS IN IDEM ANALYSE DER BESTEHENDEN VORSCHRIFTEN ÜBER DEN GRUNDSATZ NE BIS IN IDEM Internationale Übereinkünfte und Grundrechtscharta der Europäischen Union a) Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und andere völkerrechtliche Vorschriften Ne bis in idem ist ein in den meisten Rechtsordnungen geltender fundamentaler Rechtsgrundsatz[81], nach dem niemand wegen derselben Tat (oder desselben Sachverhalts) mehr als einmal verfolgt werden darf. Er ist auch in regionalen und internationalen Übereinkünften zu finden, insbesondere in Artikel 4 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK vom 22. November 1984[82] und in Artikel 14 Absatz 7 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966. Nach diesen völkerrechtlichen Vorschriften gilt der Grundsatz jedoch nur innerstaatlich, d. h. er verbietet eine neue Verfolgung durch die Gerichte desselben Staates[83]. Er findet nach diesen Übereinkünften in dem Staat Anwendung, in dem ein rechtskräftiges Urteil ergangen ist, hindert aber andere Staaten nicht daran, ein Verfahren wegen desselben Sachverhalts/derselben Straftat einzuleiten. Anders verhält es sich bei den Artikeln 53 bis 57 des Europäischen Übereinkommens über die internationale Geltung von Strafurteilen vom 28. Mai 1970 und den Artikeln 35 bis 37 des Europäischen Übereinkommens über die Übertragung der Strafverfolgung vom 15. Mai 1972, die beide vom Europarat ausgearbeitet wurden. Diese Übereinkommen enthalten einen internationalen Grundsatz ne bis in idem („in einem anderen Vertragsstaat“) mit fast identischem Wortlaut, aber auch zahlreiche Ausnahmen. Sie sind jedoch von den meisten Mitgliedstaaten der Union nicht ratifiziert worden[84]. b) Artikel 50 Grundrechtscharta der Europäischen Union Mit Artikel 50 Grundrechtscharta (Artikel II-110 des Vertrages über eine Verfassung für Europa) soll eindeutig ein im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten geltender Grundsatz ne bis in idem eingeführt werden. Die Grundrechtscharta kann zwar eine wichtige Rolle bei der Auslegung des Unionsrechts spielen, ist aber derzeit nicht rechtsverbindlich. Ferner ist zu beachten, dass die Grundrechtscharta für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Anwendung des Unionsrechts gilt. Von Bedeutung ist auch Artikel 52 Grundrechtscharta: „Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.“ Der länderübergreifende Grundsatz ne bis in idem der Europäischen Union a) Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen („Schengener Durchführungsübereinkommen“) Kapitel 3 des Schengener Durchführungsübereinkommens (Artikel 54 bis 58) behandelt die Anwendung eines unionsweit geltenden Grundsatzes ne bis in idem . Während der Grundsatz ne bis in idem nach den oben genannten anderen internationalen Übereinkünften nur innerstaatlich gilt (Anwendung der Vorschrift innerhalb der Rechtsordnung eines Staates auf Verurteilungen und Freisprüche nach der Rechtsordnung dieses Staates), findet er nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Union länderübergreifend Anwendung. Mit anderen Worten wird durch das Schengener Durchführungsübereinkommen ein Grundsatz ne bis in idem in die Rechtsordnung der Mitgliedstaaten eingefügt, der bei Verurteilungen und Freisprüchen (oder sonstigen „rechtskräftigen Entscheidungen“) zur Anwendung kommen kann, die in anderen Mitgliedstaaten ergangen sind. Der Wortlaut des Schengener Durchführungsübereinkommens wurde aus dem am 25. Mai 1987 in Brüssel unterzeichneten Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung[85] übernommen, das mangels Ratifikation nicht in Kraft getreten ist, allerdings von einigen Mitgliedstaaten vorläufig angewandt wird. aa) Geltungsbereich des Schengener Durchführungsübereinkommens Die Vorschriften des Schengener Durchführungsübereinkommens über den Grundsatz ne bis in idem sind verbindlich und in der ganzen Union anwendbar, einschließlich der neuen Mitgliedstaaten[86], sowie in Norwegen und Island (aufgrund ihres Schengen-Assoziierungsabkommens mit der Union). Irland und das Vereinigte Königreich haben zwar nicht das gesamte Schengener Durchführungsübereinkommen unterzeichnet, aber beantragt, die Artikel 54 bis 58 auf sie anzuwenden. Ihrem Antrag wurde vom Rat in zwei gesonderten Beschlüssen stattgegeben[87]. Bisher sind die einschlägigen Vorschriften des Schengener Durchführungsübereinkommens jedoch nur im Vereinigten Königreich in Kraft gesetzt worden[88]. Beim sachlichen Geltungsbereich[89] stellt sich die Frage, ob Artikel 54 nur strafrechtliche Verfahren betrifft oder ob und inwieweit er dahingehend auszulegen ist, dass er auch für Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten gilt. Dabei könnte auch zwischen Entscheidungen von Justizbehörden und Entscheidungen anderer Behörden (außergerichtlicher Stellen) zu unterscheiden sein. Bevor dies geprüft wird, ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Justizbehörden“ in der europäischen Rechtsordnung bekannt ist, insbesondere im Zusammenhang mit Rechtshilfe und Auslieferung. Nach den einschlägigen Übereinkommen können sowohl Gerichte als auch Staatsanwaltschaften als „Justizbehörden“ angesehen werden[90]. Eine Antwort auf diese Fragen könnte in Artikel 49 des Schengener Durchführungsübereinkommens gesucht werden, nach dem Rechtshilfe auch geleistet wird „in Verfahren wegen Handlungen, die (…) als Zuwiderhandlungen gegen Ordnungsvorschriften durch Behörden geahndet werden, gegen deren Entscheidung ein auch in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann“[91]. Dies wäre jedoch nicht schlüssig, da Artikel 49 nicht auf die Artikel 54 bis 58 anwendbar ist, die nicht zum Kapitel „Rechtshilfe in Strafsachen“ (Artikel 48 bis 53) gehören, sondern ein eigenes Kapitel bilden. Vielmehr ist aus den in den Artikeln 54 bis 58 verwendeten spezifischen Begriffen (z. B. aus Artikel 58, aber auch aus Wörtern wie „abgeurteilt“, „Verfolgung“ und „Urteilsstaat“ an anderer Stelle) zu schließen, dass sie nur die Entscheidungen von Justizbehörden in Strafverfahren betreffen. bb) Auslegungsfragen Nach dem Maßnahmenprogramm vom Dezember 2000[92] soll die Rechtssicherheit in Bezug auf den Grundsatz ne bis in idem erhöht werden. Als Maßnahme Nr. 1 des Programms ist vorgesehen, die Artikel 54 bis 57 des Schengener Durchführungsübereinkommens „im Hinblick auf die uneingeschränkte Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung“ zu überprüfen, da das Übereinkommen das Ziel, die erneute Verfolgung bereits abgeurteilter Taten auszuschließen, nur „teilweise erreicht“ hat; besonders soll auf andere Entscheidungen als Verurteilungen geachtet werden, z. B. Freisprüche und Entscheidungen nach Schlichtung. Hinsichtlich dieser Entscheidungen hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) mit dem Urteil vom 11. Februar 2003[93] in den verbundenen Rechtssachen Gözütok und Brügge und mit dem Urteil vom 10. März 2005[94] in der Rechtssache Miraglia , die unten erörtert werden, zur Klärung beigetragen. Ferner ist nun weithin anerkannt, dass Artikel 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens sowohl für Verurteilungen als auch für Freisprüche gilt. Mehrere Auslegungsfragen sind jedoch noch nicht geklärt. cc) Einschränkungen und Ausnahmen Die Artikel 54 bis 57 des Schengener Durchführungsübereinkommens enthalten umfangreiche Einschränkungen und Ausnahmen in Bezug auf den Grundsatz ne bis in idem . Erstens gilt er im Falle einer Verurteilung nur, wenn die verhängte Sanktion „bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann.“[95] Zweck dieser „Vollstreckungsbedingung“ ist die Vermeidung der Straffreiheit in Fällen, in denen ein Urteil nicht vollstreckt wird. Im herkömmlichen System der Rechtshilfe hatte eine solche Bedingung zwar ihre Berechtigung, es ist aber fraglich, ob und inwieweit sie in der Union als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts noch erforderlich ist, in dem die Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat durch verschiedene bereits erlassene Rechtsakte zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung erleichtert wird[96]. Zweitens lässt Artikel 55 des Schengener Durchführungsübereinkommens viel Raum für Vorbehalte der Mitgliedstaaten. Er gestattet den Mitgliedstaaten, durch eine zum Zeitpunkt der Ratifizierung des Übereinkommens abgegebene Erklärung Ausnahmen von der Anwendbarkeit des Grundsatzes ne bis in idem in drei Fällen festzulegen: a) Die Tat, die dem ausländischen Urteil zugrunde lag, wurde ganz oder teilweise im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats begangen, und sie wurde nicht zumindest teilweise im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats begangen, in dem das Urteil ergangen ist. b) Die Tat, die dem ausländischen Urteil zugrunde lag, stellt eine gegen die Sicherheit des Staates oder andere gleichermaßen wesentliche Interessen des betreffenden Mitgliedstaats gerichtete Straftat dar. c) Die Tat, die dem ausländischen Urteil zugrunde lag, wurde von einem Bediensteten des betreffenden Mitgliedstaats unter Verletzung seiner Amtspflichten begangen. Im Kern erkennt Artikel 55 Absatz 1 für diese drei Fälle ein überwiegendes Interesse des betreffenden Mitgliedstaats an, die Tat trotz einer rechtskräftigen Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat zu verfolgen. Unter den Mitgliedstaaten der Union haben AT, DE, DK, EL, FI, SE und UK Erklärungen zu den Vorbehalten nach den Buchstaben a und b abgegeben[97]. Im Maßnahmenprogramm[98] wird zu einer Überprüfung dieser Ausnahmen und insbesondere der Ausnahme vom Territorialitätsprinzip (Buchstabe a) aufgefordert. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass kein Mitgliedstaat die dritte Vorbehaltsmöglichkeit (von Bediensteten des betreffenden Mitgliedstaats unter Verletzung ihrer Amtspflichten begangene Taten) genutzt hat. Sowohl hinsichtlich der Vollstreckungsbedingung als auch der zulässigen Vorbehalte nach Artikel 55 des Schengener Durchführungsübereinkommens scheint ein gewisser Widerspruch zu Artikel 50 Grundrechtscharta zu bestehen. Dieser enthält im Gegensatz zum Schengener Durchführungsübereinkommen weder eine Vollstreckungsbedingung noch Ausnahmen. Nach Artikel 52 Grundrechtscharta dürfen jedoch Einschränkungen des Grundsatzes ne bis in idem vorgenommen werden, wenn sie notwendig und verhältnismäßig sind. Dass im Falle einer zulässigen zweiten Verfolgung jede wegen derselben Tat erlittene Freiheitsentziehung auf die „zweite“ Sanktion angerechnet wird (Artikel 56 des Schengener Durchführungsübereinkommens), ändert nichts daran, dass nach Artikel 50 Grundrechtscharta Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit geprüft werden müssen. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass Artikel 56 im rechtlichen Rahmen des Schengener Durchführungsübereinkommens nicht für Freisprüche und andere als freiheitsentziehende Sanktionen gilt, die nur zu berücksichtigen sind, „soweit das nationale Recht dies erlaubt“. b) Andere unionsrechtliche Vorschriften mit Bezug zum Grundsatz ne bis in idem Auch einige andere Unionsrechtsakte enthalten Vorschriften, die einen Bezug zum Grundsatz ne bis in idem haben. Zu nennen sind hier unter anderem Artikel 4 des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 26. Juli 1995[99], Artikel 7 des Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind,[100] und Artikel 3 Nummer 2 und Artikel 4 Nummern 3 und 5 RB-EuHB[101]. Im Allgemeinen entspricht der Wortlaut dieser Vorschriften dem der Artikel 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens. Die Rechtsprechung des EuGH zum Grundsatz ne bis in idem In seinem bahnbrechenden Urteil vom 11. Februar 2003[102] entwickelt der EuGH wichtige Leitlinien für die Auslegung des Schengener Durchführungsübereinkommens, die auch bei weiteren Schritten des Unionsgesetzgebers hinsichtlich des unionsweit geltenden Grundsatzes ne bis in idem zu beachten sein werden. Der EuGH hatte zu entscheiden, ob eine besondere Art einzelstaatlicher Entscheidung der Staatsanwaltschaft, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem sie ergangen war, eine weitere Verfolgung ausschloss, in einem anderen Mitgliedstaat zum Strafklageverbrauch führen konnte, obwohl sie nicht von einem Gericht des Mitgliedstaats, in dem sie ergangen war, bestätigt werden musste. In dem dem EuGH vorliegenden Fall beendete die Staatsanwaltschaft das strafrechtliche Verfahren, nachdem der Beschuldigte bestimmte Auflagen erfüllt und insbesondere einen bestimmten, von der Staatsanwaltschaft festgesetzten Geldbetrag entrichtet hatte. In dem einzelstaatlichen Gesetz, in dem diese Art von Entscheidung vorgesehen ist, heißt es ausdrücklich, dass dieses Verfahren zum Strafklageverbrauch führt, wenn der Beschuldigte die Auflagen der Staatsanwaltschaft erfüllt. Die entscheidende Frage war, ob ein solches Verfahren, mit dem die Verfolgung in einem Mitgliedstaat endgültig beendet wird (und für das in dem Staat, in dem es durchgeführt wird, die Zustimmung eines Gerichtes nicht erforderlich ist), zum Strafklageverbrauch in einem anderen Mitgliedstaat führen kann, in dem für ein solches Verfahren die Zustimmung eines Gerichtes erforderlich ist. Die Feststellungen des EuGH in dieser Rechtssache lassen sich in drei Punkten zusammenfassen. Erstens sind die Artikel 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens unter Berücksichtigung des Ziels auszulegen, „die Union als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln“; „mit der Umsetzung des Schengen-Besitzstands (…) [wird] im Rahmen der Europäischen Union bezweckt, die europäische Integration zu vertiefen und insbesondere der Union die Möglichkeit zu geben, sich schneller zu einem solchen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu entwickeln, dessen Erhaltung und Weiterentwicklung sie zum Ziel hat.“[103] Der freie Personenverkehr wird als wichtiger Aspekt des Grundsatzes ne bis in idem anerkannt, was auf die Möglichkeit hinweist, das Schengener Durchführungsübereinkommen widerspruchsfrei auszulegen. Zweitens beruhen die Artikel 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens auf der Annahme aus, „dass ein gegenseitiges Vertrauen der Mitgliedstaaten in ihre jeweiligen Strafjustizsysteme besteht und dass jeder Mitgliedstaat die Anwendung des in den anderen Mitgliedstaaten geltenden Strafrechts akzeptiert, auch wenn die Anwendung seines eigenen nationales Rechts zu einem anderen Ergebnis führen würde.“[104] Drittens rechtfertigen Unterschiede beim Begriff der rechtskräftigen Entscheidung in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten nicht Maßnahmen, die dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung zuwiderlaufen. Wie der EuGH unter Randnummer 32 feststellt, macht weder der Vertrag über die Europäische Union noch das Schengener Übereinkommen die Anwendung des Artikels 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens von der Harmonisierung oder Angleichung des Strafrechts der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der zum Strafklageverbrauch führenden Verfahren abhängig. Der EuGH berücksichtigt dabei, dass die Wirkung des Verfahrens, eine weitere Verfolgung auszuschließen, von der Erfüllung bestimmter Auflagen durch den Beschuldigten abhing, und gelangt zu dem Schluss, dass dadurch das unerlaubte Verhalten geahndet wurde. Der EuGH stellt ferner fest, dass diese Sanktion als vollstreckt im Sinne des Artikels 54 anzusehen ist, sobald der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen erfüllt hat. Das Urteil des EuGH sagt aber nicht, dass jede einzelstaatliche Entscheidung (z. B. der Staatsanwaltschaft), die eine weitere Verfolgung ausschließt, zum Strafklageverbrauch führen muss. Der EuGH äußert sich nur zum Strafklageverbrauch durch ein einzelstaatliches Verfahren, an dem die Staatsanwaltschaft beteiligt war und um das allein es in der ihm vorliegenden Rechtssache ging. Ebenso wenig stellt er fest, dass ein Verfahren, dass keine Strafe vorsieht, aber dennoch eine weitere Verfolgung ausschließt, niemals zum Strafklageverbrauch führen kann. In einem zweiten Urteil zum Grundsatz ne bis in idem , das am 10. März 2005 in der Rechtssache Miraglia (C-469/03) erging, trägt der EuGH weiter zur Klärung der Arten rechtskräftiger Entscheidungen bei, die zum Strafklageverbrauch führen. Nach dem Miraglia -Urteil ist klar, dass der Grundsatz ne bis in idem nicht in allen Fällen anzuwenden ist, in denen nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem die erste Entscheidung ergangen ist, eine weitere Verfolgung ausgeschlossen ist. In der Rechtssache Miraglia bezog sich die dem EuGH vorgelegte Frage auf die Folgen einer in einem Mitgliedstaat getroffenen Entscheidung, mit der das einzelstaatliche Verfahren für beendet erklärt wurde, ohne dass eine Prüfung in der Sache stattgefunden hatte. Einziger Grund für die Beendigung des Verfahrens war, dass in einem anderen Mitgliedstaat bereits ein Verfahren eingeleitet worden war. Interessanterweise schließt das Recht des Mitgliedstaats, in dem die Entscheidung erging, in diesem Fall eine weitere Verfolgung aus. In seinem Urteil stellt der EuGH fest, dass eine solche Entscheidung keine rechtskräftige Aburteilung des Betreffenden im Sinne des Artikels 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens darstellen kann[105], und sieht die Richtigkeit dieser Auslegung dadurch bestätigt, dass dies die einzige Auslegung ist, die Inhalt und Zweck der Vorschrift den Vorrang vor Verfahren oder reinen Förmlichkeiten einräumt, die sich in den betreffenden Mitgliedstaaten unterscheiden, und die die praktische Wirksamkeit dieses Artikels gewährleistet.[106] Der Gerichtshof merkt an, dass die Ahndung des dem Beschuldigten vorgeworfenen unerlaubten Verhaltens erschwert oder gar unmöglich gemacht würde, wenn man einer solchen Entscheidung zur Beendigung des Verfahrens die Wirkung des Strafklageverbrauchs zuerkennen würde. Auf der Grundlage des Miraglia -Urteils ließe sich daher argumentieren, dass nicht jede Entscheidung, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem sie ergeht, eine weitere Verfolgung ausschließt, zum Strafklageverbrauch in anderen Mitgliedstaaten führen muss. Obwohl im vorliegenden Fall eine Verfolgung in den Niederlanden ausgeschlossen war, so der EuGH, führte dies nicht unionsweit zum Strafklageverbrauch, da einziger Grund für die Beendigung des Verfahrens in den Niederlanden war, dass in einem anderen Mitgliedstaat ein Verfahren eingeleitet worden war. Ferner berücksichtigt der EuGH in seinen Schlussfolgerungen, dass beim Erlass der Entscheidung das unerlaubte Verhalten in keiner Weise geprüft worden war. Wie der EuGH unter Randnummer 34 seines Urteils betont, würde eine solche Folge eindeutig dem Zweck der Bestimmungen des Titels VI des EU-Vertrages (wie er in Artikel 2 Absatz 1 vierter Gedankenstrich niedergelegt ist) zuwiderlaufen, nämlich der Erhaltung und Weiterentwicklung der Union als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem in Verbindung mit geeigneten Maßnahmen in Bezug auf die Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität der freie Personenverkehr gewährleistet ist. Weitere Vorabentscheidungen sind in den Rechtssachen Van Esbroeck (C-436/04), Gasparini (C-467/04), Van Straaten (C-150/05), Bouwens (C-272/05) und Kretzinger (C-288/05) zu erwarten. In der Rechtssache Van Esbroeck werden Fragen zum zeitlichen Geltungsbereich des Artikels 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens (Strafklageverbrauch durch ein vor Inkrafttreten des Schengener Durchführungsübereinkommens ergangenes rechtskräftiges Urteil) und zu Begriff und Auslegung des idem („dieselbe Tat“) gestellt[107]. In der Rechtssache Gasparini geht es in den dem EuGH vorgelegten Fragen unter anderem darum, ob ein auf die Verjährung der betreffenden Straftat gestützter Freispruch die Verfolgung des Beschuldigten ausschließt, ob eine solche Entscheidung bei ansonsten gleichem Sachverhalt auch hinsichtlich anderer Personen zum Strafklageverbrauch führt und – auch hier – was unter dem idem zu verstehen ist. Diese Frage ist auch Hauptgegenstand der Rechtssachen Van Straaten , Bouwens [108] und Kretzinger . In der zuletzt genannten Rechtssache werden auch Fragen zur Vollstreckungsbedingung des Artikels 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens aufgeworfen. Frühere Versuche einer Änderung Auf der Grundlage des Maßnahmenprogramms von 2000 legte die Hellenische Republik im Februar 2003 eine Initiative im Hinblick auf die Annahme eines Rahmenbeschlusses des Rates über die Anwendung des „ne-bis-in-idem“-Prinzips[109] vor. Trotz intensiver Beratungen und einer legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments vom 2. September 2003[110] konnte im Rat jedoch keine Einigung erzielt werden. Dieser betonte am 19. Juli 2004, „dass die Beratungen über das „Ne-bis-in-idem“-Prinzip insbesondere unter Berücksichtigung der von der Kommission vorgelegten Mitteilung zu Kompetenzkonflikten fortgesetzt werden sollten, um sicherzustellen, dass ein nachweisbarer Mehrwert erzielt werden kann“[111]. Die Gründe, aus denen diese Beratungen zu keinen greifbaren Ergebnissen geführt haben, sind vielfältig. Einer der Hauptgründe war wohl, dass die Initiative nicht erschöpfend die Frage behandelte, wie der für die Verfolgung am besten geeignete Ort zu ermitteln ist, d. h. das Verfahren und die Kriterien für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats. Möglichkeiten für eine Änderung des bestehenden rechtlichen Rahmens für den unionsweit geltenden Grundsatz ne bis in idem a) Allgemeines Konzept Die obige kurze Analyse der Anwendung, der Auslegung und der Einschränkungen des Grundsatzes ne bis in idem im Schengener Durchführungsübereinkommen zeigt, dass der bestehende rechtliche Rahmen für diesen Grundsatz klarer gefasst werden muss. Zu diesem Zweck könnten die Artikel 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens entweder geändert oder durch einen neuen Unionsrechtsakt ersetzt werden. Um einen zusätzlichen Nutzen zu erzielen, müsste eine solche Maßnahme jedoch berücksichtigen, dass der Grundsatz ne bis in idem als solcher keine geeignete Lösung für Kompetenzkonflikte bieten kann; um zu verhindern, dass er lediglich der „schnellsten“ Strafverfolgungsbehörde die ausschließliche Zuständigkeit zuweist, muss es ein Verfahren für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats während des Verfahrens geben. Bei Einführung eines solchen Verfahrens könnten die Mitgliedstaaten eine Einigung über die Anwendbarkeit des Grundsatzes ne bis in idem erzielen, während dies ohne ein solches Verfahren unwahrscheinlich erscheint, da der Vorrang der schnellsten Strafverfolgungsbehörde noch ausgedehnt würde. So scheint ein Verzicht auf die Ausnahme vom Territorialitätsprinzip in Artikel 55 Absatz 1 Buchstabe a des Schengener Durchführungsübereinkommens für die Mitgliedstaaten nur annehmbar zu sein, wenn sie sicher sein können, dass ein Fall von einem hierfür gut geeigneten Gericht behandelt wird, d. h. wenn die Regelung der Zuständigkeit auf weithin anerkannten Kriterien beruht und nach einem Verfahren erfolgt, das gewährleistet, dass den Interessen des betreffenden Mitgliedstaats in geeigneter Weise Rechnung getragen wird. Das gleiche gilt für die Vollstreckungsbedingung. Ferner muss eine Änderung der bestehenden Vorschriften über den Grundsatz ne bis in idem in jeder Hinsicht dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung entsprechen, der vom Europäischen Rat als Eckstein eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bezeichnet wurde.[112] Ein neuer Unionsrechtsakt muss sich daher mit dem Grundsatz ne bis in idem nicht im rein innerstaatlichen Kontext zu befassen. Die nachfolgend dargelegten Optionen betreffen nur grenzübergreifende Fälle, also Fälle von ne bis in idem , an denen zwei oder mehr Mitgliedstaaten beteiligt sind. Insoweit dürfte es ausreichen, einen konkreten, klaren Grundsatz festzulegen, anstatt jedes Element ausführlich zu definieren, was eine Angleichung grundlegender Aspekte des Strafverfahrens erfordern würde, z. B. Rechtskraft, Rechtsmittelverfahren oder die Beziehungen zwischen Gerichten, Strafverfolgungsbehörden und Polizei. Die Einzelheiten bestimmter Definitionen (z. B. wann eine Entscheidung als rechtskräftig anzusehen ist) können demnach der Rechtsprechung des EuGH überlassen bleiben. Wie in der Rechtssache Miraglia festgestellt, ist das einzelstaatliche Recht in Verbindung mit Artikel 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens und den Zielen des Artikels 2 EU-Vertrag zu lesen. Was den geeigneten Rechtsakt angeht, der zu wählen ist, falls gesetzgeberische Maßnahmen getroffen werden sollen, um den Grundsatz ne bis in idem klarer zu fassen, gibt die Kommission einem Rahmenbeschluss nach Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b EU-Vertrag den Vorzug vor einer Änderung des Schengener Durchführungsübereinkommens. Materiellrechtlich könnte ein Rahmenbeschluss zu ne bis in idem auf Artikel 31 EU-Vertrag gestützt werden.[113] Frage 14: Ist eine Änderung der Unionsvorschriften über den Grundsatz ne bis in idem erforderlich? b) Geltungsbereich und Definition der „rechtskräftigen Entscheidung“ In Titel VI EU-Vertrag und den bestehenden Vorschriften über den Grundsatz ne bis in idem geht es nur um Strafsachen. Grundsätzlich gestattet es der vertragliche Rahmen der EU (Artikel 47 EU-Vertrag) dem Unionsgesetzgeber nicht, eine Sache in einem Rechtsakt nach Titel VI EU-Vertrag zu regeln, sofern und soweit eine Zuständigkeit der Gemeinschaft besteht. Dieses Grünbuch befasst sich daher nicht mit der Frage, ob der Grundsatz ne bis in idem in anderen Bereichen als dem Strafrecht angewandt werden sollte.[114] Es erscheint in dieser Phase auch nicht notwendig, die Frage zu behandeln, ob ein nicht strafrechtliches Urteil Strafverfahren ausschließen sollte und umgekehrt.[115] Allerdings gibt es im Unionsrecht derzeit keine klare Definition der Strafsache[116], und es dürfte schwierig sein, eine solche Definition festzulegen, da sich die innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Arten von Zuwiderhandlungen und die entsprechenden Verfahren erheblich voneinander unterscheiden. Dies gilt besonders für Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr, deren Rechtsnatur (als Straftat oder Ordnungswidrigkeit) in den einzelstaatlichen Rechtsordnungen sehr verschieden geregelt ist. Nach dem Konzept der gegenseitigen Anerkennung erscheint es nicht notwendig (und auch nicht möglich), „Strafsache“ ausführlich zu definieren. Wie in anderen Übereinkünften der Union[117] könnte es ausreichen und sogar vorzuziehen sein, die Arten von Entscheidungen zu nennen, die zum Verbot einer weiteren (strafrechtlichen) Verfolgung führen können. Was den Umfang des Begriffs „rechtskräftige Entscheidung“ betrifft, so müsste die Definition in einem künftigen Rechtsakt über den Grundsatz ne bis in idem der Rechtsprechung des Gerichtshofs Rechnung tragen. Zum Beispiel könnte eine „rechtskräftige Entscheidung“, die unionsweit zum Strafklageverbrauch führt, als eine Entscheidung definiert werden, die eine neue Strafverfolgung nach dem innerstaatlichen Recht des Mitgliedstaats, in dem die Entscheidung ergangen ist, untersagt, sofern dieses einzelstaatliche Verbot nicht den Zielen des EU-Vertrags zuwiderläuft. Ein künftiger Rechtsakt könnte auch genauer sein und ausdrücklich bestimmte Ausnahmen von der Endgültigkeit des einzelstaatlichen Verbots einer weiteren Verfolgung vorsehen. Beispielsweise könnte eine Situation wie in der Rechtssache Miraglia Gegenstand einer ausdrücklichen Ausnahme sein: „ das Verbot wegen eines anhängigen Strafverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat besteht “. aa) Justizentscheidungen ohne Verhandlung und Entscheidungen der Verwaltung (und der Polizei) Ein entscheidender Schritt zu mehr Rechtssicherheit wäre klarzustellen, welche Arten von Entscheidungen zum Strafklageverbrauch führen können. In den Artikeln 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens ist von „Verfahren“ und „Urteil“ die Rede. Da der EuGH entschieden hat, dass dies auch für eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft außerhalb eines Gerichtsverfahrens gelten kann[118], wäre es heute zweckmäßiger, von einer „rechtskräftigen Entscheidung“ anstatt nur von Verfahren und Urteil zu sprechen. Wie oben erläutert, gelten die Artikel 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens für Entscheidungen von Justizbehörden. Bisher gibt es keine EuGH-Rechtsprechung und keine sonstige Rechtsprechung zum Unionsrecht, aus der sich etwas anderes ergibt. Sollte man hierüber hinausgehen und auch bestimmte Entscheidungen der Polizei oder anderer Verwaltungsbehörden einbeziehen, die als außergerichtliche Stellen angesehen werden könnten? Nach dem innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten können Polizeibehörden mitunter Entscheidungen über strafrechtliche Ermittlungen treffen und Verwaltungsbehörden bestimmte Zuwiderhandlungen ahnden (z. B. Ordnungswidrigkeiten in Deutschland). Bei der Entscheidung, ob ein unionsweiter Strafklageverbrauch auf bestimmte Verwaltungsentscheidungen ausgedehnt werden sollte, sind die folgenden Unterschiede zwischen Verwaltungs- und Justizbehörden zu berücksichtigen: Verwaltungsbehörden verfügen häufig über einen erheblichen Ermessensspielraum bei der Entscheidung, ob und in welcher Form sie tätig werden. Justizbehörden sind in der Regel, z. B. bei der Beweiserhebung, an strengere Verfahrensvorschriften gebunden und müssen alle sachlichen und rechtlichen Aspekte eines Falles prüfen. Verwaltungsbehörden sind oft spezialisiert und können geringeren Anforderungen an das Verfahren oder den Umfang der Prüfung unterliegen. Die gerichtliche Kontrolle und die Rechtsbehelfsverfahren sind häufig anders strukturiert. Die Feststellungen einer Fachbehörde sind daher möglicherweise nicht immer so umfassend wie in einem Gerichtsverfahren. Sollte vor diesem Hintergrund der Grundsatz ne bis in idem auf Entscheidungen ausgedehnt werden, gegen die „ein auch in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann“? Dieses Konzept liegt der Rechtshilfe nach Artikel 49 des Schengener Durchführungsübereinkommens und Artikel 3 Absatz 1 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zugrunde[119]. In Bezug auf Verurteilungen hat die Kommission in Artikel 1 Buchstabe b ihres Vorschlags zu den Strafregistern ein ähnliches Konzept vorgeschlagen[120]. Der Grundsatz ne bis in idem muss jedoch nicht nur für Verurteilungen, sondern auch für andere Entscheidungen gelten. Da sich die Rechtswirkungen des Strafklageverbrauchs erheblich von denen der Rechtshilfe oder des Austauschs von Auszügen aus dem Strafregister unterscheiden, sollte einer Analogie zur Rechtshilfe keine allzu große Bedeutung beigemessen werden. Um zu einem ausgewogenen Ergebnis zu gelangen, erscheint es zweckmäßiger, in eine künftige Definition der „rechtskräftigen Entscheidung“ für die Zwecke des Grundsatzes ne bis in idem folgendes Element einzufügen: „ eine Entscheidung in Strafsachen, die entweder von einer Justizbehörde getroffen worden ist oder gegen die eine Justizbehörde angerufen worden ist “. Kurz könnte eine solche Entscheidung „Justizentscheidung“ genannt werden, da unabhängig davon, ob der ursprüngliche Freispruch bzw. die ursprüngliche Verurteilung von einer reinen Verwaltungsbehörde ausgesprochen wurde, gewährleistet wäre, dass sie nur dann zum Strafklageverbrauch führen kann, wenn sie von einer in Strafsachen zuständigen Justizbehörde geprüft worden ist. Diese Definition würde den Unterschieden zwischen den einzelstaatlichen Rechtsordnungen Rechnung tragen und gleichzeitig Risiken für die Gemeinschaft und die Betroffenen vermeiden. Bei diesem Konzept könnten bei Bedarf besondere Vorschriften für einzelne Bereiche erlassen werden, in denen Sanktionen in der Regel von Verwaltungsbehörden verhängt werden. Die Anwendung des Grundsatzes auf Verwaltungsentscheidungen erfordert ein sorgfältiges Vorgehen bei der Definition von „Freispruch“ und „Verurteilung“. Häufig wird argumentiert, eine Entscheidung, mit der eine Geldbuße oder eine sonstige Sanktion verhängt wird, könne einer Verurteilung gleichgestellt werden, obwohl sie von einer Verwaltungsbehörde getroffen worden sei[121], die meisten von Verwaltungsbehörden getroffenen Entscheidungen können jedoch weder als Verurteilung noch als Freispruch bezeichnet werden. Diese Entscheidungen können zwar bei ihren Adressaten eine Art berechtigtes Vertrauen auslösen, sollten aber auf keinen Fall die Verfolgung in einem anderen Mitgliedstaat verhindern. Jedoch könnte in einem Unionsrechtsakt auch die Berücksichtigung anderer Entscheidungen in der Weise vorgesehen werden, dass die mit diesen Entscheidungen verhängten Sanktionen nach dem Muster des Artikels 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens angerechnet werden. Anders als bei dieser Vorschrift sollte aber in diesem Fall das „Buchführungsprinzip“ oder Anrechnungsprinzip auch für finanzielle Sanktionen gelten. Frage 15: Stimmen Sie folgender Definition des Geltungsbereichs des Grundsatzes ne bis in idem zu: „eine Entscheidung in Strafsachen, die entweder von einer Justizbehörde getroffen worden ist oder gegen die eine Justizbehörde angerufen worden ist“ ? Frage 16: S timmen Sie folgender Definition der „rechtskräftigen Entscheidung“ zu: “eine Entscheidung, die eine neue Strafverfolgung nach dem innerstaatlichen Recht des Mitgliedstaats, in dem die Entscheidung ergangen ist, untersagt, sofern dieses einzelstaatliche Verbot nicht den Zielen des EU-Vertrags zuwiderläuft“ ? Frage 17: Wäre es zweckmäßiger, ausdrücklich Ausnahmen von der Definition der „rechtskräftigen Entscheidung“ festzulegen (z. B. „eine Entscheidung, die eine neue Strafverfolgung nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem die Entscheidung ergangen ist, untersagt, sofern nicht …“) ? bb) Relevanz der Gründe für eine Entscheidung Die Entscheidung darüber, ob eine Tat verfolgt wird oder nicht, beruht meistens auf einer Prüfung in der Sache, auf der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des betreffenden Verhaltens und der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Beschuldigten. Während bei einer Verurteilung eine Gesetzesverletzung und die strafrechtliche Verantwortlichkeit, d. h. die Schuld[122], festgestellt wird, fehlt bei einem Freispruch in der Regel mindestens eines dieser Elemente. Manchmal können jedoch Entscheidungen, die nicht auf einer Prüfung in der Sache beruhen, eine weitere Verfolgung ausschließen, insbesondere wenn die Frist für die Verfolgung abgelaufen ist. Sollte die Entscheidung, eine Sache wegen Fristablaufs in einem Mitgliedstaat nicht zu verfolgen, auch die Verfolgung in den anderen Mitgliedstaaten ausschließen? Eine bejahende Antwort würde darauf hinauslaufen, dass die Entscheidungen in dem Mitgliedstaat mit den kürzesten Fristen maßgebend sind, und damit in Mitgliedstaaten mit längeren Fristen das grenzüberschreitende Verbrechen gegenüber dem „innerstaatlichen“ Verbrechen privilegieren – vor allem da grenzüberschreitende Ermittlungen oft länger dauern als innerstaatliche. Eine verneinende Antwort würde aber den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung einschränken. Ähnliche Fragen stellen sich bei einer Amnestie oder Begnadigung in dem Mitgliedstaat, in dem die Verurteilung ausgesprochen wurde[123]. In solchen Fällen verbietet die Logik der gegenseitigen Anerkennung dem ersten Anschein nach die weitere Verfolgung in der Union. Die Worte „oder […] nicht mehr vollstreckt werden kann“ in Artikel 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens scheinen darauf hinzudeuten[124]. Diese Konsequenz könnte jedoch in bestimmten Fällen schwer zu akzeptieren sein, in denen die begnadigende Stelle die einschlägigen Interessen eines anderen Mitgliedstaats ignoriert hat. Die Strafverfolgungsbehörden scheinen in den Rechtsordnungen der meisten Mitgliedstaaten, unabhängig davon, ob sie auf dem Legalitäts- oder dem Opportunitätsprinzip beruhen, über einen erheblichen Ermessensspielraum zu verfügen. Ein geeignetes Mittel, um das Auftreten derartiger Dilemmas zu verringern, wäre nach Auffassung der Kommission die Festlegung eines ausgewogenen und effizienten Verfahrens für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats , wie es oben skizziert wurde: wenn von der Zuständigkeit für das erste Verfahren auf der Grundlage gemeinsamer Kriterien und unter gebührender Berücksichtigung der Interessen der anderen Mitgliedstaaten Gebrauch gemacht würde, könnten diese die Anerkennung der Verjährung oder eine ähnliche im ersten Mitgliedstaat getroffene Entscheidung akzeptieren. Nützliche Erwägungen für die Beantwortung dieser Fragen könnten sich auch aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben. In der Rechtssache Gözütok/Brügge , in der es um eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft ging, mit der die Strafverfolgung beendet, aber „das […] unerlaubte Verhalten geahndet“ und der Beschuldigte verpflichtet wurde, „bestimmte […] Auflagen zu erfüllen,“ stellte der EuGH die Geltung des Grundsatzes ne bis in idem fest, da das Verfahren nach dem innerstaatlichen Recht des betreffenden Mitgliedstaats zum Strafklageverbrauch führte[125]. In der Rechtssache Miraglia , in der es um eine ohne Prüfung in der Sache getroffene Entscheidung ging, mit der die Strafverfolgung beendet wurde, da eine weitere Strafverfolgung in einem anderen Mitgliedstaat im Gange war, lehnte der EuGH dagegen das Vorgehen ab, nur die Wirkung der Entscheidung in der Rechtsordnung des Mitgliedstaats, in dem sie ergangen ist, zu berücksichtigen, sofern dies den Zielen des EU-Vertrags zuwiderlaufen würde. Bedeutet dies, dass bei jeder Strafverfolgung, die ohne Prüfung in der Sache (z. B. wegen Verjährung) beendet wird, Strafklageverbrauch nicht eintreten kann? Dies kann nicht einfach mit Hinweis auf die Rechtssache Miraglia beantwortet werden, da die vom einzelstaatlichen Gericht vorgelegte Frage speziell die Tatsache betraf, dass das Verfahren wegen eines Verfahrens in einem anderen Mitgliedstaat eingestellt wurde. Daher kann nicht der Schluss gezogen werden, der entscheidende Grund für das Urteil des EuGH sei, dass keine Prüfung in der Sache stattgefunden hat. Die Frage, ob eine Prüfung in der Sache Vorbedingung für den Strafklageverbrauch ist, ist in der Rechtsprechung des EuGH noch nicht abschließend geklärt[126]. Obwohl diese beiden Rechtssachen keine endgültige Antwort auf die Frage nach dem derzeitigen Stand des Unionsrechts in Bezug auf die Wirkung von auf Verjährung gestützten Entscheidungen oder anderen Entscheidungen geben, in denen eine Prüfung in der Sache nicht oder nur teilweise stattgefunden hat, kann jedoch auf jeden Fall argumentiert werden, dass das Urteil in der Rechtssache Miraglia [127] Anlass für die Einführung einer flexiblen Vorschrift über Entscheidungen sein könnte, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie ergangen sind, zum Strafklageverbrauch führen , ohne dass notwendigerweise eine Prüfung in der Sache stattgefunden hat . Ein vernünftiges Vorgehen beim Umgang mit diesen Fällen wäre, zunächst zu ermitteln, ob der Beschuldigte wegen derselben Zuwiderhandlung im Inland noch einmal angeklagt werden könnte oder nicht und ob diese innerstaatliche Folge den Zielen des EU-Vertrags entspricht. Es sei darauf hingewiesen, dass sich der Gerichtshof in der anhängigen Rechtssache Gasparini (C-467/04) zur Frage der Verjährung äußern wird. Frage 18: Sollte neben den in den Fragen 16 und 17 genannten Elementen eine vorherige Prüfung in der Sache entscheidend dafür sein, ob eine Entscheidung unionsweit zum Strafklageverbrauch führt? c) Idem : Gleichheit der Tat Dem Wortlaut des Artikels 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens liegt ein tatorientiertes Konzept des idem zugrunde: er verbietet eine zweite Strafverfolgung wegen „derselben Tat“, nicht wegen „derselben Zuwiderhandlung“. In den meisten Sprachfassungen ist dies eindeutig[128]. Der EuGH spricht in seiner Rechtsprechung ausdrücklich von „derselben Tat“[129]. Ferner wurde in den Beratungen über die Initiative Griechenlands für einen Rahmenbeschluss ein tatorientiertes Konzept vom Europäischen Parlament, der Kommission und der Mehrheit der Delegationen im Rat unterstützt. Wenn es jedoch um Einzelheiten geht, ist nicht immer klar, wie die Gleichheit der Tat zu definieren ist[130]. Eine Klärung wurde in den Schlussanträgen des Generalanwalts[131] in der Rechtssache Van Esbroeck vom 20. Oktober 2005 vorgenommen, die die Frage aufwirft, ob die Ausfuhr von Suchtstoffen aus einem Mitgliedstaat und die Einfuhr (derselben Sendung von Suchtstoffen) in einen anderen Mitgliedstaat als „dieselbe Tat“ im Sinne des Artikels 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens anzusehen sind. In seinen Schlussanträgen bestätigt der Generalanwalt nach einer inhaltlichen und sprachlichen Analyse des Artikels 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens das tatorientierte Konzept für die Definition des idem ; er argumentiert, dass das tatsächliche Verhalten des Beschuldigten insgesamt berücksichtigt werden muss, um zu der (rechtlichen) Schlussfolgerung gelangen zu können, ob der Grundsatz ne bis in idem gilt. Seiner Auffassung nach schließt daher die Verurteilung wegen der Ausfuhr der Suchtstoffe eine zweite Verfolgung wegen der Einfuhr derselben Sendung von Suchtstoffen aus. Ein Konzept, das sich auf die rechtliche Einordnung der Zuwiderhandlung (Ausfuhr/Einfuhr) statt auf das tatsächliche Verhalten des Beschuldigten konzentriert, würde seines Erachtens dem Ziel des Artikels 2 EU-Vertrag zuwiderlaufen, einen europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu schaffen, und auch im Widerspruch zum allgemeinen Recht des Einzelnen stehen, sich wie im Schengener Übereinkommen gewährleistet frei zu bewegen. Ferner würde ein Konzept, das sich auf die rechtliche Einordnung der Zuwiderhandlung konzentriert, dem Zweck des Artikels 54 zuwiderlaufen, da es zulassen würde, dass dasselbe Verhalten zum Gegenstand mehrerer Verfahren gemacht wird. Jedes Konzept, das nicht von der Tat ausgeht, würde die wirksame Anwendung des Grundsatzes ne bis in idem auf internationaler Ebene verhindern. Nach Artikel 50 Grundrechtscharta darf niemand „wegen einer Straftat“ erneut verfolgt werden. Zwischen den beiden Vorschriften besteht jedoch kein Widerspruch: die Grundrechtscharta enthält lediglich eine Mindestnorm für Grundrechte, durch einen Rechtsakt der Union, z. B. einen Rahmenbeschluss, kann jedoch ein höheres Schutzniveau festgelegt werden. Denn im Vergleich zu einem rechtlichen Konzept der Gleichheit erweitert ein tatorientiertes idem der Schutz: wenn, was häufig der Fall ist, derselbe Sachverhalt mehrere Tatbestände erfüllt, kann nach dem tatorientierten Konzept eine Entscheidung, die sich nur mit einem dieser Tatbestände befasst, zum Strafklageverbrauch führen, während dies nach einem rechtlichen Konzept nicht unbedingt der Fall ist. Ein tatorientiertes idem verstärkt daher die Regel im Einklang mit der Grundrechtscharta. Deren Wortlaut wurde im Wesentlichen aus Artikel 4 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK übernommen, der dahingehend auszulegen ist, dass er „dieselben wesentlichen Elemente“ betrifft, aber aus einem anderen rechtlichen Rahmen stammt[132]. Es lässt sich schwer vorstellen, dass ein künftiger Unionsrechtsakt zum Grundsatz ne bis in idem hinter den erreichten Schutzstandard im Schengener Durchführungsübereinkommen und in der Rechtsprechung des EuGH zurückfallen würde. Es könnten sich jedoch einige Auslegungsschwierigkeiten ergeben. Sollten die Auswirkungen eines Verhaltens eine Rolle spielen und – wenn ja – unter welchen Voraussetzungen? In bestimmten Bereichen des Strafrechts sind möglicherweise die Auswirkungen eines bestimmten Verhaltens und sein räumlicher Wirkungsbereich zu berücksichtigen. Die Geltung des Grundsatzes ne bis in idem sollte kein Hindernis für die Verhängung wirksamer Sanktionen sein. Eine weitere Frage betrifft die Ermittlung zusätzlicher Tatsachen im Laufe einer zweiten Verfolgung. Zusätzliche Tatsachen dürfen nicht automatisch zu der Schlussfolgerung führen, dass ein anderer Sachverhalt vorliegt; anderenfalls könnte der Grundsatz ne bis in idem leicht umgangen werden. Ferner erscheint eine zweite Verfolgung beispielsweise gerechtfertigt, wenn jemand in einem Mitgliedstaat wegen Missachtung von Sicherheitsvorschriften mit einer Geldstrafe belegt wurde, ohne zu berücksichtigen, dass sein Verhalten z. B. auch Personen oder die Umwelt in einem anderen Mitgliedstaat geschädigt hat. Im Allgemeinen könnten diese Fälle wie folgt behandelt werden: Unterschiede bei einzelnen Tatsachen sollten grundsätzlich nicht zu der Schlussfolgerung führen, dass ein anderer Sachverhalt vorliegt, während diese Schlussfolgerung durchaus gerechtfertigt sein kann, wenn das Bekanntwerden zusätzlicher Tatsachen eine Änderung des einschlägigen Tatbestands oder eine andere Beurteilung der Unrechtsqualität nach sich zieht. Allerdings werden diese Fragen wohl eher im Einzelfall von den Gerichten beantwortet werden können als durch eine ausführliche Bestimmung des Begriffs „ idem “. Alternativ könnte diese klarer gefasst werden, indem man idem als „ die im Wesentlichen gleiche Tat “ definiert. Frage 19: Ist es möglich und notwendig, den Begriff „ idem “ zu bestimmen, oder sollte dies der Rechtsprechung des EuGH überlassen bleiben? d) Vollstreckungsbedingung Ein großer Schritt zur Stärkung des Grundsatzes ne bis in idem und zu mehr Rechtssicherheit wäre die Streichung der Vollstreckungsbedingung in Artikel 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens. Diese Bedingung sollte im Lichte der Grundsätze der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit sowie der Wesensgehaltsgarantie (Artikel 52 Absatz 1 Grundrechtscharta, Artikel II-112 Absatz 1 des Vertrages über eine Verfassung für Europa) überprüft werden. Die grenzüberschreitende Vollstreckung von Urteilen ist in den letzten Jahren erheblich erleichtert und beschleunigt worden. Früher konnte beispielsweise argumentiert werden, dass ein Verurteilter in einen Mitgliedstaat reisen könnte, in dem die „ausländische“ Sanktion nicht vollstreckt werden konnte oder würde, und er deshalb dort eine Art von Straffreiheit genießen würde. Nach den neuen Unionsvorschriften wie dem RB-EuHB und dem Rahmenbeschluss über die gegenseitige Anerkennung von Geldstrafen können strafrechtliche Sanktionen jedoch wirksam in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt werden. Weitere Maßnahmen werden geprüft, z. B. die Initiative mehrerer Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Annahme eines Rahmenbeschlusses betreffend die Europäische Vollstreckungsanordnung und die Überstellung verurteilter Personen[133]. Die Aufrechterhaltung einer Vollstreckungsbedingung ist daher nach Auffassung der Kommission nicht länger zu rechtfertigen. Die Streichung dieser Bedingung würde jedoch, wie oben in Bezug auf die anderen vorgeschlagenen Maßnahmen für eine klarere Fassung des Grundsatzes ne bis in idem dargelegt, durch ein effizientes Verfahren für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats erheblich erleichtert. Frage 20: Gibt es Ihres Erachtens Fälle, in denen eine Vollstreckungsbedingung noch erforderlich wäre, und – wenn ja – welche? Wenn ja, kann die Bedingung gestrichen werden, falls ein Verfahren für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats eingeführt wird? e) Fakultative Ausnahmen Ferner sollt geprüft werden, ob die fakultativen Ausnahmen nach Artikel 55 des Schengener Durchführungsübereinkommens noch zu rechtfertigen sind. In einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sollten im Idealfall keine derartigen Ausnahmen bestehen, da sie zu einer Fragmentierung des Rechts führen und die justizielle Zusammenarbeit behindern. In diesem Zusammenhang ist an Artikel 52 Absatz 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens zu erinnern. Dass bisher nur sieben Mitgliedstaaten der Union es für notwendig erachtet haben, von diesen Ausnahmen Gebrauch zu machen, zeigt, dass sie nicht ganz unverzichtbar sind. Zweck des Artikels 55 des Schengener Durchführungsübereinkommens war ursprünglich wohl zu vermeiden, dass ein Mitgliedstaat, der ein besonderes Interesse an der Verfolgung eines Falles hat, daran gehindert ist, nur weil ein anderer Mitgliedstaat, der möglicherweise ein geringeres Interesse hat, zuerst ein Verfahren eingeleitet hat. Dieses Risiko würde weiter bestehen, wenn die Union nicht in der Lage wäre, ein Verfahren für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats einzuführen. Wenn die Mitgliedstaaten aber die Möglichkeit hätten, Einfluss darauf zu nehmen, an welchem Ort das Verfahren stattfindet, und ihre besonderen Belange geltend zu machen, und wenn die Wahl des zuständigen Mitgliedstaats auf objektiven und verständlichen Kriterien beruhen würde, wäre es möglich, dem Grundsatz ne bis in idem volle Geltung zu verschaffen. Um nur das Beispiel der Ausnahme vom Territorialitätsprinzip in Artikel 55 Absatz 1 Buchstabe a des Schengener Durchführungsübereinkommens zu nehmen: Es kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet eine Straftat begangen worden ist, häufig besser in der Lage ist, diese Straftat zu verfolgen, als ein anderer Mitgliedstaat, in dem sie nicht begangen worden ist. Für einen solchen Mitgliedstaat wäre es daher schwer zu akzeptieren, dass er die Straftat aufgrund der Entscheidung eines Staates, in dem keines der Tatbestandsmerkmale verwirklicht worden ist, nicht verfolgen soll, wenn diese Entscheidung getroffen wurde, ohne den Mitgliedstaat zu konsultieren, in dessen Hoheitsgebiet die Straftat begangen worden ist. Anstatt diesen Mangel nachträglich mithilfe einer Ausnahme vom Grundsatz ne bis in idem zu heilen, wäre es sinnvoller, das Übel an der Wurzel zu packen und zu gewährleisten, dass Konsultationen stattfinden, bevor eine rechtskräftige Entscheidung getroffen wird. Ferner trifft Artikel 55 Absatz 1 Buchstabe a des Schengener Durchführungsübereinkommens nicht den Kern des Problems, da die Territorialität nur eines von mehreren wichtigen Kriterien für die Bestimmung des für die Behandlung eines Falles am besten geeigneten Mitgliedstaats ist[134]. Ähnliche Überlegungen sind zu Buchstabe b anzustellen („Sicherheit des Staates oder andere gleichermaßen wesentliche Interessen“); in einem Verfahren für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats könnte ein wesentliches Interesse eines Mitgliedstaats an einem Fall ein schwerwiegendes Argument für die dortige Behandlung des Falles sein. Es ist jedoch zweifelhaft, ob es Vorrang gegenüber einem Grundrecht haben kann. Auf jeden Fall ermöglicht ein Verfahren, bei dem ein Mitgliedstaat die Federführung hat, durch höhere Effizienz besser die Wahrung einzelstaatlicher Sicherheitsinteressen als eine Verdoppelung einzelstaatlicher Verfahren, insbesondere da Dienststellen anderer Mitgliedstaaten durch Information und enge Zusammenarbeit beteiligt werden können. Außerdem erscheint der Begriff „gleichermaßen wesentliche Interessen“ sehr vage. Zur dritten Möglichkeit für eine Ausnahme von der Geltung des Grundsatzes (Buchstabe c, der einen Vorbehalt für Taten zulässt, die von einem Bediensteten der betreffenden Vertragspartei unter Verletzung seiner Amtspflichten begangen wurden) kann wohl festgestellt werden, dass für die Aufrechterhaltung einer solchen Möglichkeit im Schengener Durchführungsübereinkommen keine Notwendigkeit besteht, denn kein Mitgliedstaat hat je von ihr Gebrauch gemacht. Insgesamt stellen die Ausnahmen in Artikel 55 des Schengener Durchführungsübereinkommens eher eine „Krücke“ dar, das „Heilmittel“ wäre ein Verfahren für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats. Gewisse Einschränkungen des Grundsatzes ne bis in idem müssen wohl in Ausnahmefällen gelten, z. B. bei einem Verfahrensmissbrauch, einschließlich der Rechtsverweigerung gegenüber den Opfern, oder bei Nichteinhaltung der Normen für ein ordnungsgemäßes Verfahren. Während solche Ausnahmen auf internationaler Ebene in Artikel 20 Absatz 3 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) vorgesehen sind[135], erscheint es in einem auf gegenseitiger Anerkennung beruhenden Raum des Rechts ausreichend, für solche Fälle generell die Wiederaufnahme des Verfahrens vorzusehen. In den meisten (wenn nicht sogar allen) Mitgliedstaaten kann das Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen wiederaufgenommen werden, die jedoch sehr unterschiedlich sind[136]. Nach Artikel 4 Absatz 2 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig – aber nicht vorgeschrieben –, falls neue oder neu bekannt gewordene Tatsachen vorliegen oder das Verfahren schwere Mängel aufweist. Das Schengener Durchführungsübereinkommen schweigt zu dieser Frage[137]. Man könnte diskutieren, ob ein Unionsrechtsakt gemeinsame Mindestnormen für die Wiederaufnahme des Verfahrens enthalten sollte. Zumindest hinsichtlich neuer Beweise oder Tatsachen erscheint jedoch ein Verfahren für Konsultationen zwischen den Mitgliedstaaten ausreichend, nach dem der Mitgliedstaat, in dem die neuen Beweise oder Tatsachen entdeckt worden sind, den Mitgliedstaat unterrichtet, in dem die rechtskräftige Entscheidung ergangen ist – so dass dessen zuständige Stellen nach den im innerstaatlichen Recht festgelegten Kriterien über eine Wiederaufnahme des Verfahrens entscheiden können. Frage 21: Inwieweit sind die nach Artikel 55 des Schengener Durchführungsübereinkommens zulässigen Ausnahmen noch zu rechtfertigen? Können sie gestrichen werden, falls ein Verfahren für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats eingeführt wird, oder sind unter diesen Umständen Ihres Erachtens weitere Maßnahmen als „Ausgleich“ für eine Streichung der Ausnahmen notwendig? f) Rechtsfolgen Der unionsweit geltende Grundsatz ne bis in idem hat zur Folge, dass der Beschuldigte in einem anderen Mitgliedstaat nicht erneut verfolgt werden darf. Insoweit erscheint der Wortlaut des Artikels 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens angemessen. Ausgeschlossen sind damit nicht nur weitere Gerichtsverfahren oder Bestrafungen (wie in Artikel 50 Grundrechtscharta als Mindestschutz vorgesehen), sondern auch Ermittlungsverfahren. Ersuchen um Rechtshilfe oder um Vollstreckung von Strafverfolgungsmaßnahmen, die nicht auf die Wiederaufnahme des Verfahrens gerichtet sind, könnten daher nicht länger gerechtfertigt sein. Strafklageverbrauch ist deshalb ein zwingender Grund für die Ablehnung der Vollstreckung eines EuHB[138] und als solcher auch im Vorschlag der Kommission für eine Europäische Beweisanordnung[139] vorgesehen. In den Rahmenbeschlüssen über Sicherstellungsentscheidungen[140], über die gegenseitige Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen und über Einziehungsentscheidungen[141] ist er jedoch nur als fakultativer Grund für die Ablehnung der Vollstreckung genannt. Die bestehende Rechtshilferegelung schweigt zu diesem Punkt. In einem Raum des Rechts sollte Strafklageverbrauch ein zwingender Grund für die Nichterledigung oder Nichtanerkennung von Ersuchen sein, gleichgültig, ob es um die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung oder um Rechtshilfe geht. Es wird zu erörtern sein, ob dies in einem horizontalen Rechtsakt klargestellt werden kann oder ob auch der Wortlaut einzelner Rechtsakte angepasst werden muss[142]. Ferner sollte geprüft werden, inwieweit einzelne Bestimmungen in bestimmten Rechtsakten geändert werden sollten, z. B. Artikel 3 Nummer 2 oder Artikel 4 Absatz 3 RB-EuHB[143]. So enthält Artikel 4 Nummer 3 RB-EuHB einen fakultativen Grund für die Ablehnung der Vollstreckung; dies ist teilweise überholt, da nach der Rechtsprechung des EuGH die Entscheidung, kein Verfahren einzuleiten, unter bestimmten Umständen zum Strafklageverbrauch führen kann; ist jedoch Strafklageverbrauch eingetreten, so sollte die Ablehnung der Vollstreckung zwingend sein. Ferner sollte geprüft werden, ob die übrigen Fälle des Artikels 4 Nummer 3 RB-EuHB, in denen nach der Rechtsprechung kein Strafklageverbrauch eintritt, noch als Grund für die Ablehnung der Vollstreckung anzusehen ist. Schließlich wäre zu erwägen, in Artikel 3 Nummer 2 RB-EuHB klarzustellen, dass die Überstellung abzulehnen ist, wenn der Internationale Strafgerichtshof über denselben Sachverhalt geurteilt hat. Frage 22: Sollte Strafklageverbrauch ein zwingender Grund für die Ablehnung der Rechtshilfe sein? Wenn ja, welche unionsrechtlichen Vorschriften sollten angepasst werden? Drittstaaten Als weiterer Schritt könnte geprüft werden, ob Unionsbürger auch bei Verfahren in Drittstaaten durch den Grundsatz ne bis in idem geschützt werden sollten. Nur wenige Mitgliedstaaten haben eine internationale Übereinkunft[144] ratifiziert, in der der die Geltung des Grundsatzes ne bis in idem für Entscheidungen vorgesehen ist, die außerhalb der EU ergangen sind. Derzeit gibt es ein breites Spektrum einzelstaatlicher Vorschriften über den Strafklageverbrauch im Verhältnis zu Drittstaaten. Dass ein in einem Drittstaat rechtskräftig abgeurteilter Unionsbürger in einem Mitgliedstaat nicht verfolgt werden kann, während dies in einem anderen noch möglich ist, ist nicht mit der Logik eines Raumes des Rechts vereinbar und kann Auswirkungen auf die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten haben: beispielsweise ist es nach Artikel 4 Nummer 5 RB-EuHB zulässig, aber nicht vorgeschrieben, dass ein Mitgliedstaat die Vollstreckung eines auf einem Drittstaatsurteil beruhenden EuHB verweigert. Im internationalen Kontext müsste das Konzept natürlich bei weitem nicht so ehrgeizig sein wie in einem einheitlichen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Voraussetzungen und Ausnahmen, die mit denen der Artikel 54 und 55 des Schengener Durchführungsübereinkommens oder des Artikels 20 des IStGH-Statuts vergleichbar sind, könnten auf internationaler Ebene noch erforderlich sein. Dennoch könnte sowohl hinsichtlich der Wirkung von Drittstaatsurteilen in der EU als auch hinsichtlich der Wirkung von Urteilen der Mitgliedstaaten der Union in Drittstaaten ein unionsweites Mindestschutzniveau in internationalen Verhandlungen ins Auge gefasst werden. Um ein auf Gegenseitigkeit beruhendes ausgewogenes Konzept zu erzielen, könnten beide Aspekte zusammen behandelt werden. Soweit der Grundsatz ne bis in idem nicht gilt, könnten frühere Sanktionen für dieselbe Tat grundsätzlich in einem neuem Verfahren angerechnet werden. Wie in Artikel 56 des Schengener Durchführungsübereinkommens ist dieser Grundsatz in mehreren internationalen Übereinkommen niedergelegt worden[145]. Frage 23: Besteht die Notwendigkeit für ein kohärenteres Konzept für die Geltung des Grundsatzes ne bis in idem im Verhältnis zu Drittstaaten? Ist zwischen Mitgliedstaaten des Europarats und anderen Ländern zu unterscheiden? TEIL IV: WEITERE OPTIONEN UND SCHLUSSFOLGERUNGEN WEITERE MÖGLICHE MASSNAHMEN Überprüfung der Gründe für die Ablehnung der Vollstreckung in anderen Übereinkünften über gegenseitige Anerkennung Die gegenseitige Anerkennung und ein vernünftiges Verfahren, das eine ausgewogene Wahl des zuständigen Mitgliedstaats gewährleistet, sind voneinander abhängig. Wenn die Mitgliedstaaten sich erst einmal auf die Form eines Verfahrens geeinigt haben, nach dem der für die Behandlung eines Falles am besten geeignete Mitgliedstaat bestimmt wird, könnte sich, wie oben dargelegt, ihre Bereitschaft, in anderen Mitgliedstaaten ergangene Justizentscheidungen uneingeschränkt anzuerkennen, beträchtlich erhöhen. Daher sollte parallel zu den oben erörterten Regelungen auch geprüft werden, ob nicht einige der Gründe für die Ablehnung der Vollstreckung in den Übereinkünften der Union über gegenseitige Anerkennung gestrichen werden sollten. Wenn diese Gründe auch bisher als notwendig angesehen wurden, kann wohl behauptet werden, dass sie nicht in vollem Umfang mit einem auf gegenseitiger Anerkennung beruhenden europäischen Strafjustizsystem vereinbar sind. Auf der gleichen Grundlage könnten vielleicht im Interesse der Betroffenen andere Gründe für die Ablehnung der Vollstreckung von fakultativen in zwingende Gründe umgewandelt werden. Dies gilt insbesondere für die nachstehenden fakultativen Gründe für die Ablehnung der Vollstreckung eines EuHB in Artikel 4 des Rahmenbeschlusses[146], die wohl kaum in vollem Umfang mit dem Konzept eines gemeinsamen Raums des Rechts vereinbar sind: - laufende strafrechtliche Verfolgung wegen derselben Handlung (Artikel 4 Nummer 2), was nur dann ein Grund für die Ablehnung der Vollstreckung sein sollte, wenn die Verfahren für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats angewandt worden sind; solange diese Verfahren laufen, bestände ein Grund für die Ablehnung der Vollstreckung; wenn ein federführender Mitgliedstaat bestimmt worden ist, sollte dieser die Vollstreckung ablehnen, während die anderen Mitgliedstaaten keinen Grund für die Ablehnung der Vollstreckung eines EuHB dieses Mitgliedstaats hätten; - ein Beschluss, kein Verfahren einzuleiten bzw. das Verfahren einzustellen (Artikel 4 Nummer 3 erster Teil); - territoriale Aspekte (Artikel 4 Nummer 7 Buchstabe a), die weder ein zwingender noch ein fakultativer Grund für die Ablehnung der Vollstreckung sein sollten. (Diese Beispiele betreffen einen zur Strafverfolgung ausgestellten EuHB. Bei einem zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung ausgestellten EuHB kann die Lage anders sein. So sollte die laufende strafrechtliche Verfolgung wegen derselben Handlung als Grund für die Ablehnung der Vollstreckung in dieser Hinsicht ganz gestrichen und auch nicht teilweise in einen zwingenden Grund für die Ablehnung der Vollstreckung umgewandelt werden.) Ferner könnte sorgfältig geprüft werden, ob Verjährung als fakultativer Grund für die Ablehnung der Vollstreckung (Artikel 4 Nummer 4 RB-EuHB), der auch im Entwurf des Rahmenbeschlusses über Einziehungsentscheidungen[147] und in dem vor kurzem angenommenen Rahmenbeschluss über Geldstrafen und Geldbußen[148] enthalten ist, eingeschränkt oder mit bestimmten Bedingungen versehen werden könnte, so dass auf Verjährung gestützte Entscheidungen nicht als rechtskräftige Entscheidungen im Sinne des Grundsatzes ne bis in idem anerkannt werden. In einem gut funktionierenden Justizsystem könnte man auch damit beginnen, Überlegungen anstellen, ob das Alter als bisher zwingender Grund für die Ablehnung der Vollstreckung in Artikel 3 Nummer 3 nicht später – wie bei den Einziehungsentscheidungen und den Geldstrafen und Geldbußen – in einen fakultativen Grund umgewandelt werden könnte und ob der Grundsatz der beiderseitigen Strafbarkeit in Artikel 4 Nummer 1 nicht weiter eingeschränkt oder ganz gestrichen werden könnte. Auf jeden Fall müsste zumindest die Terminologie der einschlägigen Übereinkünfte der Union an einen künftigen Rechtsakt über die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats angepasst werden. Beispielsweise sollte es in der englischen Fassung des Artikels 4 RB-EuHB (insbesondere in den Nummern 3 und 4) und des Artikels 7 Absatz 2 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses über Geldstrafen und Geldbußen „facts“ statt „acts“ heißen (in der deutschen Fassung ist an diesen Stellen bereits von „Handlungen“ die Rede). Frage 24: Stimmen Sie zu, dass bei einem ausgewogenen Verfahren für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats a) bestimmte Gründe für die Ablehnung der Vollstreckung in den Übereinkünften der Union über gegenseitige Anerkennung zumindest teilweise überflüssig werden könnten? Welche Gründe könnten dies vor allem sein? b) bestimmte fakultative Gründe für die Ablehnung der Vollstreckung in zwingende Gründe umgewandelt werden sollten oder umgekehrt? Welche Gründe könnten dies vor allem sein? Das anzuwendende Strafrecht Die in diesem Grünbuch angestellten Überlegungen beruhen auf der Annahme, dass die Mitgliedstaaten grundsätzlich nur ihr eigenes Strafverfahrensrecht und ihr eigenes materielles Strafrecht anwenden ( lex fori ). Dies ist im internationalen Strafrecht derzeit ein etablierter Grundsatz. Mit der Verweisung einer Rechtssache an einen bestimmten Mitgliedstaat wird also grundsätzlich auch das anzuwendende Recht bestimmt, einschließlich der möglichen Sanktionen. Die Bestimmung des Mitgliedstaats, der eine Rechtssache behandeln soll, ist daher eine besonders heikle und wichtige Frage mit erheblichen Auswirkungen auf die Grundrechte. Im geltenden innerstaatlichen Recht gibt es einige, wenn auch sehr begrenzte, Abweichungen von diesem allgemeinen Grundsatz des lex fori , die beispielsweise vorsehen, dass das Recht eines anderen Staates zu berücksichtigen ist, soweit es für den Beschuldigten günstiger ist. Das ausländische Recht ist danach nicht allgemein, sondern nur zur Begrenzung der zu verhängenden Sanktion anwendbar. So kann in Österreich eine außerhalb des Hoheitsgebiets Österreichs begangene Tat nicht härter bestraft werden, als dies in dem Staat möglich wäre, in dem die Tat begangen wurde, und die Bestrafung endet, wenn die Tat in diesem Staat verjährt. Im portugiesischen Recht gibt es ähnliche Vorschriften. Auch hier erweist sich, dass das Territorialitätsprinzip in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist. Das lettische Recht kennt sogar eine Vorschrift, nach der in bestimmten Fällen ausländisches Verfahrensrecht angewandt werden kann. Theoretisch könnten weniger hohe Anforderungen an eine Lösung des Problems der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gestellt werden, wenn sich die Mitgliedstaaten auf Vorschriften für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts einigen würden, wie sie aus dem internationalen Privatrecht bekannt sind. Ein solches Vorgehen erscheint jedoch kaum realistisch. Auf jeden Fall wären immer noch Verfahrensregelungen und Kriterien für die oben vorgeschlagene Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats erforderlich. ABSCHLIESSENDE BEMERKUNGEN Wenn zwei oder mehr Mitgliedstaaten für einen Fall zuständig sind, können im Strafrecht mehrere parallele Verfahren eingeleitet werden. Zwar können parallele Ermittlungen notwendig sein, nicht aber nicht parallele Strafverfolgungsmaßnahmen. Da ein Strafverfahren für den Betroffenen häufig eine schwere Belastung mit sich bringt, können seine Rechte und Interessen durch die Mehrfachverfolgung derselben Straftat beeinträchtigt werden. Ferner kann sich die Mehrfachverfolgung nachteilig auf Effizienz und Dauer der Verfahren auswirken. Doppelarbeit ist fast unvermeidlich, wenn Beschuldigte, Opfer oder Zeugen möglicherweise mehrere Male in verschiedenen Ländern geladen und gehört werden müssen. Derzeit hindert keine Vorschrift die zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten daran, die parallele Verfolgung von Straftaten fortzusetzen, die bereits von anderen verfolgt werden. Dies ist ein Widerspruch zur innerstaatlichen Ebene, wo in der Regel eine Vorschrift die Aussetzung oder Einstellung paralleler Strafverfolgungsmaßnahmen verlangt. Für Zivil- und Handelssachen enthält das Europarecht Vorschriften sowohl über parallele Verfahren als auch über die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats. In einem gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts erscheint es nicht nur wünschenswert, sondern auch erforderlich, die Mehrfachverfolgung zu beschränken oder zu verhindern. Zu diesem Zweck sieht das Europarecht derzeit nur eine Beschränkung mit eher begrenztem Geltungsbereich vor: den Grundsatz ne bis in idem . Daneben gibt es in den bestehenden Vorschriften über den Grundsatz ne bis in idem auf Unionsebene Ausnahmen, die mit einem echten gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts unvereinbar erscheinen. Ferner sind Fragen im Zusammenhang mit seinem Geltungsbereich und seiner Anwendbarkeit weiter zu klären. Außerdem verhindert der Grundsatz ne bis in idem , wie oben festgestellt, keine Kompetenzkonflikte in laufenden Verfahren, da er nur gilt, wenn eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist. Ohne ein effizientes Verfahren für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats kann der Grundsatz ne bis in idem zu zufälligen oder gar willkürlichen Ergebnissen führen. Wo eine rechtskräftige Entscheidung zuerst getroffen werden kann, wirkt der Grundsatz ne bis in idem im derzeitigen Rahmen wie das Windhundverfahren. Nach Auffassung der Kommission besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Frage der Bestimmung des im Falle eines Kompetenzkonflikts für die Behandlung einer konkreten Rechtssache am besten geeigneten Strafgerichts, der Einführung einer unionsweit geltenden Vorschrift über die Konzentration paralleler Verfahren und dem Grundsatz ne bis in idem . Ferner erscheint es nicht nur möglich, sondern auch notwendig, dieses Problem im Rahmen des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung anzugehen, der als Eckstein des gemeinsamen Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts der Union bezeichnet wurde. Dieser Grundsatz setzt voraus, dass jeder Mitgliedstaat Vertrauen in die Strafjustizsysteme der anderen hat. Mit diesem Grünbuch wird daher vorgeschlagen, dass eine Lösung des Problems – Beilegung von Kompetenzkonflikten und klarere Fassung des Geltungsbereichs und der Anwendbarkeit des Grundsatzes ne bis in idem , um den Einzelnen besser zu schützen, gleichzeitig jedoch die berechtigten Interessen der Mitgliedstaaten zu wahren – auf der gegenseitigen Anerkennung der Entscheidungen der Justizbehörden und dem Vertrauen in das Funktionieren der Strafjustizsysteme der anderen Mitgliedstaaten durch aktive Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten beruhen sollte. Aus diesen Erwägungen wird mit diesem Grünbuch die Einführung eines Mechanismus vorgeschlagen, das aus einem Informations-, Konsultations- und Streitbeilegungsverfahren und einer Liste der einschlägigen materiellen Kriterien besteht, denen bei der Bestimmung des am besten geeigneten Mitgliedstaats Rechnung zu tragen ist. ANNEX PART V: Appendix with relevant provisions from EU and International Instruments – Initiatives A. PROVISIONS ON NE BIS IN IDEM IN INTERNATIONAL AND EU INSTRUMENTS 19 December 1966 International Covenant on Civil and Political Rights Article 14(7) No one shall be liable to be tried or punished again for an offence for which he has already been finally convicted or acquitted in accordance with the law and penal procedure of each country. 28 may 1970 European Convention on the International Validity of Criminal Judgments Part III – International effects of European criminal judgments Section 1 – Ne bis in idem Article 53 1. A person in respect of whom a European criminal judgment has been rendered may for the same act neither be prosecuted nor sentenced nor subjected to enforcement of a sanction in another Contracting State: a. if he was acquitted; b. if the sanction imposed: i. has been completely enforced or is being enforced, or ii. has been wholly, or with respect to the part not enforced, the subject of a pardon or an amnesty, or iii. can no longer be enforced because of lapse of time; c. if the court convicted the offender without imposing a sanction. 2. Nevertheless, a Contracting State shall not, unless it has itself requested the proceedings, be obliged to recognise the effect of ne bis in idem if the act which gave rise to the judgment was directed against either a person or an institution or any thing having public status in that State, of if the subject of the judgment had himself a public status in that State. 3. Furthermore, any Contracting State where the act was committed or considered as such according to the law of that State shall not be obliged to recognise the effect of ne bis in idem unless that State has itself requested the proceedings. Article 54 If new proceedings are instituted against a person who in another Contracting State has been sentenced for the same act, then any period of deprivation of liberty arising from the sentence enforced shall be deducted from the sanction which may be imposed. Article 55 This section shall not prevent the application of wider domestic provisions relating to the effect of ne bis in idem attached to foreign criminal judgments. Section 2 – Taking into consideration Article 56 Each Contracting State shall legislate as it deems appropriate to enable its courts when rendering a judgment to take into consideration any previous European criminal judgment rendered for another offence after a hearing of the accused with a view to attaching to this judgment all or some of the effects which its law attaches to judgments rendered in its territory. It shall determine the conditions in which this judgment is taken into consideration. Article 57 Each Contracting State shall legislate as it deems appropriate to allow the taking into consideration of any European criminal judgment rendered after a hearing of the accused so as to enable application of all or part of a disqualification attached by its law to judgments rendered in its territory. It shall determine the conditions in which this judgment is taken into consideration 15 May 1972 European Convention on the Transfer of Proceedings in Criminal Matters ETS No. 073 Article 3 Any Contracting State having competence under its own law to prosecute an offence may, for the purposes of applying this Convention, waive or desist from proceedings against a suspected person who is being or will be prosecuted for the same offence by another Contracting State. Having regard to Article 21, paragraph 2, any such decision to waive or to desist from proceedings shall be provisional pending a final decision in the other Contracting State. Article 35 1. A person in respect of whom a final and enforceable criminal judgment has been rendered may for the same act neither be prosecuted nor sentenced nor subjected to enforcement of a sanction in another Contracting State: a. if he was acquitted; b. if the sanction imposed: i. has been completely enforced or is being enforced, or ii. has been wholly, or with respect to the part not enforced, the subject of a pardon or an amnesty, or iii. can no longer be enforced because of lapse of time; c. if the court convicted the offender without imposing a sanction. 2. Nevertheless, a Contracting State shall not, unless it has itself requested the proceedings, be obliged to recognise the effect of ne bis in idem if the act which gave rise to the judgment was directed against either a person or an institution or any thing having public status in that State, or if the subject of the judgment had himself a public status in that State. 3. Furthermore, a Contracting State where the act was committed or considered as such according to the law of that State shall not be obliged to recognise the effect of ne bis in idem unless that State has itself requested the proceedings. Article 36 If new proceedings are instituted against a person who in another Contracting State has been sentenced for the same act, then any period of deprivation of liberty arising from the sentence enforced shall be deducted from the sanction which may be imposed. Article 37 This Part shall not prevent the application of wider domestic provisions relating to the effect of ne bis in idem attached to foreign criminal judgments. 22 November 1984 Protocol No. 7 to the Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms ETS No. 117 Article 4 – Right not to be tried or punished twice 1. No one shall be liable to be tried or punished again in criminal proceedings under the jurisdiction of the same State for an offence for which he has already been finally acquitted or convicted in accordance with the law and penal procedure of that State. 2. The provisions of the preceding paragraph shall not prevent the reopening of the case in accordance with the law and penal procedure of the State concerned, if there is evidence of new or newly discovered facts, or if there has been a fundamental defect in the previous proceedings, which could affect the outcome of the case. 3. No derogation from this Article shall be made under Article 15 of the Convention. 19 June 1990 Convention Implementing the Schengen Agreement Chapter 3 Application of the ne bis in idem principle Articles 54 to 58 Article 54 A person whose trial has been finally disposed of in one Contracting Party may not be prosecuted in another contracting Party for the same acts provided that if a penalty has been imposed, it has been enforced, is actually in the process of being enforced or can no longer be enforced under the laws of the sentencing Contracting Party. Article 55 1. A Contracting party may, when ratifying accepting or approving this Convention declare that it is not bound by Article 54 in one or more of the following cases; (a) where the acts to which the foreign judgment relates took place in whole or in part in its own territory; in the latter case however this exception shall not apply if the acts took place in part in the territory of the Contracting party where the judgment was delivered (b) where the acts to which the foreign judgment relates constitute an offence against national security or other equally essential interests of that contracting Party (c) where the acts to which the foreign judgment relates were committed by official of that contracting party in violation of the duties of their office.Article 56 If further proceedings are brought by a Contracting Party against a person who has been finally judged for the same offences by another Contracting Party, any period of deprivation of liberty served on the territory of the latter Contracting Party on account of the offences in question must be deducted from any sentence handed down. Account will also be taken, to the extent that national legislation permits, of sentences other than periods of imprisonment already undergone. Article 57 1. Where a Contracting Party accuses an individual of an offence and the competent authorities of that Contracting Party have reason to believe that the accusation relates to the same offences as those for which the individual has already been finally judged by another Contracting Party, these authorities shall, if they deem it necessary, request the relevant information from the competent authorities of the Contracting Party in whose territory judgment has already been delivered. 2. The information requested shall be provided as soon as possible and shall be taken into consideration as regards further action to be taken in the proceedings in progress. 3. At the time of ratification, acceptance or approval of this Convention, each Contracting Party will nominate the authorities which will be authorized to request and receive the information provided for in this Article. Article 58 The above provisions shall not preclude the application of wider national provisions on the "non bis in idem" effect attached to legal decisions taken abroad. Charter of Fundamental Rights of the European Union Official Journal C 364, 18 Dec. 2000, p.1 Article 50 “Right not to be tried or punished twice in criminal proceedings for the same criminal offence” No one shall be liable to be tried or punished again in criminal proceedings for an offence for which he or she has already been finally acquitted or convicted within the Union in accordance with the law. 13 June 2002 Council Framework Decision on the European arrest warrant and the surrender procedures between Member States Official Journal L190, 18 July 2002, p. 1 Article 3 “Grounds for mandatory non-execution of the European arrest warrant” The judicial authority of the Member State of execution (hereinafter ‘executing judicial authority’) shall refuse to execute the European arrest warrant in the following cases: 1. if the offence on which the arrest warrant is based is covered by amnesty in the executing Member State, where that State had jurisdiction to prosecute the offence under its own criminal law; 2. if the executing judicial authority is informed that the requested person has been finally judged by a Member State in respect of the same acts provided that, where there has been sentence, the sentence has been served or is currently being served or may no longer be executed under the law of the sentencing Member State; 3. if the person who is the subject of the European arrest warrant may not, owing to his age, be held criminally responsible for the acts on which the arrest warrant is based under the law of the executing State. Article 4 “Grounds for optional non-execution of the European arrest warrant” The executing judicial authority may refuse to execute the European arrest warrant: 1. if, in one of the cases referred to in Article 2(4), the act on which the European arrest warrant is based does not constitute an offence under the law of the executing Member State; however, in relation to taxes or duties, customs and exchange, execution of the European arrest warrant shall not be refused on the ground that the law of the executing Member State does not impose the same kind of tax or duty or does not contain the same type of rules as regards taxes, duties and customs and exchange regulations as the law of the issuing Member State; 2. where the person who is the subject of the European arrest warrant is being prosecuted in the executing Member State for the same act as that on which the European arrest warrant is based; 3. where the judicial authorities of the executing Member State have decided either not to prosecute for the offence on which the European arrest warrant is based or to halt proceedings, or where a final judgment has been passed upon the requested person in a Member State, in respect of the same acts, which prevents further proceedings; 4. where the criminal prosecution or punishment of the requested person is statute-barred according to the law of the executing Member State and the acts fall within the jurisdiction of that Member State under its own criminal law; 5. if the executing judicial authority is informed that the requested person has been finally judged by a third State in respect of the same acts provided that, where there has been sentence, the sentence has been served or is currently being served or may no longer be executed under the law of the sentencing country; 6. if the European arrest warrant has been issued for the purposes of execution of a custodial sentence or detention order, where the requested person is staying in, or is a national or a resident of the executing Member State and that State undertakes to execute the sentence or detention order in accordance with its domestic law; 7. where the European arrest warrant relates to offences which: (a) are regarded by the law of the executing Member State as having been committed in whole or in part in the territory of the executing Member State or in a place treated as such; or (b) have been committed outside the territory of the issuing Member State and the law of the executing Member State does not allow prosecution for the same offences when committed outside its territory B. EU PROVISIONS ON CONFLICTS OF JURISDICTION (INCLUDING PENDING INITIATIVES) 26 July 1995 Convention on the Protection of the European Communities’ Financial Interests Official Journal C 316 of 27.11.1995, p. 49 Article 4, “Jurisdiction”: “1. Each Member State shall take the necessary measures to establish its jurisdiction over the offences it has established in accordance with Article 1 and 2 (1) when - fraud, participation in fraud or attempted fraud affecting the European Communities’ financial interests is committed in whole or in part within its territory, including fraud for which the benefit was obtained in that territory, - a person within its territory knowingly assists or induces the commission of such fraud within the territory of any other State, - the offender is a national of the Member State concerned, provided that the law of that Member State may require the conduct to be punishable also in the country where it occurred. 2. Each Member State may declare, when giving the notification referred to in Article 11(2), that it will not apply the rule laid down in the third indent of paragraph 1 of this Article.” 19 January 1996 Commission Proposal for a Council Act drawing up the additional Protocol to the Convention on the Protection of the European Communities' Financial Interests ( COM/95/0693 FINAL) Official Journal C 083 , 20.03.1996 p. 10 TITLE IV – Priority jurisdiction Article 7 1. In the interests of the sound administration of justice, investigations shall be grouped together within a centralized procedure each time a fraud offence concerns several Member States, or when one or more offences arise from a series of acts done by persons acting together in pursuance of a jointly agreed plan, or when offences are linked with one another. 2. The procedure in paragraph 1 is not intended to confer exclusive jurisdiction. It shall be applicable unless there are overriding objective reasons for derogation. 3. To implement the centralized proceedings, each Member State shall deem acts done on the territory of another Member State to have been committed on its own territory. Article 8 1. The power to implement the centralized procedure shall lie with the authorities responsible for investigation for the purpose of prosecution in the Member States on whose territory the greatest number of the following are satisfied: - place where the material acts or omissions occur, - place of arrest of persons having participated in the fraud, - home or usual residence of the same persons, - place where the evidence is identified or located, - head office of the legal person or other business establishment involved in the fraud. 2. Where jurisdiction cannot be determined on the basis of the criteria set out in paragraph 1, the Member State whose authorities are responsible for investigation for the purpose of prosecution and to whom the essential facts of the fraud were first submitted shall have jurisdiction to implement the centralized procedure. 27 September 1996 Protocol to the Convention on the Protection of the European Communities’ Financial Interests Official Journal C 313 of 23.10.1996, p. 2 Article 6, “Jurisdiction”: “1. Each Member State shall take the measures necessary to establish its jurisdiction over the offences it has established in accordance with Articles 2, 3 and 4 where: (a) the offence is committed in whole or in part within its territory; (b) the offender is one of its nationals or one of its officials; (c) the offence is committed against one of the persons referred to in Article 1 or a member of one of the institutions referred to in Article 4 (2) who is one of its nationals. (d) the offender is a Community official working for a European Community institution or a body set up in accordance with the Treaties establishing the European Communities which has its headquarters in the Member State concerned. 2. Each Member may declare that when giving notification provided for in Article 9 (2) that it will not apply or will apply only in specific cases or conditions one or more of the jurisdiction rules laid down in paragraph 1 (b), (c), and (d).” 26 May 1997 Convention on the Fight against Corruption Involving Officials of the European Communities or Officials of Member States of the European Union Official Journal C 195 of 25.6.1997, p. 2 Article 7, “Jurisdiction”: “1. Each Member State shall take the measures necessary to establish its jurisdiction over the offences it has established in accordance with the obligations arising out of Articles 2, 3, and 4 where: (a) the offence is committed in whole or in part within its territory; (b) the offender is one of its nationals or one of its officials; (c) the offence is committed against one of the persons referred to in Article 1 or a member of one of the European Community institutions referred to in Article 4 (1) who is at the same time one of its nationals; (d)the offender is a Community official working for a European Community institution or a body set up in accordance with the Treaties establishing the European Communities which has its headquarters in the Member State in question. 2. Each Member State may declare, when giving the notification provided for in Article 13 (2), that it will not apply or will apply only in specific cases or conditions one or more of the jurisdiction rules laid down in paragraph 1 (b), (c) and (d).” 21 December 1998 Joint Action on Making it a Criminal Offence to Participate in a Criminal Organisation in the Member States of the EU Official Journal L 351 of 29.12.1998, p. 1 Article 4: “Each Member State shall ensure that the types of conduct referred to in Article 2(1)(a) or (b) which take place in its territory are subject to prosecution wherever in the territory of the Member States the organisation is based or pursues its criminal activities, or wherever the activity covered by the agreement referred to in Article 2(1)(b) takes place. Where several Member States have jurisdiction in respect of acts of participation in a criminal organisation, they shall consult one another with a view to coordinating their action in order to prosecute effectively, taking account, in particular, of the location of the organisation's different components in the territory of the Member States concerned.” 22 December 1998 Joint Action on Corruption in the Private Sector Official Journal L 358 of 31.12.1998, p. 2 Article 7, “Jurisdiction”: “1. Each Member State shall take the necessary measures to establish its jurisdiction with regard to the offences referred to in Articles 2 and 3 where the offence has been committed: (a) in whole or in part within its territory; or (b) by one of its nationals, provided that the law of that Member State may require the conduct to be punishable also in the country where it occurred; or (c) for the benefit of a legal person operating in the private sector that has its head office in the territory of that Member State. 2. Any Member State may decide that it will not apply, or will apply only in specific cases or circumstances, the jurisdiction rule set out in: - paragraph 1(b), - paragraph 1(c). 3. Member States shall inform the General Secretariat of the Council accordingly where they decide to apply paragraph 2, where appropriate with an indication of the specific cases or circumstances in which the decision applies. 4. Any Member State which, under its law, does not extradite its own nationals shall also take the necessary measures to establish its jurisdiction with regard to the offences referred to in Articles 2 and 3, when committed by its own nationals outside its territory.” Initiative for a Council Framework Decision on criminal law protection against fraudulent or other unfair anti-competitive conduct in relation to the award of public contracts in the common market Official Journal C 253, 4.9.2000, p.3 Article 7, “Jurisdiction” ”1. Each Member State shall take the necessary measures to establish its jurisdiction with regard to a criminal offence pursuant to Article 2 where the criminal offence has been committed: (a) in whole or in part within its territory; or (b) by one of its nationals, provided that the law of that Member State may require the offence to be punishable also in the country where it occurred; or (c) for the benefit of a legal person that has its head office in the territory of that Member State. 2. Any Member State may decide that it will not apply, or will apply only in specific cases or circumstances, the rule set out in paragraph 1(b) and paragraph 1(c). 3. Member States shall inform the General Secretariat of the Council where they decide to invoke paragraph 2, where appropriate with an indication of the specific cases or circumstances in which that decision applies. 4. Any Member State which, under its law, does not extradite its own nationals shall take the necessary measures to establish its jurisdiction with regard to the criminal offences referred to in Article 2, when committed by its own nationals outside its territory.” Initiative for a Framework Decision on Combating Serious Environmental Crime Official Journal C 39, 11.2.2000, p. 4 Article 4: “1. Each Member State shall ensure that its authorities have jurisdiction in respect of serious environmental crime committed: (a) in whole or in part on its territory, including on vessels registered in that Member State; (b) by a natural person who is a national of or permanently resident in that Member State; (c) by a legal person based on its territory. 2. Where the criminal offence has been committed on the territory of another State, the national authorities' jurisdiction in the cases referred to in paragraph 1(b) and (c) may be conditional upon the matter also constituting a criminal offence under the legislation applicable in that other State. 3. Each Member State shall ensure that its authorities have jurisdiction in respect of serious environmental crime affecting or intended to affect its territory.” 29 May 2000 Framework Decision on Increasing Protection by Criminal Penalties and other Sanctions against Counterfeiting in Connection with the Introduction of the Euro Official Journal L 140, 14.6.2000, p. 1 Article 7, “Jurisdiction”: “1. Without prejudice to paragraph 2 of this Article: - each Member State shall take the necessary measures to establish its jurisdiction over the offences referred to in Articles 3 to 5, where the offence is committed in whole or in part within its territory, - Articles 8 and 9, as well as Article 17 of the Convention[149] are applicable to the offences referred to in Articles 3 to 5 of this framework Decision. 2. At least the Member States in which the euro has been adopted shall take the appropriate measures to ensure that the prosecution of counterfeiting, at least in respect of the euro, is possible, independently of the nationality of the offender and the place where the offence has been committed. 3. Where more than one Member State has jurisdiction and has the possibility of viable prosecution of an offence based on the same facts, the Member States involved shall cooperate in deciding which Member State shall prosecute the offender or offenders with a view to centralising the prosecution in a single Member State where possible.” 22 December 2000 Council Regulation(EC) No 44/2001 on jurisdiction and the recognition and enforcement of judgments in civil and commercial matters Official Journal L 12, 16 January 2001, p. 1 Article 28 1. Where related actions are pending in the courts of different Member States, any court other than the court first seized may stay its proceedings. 2. Where these actions are pending at first instance, any court other than the court first seized may also, on the application of one of the parties, decline jurisdiction if the court first seized has jurisdiction over the actions in question and its law permits the consolidation thereof. 3. For the purposes of this Article, actions are deemed to be related where they are so closely connected that it is expedient to hear and determine them together to avoid the risk of irreconcilable judgments resulting from separate proceedings. 28 May 2001 Framework Decision Combating Fraud and Counterfeiting of Non-Cash Means of Payment Official Journal L 149, 2.6.2001, p. 1 Article 9, “Jurisdiction”: “1. Each Member State shall take the necessary measures to establish its jurisdiction with regard to the offences referred to in Articles 2, 3, 4 and 5 where the offence has been committed: (a) in whole or in part within its territory; or (b) by one of its nationals, provided that the law of that Member State may require the conduct to be punishable also in the country where it occurred; or (c) for the benefit of a legal person that has its head office in the territory of that Member State. 2. Subject to of Article 10, any Member State may decide that it will not apply, or that it will apply only in specific cases or circumstances, the jurisdiction rule set out in: - paragraph 1(b); - paragraph 1(c). 3. Member States shall inform the General Secretariat of the Council accordingly where they decide to apply paragraph 2, where appropriate with an indication of the specific cases or circumstances in which the decision applies.” Proposal for a Council framework Decision laying down minimum provisions on the constituent elements of criminal acts and penalties in the field of illicit drug trafficking Official Journal C 304 E, 30.10.2001, p. 172 Article 9 “Jurisdiction and prosecution” “1. Member States shall take the necessary measures to establish their jurisdiction as regards the offences referred to in Articles 2 and 3 where: (a) the offence was committed entirely or partly within their territory; (b) the offender is one of their nationals; (c) the offence was committed for the benefit of a legal person established in their territory. 2. Member States may decide not to apply or to apply only in specific cases or circumstances the rules on jurisdiction set out in paragraph 1(b) and (c), if the offence in question was committed outside their territory. The Member States shall inform the General Secretariat of the Council and the Commission of their decision to apply the first subparagraph, where necessary indicating the specific cases or circumstances in which the decision will apply. 3. Member States which, by virtue of their legislation, do not extradite their nationals, shall take the necessary measures to enable them to establish their jurisdiction in respect of the offences referred to in Articles 2 and 3, where these are committed by one of their nationals outside their territory.” Initiative for a Convention on the suppression by customs administrations of illicit drug trafficking on the high seas Official Journal C 45, 19.2.2002, p. 8 Article 5, “Jurisdiction” ”1. Save as provided for in the Convention on mutual assistance and cooperation between customs administrations, Member States shall exercise sole jurisdiction in relation to offences committed in their territorial and national waters including situations where offences originated or are due to be completed in another Member State. 2. As regards the offences described in Article 3 and committed outside the territorial waters of a Member State, the Member State under whose flag the vessel was flying and on board which or by means of which the offence was committed shall exercise the preferential jurisdiction.” Proposal for a Council Framework Decision on combating racism and xenophobia Official Journal C 075 E, 26.3.2002, p. 269 Article 12, “Jurisdiction” ”1. Each Member State shall establish its jurisdiction with regard to the offences referred to in Articles 4 and 5 where the offence has been committed: (a) in whole or in part within its territory; or (b) by one of its nationals and the act affects individuals or groups of that State; or (c) for the benefit of a legal person that has its head office in the territory of that Member State. 2. When establishing jurisdiction in accordance with paragraph 1(a), each Member State shall ensure that its jurisdiction extends to cases where the offence is committed through an information system and: a) the offender commits the offence when physically present in its territory, whether or not the offence involves racist material hosted on an information system in its territory; b) the offence involves racist material hosted on an information system in its territory, whether or not the offender commits the offence when physically present in its territory. 3. A Member State may decide not to apply, or to apply only in specific cases or circumstances, the jurisdiction rule set out in paragraphs 1 (b) and (c). 4. Member States shall inform the General Secretariat of the Council and the Commission accordingly where they decide to apply paragraph 3, where appropriate with an indication of the specific cases or circumstances in which the decision applies.” 13 June 2002 Framework Decision on Combating Terrorism Official Journal L 164, 22.6.2002, p.3 Article 9 “Jurisdiction and prosecution” “1. Each Member State shall take the necessary measures to establish its jurisdiction over the offences referred to in Articles 1 to 4 where: (a) the offence is committed in whole or in part in its territory. Each Member State may extend its jurisdiction if the offence is committed in the territory of a Member State; (b) the offence is committed on board a vessel flying its flag or an aircraft registered there; (c) the offender is one of its nationals or residents; (d) the offence is committed for the benefit of a legal person established in its territory; (e) the offence is committed against the institutions or people of the Member State in question or against an institution of the European Union or a body set up in accordance with the Treaty establishing the European Community or the Treaty on European Union and based in that Member State. 2. When an offence falls within the jurisdiction of more than one Member State and when any of the States concerned can validly prosecute on the basis of the same facts, the Member States concerned shall cooperate in order to decide which of them will prosecute the offenders with the aim, if possible, of centralising proceedings in a single Member State. To this end, the Member States may have recourse to any body or mechanism established within the European Union in order to facilitate cooperation between their judicial authorities and the coordination of their action. Sequential account shall be taken of the following factors: - the Member State shall be that in the territory of which the acts were committed, - the Member State shall be that of which the perpetrator is a national or resident, - the Member State shall be the Member State of origin of the victims, - the Member State shall be that in the territory of which the perpetrator was found. 3. Each Member State shall take the necessary measures also to establish its jurisdiction over the offences referred to in Articles 1 to 4 in cases where it refuses to hand over or extradite a person suspected or convicted of such an offence to another Member State or to a third country. 4. Each Member State shall ensure that its jurisdiction covers cases in which any of the offences referred to in Articles 2 and 4 has been committed in whole or in part within its territory, wherever the terrorist group is based or pursues its criminal activities. 5. This Article shall not exclude the exercise of jurisdiction in criminal matters as laid down by a Member State in accordance with its national legislation.” 19 July 200 Framework Decision on Combating Trafficking in Human Beings Official Journal L 203, 1.8.2002, p. 1 Article 6, “Jurisdiction and prosecution”: “1. Each Member State shall take the necessary measures to establish its jurisdiction over an offence referred to in Articles 1 and 2 where: the offence is committed in whole or in part within its territory, or the offender is one of its nationals, or the offence is committed for the benefit of a legal person established in the territory of that Member State. A Member State may decide that it will not apply or that it will apply only in specific cases or circumstances, the jurisdiction rules set out in paragraphs 1(b) and 1(c) as far as the offence is committed outside its territory. 3. A Member State which, under its laws, does not extradite its own nationals shall take the necessary measures to establish its jurisdiction over and to prosecute, where appropriate, an offence referred to in Articles 1 and 2 when it is committed by its own nationals outside its territory. 4. Member States shall inform the General Secretariat of the Council and the Commission accordingly where they decide to apply paragraph 2, where appropriate with an indication of the specific cases or circumstances in which the decision applies.” 28 November 2002 Framework Decision on the Strengthening of the Penal Framework to prevent the Facilitation of unauthorised Entry, Transit and Residence Official Journal L 328, 5.12.2002, p. 1 Article 4, “Jurisdiction”: “1. Each Member State shall take the necessary measures to establish its jurisdiction with regard to the infringements referred to in Articles 1(1) and committed: in whole or in part within its territory; by one of its nationals, or for the benefit of a legal person established in the territory of that Member State. 2. Subject to the provisions of Article 5, any Member State may decide that it will not apply or that it will apply only in specific cases or circumstance, the jurisdiction rule set out in: - paragraph 1(b), - paragraph 1(c). 3. Each Member State shall inform the Secretary-General of the Council in writing if it decides to apply paragraph 2, where appropriate with an indication of the specific circumstances or conditions in which its decision applies.” Article 5, “Extradition and prosecution” “1. (a) Any Member State which, under its law, does not extradite its own nationals shall take the necessary measures to establish its jurisdiction over the infringements referred to in Article 1(1) when such infringements are committed by its own nationals outside its territory. (b) Each Member State shall, when one of its nationals is alleged to have committed in another Member State the infringements referred to in Article 1(1) and it does not extradite that person to that other Member State solely on the ground of his nationality, submit the case to its competent authorities for the purpose of prosecution, if appropriate. In order to enable prosecution to take place, the files, information and exhibits relating to the offence shall be transmitted in accordance with the procedures laid down in Article 6(2) of the European Convention on Extradition of 13 December 1957. The requesting Member State shall be informed of the prosecution initiated and of its outcome. 2. For the purpose of this Article, a "national" of a Member State shall be construed in accordance with any declaration made by that State under Article 6(1)(b) and (c) of the European Convention on Extradition, where appropriate as amended by any declarations made with respect to the Convention relating to extradition between the Member States of the European Union[150]. Initiative of the Hellenic Republic with a view to adopting a Council Framework Decision concerning the application of the ‘ne bis in idem’ principle Official Journal C 10, 26 March 2003, p. 24 THE COUNCIL OF THE EUROPEAN UNION, Having regard to the Treaty on European Union, and in particular Article 29, Article 31(d) and Article 34(2)(b) thereof, Having regard to the initiative of the Hellenic Republic (1), Having regard to the opinion of the European Parliament (2), Whereas: (1) The principle of ‘ne bis in idem’, or the prohibition of double jeopardy, i.e. that no one should be prosecuted or tried twice for the same acts and for the same criminal behaviour, is established as an individual right in international legal instruments concerning human rights, such as the Seventh Protocol to the Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms (Article 4) and the Charter of Fundamental Rights of the European Union (Article 50) and is recognised in all legal systems which are based on the concept of respect for and protection of fundamental freedoms. (2) The principle of ‘ne bis in idem’ assumes a special significance at a time when transborder crime is on the increase and problems of jurisdiction in connection with criminal prosecutions are becoming more complicated. The importance of this principle is furthermore apparent in the areas of asylum, immigration and extradition and within the framework of the European Union and in agreements between the Union or certain Member States and third countries. (3) Point 49(e) of the Action Plan of the Council and the Commission on how best to implement the provisions of the Treaty of Amsterdam on an area of freedom, security and justice (3) provides that measures will be established within five years of the entry into force of the Treaty ‘for the coordination of criminal investigations and prosecutions in progress in the Member States with the aim of preventing duplication and contradictory rulings, taking account of better use of the ne bis inidem principle’. (4) In the Programme of measures to implement the principle of mutual recognition of decisions in criminal matters (4) established by the Council and the Commission the ‘ne bis in idem’ principle is included among the immediate priorities of the Union, in particular as regards the taking into account of final criminal judgments delivered by a court in another Member State. Measure No 1 in that programme recommends a reconsideration of Articles 54 to 57 of the Convention implementing the Schengen Agreement, which reiterate the corresponding articles of the Convention between the Member States of the European Communities on Double Jeopardy, signed in Brussels on 25 May 1987, with a view to the full application of the principle of mutual recognition, which has, however, not been ratified by the Member States. (5) The Communication from the Commission to the European Parliament and the Council of 26 July 2002 on the mutual recognition of final criminal judgments acknowledges the positive contribution of the application of the ‘ne bis in idem’ principle to the mutual recognition of judgments and the strengthening of legal certainty within the Union, which presupposes confidence in the fact that judgments recognised are always delivered in accordance with the principles of legality, subsidiarity and proportionality. (6) In the legal systems of a number of States the principle of ‘ne bis in idem’ is recognised only at national level, i.e. vertically, observing the criminal procedure followed in the State in question. Such recognition is provided for either in constitutional provisions or in legal provisions and is based: (a) on Article 14(7) of the International Covenant on Civil and Political Rights of 19 December 1966; and (b) on Article 4 of the Seventh Protocol to the Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms. Transnational application of the principle, i.e. horizontally, is established by Articles 54 to 57 of Chapter 3 of the Convention implementing the Schengen Agreement. (7) The application of the ‘ne bis in idem’ principle has thus far raised many serious questions as to the interpretation or acceptance of certain substantive provisions or more general rules (e.g. the concept of idem) because of the different provisions governing this principle in the various international legal instruments and the difference in practices in national law. The aim of this Framework Decision is to provide the Member States with common legal rules relating to the ‘ne bis in idem’ principle in order to ensure uniformity in both the interpretation of those rules and their practical implementation. (8) Since the above objectives of the Framework Decision cannot be sufficiently achieved by the Member States and can therefore be better achieved at Union level, the Union may adopt measures, in accordance with the principle of subsidiarity. In accordance with the principle of proportionality, this Framework Decision does not go beyond what is necessary in order to achieve those objectives. (9) As regards Iceland and Norway this Framework Decision constitutes a development of the provisions of the Schengen acquis within the meaning of the Agreement concluded by the Council of the European Union and the Republic of Iceland and the Kingdom of Norway concerning the association of those two States with the implementation, application and development of the Schengen acquis (1) which fall within the scope of Article 1(B) of Council Decision 1999/437/EC of 17 May 1999 on certain arrangements for the application of that Agreement (2). (10) The United Kingdom is taking part in this Framework Decision in accordance with Article 5 of the Protocol integrating the Schengen acquis into the framework of the European Union annexed to the Treaty on European Union and to the Treaty establishing the European Community and with Article 8(2) of Council Decision 2000/365/EC of 29 May 2000 concerning the request of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland to take part in some of the provisions of the Schengen acquis (3). (11) Ireland is taking part in this Framework Decision in accordance with Article 5 of the Protocol integrating the Schengen acquis into the framework of the European Union annexed to the Treaty on European Union and to the Treaty establishing the European Community and with Article 6(2) of Council Decision 2002/192/EC of 28 February 2002 concerning Ireland's request to take part in some of the provisions of the Schengen acquis (4), HAS ADOPTED THIS FRAMEWORK DECISION: Article 1 Definitions For the purposes of this Framework Decision: (a) ‘criminal offences’ shall mean: — acts which constitute crimes under the law of each Member State, — acts which constitute administrative offences or breaches of order that are punished by an administrative authority by a fine, in accordance with the national law of each Member State, provided that they fall within the jurisdiction of the administrative authority and the person concerned is able to bring the matter before a criminal court; (b) ‘judgment’ shall mean any final judgment delivered by a criminal court in a Member State as the outcome of criminal proceedings, convicting or acquitting the defendant or definitively terminating the prosecution, in accordance with the national law of each Member State, and also any extrajudicial mediated settlement in a criminal matter; any decision which has the status of res judicata under national law shall be considered a final judgment; (c) ‘Member State of the proceedings’ shall mean a Member State in which the proceedings took place; (d) ‘lis pendens’ shall mean a case where, in respect of a criminal offence, a criminal prosecution has already been brought against a person, without a judgment having been delivered and where the case is already pending before a court; (e) ‘idem’ shall mean a second criminal offence arising solely from the same, or substantially the same, facts, irrespective of its legal character. Article 2 Right of any person not to be prosecuted or convicted twice for the same criminal offence 1. Whoever, as a result of committing a criminal offence, has been prosecuted and finally judged in a Member State in accordance with the criminal law and the criminal procedure of that State cannot be prosecuted for the same acts in another Member State if he has already been acquitted or, if convicted, the sentence has been served or is being served or can no longer be enforced, in accordance with the law of the Member State of the proceedings. 2. The procedure may be repeated if there is proof of new facts or circumstances which emerged after the judgment or if there was a fundamental error in the previous procedure which could have affected the outcome of the proceedings, in accordance with the criminal law and the criminal procedure of the Member State of the proceedings. Article 3 Lis pendens If, while a case is pending in one Member State, a criminal prosecution is brought in respect of the same criminal offence in another Member State, the following procedure applies: (a) preference is given to the forum Member State which will better guarantee the proper administration of justice, taking account of the following criteria: (aa) the Member State on whose territory the offence has been committed; (bb) the Member State of which the perpetrator is a national or resident; (cc) the Member State of origin of the victims; (dd) the Member State in which the perpetrator was found; (b) where a number of Member States have jurisdiction and the possibility of bringing a criminal prosecution in respect of a criminal offence based on the same actual events, the competent authorities of each of those States may, after consultation taking account of the criteria mentioned in paragraph (a), choose the forum Member State to be given preference; (c) where preference is given to the forum of one Member State, proceedings pending in the other Member States shall be suspended until a final judgment is delivered in the Member State whose forum was preferred. Where proceedings are suspended in a Member State, the competent authorities of that State shall immediately inform the corresponding authorities of the Member State whose forum was preferred. If for any reason no final judgment is delivered in the Member State whose forum was preferred, the competent authorities of the latter shall without delay inform the corresponding authorities of the first Member State which suspended proceedings. Article 4 Exceptions 1. A Member State may make a declaration informing the General Secretariat of the Council and the Commission that it is not bound by Article 2(1) and (2) if the acts to which the foreign judgment relates constitute offences against the security or other equally essential interests of that Member State or were committed by a civil servant of the Member State in breach of his official duties. 2. A Member State which makes a declaration pursuant to paragraph 1 shall specify the categories of offence to which the exception may apply. 3. A Member State may at any time revoke the declaration concerning the exceptions set out in paragraph 1. Such revocation shall be notified to the General Secretariat of the Council and to the Commission and will take effect from the first day of the month following the date of notification. 4. An exception which may be the subject of a declaration pursuant to paragraph 1 will not be applied if the Member State concerned has asked for the same offences to be prosecuted by the other Member State or has ordered the extradition of the person involved. Article 5 Accounting principle If a new prosecution is brought in a Member State against a person who has been definitively convicted for the same offences in another Member State the period of deprivation of freedom or fine handed down by that State in respect of those offences shall be deducted from the sentence which he would probably receive. As far as allowed by national law, any penalties other than deprivation of freedom which have been imposed, or penalties imposed in the framework of administrative procedures, shall also be included. Article 6 Exchange of information between competent authorities 1. If a prosecution has been brought against a person in a Member State and the competent authorities of the latter have reasons to believe that the charge concerns the same acts for which he has been definitively convicted in another Member State, those authorities shall request the relevant information from the competent authorities of the Member State of the proceedings. 2. The requested information shall be provided as soon as possible using all available technical means and shall be taken into account in order to determine whether the procedure is to be continued. 3. Each Member State shall make a declaration to the General Secretariat of the Council and to the Commission indicating the authorities which are authorised to request and receive the information referred to in paragraph 1. Article 7 Application of broader provisions The provisions of Articles 1 to 6 shall not preclude the application of broader national provisions on the rule of ‘ne bis in idem’ when it is connected with judgments delivered abroad. Article 8 Application 1. Member States shall take the measures necessary to comply with this Framework Decision before . . . (*). (*) Two years after the date of entry into force of this Framework Decision. 2. Member States shall transmit by the date referred to in paragraph 1 at the latest to the General Secretariat of the Council and to the Commission the text of the provisions transposing into their national law the obligations imposed on them under this Framework Decision. 3. On the basis of this information the Commission shall submit before [. . .] a report to the European Parliament and the Council on the application of this Framework Decision, accompanied where necessary by legislative proposals. 4. The Council shall assess before [. . .] the measures adopted by the Member States in order to comply with the provisions of this Framework Decision. Article 9 Repeal Articles 54 to 58 of the 1990 Schengen Convention shall be repealed upon the entry into force of this Framework Decision. Where a Member State transposes this Framework Decision before that date, pursuant to Article 8(1), the provisions in question shall cease to apply to the Member State concerned from the date of transposition. Article 10 Entry into force This Framework Decision shall enter into force on the day of its publication in the Official Journal of the European Union.Done at Brussels,For the CouncilThe President Initiative for a Council Framework Decision concerning the prevention and control of trafficking in human organs and tissues Official Journal C 100 , 26.4.2003, p. 27 Article 7 “Jurisdiction and prosecution” ”Each Member State shall take the necessary measures to establish its jurisdiction over the offences referred to in Articles 2 and 3 where: (a) the offence is committed in whole or in part within its territory; (b) the perpetrator is one of its nationals; or (c) the offence is committed for the benefit of a legal person established in its territory.” 22 July 2003 Framework Decision on Combating Corruption in the Private Sector Official Journal L 192, 31/07/2003, p. 54 Article 7, “Jurisdiction” ”1. Each Member State shall take the necessary measures to establish its jurisdiction with regard to the offences referred to in Articles 2 and 3, where the offence has been committed: (a) in whole or in part within its territory; (b) by one of its nationals; or (c) for the benefit of a legal person that has its head office in the territory of that Member State. 2. Any Member State may decide that it will not apply the jurisdiction rules in paragraph 1(b) and (c), or will apply them only in specific cases or circumstances, where the offence has been committed outside its territory. 3. Any Member State which, under its domestic law, does not as yet surrender its own nationals shall take the necessary measures to establish its jurisdiction with regard to the offences referred to in Articles 2 and 3, when committed by its own nationals outside its territory. 4. Member States which decide to apply paragraph 2 shall inform the General Secretariat of the Council and the Commission accordingly, where appropriate with an indication of the specific cases or circumstances in which the decision applies.” 22 December 2003 Framework Decision on Combating the Sexual Exploitation of Children and Child Pornography Official Journal L 13, 20/01/2004, p. 44 Article 8, “Jurisdiction and prosecution”: “1. Each Member State shall take the necessary measures to establish its jurisdiction over the offences referred to in Articles 2, 3, and 4 where: (a) the offence is committed in whole or in part within its territory; (b) the offender is one of its nationals; or (c) the offence is committed for the benefit of a legal person established in the territory of that Member State. 2. A Member State may decide that it will not apply, or that it will apply only in specific cases or circumstances, the jurisdiction rules set out in paragraphs 1 (b) and 1 (c) where the offence is committed outside its territory. 3. A Member State which, under its laws, does not extradite its own nationals shall take the necessary measures to establish its jurisdiction over and to prosecute, where appropriate, an offence referred to in Articles 2, 3 and 4 when it is committed by one of its own nationals outside its territory. 4. Member States shall inform the General Secretariat of the Council and the Commission accordingly where they decide to apply paragraph 2, where appropriate with an indication of the specific cases or circumstances in which the decision applies. 5. Each Member State shall ensure that its jurisdiction includes situations where an offence under Article 3 and, insofar as it is relevant, under Article 4, is committed by means of a computer system accessed from its territory, whether or not the computer system is on its territory. 6. Each Member State shall take the necessary measures to enable the prosecution, in accordance with national law, of at least the most serious of the offences referred to in Article 2 after the victim has reached the age of majority.” 24 February 2005 Council Framework Decision on attacks against information systems Official Journal L 69, 16.3.2005, p. 67 Article 11, Jurisdiction ”1. Each Member State shall establish its jurisdiction with regard to the offences referred to in Articles 3, 4 and 5 where the offence has been committed: (a) in whole or in part within its territory; or (b) by one of its nationals and the act affects individuals or groups of that State; or (c) for the benefit of a legal person that has its head office in the territory of that Member State. 2. When establishing jurisdiction in accordance with paragraph (1)(a), each Member State shall ensure that it includes cases where: (a) the offender commits the offence when physically present on its territory, whether or not the offence is against an information system on its territory; or (b) the offence is against an information system on its territory, whether or not the offender commits the offence when physically present on its territory. 3. A Member State which, under its law, does not as yet extradite or surrender its own nationals shall take the necessary measures to establish its jurisdiction over and to prosecute, where appropriate, the offences referred to in Articles 2, 3, 4 and 5, when committed by one of its nationals outside its territory. 4. Where an offence falls within the jurisdiction of more than one Member State and when any of the States concerned can validly prosecute on the basis of the same facts, the Member States concerned shall cooperate in order to decide which of them will prosecute the offenders with the aim, if possible, of centralising proceedings in a single Member State. To this end, the Member States may have recourse to any body or mechanism established within the European Union in order to facilitate cooperation between their judicial authorities and the coordination of their action. Sequential account may be taken of the following factors: - the Member State shall be that in the territory of which the offences have been committed according to paragraph 1(a) and paragraph 2, - the Member State shall be that of which the perpetrator is a national, - the Member State shall be that in which the perpetrator has been found. 5. A Member State may decide not to apply, or to apply only in specific cases or circumstances, the jurisdiction rules set out in paragraphs 1(b) and 1(c). 6. Member States shall inform the General Secretariat of the Council and the Commission where they decide to apply paragraph 5, where appropriate with an indication of the specific cases or circumstances in which the decision applies. 12 July 2005 Framework Decision to strengthen the criminal-law framework for the enforcement of the law against ship-source pollution Official Journal L 255, 30.09.05, p.164 Article 7, Jurisdiction 1. Each Member State shall take the measures necessary to establish its jurisdiction, so far as permitted by international law, with regard to the offences referred to in Articles 2 and 3 where the offence has been committed: (a) fully or in part in its territory; (b) in its exclusive economic zone or in an equivalent zone established in accordance with international law; (c) on board of a ship flying its flag; (d) by one of its nationals if the offence is punishable under criminal law where it was committed or if the place where it was committed does not fall under any territorial jurisdiction; (e) for the benefit of a legal person with a registered office in its territory; (f) outside of its territory but has caused or is likely to cause pollution in its territory or its economic zone, and the ship is voluntarily within a port or at an offshore terminal of the Member State; (g) on the high seas, and the ship is voluntarily within a port or at an offshore terminal of the Member State. 2. Any Member State may decide that it will not apply, or that it will apply only in specific cases or circumstances, the jurisdiction rules set out in: (a) paragraph 1(d); (b) paragraph 1(e). 3. Member States shall inform the General Secretariat of the Council accordingly where they decide to apply paragraph 2, where appropriate with an indication of the specific cases or circumstances in which the decision applies. 4. When an offence is subject to the jurisdiction of more than one Member State, the relevant Member States shall strive to coordinate their actions appropriately, in particular concerning the conditions for prosecution and the detailed arrangements for mutual assistance. 5. The following connecting factors shall be taken into account : (a) the Member State in whose territory, exclusive economic zone or equivalent zone the offence was committed; (b) the Member State in whose territory, exclusive economic zone or equivalent zone the effects of the offence are felt; (c) the Member State in whose territory, exclusive economic zone or equivalent zone a ship from which the offence was committed is in transit; (d) the Member State of which the perpetrator of the offence is a national or a resident; (e) the Member State in whose territory the legal person on whose behalf the offence was committed has its registered office; (f) the Member State of the flag of the ship from which the offence was committed. 6. For the application of this Article, the territory includes the area referred to in Article 3(1)(a) and (b) of Directive 2005/35/EC. C. EU AND INTERNATIONAL RULES ON COORDINATION OF PROSECUTIONS 15 May 1972 Council of Europe European Convention on the Transfer of Proceedings in Criminal Matters ETS No. 073 Article 8: “1. A Contracting State may request another Contracting State to take proceedings in any one or more of the following cases: a) if the suspected person is ordinarily resident in the requested State; b) if the suspected person is a national of the requested State or if that State is his State of origin; c) if the suspected person is undergoing or is to undergo a sentence involving deprivation of liberty in the requested State; d) if proceedings for the same or other offences are being taken against the suspected person in the requested State; e) if it considers that transfer of the proceedings is warranted in the interests of arriving at the truth and in particular that the most important items of evidence are located in the requested State; f) if it considers that the enforcement in the requested State of a sentence if one were passed is likely to improve the prospects for the social rehabilitation of the person sentenced; g) if it considers that the presence of the suspected person cannot be ensured at the hearing of proceedings in the requesting State and that his presence in person at the hearing of proceedings in the requested State can be ensured; h) if it considers that it could not itself enforce a sentence if one were passed, even by having recourse to extradition, and that the requested State could do so; 2. Where the suspected person has been finally sentenced in a Contracting State, that State may request the transfer of proceedings in one or more of the cases referred to in paragraph 1 of this article only if it cannot itself enforce the sentence, even by having recourse to extradition, and if the other Contracting State does not accept enforcement of a foreign judgment as a matter of principle or refuses to enforce such sentence.” 26 July 1995 Convention on the protection of the European Communities’ financial interests Official Journal C 316 of 27 November 1995, page 49 Article 6, “Cooperation”: “1. If a fraud as define in Article 1 constitutes a criminal offence and concerns at least two Member States, those States shall cooperate in the investigation, the prosecution and in carrying out the punishment imposed by means, for example, of mutual legal assistance, extradition, transfer of proceedings or enforcement of sentences passed in another Member State. 2. When more than one Member State has jurisdiction and has the possibility of viable prosecution of an offence based on the same facts, the Member States involved shall cooperate in deciding which shall prosecute the offender or offenders with a view to centralizing the prosecution in a single Member State where possible.” 26 May 1997 Convention on the Fight against Corruption Involving Officials of the European Communities or Officials of Member States of the European Union Official Journal C 195 of 25 June 1997, page 2 Article 9, “Cooperation”: “1. If any procedure in connection with an offence established in accordance with the obligations arising out of Articles 2, 3, and 4 concerns at least two Member States, those States shall cooperate effectively in the investigation, the prosecution and in carrying out the punishment imposed by means, for example, of mutual legal assistance, extradition, transfer of proceedings or enforcement of sentences passed in another Member State. 2. Where more than one Member State has jurisdiction and has the possibility of viable prosecution of an offence based on the same facts, the Member States involved shall cooperate in deciding which shall prosecute the offender or offenders with a view to centralizing the prosecution in a single Member States[151] where possible.” 21 December 1998 Joint Action on Making it a Criminal Offence to Participate in a Criminal Organisation in the Member States of the EU Official Journal L 351 of 29/12/1998, p. 1 Article 4: “(…) Where several Member States have jurisdiction in respect of acts of participation in a criminal organisation, they shall consult one another with a view to coordinating their action in order to prosecute effectively, taking account, in particular, of the location of the organisation's different components in the territory of the Member States concerned.” 29 May 2000 Framework Decision on Increasing Protection by Criminal Penalties and other Sanctions against Counterfeiting in Connection with the Introduction of the Euro Official Journal L 140, 14/06/2000, p. 1 Article 7, “Jurisdiction”: “(…)3. Where more than one Member State has jurisdiction and has the possibility of viable prosecution of an offence based on the same facts, the Member States involved shall cooperate in deciding which Member State shall prosecute the offender or offenders with a view to centralising the prosecution in a single Member State where possible.” Proposal for a Council framework Decision laying down minimum provisions on the constituent elements of criminal acts and penalties in the field of illicit drug trafficking Official Journal C 304 E, 30.10.2001, p. 172 Article 10 “Cooperation between Member States” “1. In accordance with the conventions, bilateral and multilateral agreements and other arrangements in force, the Member States shall lend each other every possible assistance in the procedures relating to the offences referred to in Articles 2 and 3. 2. If several Member States have jurisdiction over an offence referred to in Article 2 or 3, they shall consult one another with a view to coordinating their action and, where appropriate, to bringing a prosecution. They shall make full use of judicial cooperation and other mechanisms. [1] Vgl. auch das Grünbuch zum strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften und zur Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft, KOM(2001) 715 endg., 6.3.1. [2] Aktionsplan des Rates und der Kommission zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags über den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, Rdnr. 49 (c, e), ABl. C 19 vom 23.1.1999, S. 1. [3] KOM(2000) 495 endg. [4] Vgl. Fußnote 3 und ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 10. Die in diesem Grünbuch erörterten Maßnahmen finden sich auch im so genannten Haager Programm wieder, das den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates (Brüssel 4./5. November 2004) als Anlage beigefügt ist; siehe insbesondere Ziff. 3.3.1 und 3.3. [5] Eine Zuständigkeitszuweisung durch eine etwaige Europäische Staatsanwaltschaft, für die der Vertrag über eine Verfassung für Europa in Artikel III-274 eine Rechtsgrundlage vorsieht, wird in diesem Grünbuch nicht erörtert. Die Kommission hat sich bereits in einem früheren Grünbuch mit einer diesbezüglichen Regelung auseinander gesetzt (KOM(2001) 715 endg). [6] Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Tampere vom 15./16. Oktober 1999, Ziff. 33 bis 37 (http://www.europarl.eu.int/summits/tam_de.htm); Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen, ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 10; Haager Programm, Anlage zu den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Brüssel vom 4./5. November 2004, Ziff. 3.3.1 (http://www.europarl.eu.int/summits). [7] Vgl. Mitteilung der Kommission zur Bilanz des Tampere-Programms, KOM(2004) 401 endg. [8] Vgl. die Hinweise auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs unter 11.3. [9] Vgl. Artikel 4 des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl, ABl. L 190 vom 18.7.2002, S. 1. [10] Vgl. Kapitel 13, insbesondere 13.2, der Mitteilung (KOM(2000) 495 endg.). [11] Projekt Nr. 2001/GRP/025. [12] Die Leitlinien wurden im Anhang zum Eurojust-Jahresbericht 2003 veröffentlicht (siehe www.eurojust.eu.int). [13] ABl. C 100 vom 26.4.2003, S. 24. [14] ABl. L 69 vom 16.3.2005, S. 67. Die Kommission hat eine solche Rangfolge auch in ihrem Vorschlag für einen Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität aufgestellt, KOM(2005) 6 endg., Artikel 7. [15] ABl. C 316 vom 27.11.1995, S. 49; ABl. C 313 vom 23.10.1996, S. 2 [16] ABl. C 195 vom 25.06.1997, S. 2 [17] ABl. L 140 vom 14.06.2000, S. 1. [18] ABl. L 149 vom 02.06.2001, S. 1. [19] ABl. L 164 vom 22.06.2002, S. 3. [20] ABl. L 203 vom 01.08.2002, S. 1. [21] ABl. L 328 vom 05.12.2002, S. 1. [22] ABl. L 192 vom 31.07.2003, S. 54. [23] ABl. L 13 vom 20.01.2004, S. 44. [24] ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8. [25] ABl. L 69 vom 16.3.2005, S. 67. [26] Übereinkommen vom 15.5.1972, SEV-Nr. 073. [27] Beschluss des Rates vom 28.2.2002, ABl. L 63 vom 6.3.2002, S. 1 (geändert durch den Beschluss des Rates vom 18.6.2003); ABl. L 245 vom 29.9.2003, S. 44. Vgl. auch den Bericht der Kommission über die Umsetzung des Eurojust-Beschlusses, KOM(2004) 457 endg. mit Anhang. [28] ABl. L 192 vom 31.07.2003, S. 54. [29] Gemeinsame Maßnahme betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 21.12.1998, ABl. L 351 vom 29.12.1998, S. 1. Die Kommission hat vorgeschlagen, diese Gemeinsame Maßnahme durch einen Rahmenbeschluss zu ersetzen, vgl. KOM(2005) 6 endg. [30] ABl. L 69 vom 16.3.2005, S. 67. [31] Zitiert aus dem Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung. Abgesehen von Artikel 4 der Gemeinsamen Maßnahme betreffend kriminelle Vereinigungen entspricht der Wortlaut der vorgenannten anderen Regelungen der hier zitierten. Die Kommission hat vorgeschlagen, diese Gemeinsame Maßnahme durch einen Rahmenbeschluss zu ersetzen, in den die hier zitierte Bestimmung aufgenommen werden soll, vgl. KOM(2005) 6 endg. [32] Beschluss 2003/48/JI des Rates vom 19. Dezember 2002 über die Anwendung besonderer Maßnahmen im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus gemäß Artikel 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP, ABl. L 16 vom 22.1.2003, S. 68. [33] Wie die Kommission in ihrem Bericht auf der Grundlage von Artikel 11 des Rahmenbeschlusses des Rates zur Terrorismusbekämpfung festgestellt hat, hat anscheinend „keiner der Mitgliedstaaten […] die Kriterien für die Lösung der in dieser Vorschrift [Artikel 9] aufgeführten positiven Kompetenzkonflikte in seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften übernommen“. KOM(2004) 409 endg. vom 8.6.2004. [34] ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1. [35] EuGH vom 14. Dezember 2000, Rs. C-344/98, Masterfoods, Rdnr. 48. [36] Vgl. Artikel 11 Absätze 3 bis 5 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003. [37] Artikel 11 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003. [38] Vgl. Maßnahmenprogramm, Ziff. 1.2 (Maßnahmen Nrn. 2 bis 4). [39] Vgl. Weissbuch betreffend den Austausch von Informationen über strafrechtliche Verurteilungen und deren Wirkung innerhalb der Europäischen Union, KOM(2005) 10, insbesondere Kap. 4. Vgl. des Weiteren: Mitteilung über bestimmte Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und anderer schwerwiegender Formen der Kriminalität und Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit betreffend terroristische Straftaten, KOM(2004) 221 endg.; Mitteilung betreffend den verbesserten Zugang zu Informationen für Strafverfolgungsbehörden, KOM(2004) 429 endg.; Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Austausch von Informationen aus dem Strafregister, KOM(2004) 664 endg. Überdies steht ein Vorschlag der Kommission für einen Rahmenbeschluss des Rates für angemessene Schutzmaßnahmen in Bezug auf den Transfer personenbezogener Daten für Zwecke der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen an. [40] Vgl. hierzu u. a.: Mitteilung über bestimmte Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und anderer schwerwiegender Formen der Kriminalität und Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit betreffend terroristische Straftaten, KOM(2004) 221 endg.; Mitteilung betreffend den verbesserten Zugang zu Informationen für Strafverfolgungsbehörden, KOM(2004) 429 endg.; Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Austausch von Informationen aus dem Strafregister, KOM(2004) 664 endg. Überdies steht ein Vorschlag der Kommission für einen Rahmenbeschluss des Rates für angemessene Schutzmaßnahmen in Bezug auf den Transfer personenbezogener Daten für Zwecke der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen an. [41] Initiative des Königreichs Schweden im Hinblick auf die Annahme eines Rahmenbeschlusses über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, insbesondere in Bezug auf schwerwiegende Straftaten einschließlich terroristischer Handlungen, ABl. C 281 vom 18.11.2004, S. 5. [42] Übereinkommen vom 20.4.1959, Europarat, SEV-Nr. 030. Vgl. auch das Zusatzprotokoll, SEV-Nr. 099 vom 17.3.1978, sowie das zweite Zusatzprotokoll, SEV-Nr. 182 vom 8.11.2001. [43] Vgl. Erklärung zum Kampf gegen den Terrorismus (Brüssel, 25. März 2004), 5 a). [44] KOM(2004) 664 endg. [45] Vgl. das Weissbuch betreffend den Austausch von Informationen über strafrechtliche Verurteilungen und deren Wirkung innerhalb der Europäischen Union, KOM(2005) 10 endg. [46] Z. B. hat in Frankreich ein ‘arrêt de non-lieu pour de motifs de fait’ keine volle Rechtskraft, auch wenn es von einer ‘chambre d’accusation de la cour d’appel’ ausgesprochen wurde (vgl. Articles 188, 189 Code de Procédure Pénale). [47] Vgl. u. a. § 154 der deutschen Strafprozessordnung. [48] Nach Artikel 28 Absatz 3 der Verordnung stehen Klagen im Zusammenhang, “wenn zwischen ihnen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint …”. In Strafsachen könnte eine weniger enge Regelung vertreten und ein Zusammenhang angenommen werden, wenn z. B. das Verfahren denselben bzw. dieselben Angeklagten betrifft und dieselbe oder eine ähnliche Straftat (Eigentumsdelikte, Gewaltdelikte usw.). [49] Dies geht auch aus den Eurojust-Entscheidungsleitlinien „Die Lösung von Kompetenzkonflikten“ im Anhang zum Eurojust-Jahresbericht 2003 hervor (einsehbar unter www.eurojust.eu.int ). Danach sollte die erste Überlegung lauten: „Wo kann die Strafverfolgung durchgeführt werden?“, vgl. Jahresbericht, S. 61. [50] Artikel 7 der Übereinkunft über Verfahren in nordischen Staaten vom 6.2.1970, vgl. Rundschreiben C 65 vom 28.9.1970, geändert am 1.9.1979. Dieser Artikel gilt nur für Fälle extraterritorialer Zuständigkeit. Das Land, in dem die Straftat verübt wurde, muss in diesem Fall benachrichtigt werden. [51] ABl. L 140 vom 14.6.2000, S. 1. [52] Ein entsprechender Vorschlag der Kommission für einen Rahmenbeschluss des Rates für angemessene Schutzmaßnahmen in Bezug auf den Transfer personenbezogener Daten für Zwecke der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen ist in Vorbereitung. [53] Eurojust baut zurzeit ein sicheres IT-System auf. [54] Schaffung einer sichereren Informationsgesellschaft durch Verbesserung der Sicherheit von Informationsinfrastrukturen und Bekämpfung der Computerkriminalität, KOM(2000) 890 endg., S. 26. [55] In den vorgenannten Entscheidungsleitlinien (siehe Fußnote 48) heißt es: „Eurojust erwartet, dass alle derartigen Fälle, insbesondere jene, bei denen die Vertreter der jeweiligen Gerichtsbarkeiten nicht zu einer Einigung über den Ort der Strafverfolgung gelangen, zur unterstützenden Bearbeitung an seine Institution verwiesen werden“. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann den nationalen Behörden nahegelegt werden, derartige Fälle an Eurojust verweisen (sofern diese Einrichtung dafür zuständig ist). Langfristig wird es aber wohl erforderlich sein, das Fallaufkommen zu begrenzen oder die Kapazität von Eurojust anzupassen. [56] Vgl. Artikel 7 des Kommissionsvorschlags für einen Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, KOM(2005) 6 endg. [57] Rs. C-493/03. [58] Informelle Vereinbarung auf einem Workshop zwischen den Generalanwälten und dem Bundesanwalt vom 6. – 8. Mai 2002. Mit diesem Verfahren sollen mehrere Verfahren gegen denselben Täter oder dieselbe Tätergruppe (nicht unbedingt wegen derselben Tat) zusammengefasst werden. Es könnte sich jedoch auch für den Fall eignen, dass mehrere Mitgliedstaaten dieselbe Tat strafrechtlich verfolgen. [59] Während Eurojust nach Artikel III-273 Absatz 1 Buchstabe a des Verfassungsvertrags (auf der Grundlage eines Europäischen Gesetzes) strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen einleiten kann, kann es die Einleitung strafrechtlicher Verfolgungsmaßnahmen, die nach wie vor nur von nationalen Behörden durchgeführt werden, nur vorschlagen. [60] Vgl. hierzu u. a. Artikel 19 Absatz 4 des Ratsbeschlusses zur Errichtung von Eurojust. [61] Ein ähnlicher Weg wird im Grünbuch zum strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften und zur Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft beschritten, KOM(2001) 715 endg. [62] In diesem Fall müsste das Wort „Klage“ durch „Strafverfolgung“ und/oder „Ermittlungen“ ersetzt werden. [63] Es wäre zu prüfen, ob in Fällen äußerster Dringlichkeit bestimmte Maßnahmen (z. B. Sicherstellung von Vermögensgegenständen) nicht vielleicht doch von anderen Behörden ergriffen werden können, die ihr eigenes Verfahren bzw. die Strafverfolgung ausgesetzt haben. [64] Dies dürfte bei einem funktionierenden Informationsaustausch, wie oben beschrieben (siehe 5.2), selten vorkommen. [65] Vgl. „New Start Report“ unter 3.5, Europarat, PC-S-NS(2002) 7. [66] Siehe Fußnote 50. [67] Europäisches Übereinkommen vom 15. Mai 1972 über die Übertragung der Strafverfolgung, Europarat, SEV-Nr. 073. [68] ABl. L 351 vom 29.12.1998. S. 1. [69] ABl. L 164 vom 22.6.2002, S. 3. [70] Siehe Anhang. [71] In der vor dem Internationalen Gerichtshof verhandelten Rechtssache Yerodia , Demokratische Republik Kongo/Belgien (Urteil vom 14.2.2002), machte Kongo geltend, Belgien habe, als es einen kongolesischen Minister strafrechtlich verfolgt habe, gegen den aus dem Prinzip der souveränen Gleichheit aller UNO-Mitglieder folgenden Grundsatz verstoßen, dass ein Staat seine Hoheitsgewalt nicht im Gebiet eines anderen Staats ausüben darf. Der Gerichtshof äußerte sich jedoch zu diesem Punkt selbst nicht, da er ihn nicht als für das Urteil erheblich betrachtete. Wie weiter unten ausgeführt, ist jedoch in mehreren internationalen Übereinkommen eine Strafgerichtsbarkeit über das Territorialitätsprinzip hinaus vorgesehen. [72] Dass das Territorialitätsprinzip nicht in Artikel 8 des Übereinkommens über die Übertragung der Strafverfolgung aufgeführt ist, lässt sich möglicherweise damit erklären, dass die Verfasser des Übereinkommens davon ausgegangen sind, dass es sich bei dem Staat, der ein Strafverfolgungsersuchen an einen anderen Staat richtet, im Prinzip um den Staat handelt, in dem die Straftat verübt wurde; vgl. u. a. die Grundsätze in Artikel 7 Absatz 1 und Artikel 11 Buchstabe h des Übereinkommens. [73] Vgl. u. a. den Rahmenbeschluss des Rates vom 15. März 2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren, ABl. L 82 vom 22.3.2001, S. 1. [74] Rahmenbeschluss über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union, ABl. L 196 vom 2.8.2003, S. 45. Rahmenbeschluss über Geldwäsche sowie Ermittlung, Einfrieren, Beschlagnahme und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten, ABl. L 182 vom 5.7.2001, S. 1. [75] Der Rat hat eine politische Einigung über diesen Rahmenbeschlussentwurf vorbehaltlich der Zustimmung der nationalen Parlamente erzielt. Siehe hierzu Ratsdokument 10027/04. [76] Es sei darauf hingewiesen, dass kein Mitgliedstaat in Bezug auf die Anwendung des Grundsatzes Ne bis in idem auf die Verletzung von Amtspflichten nach Artikel 55 (1) c des Schengener Durchführungsübereinkommens eine Erklärung abgegeben hat, wonach er diese Bestimmung nicht anwenden wird. Siehe hierzu im Einzelnen 11.5 e). [77] KOM(2003) 688 endgültig. [78] Ein Europäischer Haftbefehl könnte in diesem Fall nicht mehr vollstreckt werden; vgl. Artikel 4 Absatz 4 und Artikel 3 Absatz 1 des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl. [79] ABl. L 164 vom 22.6.2002, S. 3. Ähnliche Bestimmungen finden sich im Rahmenbeschluss über Angriffe auf Informationssysteme, ABl. L 69 vom 16.3.2005, S. 67. [80] Wie in den Eurojust-Leitlinien (Gerichtsbarkeit, in der die Straftat „schwerpunktmäßig“ verübt oder der „meiste“ Schaden erlitten wurde). [81] Der seine Wurzeln im römischen Recht hat. [82] Sammlung der Europäischen Verträge (SEV) Nr. 117 (geändert durch das Protokoll Nr. 11; SEV Nr. 005 ist die EMRK), nicht von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert. [83] Dies geht aus dem Wortlaut des Internationalen Paktes von 1966 nicht eindeutig hervor, ergibt sich jedoch aus einem Aide-mémoire (UN Doc. A/4299 vom 3.12.1959, S. 17). Siehe auch UN-Menschenrechtskommission, 2.11.1987, A.P. v. Italy . [84] Siehe die Übersichten über den Stand der Ratifikation zu SEV Nrn. 070 und 073 unter http://conventions.coe.int (im Januar 2005 hatten 9 bzw.11 EU-Mitgliedstaaten diese Übereinkommen ratifiziert). [85] Zu Wortlaut und Stand der Ratifikation siehe http://ue.eu.int/ueDocs/cms_Data/docs/polju/EN/EJN231.pdf. [86] Siehe Artikel 3 der Beitrittsakte, ABl. L 236 vom 23.9.2003, S. 33, und Anhang I der Beitrittsakte (Nummer 2), S. 50. [87] Beschlüsse des Rates vom 29.5.2000, ABl. L 131 vom 1.6.2000, S. 43, und vom 28.2.2002, ABl. L 64 vom 7.3.2002, S. 20, hinsichtlich des Vereinigten Königreichs bzw. Irlands. [88] Beschluss des Rates vom 22.12.2004, ABl. L 395 vom 31.12.2004, S. 70. [89] Zum sachlichen Geltungsbereich siehe die beim EuGH anhängige Rechtssache C-436/04 (siehe auch die Rechtssache C-493/03, Hiebeler , die jedoch zurückgenommen wurde). [90] Siehe Artikel 6 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 29.5.2000, ABl. C 197 vom 12.7.2000, S. 1; Artikel 53 Schengener Durchführungsübereinkommen. Siehe ferner die erläuternden Berichte zum Auslieferungsübereinkommen und zum Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen, auf die diese EU-Übereinkommen Bezug nehmen (Übereinkommen des Europarats vom 13.12.1957, SEV Nr. 024, und vom 20.4.1959, SEV Nr. 030). [91] Siehe auch Artikel 3 Absatz 1 des Übereinkommens vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ABl. C 379 vom 29.12.2000, S. 7. Das Wort „auch“ am Ende des Absatzes macht deutlich, dass es sich bei dem Gericht, das angerufen werden kann, nicht um ein Gericht handeln muss, das sich ausschließlich mit Strafsachen befasst (siehe den erläuternden Bericht zu dem eingangs genannten Übereinkommen, ABl. C 379 vom 29.12.2000, S. 7). [92] Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Entscheidungen in Strafsachen, ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 10, Nummer 1.1. [93] Verbundene Rechtssachen C-187/01, Gözütok , und C-385/01, Brügge , [2003] Slg. I-1345, insbesondere Rdnrn. 27 ff. [94] Rechtssache C-469/03, Miraglia , Urteil vom 10. März 2005, noch nicht in der Sammlung veröffentlicht. [95] Siehe auch Artikel 53 des Europäischen Übereinkommens über die internationale Geltung von Strafurteilen vom 28.5.1970 (SEV Nr. 070) und Artikel 35 des Europäischen Übereinkommens über die Übertragung der Strafverfolgung vom 15.5.1972 (SEV Nr. 073). [96] Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl (RB-EuHB), ABl. L 190 vom 18.7.2002, S. 1, Rahmenbeschluss über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen, ABl. L 76 vom 22.3.2005, S. 16, und Rahmenbeschluss über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union, ABl. L 196 vom 2.8.2003, S. 45. Siehe auch Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a des Entwurfs eines Rahmenbeschlusses über die gegenseitige Anerkennung von Einziehungsentscheidungen, ABl. L 76 vom 22.3.2005, S. 16 [über Einziehungsentscheidungen hat der Rat eine politische Einigung erzielt, für die jedoch Parlamentsvorbehalte mehrerer Mitgliedstaaten bestehen, siehe Dok. 10027/04 des Rates, Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a]. [97] Alle genannten Mitgliedstaaten haben von Buchstabe a Gebrauch gemacht, vier von ihnen (AT, DK, EL und FI) auch von Buchstabe b. [98] ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 10, Nummer 1.1 Maßnahme Nr. 1. [99] ABl. C 316 vom 27.11.1995, S. 48, von allen Mitgliedstaaten ratifiziert und seit Oktober 2002 in Kraft. [100] ABl. C 195 vom 25.6.1997, S. 1, von 20 Mitgliedstaaten ratifiziert (Stand: Januar 2005), noch nicht in Kraft. [101] ABl. L 190 vom 18.07.2002, S. 1. [102] Verbundene Rechtssachen C-187/01, Gözütok , und C-385/01, Brügge , [2003] Slg. I-1345. [103] A. a. O., Rdnrn. 36 und 37. [104] A. a. O., Rdnr. 33. [105] A. a. O., Rdnr. 30. [106] A. a. O., Rdnr. 31. [107] Nämlich, ob die Ausfuhr von Suchtstoffen aus einem Mitgliedstaat und die Einfuhr (derselben Suchtstoffe) in einen anderen Mitgliedstaat als „dieselbe Tat“ im Sinne des Artikels 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens anzusehen sind. [108] Die Rechtssache C-272/05, Bouwens , ist vom Gerichtshof bis zur Entscheidung in der Rechtssache Van Esbroeck ausgesetzt worden. [109] ABl. C 100 vom 26.4.2003, S. 24. Die Initiative enthielt in Artikel 3 auch eine Regelung für den Fall der Rechtshängigkeit. [110] Entschließung Nr. 7246/2003 - C5-0165/2003 - 2003/0811(CNS), P5_TA(2003)0354. [111] Siehe Dokument Nr. 11161/04 des Rates. [112] Siehe auch oben Fußnote 3. [113] Wie oben erläutert würden solche Vorschriften nicht nur Kompetenzkonflikte vermeiden (Artikel 31 Absatz 1 Buchstabe d), sondern es der EU auch ermöglichen, die Zusammenarbeit und die Auslieferung bzw. Überstellung von Personen weiter zu erleichtern (Buchstaben a und b). Sollten sie auch Mindestvorschriften umfassen, so würden sie auch die Vereinbarkeit der Vorschriften der Mitgliedstaaten untereinander gewährleisten (Artikel 31 Absatz 1 Buchstabe c). [114] Zum Fall mehrerer Disziplinarverfahren siehe das Urteil des EuGH vom 15.3.1967, Gutmann gegen Kommission , verbundene Rechtssachen 18 und 35/65, [Deutsche Ausgabe 1967] Slg. 80. [115] Zum Verhältnis zwischen Zivil- und Strafurteilen siehe die Antwort von Mitglied der Kommission Vitorino auf die schriftliche Anfrage P-1476/01 von MdEP Baroness Sarah Ludford, ABl. C 350 E vom 11.12.2001, S. 166. [116] Der Versuch einer Definition findet sich in den Schlussanträgen von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache C-240/90, Deutschland gegen Kommission , Rdnr. 11. [117] Siehe z. B. Artikel 49 des Schengener Durchführungsübereinkommens und Artikel 3 Absatz 1 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. [118] Verbundene Rechtssachen C-187/01, Gözütok , und C-385/01, Brügge , Urteil vom 11. Februar 2003, [2003] Slg. I-1345, insbesondere Rdnrn. 30 und 33. [119] Übereinkommen vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ABl. C 379 vom 29.12.2000, S. 7. [120] Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Austausch von Informationen aus dem Strafregister, KOM(2004)664 endg. vom 13.10.2004. [121] Siehe zum Beispiel die Rechtssache Öztürk , Urteil vom 21. Februar 1984 (Beschwerde Nr. 8544/79), die Rechtssache Engel und andere , Urteil vom 8. Juni 1976 (Beschwerden Nrn. 5100/71, 5101/71, 5102/71, 5354/72 und 5370/72) und die Rechtssache Neste und andere , Urteil vom 3. Juni 2004. [122] Dem Begriff der Schuld kommt im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit grundlegende Bedeutung zu, was durch die Unschuldsvermutung bestätigt wird (Artikel 6 Absatz 2 EMRK, Artikel 48 Absatz 1 Grundrechtscharta). Unter besonderen Umständen können andere Begriffe verwendet werden. [123] Die Möglichkeit der Amnestie oder Begnadigung in einem anderen Mitgliedstaat würde der gegenseitigen Anerkennung zuwiderlaufen und wird daher hier nicht erörtert. [124] Artikel 692 des französischen code pénale , an dem sich der Wortlaut des Artikels 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens zum Teil orientiert hat, erwähnt ausdrücklich die Begnadigung („ … qu’il a subi ou prescript sa peine ou obtenu sa grace “). [125] Verbundene Rechtssachen C-187/01, Gözütok , und C-385/01, Brügge , Urteil vom 11. Februar 2003, [2003] Slg. I-1345, insbesondere Rdnrn. 27 bis 29 und 33. [126] Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der EuGH außerhalb des Geltungsbereichs des Schengener Durchführungsübereinkommens, in einem Wettbewerbsfall (Verbundene Rechtssachen C-238/99 P, C-244/99 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-252/99 P und C-254/99 P, Limburgse Vinyl Maatschappij und andere gegen Kommission (PVC II), [2002] Slg. I-8375, Rdnrn. 59, 62 und 96), zu ne bis in idem Folgendes entschieden hat: „ Die Anwendung dieses Grundsatzes setzt somit voraus, dass über das Vorliegen der Zuwiderhandlung entschieden oder die Rechtmäßigkeit ihrer Würdigung geprüft wurde. “ [127] Rechtssache C-469/03, Miraglia , Urteil vom 10. März 2005, noch nicht in der Sammlung veröffentlicht. [128] Siehe insbesondere die verbindlichen Fassungen von 1990, Niederländisch („feiten“), Französisch („faits“) und Deutsch („Tat“, was in der Rechtssprache ein tatsächliches Verhalten bedeutet). Die amtliche englische Übersetzung (ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 19/35) verwendet einen flexibleren Begriff („same acts“). Das EU-Übereinkommen über das Verbot der doppelten Strafverfolgung von 1987 verwendet jedoch ebenfalls den Begriff „same facts“. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist von „denselben wesentlichen Elementen“ („same essential elements“) die Rede. [129] Verbundene Rechtssachen C-187/01, Gözütok , und C-385/01, Brügge , Urteil vom 11. Februar 2003, [2003] Slg. I-1345, insbesondere Rdnr. 38; Rechtssache C-469/03, Miraglia , Urteil vom 10. März 2005, noch nicht in der Sammlung veröffentlicht, Rdnr. 32. [130] Die Rechtssache C-436/04, Van Esbroeck , könnte für den Gerichtshof Anlass sein, die Bedeutung des idem zu klären; in der Rechtssache C-493/03 waren dem EuGH ähnliche Fragen vorgelegt, später aber zurückgezogen worden. [131] Schlussanträge von Generalanwalt Colomer, Rdnrn. 44-52. [132] Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 29.5.2001 in der Rechtssache Franz Fischer (Beschwerde Nr. 37950/97), Rdnr. 25: Stellt sich heraus, dass eine Tat mehr als einen Tatbestand erfüllt, so ist zu prüfen, ob diese Tatbestände dieselben wesentlichen Elemente aufweisen oder nicht. Der Gerichtshof gelangt zu dieser Schlussfolgerung, weil Artikel 4 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK die Verfolgung und Bestrafung „wegen einer Straftat“ betrifft. [133] Diese Initiative wurde am 24.1.2005 vorgelegt, siehe Dok. Nr. 5597/05 des Rates. [134] Siehe oben Nummer 9. [135] Diese Vorschrift orientiert sich an Arbeiten der Vereinigung für internationales Recht; siehe den Bericht über ihre 67. Konferenz, Helsinki, 12.-17.8.1996, London 1996, S. 223. [136] Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme zu Ungunsten des Verurteilten sind häufig strenger als für eine Wiederaufnahme zu seinen Gunsten. [137] Dies ist angesichts des im Schengener Durchführungsübereinkommen angewandten Konzepts der gegenseitigen Anerkennung nur konsequent: Die Frage der Wiederaufnahme des Verfahrens bleibt dem Mitgliedstaat überlassen, in dem die erste Entscheidung ergangen ist. Zu Recht ist im Schengener Durchführungsübereinkommen nicht die Wiederaufnahme in einem anderen Mitgliedstaat vorgesehen, denn dies würde bedeuten, der ersten Entscheidung die Anerkennung zu verweigern. [138] Artikel 3 Absatz 2 RB-EuHB. [139] KOM(2003)688 endg. [140] Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c des Rahmenbeschlusses über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union, ABl. L 196 vom 2.8.2003, S. 45 (und nur, wenn eine Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem „unmittelbar ersichtlich“ ist). [141] ABl. L 76 vom 22.3.2005, S. 16; siehe Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a [über Einziehungsentscheidungen hat der Rat eine politische Einigung erzielt, für die jedoch noch Parlamentsvorbehalte bestehen, siehe Dok. 10027/04 des Rates, Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a]. [142] In KOM(2003)688 endg. verweist Artikel 15 Absatz 1 des Vorschlags für einen Rahmenbeschluss des Rates über die Europäische Beweisanordnung auf einen Rahmenbeschluss über die Anwendung des Verbots der Doppelbestrafung (siehe auch Absatz 2 in Bezug auf Verfahren in einem Drittstaat). [143] Siehe auch Artikel 10 des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, ABl. C 316 vom 27.11.1995, S. 49; Artikel 7 des Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind, ABl. C 195 vom 25.6.1997, S. 2; Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses über die gegenseitige Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen und über Einziehungsentscheidungen. [144] Siehe insbesondere die Übereinkommen des Europarats vom 28.5.1970 und vom 15.5.1972 (SEV Nrn. 070 und 073). [145] Siehe z. B. die oben erwähnten Übereinkommen des Europarats SEV Nr. 070 (Artikel 54 und 56) und SEV Nr. 073 (Artikel 36). [146] ABl. L 190 vom 18.7.2002, S. 1. [147] Über die gegenseitige Anerkennung von Einziehungsentscheidungen hat der Rat eine politische Einigung erzielt, für die jedoch noch ein (einzelstaatlicher) Parlamentsvorbehalt besteht; siehe Dok. 10027/04 des Rates. [148] ABl. L76 vom 22.3.2005, S. 16. [149] These provisions of the 20 April 1929 Geneva Convention for the Suppression of Counterfeiting Currency read as follows:“ Article 8 In countries where the principle of the extradition of nationals is not recognised, nationals who have returned to the territory of their own country after the commission abroad of an offence referred to in Article 3 should be punishable in the same manner as if the offence had been committed in their own territory, even in a case where the offender has acquired his nationality after the commission of the offence. This provision does not apply if, in a similar case, the extradition of a foreigner could not be granted. Article 9 Foreigners who have committed abroad any offence referred to in Article 3, and who are in the territory of a country whose internal legislation recognises as a general rule the principle of the prosecution of offences committed abroad, should be punishable in the same way as if the offence had been committed in the territory of that country.The obligation to take proceedings is subject to the condition that extradition has been requested and that the country to which application is made cannot hand over the person accused for some reason which has no connection with the offence. [150] OJ C 313, 23.10.1996, p. 12. [151] Sic. SICHERSTELLUNG EINER AUSGEWOGENEN ENTSCHEIDUNG DISKUSSION oder KONSULTATION Voraussetzung INFORMATION und INTERESSENFESTSTELLUNG (Kenntnisnahme der zuständigen Behörden von anderen Verfahren usw.) STREIT- BEILEGUNG /MEDIATION VEREINBARUNG BESTIMMUNG DER ZUSTÄNDIGEN GERICHTSBARKEIT GERICHTLICHE NACHPRÜFUNG ENTSCHEIDUNG DURCH EU- GREMIUM Verbindliche